Kapitel 3
Ar ithmetik
ArithmetikistdieLehrevondenZahlenundihrenVerkn
¨upfungen.
Vergessen,wasZahlensindundwasmanmitdenenallessomachenkann?Machtnichts.Diefol-gendenAbschnittesindalskleineErinnerungshilfegedacht. DereinhundertdreiundzwanzigsteNachfolgerderNullimdekadischenSystem(ZiffernderGrundperiode0,1,2,...,9)
1·10 2+2·10 1+3·10 0=123(3.1)
undimdyadischernSystem(ZiffernderGrundperiode0,1)
1·2 6+1·2 5+1·2 4+1·2 3+0·2 2
+1·2 1+1·2 0=1111011(3.2)
undimHexadezimalsystem(ZiffernderGrundperiode0,1,...,9,A,B,C,D,E,F)
7·16 1+B·16 0=7B(3.3)
Ach
¨ubrigens
–verwechselnSiebittenichtZahlmitZiffer.EineZahlisteinma-thematischenDing,dessenEigenschaftenineinemAxiomensystemoder
¨ahnlic
hemfestgelegtwerden.EineSymbolsequenzwie123istzun
Addition,das seZifferf¨urdeneinhundertdreiundzwanzigstenNachfolgerdesNeutralelementsder (arabisch:sifr).ImDezimalsystem,auchgenanntdasdekadischeSystem,stehtdie- ¨achstlediglicheineZiffer
¨ublic
herweisemit0bezeichnetwird.ImdyadischenSystem,auchge-nanntdualesSystem,w
¨are
dieseZahldurchdieZiffer1111011dargestellt,worin0wiegehabtdieZifferf¨urdasNeutralelementderAddition,und1dieZifferf¨urdenNachfolgervon0.MankannalsoZahlenganzunterschiedlichdarstellen.Sofernnichtausdr
dargestelltwobeiwirf¨urdiesog.GrundperiodeunseresSystemsdiearabischenZif- ¨ucklichvermerkt,werdenZahlenindieserVorlesungimDezimalsystem
c!MartinWilkens536.November2013
54Arithmetik
fern0,1,2,3,4,5,6,7,8,9verwenden,wobei1derNachfolgervon0,2derNachfolgervon1,...,9derNachfolgervon8.DerNachfolgervon9–dieZahl9+1–wirdmitderZiffer10bezeichnet,derNachfolgervon99mitderZiffer100undsoweiter.Allesklar?Nadannmallos...
3. 1 Di e rati onal en Z ahl en und di e Axi ome des K
¨or
p er s
Schonfr
¨uh
habenSie–unddieMenschheit–mitdenZahlen1,2,3,...gelerntzuz¨ahlen.AbererstMittedes19JhdtshatunsdieMathematikeinenpr
¨azisen
BegriffdieserZahlengeliefert.Demnachhandeltessichbei1,2,3,...umElementeeinergewissenMengeN,diedadurchcharakterisiertist,dassjedesElementvonNeinenundnureinenNachfolgerinNhat,und–mitAusnahmeeinesausgezeichneten“Startelements”–selberNachfolgergenaueinenElementsist.DiesobestimmteMengenenntmandieMengedernat
¨urlic
henZahlen,h
¨aufig
notiertinderForm 1
N={1,2,3,...}.(3.4)
Statt
¨ub
erdasAbz
¨ahlen
k¨onnen
nat
¨urlic
heZahlenauch
¨ub
erdieGr
¨oßen
bestim-mungvonMengeneingef
¨uhrt
werden.Demnachsteht1f¨urdieKollektionallerMengen,diegenaueinElementhaben(alsoKorbmiteinemApfel,KorbmiteinerBirneusw),und2f¨urdieKollektionderjenigenMengen,diezweiElementehaben
1ZuweilenwirdNunterEinbeziehungder“Null”definiert,unddiein(3.4)angegebenenMen-gewirdmitN∗bezeichnet.WirbleibenbeiunsererBezeichnung,undnotieren–sofernn¨otig–dieMenge{0,1,2,3,...}mitdemSymbolN0.DerGrundf¨urunserenStarrsinn:dieNullistkei-neAbz
¨ahlzahl,
undimAnhangwerdendienat
¨urlic
henZahlenaxiomatisch
Abz ¨uberdieKunstdes
¨ahlens
eingef
¨uhrt.
6.November201354c!MartinWilkens
3.1DierationalenZahlenunddieAxiomedesK
¨orpers55
usw.DieAbz¨ahlzahlennenntmanindiesemZusammenhangOrdinalzahlen,die“Mengengr
¨oßenzahlen”
nenntmanKardinalzahlen. 2 DasProduktdernat
¨urlic
henZahlenvon1biszueinergegebenenZahlnk¨urztmaninderNotationab,
n!=1·2·3·····n(3.5)
genanntn-Fakult¨at,undvereinbart0!:=1.DieFakult
derM Kombinatorik.DieZahln!istgenaudieZahl ¨atspielteinegroßeRolleindersog.
