• Keine Ergebnisse gefunden

Ansprache für die Absolventen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Ansprache für die Absolventen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

50

27. April 2007:

Ansprache für die Absolventen der

Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät

Eine Ansprache soll der Präsident der Universität anläßlich Ihrer Feier halten.

Im letzten Jahr hat er beim selben Anlaß über seine eigenen Examens- und Studien-Erfahrungen gesprochen, jenes Thema ist also leider verbrannt und kann in diesem Jahr nicht verwendet werden. Also improvisiere ich ein wenig über das, was heute im Mittelpunkt der Feier steht: über Preisurkunden, Dok- tordiplome und Diplomzeugnisse. Da Sie, verehrte Studierende, in Ihrem Stu- dium vermutlich deutlich mehr Gewicht auf das Englische denn auf das Alt- griechische gelegt haben und dafür gute Gründe hatten, wissen Sie vermutlich nicht, daß das Wort »Diplom« aus dem Altgriechischen stammt. Mit dem Be- griff diploma bezeichnete man eigentlich die aus zwei Teilen zusammengefüg- te Schreibtafel – zu Deutsch: Doppeltafel, eine mit Wachs gefüllte Holzrah- menkonstruktion. Hatte man es im Leben zu etwas gebracht, konnte anstelle von Holz auch durchaus ein Stück Elfenbein verwendet werden, gehörte man zur gesellschaftlichen Elite, wurde das Elfenbein noch verziert. Ich muß Ihnen leider sagen – und vielleicht wissen Sie es ja auch schon – ein so kostbares Di- plom haben Universität und Fakultät für Sie leider nicht erstellen können, für Holz oder gar Elfenbein reicht es unter den Bedingungen der Berliner Finan- zen nicht. Ganz im Gegenteil: Wenn der Präsident Ernennungen neuer Profes- soren vollzieht, liegt vor ihm eine kleine Regieanweisung der Personalabtei- lung, die den Unterpunkt »Ernennungsurkunde zusammen mit Schmuckmap- pe überreichen« enthält – und mit dem Wort »Schmuckmappe« bezeichnet unsere Personalabteilung einen weißen Doppelbogen aus verstärktem Karton.

Gewöhnlich werden Doktordiplome wie seit alters in Rollen überreicht – die Universität, die mir jüngst den Ehrendoktor verlieh, verwendete dafür eine Rol- le aus wunderbarem braunem Leder, andere Berliner Institutionen wenigstens eine Papprolle mit bedrucktem Kunstleinen – wir haben im Februar Marcel Reich-Ranicki ein Ehrendoktordiplom überreicht, das mit einer Schleife aus farbigem Band zusammengehalten war. Wenn Sie nun grübeln, ob ein Diplom, das gar nicht aus zwei Tafeln besteht, sondern allenfalls aus einem gefalteten Doppelbogen, überhaupt gültig ist, kann ich Sie beruhigen: Entscheidend ist – und das schon seit der Antike – die Beglaubigung durch Unterschrift und Sie- gel. Die Doktordiplome habe ich unterschrieben, und meine Sekretärin hat

(2)

51

hoffentlich gesiegelt, die anderen Diplome vermutlich Ihr Dekan und die Fa- kultätssekretärin analogice.

Warum improvisiere ich anläßlich eines so ernsten Ereignisses, Ihres Studien- bzw. Promotionsabschlusses so leicht, fast fl apsig über den Verfall der Diplomästhetik an der deutschen Universität – wobei ich darauf hinweise, daß ich die allerschlimmsten Ausfälle hier schamhaft verschweige? Um Ihnen an einem ganz naheliegenden Beispiel deutlich zu machen, daß wir hier an der Humboldt-Universität oft mit sehr bescheidenen Mitteln arbeiten müssen.

Aber viel mehr könnten, wenn wir mehr Sponsoren und Förderer hätten. Und nun ahnen Sie, warum ich über die Urkunden improvisiert habe: Bleiben Sie uns verbunden und geben Sie, wenn Sie zu Geld gekommen sind, Ihrer Univer- sität, der Humboldt-Universität zu Berlin, etwas zurück von dem, was Sie emp- fangen haben. Natürlich werden wir uns reifl ich überlegen, ob wir auch Rollen aus edlem Leder und Diplome auf Holz oder Elfenbein herstellen, gelegentlich tut es ja auch schon ein Schmuckumschlag, ein richtiger natürlich.

Aber mich interessiert selbstverständlich nicht nur das Geld. Seit Hum- boldts Zeiten zeichnet unsere Universität ein Nebeneinander von berufsferner Bildung und berufsbezogener Ausbildung aus, einige Fakultäten führen sogar direkt in Berufe – die medizinische, die juristische und die theologische. Die Wirtschaftswissenschaften bilden, wenn ich das recht sehe, eher für ein Be- rufsfeld aus. Damit wir aber wissen, ob wir gut ausbilden und wie gut wir aus- bilden und vor allem: wie wir besser ausbilden, brauchen wir Ihre Rückmel- dungen aus den ersten Berufsjahren. Auch an dieser Stelle ist wichtig, daß Sie mit Ihrer Universität und Fakultät verbunden bleiben.

Nun werden Sie gleich Ihr Diplom bekommen, nicht mehr zwei Tafeln, sondern ein Blatt Papier. Freuen werden Sie sich trotzdem wie die Schneeköni- ge, was zeigt, daß man auch mit ganz einfachen Dingen ungeheuer glücklich werden kann. Daß Sie glücklich auf die Zeit Ihres Studiums zurückschauen, daß Sie glücklich werden mit dem, was Sie studiert haben, und daß das Glück Sie in Ihrem Berufsleben nicht verlassen möge, wünscht Ihnen der Präsident Ihrer Universität, der den feierlichen Moment der Überreichung Ihrer Urkun- den leider nicht miterleben wird – aber ist natürlich im Geiste anwesend und mehr: einige Diplome tragen seine Unterschrift. Das ersetzt glatt zwei Tafeln.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die epidemiologische Studie in einer Region mit 125 746 Frauen zwischen 20 und 65 Jahren er- gibt, daß bei 150 000 Frauen mehrere Abstriche über eine Pe- riode von 15 Jahren gemacht

Im Lichte diese Variante wäre ein Satz nur dann sinnvoll, wenn sich eine konkrete Geschichte denkbarer und kausal erklärter Wahrnehmungserlebnisse ersinnen lässt, denen der

Aufgabe 40: In der Vorlesung wurde der Satz über die lokale Umkehrbarkeit verwendet, um die Aussage des Satzes über implizite Funktionen zu beweisen. Zeigen Sie, daß man

Betrachten Sie ein stetiges, quadratisch-integrierbares Martingal (X t ) t∈I und eine Stoppzeit T unter den ¨ublichen Voraussetzungen an die zugrunde

[r]

nutzen sein würde, weshalb ich mich gern mit dem gedruckten be- gnüge. 270; 3) die von Benecke mir nachgewiesenen ersten anführungen daraus in Goldasts erster ausgabe des Valerianus

das Bild jeder Abbildung in einer Zeile ist gleich dem Kern der nachfolgenden (soweit eine angegeben ist). (ii) Das Diagramm

Bin wunderschön und kugelrund, bin einfärbig, nur selten bunt, bin silbrig, golden, rot und blau, manchmal auch gelb, doch selten grau.. Nur einmal so im Jahreslauf tret’