Koexistenz von konventioneller
Landwirtschaft, Biolandbau und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen –
eine ökologische Risikoanalyse
Dr. Kathrin Pascher
Universität Wien,
Department für Botanik und Biodiversitätsforschung
Division für Naturschutzbiologie, Vegetations- und
Landschaftsökologie
Wie viele gentechnisch veränderte Kulturpflanzenarten werden weltweit
in großem Umfang angebaut?
• 4
• 10
• 100
Die weltweit am häufigsten angebauten GV Kulturpflanzen im Jahre 2013
Quelle: ISAAA 2013
18 Mio. Landwirte bauten GVP im Jahr 2013 an
(davon 16,5 Mio. Kleinbauern; 2012: insg. 17,3 Mio. Landwirte)
Weltweiter Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen
(Quelle: C. James 2013, ISAAA: International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications)
.
Q u
USA: 70,1 Mio. ha Brasilien: 40,3 Mio. ha Argentinien: 24,4 Mio. ha Kanada: 10,8 Mio. ha (2012:
11,6 Mio. ha)
Indien: 11 Mio. ha mit Bt Baumwolle
Europa: 148,013 ha
mehr als 10% der globalen
Anbaufläche landwirtschaftlicher Nutzpflanzen (1500 Mio. ha)
Aktueller Stand 2013
des GVP Anbaus in der EU
• EU-Staaten (5 von 28): Spanien (2012: 136.962 ha),
Portugal (2012: 9.278 ha), Rumänien (217 ha), Slowakei (wenige ha), Tschechien (wenige ha)
• Spanien nach wie vor führend in Europa: Bt-Mais (MON810) Verwendung ausschließlich als Futter- oder Energiepflanze
• Gesamtanbau von MON810 in der EU 2012: 129.071 ha GV Maisanbau war in der EU bis dato rückläufig
(2009: 94.750 ha, 2008: 107.717 ha, 2007: 110.050 ha)
• Gesamtanbau von Amflora-Kartoffeln in der EU 2010 (Tschechien, Schweden, Deutschland): 450 ha
• Novellierung der RL 90/220/EWG durch die RL 2001/18/EG
• Notifizierung der vor dem Moratorium (1998-2004) nach der RL 90/220/EWG zugelassenen GVO
• Neue Rechtsvorschriften: Einrichtung der EFSA
• Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit:
EU-Verordnung 1829/2003, 1830/2003
Aktueller Stand
in der Europäischen Union
• Schwellenwerte für Saatgut nach wie vor in Diskussion:
Raps: 0,3%; Mais: 0,3%, 0,5%;
Zucker- und Futterrübe, Erdapfel: 0,5%
• Schwellenwert für GVO-Endprodukt: 0,9%
• Biolandbau: in Ö: 0,1% angestrebt
• Opt out-Klausel
Aktueller Stand
in der Europäischen Union
Situation in Österreich
• in Ö wurden nie GVO angebaut
• in allen Bundesländern Gentechnikvorsorgegesetze implementiert
• Verlängerung von vier nationalen Verbotsver-
ordnungen (Mais MON863; Raps GT73; Raps Ms8, Rf3, Ms8xRf3; Kartoffel - Amflora) gemäß § 60 GTG
• Firma Pioneer hat Saatgutproduktion nach Österreich verlagert
Gentechnische Veränderungen
• Herbizidresistenz (HR)
• Insektenresistenz (IR)
• Schädlings- und Krankheitsresistenz
• männliche Sterilität
• Verbesserung des Ertragspotentials
• veränderte Inhaltsstoffe in Nahrungspflanzen (Stärke, Vitamine:
z.B. Provitamin A, gesündere Fettsäurezusammensetzung,…)
• kombinierte Eigenschaften („stacked genes“, „stacked traits“)
• Ziel: erhöhte Toleranz gegenüber Kälte, Hitze, Salz, Trockenheit,...