¨oglic
hkeiten,nverschiedeneObjekteineinerReiheanzuordnen(¨aquivalent:DieZahln!istdieAnzahlderPermutationennver-schiedenerElemente).Kombinatorischauchbedeutsamdiesog.Bi-nomialkoeffizienten!nk ":= n(n−1)...(n−k+1)k! ≡ n!k!(n−k)! .(3.6)DieZahl #nk $istgenaudieAnzahlderk-elementigenTeilmengeneinernichtleerenMengemitnElementen(Beweis:¨Ubung).Manbeachte,dassessichtrotzdesBruch-strichsbeieinemBinomialkoeffizientenimmerumeinenat
¨urlic
heZahlhandelt. Mitnat
¨urlic
henZahlenl¨asstsichabernichtnurz¨ahlen,sondernauchrechnen.Insbe-sonderelassensichzweinat
¨urlic
heZahlenaddierenodermultiplizieren,ohnedabeidenZahlbereichdernat
¨urlic
henZahlenzuverlassen.DieIhnenvertrauteSubtrak-tionistallerdingsnichtf¨urallenat
¨urlic
henZahlenerkl
¨art
–wasw
¨are
denndieZahl“EinsvermindertumZwei”?Hierhilfteinesog.Zahlbereichserweiterungdernat
¨urlic
henZahlenzudenganzenZahlenweiter,h
¨aufig
notiert
Z:={0,−1,1,−2,2,−3,3,...}.(3.7)
AlsneueSpielertretenhierdieNullunddienegativenZahlen(dassinddiemitdemvorangestelltenSymbol−,lies“minus”)inErscheinung.DieNullisteinedergenialstenErfindungenderMenschheit, 3dienegativenZahlenwarenbisinDescartesZeitenschlichteinUnding–mankonntesichunterihnennichtsrechtesvorstellen.
InderMengederganzenZahlenkannnunauchsubtrahiertwerden,ohneausderMengezufliegen.AllerdingsistDivisionnachwievornureingeschr
¨ankt
m¨oglic
h–wasw
¨are
denn“ZweigeteiltdurchDrei”?
UmhierweiterzukommenwirddieMengederganzenZahlenzurMengederra-
2TretenzueinemWettlaufdreiTeilnehmeran,n¨amlichAdelheid,BertaundCarl,k¨onntenbeispielsweiseBertaalsErste,CarlalsZweiter,undAdelheidalsDritteinsZielkommen.Die“drei”imletztenSatzbezeichnetdanndenUmfangderTeilnehmermenge,w
¨are
alsoeineKardinalzahl,w
¨ahrend
“Erster”,“Zweiter”und“Dritter”alsOrdinalzahlenfungieren.HabenalleTeilnehmerdasZielerreicht,w
¨are
alsodieTeilnehmermengemitHilfederOrdinalzahlenstruktuiert,st
¨unde
mitVergabedesPr
¨adiakts
“dieDritte”damitauchdieGesamtzahlderTeilnehmerfest(n
¨amlic
h“drei”).Kurz:endlicheOrdinalzahlenundKardinalzahlend¨urfengetrostidentifiziertwerden.3WunderbardasBuchTheNothingThatIsvonRobertKaplan(Penguin1999),derdeutscheTitelDieGeschichtederNull(Campus2001)eineziemlichbr
¨asige
¨UbersetzungdesOriginaltitels.
c!MartinWilkens556.November2013
56Arithmetik
tionalenZahlenerweitert,
Q:= %pq |p,q∈Z,q%=0 &.(3.8)
ImSinnederPythagor
¨aer
isteinerationaleZahlnichtsanderesalseineProportion–dasVerh
¨altnis
zweierkommensurablerStrecken,alsodasVerh
¨altnis
zweierStrecken,dieeingemeinsamesMaßaufweisen.W
¨ahlt
manalsMaßbeispielsweise“D
¨odel”,
soverhieltensichzweiD
¨odel
zuvierzehnD
¨odel
wieeinD
¨odel
zusiebenD
¨odel.
Inderheutzutagegebr
¨auc
hlichenNotation 17 = 214 –kurz 17 und 214 repr
¨asen
tierendiegleicherationaleZahl.VerallgemeinertschautmanhieraufdieK
¨urzungsregel
Abb3.1Addition–thePythagoreenstyle(viaParallelverschiebung). k·pk·q = pq ,(3.9)vonrechtsnachlinksgelesengenanntErweiterungsregel.DieZahlp
¨ub
erdemBruchstrichnenntmandenZ
¨ahler
,dieZahlqunterdemBruchstrichdenNennerdesBruchs pq .EinenBruchderForm 1q nenntmaneinenStammbruch.EinenBruchderForm p1 identifiziertmanmitderZahlp,also p1 =p,unddasbedeutet,dassdieganzenZahleneineTeilmengederrationalenZahlen,N⊂Z⊂Q.(3.10)
IndenrationalenZahlenstehenallevierGrundrechenartenuneingeschr
¨ankt
zurVerf
¨ugung.
