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inige Wochen nach Ende der Feriensaison wurde mir endlich klar, warum Menschen in die Ferien fahren. Es ist nicht Fernweh, das schwer zu beschreibende Malaise, dieser letzte Rest des Nomaden in uns. Wir suchen auch nichts Neues, denn eigentlich ist es uns mit dem Gewohnten sehr wohl. Möglicherweise haben wir die Hoffnung, durch einen Ortswechsel die heimischen Ärgernisse hinter uns zu lassen. Doch da diese meist etwas mit uns selbst zu tun haben, kommen sie mit. Nein, wir reisen weg, um uns am Ferienort tüchtig zu ärgern, sehnsüchtig auf den Tag der Rückreise zu warten und uns dann – glücklich zurückgekehrt – hier wieder wohl zu fühlen. Genüsslich können wir unseren Freunden und Kollegen die Schre- ckenserlebnisse schildern. Da nichts behaglicher ist als gut überstandene Gräuel, ist die Zufriedenheit der

«Überlebenden» gross. Denn da der Mensch nicht in der Lage ist, sich lang dauernd und nachhaltig zu freuen, da er nicht täglich jubelt, wie gut es ihm geht, sondern trotz grossem Komfort unseres reichen Lan- des ständig herummault, muss er sich mindestens ein- mal pro Jahr ein bisschen quälen, um den Kontrast zu spüren. Anderswo ist es nämlich anders als in der Schweiz. Es fängt schon damit an, dass die Ausländer nicht Schweizerdeutsch sprechen und unser Schul - englisch schlecht verstehen. Missverständnisse sind vorprogrammiert. Zum Teil kommt sogar richtig Angst auf, wenn in der fernen Metropole drei dunkelhäutige Männer an einer Strassenecke leise, aber intensiv mit- einander reden und einen mit finsteren Blicken mus- tern. Planen sie einen Raubüberfall? Ist man das desi - gnierte Opfer? Alle Schauergeschichten von Über - fällen und Morden an Touristen gehen einem durch den Kopf. Zwar diskutieren die drei nur das Ergebnis des lokalen Fussballclubs und die Fehlleistungen des Schiedsrichters, aber man versteht sie eben leider nicht. Wieder zurück im Hotelzimmer fühlt man sich, als ob man einer gefährlichen Situation durch helden - haftes Verhalten entronnen ist. Doch schon droht die

nächste Attacke. Eine Kakerlake huscht durchs Bad.

Ungeheuerlich – es ist ein Riesenvieh! Von den Schre- ckensschreien alarmiert, rennen die Eingeborenen her- bei und verstehen nicht, was den Fremden so in Panik versetzt. Auch ein Grosseinsatz mit Insektenspray ver- mag nicht, ihn von seinen Verfolgungsideen zu be- freien. Wilde, gefährliche Tiere umgeben ihn, und er späht ängstlich hinter jeden Vorhang und in jede Ecke des Fünfsternhotels, damit sie ihn nicht anfallen. Selbst im Essen lauern sie, das dem Reisenden sowieso nicht schmeckt, weil die Ausländer anders kochen und würzen als wir es tun. Da Vollpension bezahlt wurde, wird aber tüchtig zugelangt, und die Ratschläge des Arztes betreffend Rohkost werden ignoriert. Und schon ist der Brechdurchfall da. Lange und häufige Sitzungen am stillen Örtchen führen zur Erkenntnis, dass es mit der sanitären Hygiene weniger gut bestellt ist als zu Hause.

Die bauliche Qualität des Feriendomizils entspricht auch nicht Schweizer Qualitätsstandards. Dünne Wände, ringhörige Böden, Zugluft durchs Fenster, Schimmel im Badezimmer und eine Matratze, die den Namen nicht verdient, lassen die heimische Vierzimmerwohnung zum Ort der Sehnsucht werden. Nach zwei bis drei Wochen Exil gehts dann wieder nach Hause, wobei die Strapazen der Reise das Heimweh noch anheizen.

Der Zöllner mag unfreundlich sein, aber wenigstens ist er es auf Züridütsch. Der Heimkehrende lässt sich er- leichtert in die Polster des Taxis fallen, das ihn ins lang vermisste Paradies bringt: die eigene Wohnung!

Die guten Nachbarn haben Katze und Blumen bestens betreut und den Kühlschrank mit bekömmlichen Schweizer Nahrungsmitteln gefüllt. Und am nächsten Tag geht es dann zum Hausarzt, dem man die furcht - baren Dinge beschreiben kann, die einem zugestos- sen sind. Er wird Antibiotika und Salben verordnen und empathisch zuhören. Auch die Kollegen im Büro wird der Abenteurer mit seinen Erzählungen bestens unter- halten. Und sie werden ihm beipflichten, dass die Ausländer unmögliche Typen sind, die keine Ahnung vom Bauen und Kochen haben.

Welcome home

A R S E N IC U M

E

MEDIEN, MODEN, MEDIZIN

992

ARS MEDICI 20 2014

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