• industrielle Stoffproduktion (verringerter Lignin-Anteil,…)
• pharmazeutische Substanzen (z.B. Impfstoffe)
Ökologische Effekte von GVO
• Entstehung von Super-Beikräutern
www.google.at www.google.at
• Gefährdung der Biodiversität
• Verlust der Sortenvielfalt von Kulturpflanzen
• Verlust der Artenvielfalt am Feld
• Verlust der Artenvielfalt in den Begleitstrukturen
• Verlust der Vielfalt an Lebensräumen im Agrarraum
Ökologische Effekte von GVO
Ausbreitungsmöglichkeiten der Transgene über
Pollen
(Auskreuzung auf verwandte Arten)
Samen
(Durchwuchs und Verwilderung)
Ausbreitungserfolg der Transgene
Faktor: Pollen
Anzahl der Kreuzungspartner
Verwandtschaftsgrad ⇒ Kreuzungspotential regionales Vorkommen
Häufigkeit (Individuen, Lokalitäten) überlappende Blühfenster
Vorhandensein potentieller Lebensräume
Kreuzungspartner
• verwandte angebaute Kulturpflanzen
• verwilderte Kulturarten
• verwandte wild
vorkommende Arten
GV Pollenverbreitung auf
nicht GV Felder: Beispiel: Bt Mais
nicht nachweisbar 0,1% bis 0,4%
0,5% bis 0,9%
1,0% bis 4,9%
> 5%
GV-Anbau
Einflussgröße Wind
rot: 1 ha, NO: 0,83%
grün: 0,25 ha, NO: 1,77%
blau: 0,25 ha, NO, Abst. 6m: 0,77%
Ausbreitungserfolg der Transgene Faktor: Samen
Verlust bei Ernte, Transport, Verladetätigkeiten, Vertragung, Erdmaterialumlagerungen, etc.
Beispiel:
Samenverluste am Rapsfeld200-300 kg Rapssamen / ha bei Ernte bei heißen Temperaturen und Wind:
Samenverluste am Feld bis zu 70%
hohe Beständigkeit der Samenbank Samen etwa 15 Jahre keimfähig
Ausfallraps
Rapsdurchwuchs
Kulturlandschaft in Österreich
• kleinteilige Kulturlandschaft mit kleinen Feldern und vielen Strukturelementen
• Kleinbetriebe häufig
• Biolandbau in Ö im Jahre 2013: 19,7% der österreichischen agrarisch genutzten Fläche (http://www.lko.at)
Spitzenreiter im Biolandbau in der EU, gefolgt von Schweden (15,4%) und Estland (14,8%)
• vielfältiger, reich strukturierter Agrarraum
Koexistenz
(aus der Studie Pascher & Dolezel 2005: Koexistenz von gentechnisch veränderten, konventionellen und biologisch angebauten Kulturpflanzen in der österreichischen Landwirtschaft.
http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Gentechnik/Fachinformation_Gruene_Gentechnik/), im Auftrag des ehemaligen BMGF
Cartoon aus der Zeitung Standard
Definition von Koexistenz
„Wahlfreiheit der LandwirtInnen zwischen konventionellen, biologischen und
GVO-Produktionsformen“
(EU Kennzeichnungsschwellenwerten + Reinheitskriterien)
„Wahlfreiheit der KonsumentInnen zwischen konventionellen, biologischen und
GVO-Produkten“
Ursachen zufälliger GVO-Kontaminationen
1. Verunreinigtes Saatgut
www.google.at, reset.org
2. Fremdbefruchtung
Bestäubungsform
Wind
Insekten
Berührungskontakt
Fortpflanzungssystem
selbstbefruchtend
fremdbefruchtend
3. Technische Kontaminationen
Quellen für GVO-Kontaminationen:
Transport Ernte
Lagerung
Verarbeitung
Verpackung
Maßnahmenkatalog zur Vermeidung von technischen Kontaminationen
Maßnahmen beim Anbau
reines Saatgut
Maßnahmen bei der Ernte
Einsatzplanung
Einstellung des Mähdreschers Reinigungsmaßnahmen
Maßnahmen bei Transport, Lagerung und Trocknung
vollständige Trennung der Prozesse
wenn keine vollständige Trennung der Prozesse möglich: prozessorientierte Maßnahmen
GVO-Simulation: Fragestellung
Wie viele Felder bzw. welche Flächen stehen nicht mehr für den Anbau konventioneller oder biologischer
Feldfrüchte zur Verfügung?