Addition,Subtraktion,MultiplikationundDivisionvonrationalenZah-lensindinderBruchdarstellungdefiniert(p,q,r,ssindganzZahlen)
Abb3.2Multiplikation–thePythago-reenstyle(viaStrahlens
¨atze).
pq ± rs := p·s±r·qq·s (3.11)
pq · rs := p·rq·s ,(3.12)
pq ÷ rs := p·sq·r ,(3.13)
6.November201356c!MartinWilkens
3.1DierationalenZahlenunddieAxiomedesK
¨orpers57
wobeiwirhier–wieimFolgenden–stillschweigendvoraussetzen,dassdieNennerungleichNull.DerK
¨urzungsregel
seiDanksinddieDefinitionenunabh
¨angig
vomjeweiligenRepr
¨asen
tanten,sollheißenstattpundqd
¨urfen
siehierauchk·pundk·qsowien·rundn·sverwenden,ohnedieG
¨ultigk
eitzubeeintr
¨achtigen.
EinZahlbereichf¨urdenallevierGrundrechenartenuneingeschr
¨ankt
zurVerf
¨ugung
stehen,istausmathematischerSichteinDingvomTyp“K
¨orp
er”.
Definition“K
¨orp
er”:EinK
¨orp
erbestehtauseinerMengeKundzweiVerkn
¨upfun-
gen+:K×K→K(a,b))→a+b (3.14)
und·:K×K→K(a,b))→a·b (3.15)
diefolgendenAxiomengen
¨ugen
1.(a+b)+c=a+(b+c)
2.a+b=b+a
3.EsgibteinElement0∈Kmita+0=af¨urallea∈K
4.Zujedema∈KgibteseinElement−a∈Kmita+(−a)=0.
5.(a·b)·c=a·(b·c)
6.a·b=b·a
7.EsgibteinElement1∈K,1%=0,mit1·a=af¨urallea∈K.
8.Zujedema∈K,a%=0,gibteseina −1∈Kmita −1·a=1.
9.a·(b+c)=a·b+a·c
c!MartinWilkens576.November2013
58Arithmetik
Zugegebenermaßenetwasbarock–abersoistdashalt,wennmaneinsom
WerkzeugwiedieArithmetikeinfangenwill... ¨achtiges
Sie
¨ub
erzegensichineinerstillenMinute,dassdierationalenZahlenmitdenin(3.11–3.13)angegebenenRechenvorschriftendenK
¨orp
eraxiomengen
¨ugen.
Mansprichtdaherauchgernevom“K
¨orp
erderrationalenZahlen”.Dienat
¨urlic
henZah-lenoderdieganzenZahlenbildenkeinenK
¨orp
er–schließlichkannmaninihnennichtuneigeschr
¨ankt
dividieren(“ageteiltdurchb”wirdinK
¨orp
erspracheausge-dr
¨uckt“amalb”). −1
Abb3.3Wiemandiepositivenrationa-lenZahlenabz
¨ahlt.
AuchwennSieesnichtglaubenwollen–dierationalenZahlensindabz
¨ahlbar.
Esgibtn
¨amlic
heineBijektionN→Q–einUmstand,aufdenCantorerstmalshingewiesenhat.Sied
¨urfen
dasauchsolesen:esgibtgenausovielenat
¨urlic
heZahlenwieesrationaleZahlengibt–n
¨amlic
hℵ0(Aleph-Null,AlephistdasersteGlyphimHebr
¨aisc
henAlphabet),dieKardinalzahlvonN(undQ).Hatteichschonerw
¨ahn
t,dassesgenausovielegeradeZahlengibtwieesnat
¨urlic
heZahlengibt?GenausovieleganzeZahlen?UngeradeZahlen?Zahlendiedurch17teilbarsind?
