Konzept zum Abbau von Klageverfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Bereich Sozialgesetzbuch II (SGB II)
I. zahlenmäßige Entwicklung im Klagebereich seit 2005
Klagenentwicklung nach Jahren
Jahr Eingang Erledigung Bestand
2005 124 27 97
2006 503 241 359
2007 1021 425 955
2008 1382 776 1561
2009 2004 1245 2320
2010* 679 899 2100
*bis 3.9.2010
II. Ausgangssituation/Handlungsbedarf
Ziel ist die deutliche Reduzierung des Bestands an anhängigen Klageverfahren.
Die PAGA hat im Vergleich mit den anderen Arbeitsgemeinschaften im Agentur- bezirk Potsdam bisher seit Jahresbeginn 2005 mit Abstand den höchsten Ein- gang an Klagen (5705 – 24.8.2010). Da der Klageeingang bis Ende 2009 immer die Zahl der Klageerledigungen überstieg, führte dies zu einem kontinuierlichen Aufbau des Bestandes an Klageverfahren. Im laufenden Jahr 2010 zeigt sich
erstmals eine Trendwende. Die Zahl der Klageerledigungen übersteigt den Kla- geeingang.
In der Rechtsbehelfsstelle der PAGA findet eine getrennte Bearbeitung von Kla- ge- und Widerspruchsverfahren statt. Derzeit sind von 12 SB-SGG drei SB-SGG ausschließlich mit der Klagesachbearbeitung betraut, wobei jeder SB-SGG ein Drittel der BG-Endnummern von 000-999 bearbeitet. Damit ist grundsätzlich je- dem Leistungsteam ein SB-SGG in der Klagesachbearbeitung zugeordnet. Der 1.SB-SGG ist neben der Führung und Steuerung der Rechtsbehelfsstelle mit der ausschließlichen Bearbeitung von Einstweiligen Anordnungsverfahren, allen zweit- und drittinstanzlichen Verfahren sowie den Kostenfestsetzungsverfahren (Klagen) betraut. Gerichtstermine werden von den drei SB-SGG wahrgenommen soweit der 1.SB-SGG diese nicht wahrnimmt.
Derzeit sind am Sozialgericht Potsdam 20 RichterInnen in 23 Kammern mit AS- Sachen betraut.
III. Prognose
Klagenentwicklung nach Jahren
Jahr Eingang Erledigung Bestand
2009 2004 1245 2320
2010 1020 1320 2030
2011 1000 1500 1530
2012 1000 1400 1130
2013 1000 1400 730
Der Prognose liegen im Wesentlichen die Zahlen des Jahres 2010 zugrunde. Da- nach gehen monatlich im Durchschnitt 85 Klagen ein und 110 Klagen werden er- ledigt. Unter Berücksichtigung der unter Ziff. IV. dargestellten Maßnahmen ergibt sich diese Grobprognose, die ggf. unterjährig anzupassen ist und weitere Einfluss-
IV. Maßnahmen/Umsetzung
1. Reduzierung Klageeingang
- Entgegen dem Trend bis Ende 2009 ist in 2010 ein starker Rückgang des Kla- geeingangs zu verzeichnen. Maßgeblich dafür ist, dass kontinuierlich über 90% aller Widerspruchsverfahren gemäß § 88 Abs. 2 SGG innerhalb von drei Monaten abschließend bearbeitet werden und diesbezüglich keine Untätig- keitsklagen erhoben werden. Dieser Zustand ist beizubehalten. Ziel ist, dass 100 % aller Widerspruchsverfahren innerhalb von drei Monaten erledigt wer- den. (verantwortlich 609)
- Vermeidbar sind insbesondere Untätigkeitsklagen nach § 88 Abs. 1 SGG, die insbesondere aufgrund der verfristeten Bescheidung von Überprüfungsanträ- gen nach § 44 SGB X erhoben werden. Hier ist es Aufgabe der Leistungs- teams die Überprüfungsanträge fristgerecht zu bearbeiten. Auf die entspre- chende Arbeitsanweisung zur Bearbeitung von Überprüfungsanträgen vom 01.05.2008 wird verwiesen (verantwortlich 611, 612, 613).
- Klagen gegen Widerspruchsbescheide hängen zumindest teilweise von der Qualität der Widerspruchsbescheide ab. Die interne Revision hat in ihrem Revisionsbericht vom 21.4.2010 zur Erfolgsquote in Klageverfahren festge- stellt, dass in fast 40% der Anerkenntnisse die Rechtsbehelfsstelle schon im Widerspruchsverfahren erkennen konnte, dass ein Klageverfahren verloren gehen würde. Im Rahmen der Umsetzung des geschäftspolitischen Schwer- punkts „Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung sicherstellen“ ist es erforder- lich die Qualität der Ausgangs- sowie auch der Widerspruchsentscheidungen zu verbessern. Rechtswidrigen Entscheidungen muss im Widerspruchsverfah- ren vollständig abgeholfen werden. Widerspruchsbescheide müssen formal und inhaltlich korrekt sowie für den Kunden verständlich ausgestaltet werden.