• Anbaumöglichkeit: GV / nicht GV
• unterschiedlicher GVO-Anteil (10%/50%)
• Verteilung der GV Felder: zufällig / geclustert
• Einhaltung von Isolationsdistanzen: 200m / 500m
!!!
!!!
!!!
!!
!!
!!
!!
!!!
!!!!!
!
!!
!
!!
!
! !! !
! !! !
! !!
!!!!
!
!
!
!!
!
!
!
!!
!
!!
! ! !!!
!!
!!
!!
!!!
!!!!!!! ! !!
!!!
! ! ! ! !!
!!!!
!!
!!
!!!!!!
!!
!!
!!
! ! ! !
!
!
! ! ! ! ! !
! ! ! ! ! !! ! ! ! !! !!
!!
! !!!
! !!!
! !!!
!!!
!!!
!!!
!!
!!!
!!!
!!!
!!
!!
!!!!!
!!
!
!!
!!
!!!!
! ! !! ! !!!
!
!
!
!
!
!
!
!
!!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
! ! ! !
! ! ! !
!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
!
Rapsfelder
Gehölze ! Durchwuchs- oder Ausfallraps Bahngleise
Rapsanbaugebiet Sigmundsherberg, Niederösterreich
Verbreitungswege
0 200 Meter
Rapsanbaugebiet Sigmundsherberg, Niederösterreich
(10% GVO Anbau, 200m Isolationszone, Pascher & Dolezel 2005)
zufällig verteilt geclustert
Legende Rapsfelder GV-Rapsfelder Isolationszone Gehölze
0 200 Meters
insgesamt:
44 Rapsfelder, 40 nicht GV Felder
Kathrin Pascher
Rapsanbaugebiet Sigmundsherberg, Niederösterreich
(10% GVO Anbau, 500m Isolationszone, Pascher & Dolezel 2005)
Rapsfelder
Gehölze
Abb. M. Dolezel
GV-Rapsfelder Isolationszone
zufällig verteilt geclustert
0 200 Meters
Legende
insgesamt:
44 Rapsfelder, 40 nicht GV Felder
Rapsanbaugebiet Sigmundsherberg, Niederösterreich
(50% GVO Anbau, 200m Isolationszone, Pascher & Dolezel 2005) Rapsfelder
Gehölze
Abb. M. Dolezel GV-Rapsfelder
Isolationszone
zufällig verteilt geclustert
0 500 Meter
insgesamt:
44 Rapsfelder, 22 nicht GV Felder
Rapsanbaugebiet Sigmundsherberg, Niederösterreich
(50% GVO Anbau, 500m Isolationszone, Pascher & Dolezel 2005) Rapsfelder
Gehölze
Abb. M. Dolezel GV-Rapsfelder
Isolationszone
geclustert zufällig verteilt
0 500
Meter
insgesamt:
44 Rapsfelder, 22 nicht GV Felder
Zusatzfaktoren für Felderverlust beim Anbau von GV Raps
häufiges Vorkommen von verwandten wilden und kultivierten Arten, sowie von verwildertem Raps
Duchwuchs häufig und in relativ leicht zu überbrückenden Entfernungen
langer Persistenz der Bodensamenbank
(15 Jahre)
Schlussfolgerung der Simulation
•
geclusterte Anordnung geringerer Flächenverlust als zufällige Verteilung
• je größer Isolationszonen gewählt werden, desto größer ist der Flächenverlust
• abgeschlossene Rapsproduktionsgebiete wären erforderlich und zielführend
Raps für Koexistenz unter den derzeitigen
Rahmenbedingungen in Österreich nicht
geeignet
www.google.at
„Zur Erntezeit waren Teds ethische Einwände bezüglich des Einsatzes von Froschgenen im Kartoffelanbau sofort wieder vergessen.“