LeidersindnichtalleZahlen,dieSieausderSchulekennen,rational.ImGegenteil–diemeistensindirrational.EinbeliebtesBeispieleinerirrationalenZahlistdieZahl √2,dieL
¨ange
derDiagonalenimEinheitsquadratbzw.diepositiveWurzelderGleichung
x 2−2=0.(3.16)
DerBeweis,dass √2nichtrational,isteinKlassiker.ErfindetsichschoneinEuklids“Elemente”.SeialsoaeinerationaleZahlmita 2=2.DanngibtesganzeZahlen
pundq>0,ohnegemeinsamenTeiler,sodassa= pq mit 'pq (2= p2
q2=2bzw.
p 2=2·q 2.Folglichp 2einegeradeZahl,somitpeinergeradeZahl,p=2·r,woreineganzeZahl,undq 2=2·r 2.EntsprechendauchqeinegeradeZahl,somitp,qnichtteilerfremd,imWiderspruchzurAnnahmen.qed
6.November201358c!MartinWilkens
3.2DiereellenZahlen59
3. 2 Di e reel len Z ahl en
NunistdieZahl √2istzwarnichtrational,istabermiteinemZirkelaufderZah-lengeradedurchausgeometrischkonstruierbar.AndereZahlen,wiebeispielsweiseπsindauchnichtrational,undsindnochnichteinmalgeometrischkonstruierbar 4
MitBlickaufdieZahlengeradesagtman,Qseidichtaberunvollst
¨andig.
Die“Dicht-heit”solldabeibedeuten,dasszwischenzweiverschiedenenrationalenZahlenaundbbeliebigvieleandererationaleZahlenliegen,undm
¨ogen
diebeidenZahlenaundbaufderZahlengeradennochsoengbeieinanderliegen.ZumBeweisnehmemandocheinfachzweiverschiedenerationaleZahlenaundb,undbestimmederenMittelc= 12 (a+b).DieZahlcistnun(1)auchrational,(2)liegtzwischenaundb,undist(3)wedergleichanochgleichb.NunbestimmemandasMittelvon,sagenwiraundc,odercundb,undmacheimmersoweiter.Undweil“immersoweiterma-chen”keinEndefindet,befindensichzwischenzweiverschiedenenrationalenZahlenbeliebigviele(dasisth
¨oflic
hf¨ur“unendlichviele”)andererationaleZahlen.
Unvollst
¨andigk
eitbedeutet,dassesFolgenrationalerZahlengibt,diezwarinsichkonvergieren,derenLimesabereineirrationaleZahl.MeinLieblingsbeispielindie-semZusammenhangdieFolgean:= #1+ 1n $n.F
¨ur
jedesn∈Nistaneinera-tionaleZahl,aberderGrenzwert–Eulerse–istirrational,gartranszendent,limn→∞an=e/∈Q.DaSieFolgenaber“offiziell”(d.h.imRahmendiesesKur-ses)nochgarnichtkennen,d
¨urfen
SiedasBeispielauchgleichwiedervergessen,m
¨ussen
mirdannabereinfachglauben,dassdierationalenZahlennichtvollst
¨andig
sind. JedereelleZahlxl¨asstsichmitrationalenZahlenbeliebiggenauschachteln,sollheißenf¨urjedes!>0lassensichrationaleZahlenr,sangebenmitr≤x≤sunds−r<!.HatmanGl
w ¨uck,undxistselberrational,so
¨ahle
mandocheinfachr=s=x,undfertigistdieLaube.Andernfallsfangemandochein-fachbeiirgendzweirationalenZahlenrundsan,diexumfassen.ManbestimmedanndenMittelpunktt= 12 (r+s)(aucheinerationaleZahl!),undschauenach,obxinderlinkenH
¨alfte
lokalisiertist,oderinderrechtenH
¨alf-
te.Istxinderlinken(rechten)H
¨alfte
lokali-siert,wiederholemandasganzemittanstelles(tanstellevonr).Sof¨ahrtmanfort,biss−rkleineristalsdievorgegebenenGenauigkeit!.
4Achtung:derKreisumfangeineKreisesmitEinheitsdurchmesserbetr
¨agt
zwarπ,aberdiesesπl¨asstsichalsGeradenst
¨uckmitZirkelundLinealnichtkonstruieren.Nat
¨urlic
hk¨onnenSieeineKreisscheibeaufderZahlengeradenabrollenlassen–womitSiew
¨ussten,
woungef
¨ahr
dieZahlπliegt–aberdasisthaltkeinegeometrischesonderneinephysikalischeKonstruktion.