(verantwortlich 609)
- Im Ausführung der HEGA 08/10- 09 – Zusätzliches Beratungsangebot in den Grundsicherungstellen und weitere Maßnahmen zur Qualitätssteigerung in den Widerspruchsstellen ist den Kunden anzubieten, jederzeit - d.h. auch vor Klageerhebung – ein umfassendes Beratungsgespräch durchzuführen. Wider- spruchsbescheide, die einen besonderen Beratungsbedarf auslösen sollen dabei umfassend undnachvollziehbar erläutert werden.(verantwortlich 609 so- wie für Ausgangsbescheide 611, 612, 613)
- Eine abgrenzbare Zahl an Rechtsanwälten/innen mit einem erheblichen
„Marktanteil“ an Leistungsbeziehern nach dem SGB II hat sich im Bereich des Sozialgesetzbuches II auf die Führung von Klageverfahren spezialisiert. Auf- fallend ist auch eine „Spezialisierung“ auf einzelne Bedarfsgemeinschaften.
Klageintensive Bedarfsgemeinschaften müssen in der Leistungssachbearbei- tung besonders sorgfältig und qualitativ hochwertig bearbeitet werden. Ggf.
sollte im Bereich Markt und Integration eine verstärkte Vermittlung der Mitglie- der dieser Bedarfsgemeinschaften erfolgen.
2. Erhöhung Klageerledigung
Ein Klageverfahren kann nur durch eine Entscheidung des Gerichts (Urteil, Gerichtsbescheid) oder durch Anerkenntnis durch die PAGA bzw. Vergleich zwischen den Beteiligten oder durch Rücknahme Klage durch den Kläger be- endet werden.
Die Beendigung des Klageverfahrens durch Urteil/Gerichtsbescheid oder durch Rücknahme der Klage kann nicht durch die PAGA beeinflusst oder be- schleunigt werden. Der Erlass eines Urteils/Gerichtsbescheid hängt maßgeb- lich von der Terminierung einer Entscheidung durch das prozessleitende So- zialgericht ab. Aufgrund der massiven Aufstockung der Richterstellen am So- zialgericht Potsdam ist im Vergleich zu den Vorjahren eine deutlich höhere Er- ledigungszahl erkennbar. Erörterungstermine und öffentliche Sitzungstermine finden in hoher Dichte regelmäßig mehrmals wöchentlich statt.
Die Rücknahme einer Klage liegt allein im Ermessen des Klägers und kann durch die PAGA nicht beeinflusst werden.
Allein die Erledigung durch Anerkenntnis oder Vergleich kann durch die PAGA maßgeblich beeinflusst werden. Bei einem Bestand von 2100 Klageverfahren (Stand 3.9.2010) hat jeder SB-SGG Klagen überschlagen knapp 700 laufende Klageverfahren in seinem Bestand. Bis Ende Juli 2011 (9 Monate) soll jeder Sachbearbeiter kontinuierlich diesen laufenden Bestand auf die Möglichkeit der Erledigung durch Abgabe eines Anerkenntnisses (z.B. wegen geänderter Rechtsprechung, Weisungslage etc.) überprüfen. Dabei soll zwingend mit den ältesten Fällen begonnen werden.
3. Monitoring
Anhand der Fachanwendung coLei PC AlgII liegen unerledigte Fälle vor aus:
Jahr unerledigte Fälle
2006 11 2007 76 2008 416 2009 950
2010 576 (Stand: 26.10.2010)
Vom 01.11.2010 bis 30.07.2011 werden systematisch und chronologisch alle unerledigten Klageverfahren von 2006 bis 2009 auf die Möglichkeit der Abga- be eines Anerkenntnisses hin von dem jeweils zuständigen Klagesachbearbei- ter (3) überprüft und zwar in folgendem Zeitplan:
11/2010 Klagen aus 2006/2007
12/2010 bis 1/2011 Klagen aus 2008 2/2011 bis 7/2011 Klagen aus 2009
Jeder Klagesachbearbeiter legt die Fälle, in denen nach aktueller Weisungsla- ge oder - soweit nicht durch Weisung geregelt – Rechtsprechung die Möglich- keit eines Anerkenntnisses besteht dem 1. SB zur abschließenden Entschei- dung vor.
Sollte sich bei der Überprüfung der unerledigten Fälle ergeben, dass diese er- ledigt, jedoch versehentlich nicht ausgetragen worden sind, erfolgt die Austra- gung durch den zuständigen Sachbearbeiter selbst. Der 1. SB ist darüber zu informieren.
Über die Zahl der durch die Überprüfung erfolgten Klageerledigungen wird ei- ne separate Liste durch den 1.SB geführt.
Für Klagen aus 2010 gilt, dass im Rahmen der üblichen Klagebearbeitung so- fort überprüft wird, ob die Abgabe eines Anerkenntnisses möglich ist.
Potsdam, 26.10.2010 Petzold (1. SB-SGG)
Kitzmann (BL Leistung)