c!MartinWilkens596.November2013
60Arithmetik
Vervollst
¨andigt
werdendierationalenZahlendurcheineZahlbereichserweiterungindenreellenZahlenR.DieErweiterungistetwasverwickelt,undwirddaheraufdieErg
¨anzungen
verschoben.Dortlerntmandann,dasssichdiereellenZahlenalskleinsteobereSchrankevonnachobenbeschr
¨ankten
TeilmengenderrationalenZahlendefinierenlassen. 5F
¨ur
unsereZweckereichtesaus,wennSiesichunterdenreellenZahlendiePunkteaufderZahlengeradevorstellen(Mathematikertundasauch,auchwennsiedasoffiziellnichtgernezugeben).NeueRechenregelnm
¨ussen
SiebeimUmgangmitdenreellenZahlen
¨ubrigens
nichtlernen.Wieschonf¨urdierationalenZahlenstehenauchf¨urdiereellenZahlenallevierGrundrechenartenzurVerf
¨ugung,
undesgeltendieRechenregelen,dieIhnenausderElementarmathematikvertrautsind.Kurz:auchdiereellenZahlengen
¨ugen
denK
¨orp
eraxiomen. EinenAusdruckderForma<b,wieaucheinenAusdruckderForma≤bnenntman
¨ubrigens
eineUngleichung.BeimUmgangmitUngleichungenleistenfolgendeGrund-regelnunsch¨atzbareDienste(Beweisinden¨Ubungen):
•F
¨ur
allea,b,c∈Rista≤b
¨aquiv
alenta+c≤b+c.
•BeiderMultiplikationmussmanmitdemVorzeichnenetwasaufpassen.Nurwenncpositivista≤b
¨aquiv
alentc·a≤c·b.Isthingegencnegativ,ista≤b
¨aquiv
alentc·b≤c·a.
3. 2. 1 Ar chi m edi sc he O rdn ung
¨UberihreK
¨orp
erhaftigkeithinaushabenreelleZahleneinewichtigeEigenschaft,diedieweiterunteneinzuf¨uhrendenkomplexenZahlennichtaufweisen:sielassensichanordnen.DemnachheißteinereelleZahlagenaudannkleinergleicheinerreellenZahlb,notierta≤b,wennb−anichtnegativ.DieRelation≤erf
¨ullt
dieKriterieneinerOrdnungsrelation:sieist1.reflexiv,denna≤a,2.antisymmetrisch,dennwenna≤bundb≤a,danngilta=b,und3.transitiv,dennwenna≤bundb≤c,danngilta≤c.DieOrdnungisttotal,auchgenanntlinear,dennf¨urjedesbeliebigePaarrellerZahlenl¨asstsichentscheiden,oba<b,b<aodera=b,undsieistarchimedisch:zujezweireellenZahlen0<x<ygibteseinenat
¨urlic
heZahlnsodassy<nx.DieArchimedischeOrdnungdarfmanauchlesen“esgibtkeineunendlichkleinenZahlen”,unddasganzenunzusammengefasst:diereellenZahlenbildeneinenvollst
¨andigen,
archimedischgeordnetenK
¨orp
er. WichtigeTeilmengenderreellenZahlensinddieIntervalle.ManunterscheidetdasoffeneIntervall]a,b[:={x|a<x<b},dasabge-schlosseneIntervall[a,b]:={x|a≤x≤b},daslinksseitighalboffeneIntervall]a,b]:={x|a<x≤b},unddasrechtsseitighalboffeneIntervall[a,b[:={x|a≤x<b}.Nurimabge-schlossenenIntervallfindetsicheinkleinstesundeingr
¨oßtes
Element,treffendgenanntMi-nimumundMaximum.InallenanderenInter-vallenfehltentwederdaseine,oderdasande-reodergarbeide.DieIntervallgrenzenlassensichdannmitdemSupremumbzwInfimumidentifizieren.
5Alternativals¨AquivalenzklassenvonCauchy-Folgen,oderals¨AquivalenzklassenvonIntervall-
6.November201360c!MartinWilkens
3.2DiereellenZahlen61
3. 2. 2 Betr ag
Desweiterenl¨asstsichsinnvoll
¨ub
erdieabsoluteGr
¨oße
einerreellenZahlunddenAbstandzweierrellenZahlenaundbreden.EinMaßf¨urdieabsoluteGr
¨oße
einerreellenZahlxvermitteltihrAbsolutbetrag,
|x|:= %xfallsx≥0−xfallsx<0 (3.17)
undderAbstandzweierrationalerZahlena,bwirderkl
¨art
|a−b|.F
¨ur
"≤0heißenrationaleZahlenxmit|a−x|<"“ausder"-Umgebungvona”.AbsolutbetragundAbstandgestattenGr
¨oßen-
bzw.Entfernungsvergleiche,dieinsbesonderef¨urdieAnalysisvongroßerBedeutungsind.
HatmannuneineGleichunga=b,soistselbstverst
¨andlic
hauch|a|=|b|.Allerdingsl¨aßtsichauseinerGleichung|a|=|b|nichtschließen,dassaundbgleich,sondernledigleicha=±balsKurzformderAussage“(a=b)∨(a=−b).”F
¨ur
dasProdukta·bgilt|a·b|=|a|·|b|.F
¨ur
dieSummea+bgiltallerdingskeineswegsimmer|a+b|=|a|+|b|,denkenSienurana=−bmita%=0,dannw
¨are
doch|a+b|=|a−a|=|0|=0%=2·|a|.Vielmehr
||a|−|b||≤|a+b|≤|a|+|b|(3.18)
Beweis:¨Ubungen... DasSignumeinerZahlistdefiniert
Sgn(a)=
+1fallsa>00fallsa=0−1fallsa<0 (3.19)
Offensichtlich|a|=a·sgn(a).Angesichtssgn(a·b)=sgn(a)·sgn(b)ist|a·b|=a·b·sgn(a·b)=a·sgn(a)·b·sgn(b)=|a|·|b|.
3. 2. 3 P otenz und W ur zel n
BeimRumrechnenmitZahlenst
¨oßt
manh
¨aufig
aufTermederFormx noderx 1n,genanntdien-tePotenzvonxbzw.dien-teWurzelvonx.
schachtelungenrationalerIntervalle.
c!MartinWilkens616.November2013
62Arithmetik
Definition(Potenz):SeiaElementeinesK
¨orp
ersK;dannistdiePotenza nf¨urganze,nicht-negativeZahlenn≥0rekursivdefiniert,
a 0:=1,a n+1:=a·a n(n≥0)(3.20)
Soferna%=0seif¨urderhin
a −n:=(a −1) n≡ 1an .(3.21)
DieDefinitionbedeutet,dassf¨urjedeZahla%=0derWertvona pf¨urbeliebigeganzeZahlenp∈Zbestimmtist.Wegen“Minus-Mal-Minus-ist-Plus”gilt
(−1) p= %+1f¨urpgeradeZahl−1f¨urpungeradeZahl (3.22)
AußerdemgeltendieRechenregeln
a p·a q=a p+q(3.23)(a p) q=a p·q(3.24)
a p·b p=(a·b) p(3.25)
f¨urnicht-negativenganzenZahlenp,qund,fallsaundbvon0verschiedensind,f¨uralleganzenZahlenp,q.Manbeachte,dassesf¨urdasProdukta p·b qkeineeinfacheRechenregelgibt.Ach
¨ubrigens
–Sieerinnernsichsicherlich,dassRechenregelnimmerbeweisbed
¨urftig
sind,bevormansieimAlltagbenutzt.... DieinGl.(3.6)eingef
¨uhrten
Binomialkoeffi-zientverdankenihrenNamendemBinomi-schenSatz
(a+b) n=a n+ !n1 "a n−1b+ !n2 "a n−2b 2
+···+ !nn−1 "ab n−1+b n
= n,
k=0 !nk "a kb n−k(3.26)
denSieinden¨Ubungenbeweisen.Vorausset-zungf¨urdenBinomischenSatzistlediglich,dassaundbauseinenK
¨orp
erstammen.Wel-cherK
¨orp
er(rationaleZahlen,reelleZahlen,komplexeZahlen)dasimeinzelnenist,istun-erheblich.
DieGleichungx n=x nisteineBanalit
¨at,
¨ub
erdiezuredennichtweiterlohnt.DierechteSeiteisteineZahl,nennenwirsiea.DieBanalit
¨at
erscheintjetztinderFormx n=a,undwirdf¨urgegebenesazurFrage:welcheZahlenxsindes,derenjeweiligen-tePotenzdieZahlaliefern?DieMehrzahlformisthiermitBedachtgew¨halt:Sei
6.November201362c!MartinWilkens
3.3KomplexeZahlen63
n¨amlic
hf¨urngeradeeineZahlx0L
¨osung
derGleichungx n=a,alsox n0=a,dannistwegen()auch−x0≡−1·x0eineL
¨osung!
Istallerdingsnungerade,entf
¨allt
dieseM
¨oglic
hkeit:dasVorzeichenvonx0istindiesemFalledurchdasVorzeichenvonabereitsbestimmt.
L¨osungen
derGleichungx n=aheißenWurzelnvona.F
¨ur
nicht-negativeadefiniert
a 1n(3.27)
diesog.positiveWurzelderGleichungx n=a.DieNotationrespektiert(),denn(a 1n) n=a n·1n=a nn=a 1=a.
SofernneineungeradeZahlistdiepositiveWurzeldieeinzigeWurzelvonx n=a>0.SofernneingeradeZahl,sinddiepositiveWurzelunddienegativeWurzel−(a) 1nWurzelnvonx n=a.ImFallenegativera,alsoa<0,istdieGleichungx n=anurf¨urungeradenl¨osbar,miteindeutigbestimmterWurzel−(−a) 1n.
3. 3 Kompl exe Z ahl en
DieFeststellung,dassx+2=1keineL
¨osung
indenNat
¨urlic
henZahlenhat,f¨uhrtezurErfindungderganzenZahlen.UnddieFeststellungdass2x=1keineL
¨osung
indenganzenZahlenhat,f¨uhrtezurErfindungderrationalenZahlen.DieEinsicht,dassx 2=2keineL
¨osung
indenrationalenZahlenhatf¨uhrtezurErfindungderreellenZahlen.UnddieEinsichtdassx 2=−1keineL
¨osung
indenreellenZahlenhatf¨uhrtezurErfindungder–TataTata!–komplexenZahlen.
c!MartinWilkens636.November2013
64Arithmetik
3. 3. 1 Defini ti on
Definition:UnterdemK
¨orp
erderkomplexenZahlen,bezeichnetC,verstehtmandieMengeR×RzusammenmitdenbeidenVerkn
¨upfungen
(x,y)+C(u,v):=(x+u,y+v),(3.28)(x,y)·C(u,v):=(x·u−y·v,x·v+y·u)(3.29)
genanntkomplex-Additionundkomplex-Multiplikation.
DieVerkn
¨upfungen
sindassoziativundkommutativundgen
¨ugen
demDistributiv-gesetz.VordiesemHintergrunderlaubenwirunseinekleineSchlamperei,undlassendasPr
¨afix
“komplex-”undSubskriptCunterdenTischfallen.
PaarevomTyp(0,y)lassensichmitderAbk
¨urzung
i:=(0,1)(3.30)
undBlickauf()auchschreiben(y,0)·ibzw–diekomplexeMultiplikationistkom-mutativ–i·(y,0).MitBlickauf()erh
¨alt
man(x,y)=(x,0)+i·(y,0),unddaPaarevomTyp(x,0)∈R×{0}sichbzgl.derkomplexenAdditionundMultiplikationgenausoverhaltenwiediereellenZahlenx∈Rbzgl.der
¨ublic
henAdditionundMultiplikation,d
¨urfen
diePaare(x,0)mitreellenZahlenxidentifiziertwerden,undmanschautaufdieheutzutagegebr
¨auc
hlicheSchreibweiseeinerkomplexenZahlz∈C,z=x+iy(3.31)
mitx,y∈Rundi·i≡i 2=−1(3.32)
6.November201364c!MartinWilkens
3.3KomplexeZahlen65
MannenntdiereellenZahlenxundydenRealteilunddenImagin
UnddieZahlinenntmanzuweilen“Wurzel-aus-Minus-Eins”,i=−1.Mank √ ¨arteilvonz.
¨onn-
tesieauch“MinusWurzel-aus-Minus-EIns”nennen,schließlichistauch(− √−1)·(− √−1)=−1,aberwirbleibenbei“iistdiepositiveWurzel-aus-Minus-Eins”.
GerechnetwirdmitkomplexenZahlengenausowiemitreellenZahlen,wobeiPro-duktevoniunterVerwendungvoni 2=−1vereinfachtwerden,
(x+iy)+(u+iv)=x+u+i(y+v),(3.33)(x+iy)·(u+iv)=x·u−y·v+i(y·u+x·v).(3.34)
3. 3. 2 Gauss’ sc he Zahl eneb ene
Abb3.4DieGauss’scheZahlenebene. KomplexeZahlenlassensichalsPunkteeinerZahlenebene/R 2darstellen,genanntdieGauss’scheZahlenebene.InGauss’eigenenWorten 6
SowiemansichdasganzeReichallerrellenGr
¨oßen
durcheineunendli-chegeradeLiniedenkenkann,sokannmandasganzeReichallerGr
¨oßen,
reellerundimagin
¨arer
Gr
¨oßen
sichdurcheineunendlicheEbenesinnlichmachen,worinjederPunkt,durchAbzisse=aOrdinate=bbestimmt,dieGr
¨oße
a+ibgleichsamrepr
¨asen
tiert.
HeutzutagenenntmandieAbzisseindiesemZusammenhangauchdiereelleAchse,unddieOrdintatedieimagin
¨areAchse.
Abb3.5DieAdditionzweierkomplexerZahlenz1,z2mittelsParallelogrammregelinderZeigerdarstellung. MankannnunmitjederkomplexenZahleinenZeigerzuweisendessenSchaftimUrsprungunddessenSpitzeaufdiejeweilsgew
¨unsc
hteZahlzeigt.DieAdditionzweierZahlenindemmaneinenderbeidenZeigerparallelverschiebt,sodasssein
6zitiertnachEbbinghausetal.Zahlen,S.49f
c!MartinWilkens656.November2013
66Arithmetik
SchaftmitderSpitzedesanderenZeigerszusammenf
¨allt.
DerresultierendeZeigeristdanndasBildderSumme.WelchenderbeidenZeigermanverschiebtistdabeiganzgleichg
¨ultig
–dieAdditionistschließlichkommutativ.
N¨utzlic
hindiesemZusammenhangdiezueinerkomplexenZahlz=x+iykonjugiertkomplexeZahlz ∗:=x−iy(3.35)
diemaninderGausschenZahlenebenedurchSpiegelunganderreellenAchseerh
¨alt.
Leicht
¨ub
erzeugtmansichvondenRegeln
(z+w) ∗=z ∗+w ∗,(3.36)(z·w) ∗=z ∗·w ∗,(3.37)(z ∗) ∗=z.(3.38)
Lies:dieKonjugationeinerSummebzw.einesProduktsistdieSummebzw.dasProduktderkonjugiertenundDoppelkonjugationistwienixtun.
Abb3.6EinekomplexeZahlzundih-rekomplex-konjugierteSchwesterz ∗inderZeigerdarstellung. MitHilfederKonjugationlassensichReal-undImagin
¨arteil
extrahieren,
0(z)= z+z ∗
2 ,1(z)= z−z ∗
2i (3.39)
wassichalsn
¨utzlic
herweist,wennmanznichtschonalsSummevonReal-undImagin
¨arteil
gegebenhat.
DasProdukteinerkomplexenZahlzmitihrerkonjugiertenz ∗,
z·z ∗=x 2+y 2(3.40)
istnachPythagorasdieQuadratl
¨ange
dergeometrischenStrecke0z.DieL
¨ange
selber
|z|:= √z·z∗≡ -x2+y2(3.41)
6.November201366c!MartinWilkens
3.3KomplexeZahlen67
nenntmandenBetragderkomplexenZahlz.
Kehrwertbildungz)→ 1z l¨asstsichjetztleichtgeometrischdeuten.Esist
1z = 1z · z ∗
z∗ (3.42)
= z ∗
z·z ∗ (3.43)
= x−iyx2+y2 (3.44)
= !1|z| z|z| "∗(3.45)
undda z|z| komplexeZahlvomBetrag1inRichtungz,dieAbbildungz)→ 1|z| z|z| eineSpiegelungamEinheitskreis,ist 1z nichtsanderesalszgespiegeltamEinheitskreisgefolgtvoneinerSpiegelunganderreellenAchse.
Abb3.7Kehrwertbildunggeometrisch,mittelsSpiegelungamEinheitskreis:We-genStrahlensatzOB %:OA %=OB:OA,unddaOB=OA %=1(Einheitskreis!)folgtOB %=1:OA=1:|z|.DerPunktA %bezeichnetdiekomplexeZahl z|z| (dievomBetrag1ist),derPunktB %bezeichnetdiekomplexeZahl 1|z| z|z| .
3. 3. 3 P ol ar dar stel lung
ErinnertmansichandieserStelleandiegeometrischeDefinitiondesCosinusundSinus,wundertmansichgarnichtmehr,wennmandiekomplexeZahlz=x+iyauchdarstellenkannz=:#cosϕ+i#sinϕ(3.46)
worinϕderWinkel,denderZeigerzmitderreellenAchsebildet,und#seineL
¨ange,
ϕ=arctan !xy ",(3.47)
#=|z|≡ -x2+y2.(3.48)
c!MartinWilkens676.November2013
68Arithmetik
Gl.(3.46)definiertdiesog.Polardarstellungvonz,imUnterschiedzuz=x+iy,dieindiesemZusammenhangauchdiekartesischeDarstellungvonzgenanntwird.
UnterBezugaufdieExponentialfunktionbehauptenwirnundieEulerscheFormel
cosϕ+isinϕ=e iϕ(3.49)
sodassz=|z|e iϕ(3.50)
DieExponentialfunktion,auchgenanntEulerschee-Funktion,istdie“Mutteral-lerFunktionen”(J
¨anic
h).VielleichtkennenSiediee-FunktonausderSchule.Undwenn,dannvermutlichf¨urreelleArgumente.Wennabernicht,dannistdasauchnichtschlimm.SchiebenwirhalteinekleineErl
¨auterung
zurExponentialfunktiondazwischen.
Wirnennencosϕ+isinϕ:=f(ϕ),undwollenzeigen,dassf(ϕ)=e iϕ.Zun
stellenwirfestf(α)·f(β)=f(α+β). ZahlenebeneaufdemEinheitskreis.Dannstellenwirfestf(ϕ)=f(−ϕ).Schließlich ∗ lenwirmalfest|f(ϕ)|=1,d.h.f¨urbeliebigesreellesϕliegtf(ϕ)inderGauss’schen ¨achststel-
WIrdifferenzierennachϕ,erhaltenwegen[cosϕ] %=−sinϕund[sinϕ] %=cosϕdieAussagef %=if.
3. 4 Aufgab en
'Aufgabe3-1(πPunkte)
GehenSieaneineKreidetafelundskizzierenSiefreih
¨andig
(ohneHilfsmittel!)diesog.Zahlengerade(L
¨ange
ca150cm.Warum?).VergessenSienicht,anzugebenwo0
6.November201368c!MartinWilkens