BERNISCHES VERWALTUNGS- UND VERFAHRENSRECHT
ÖFFENTLICHES BESCHAFFUNGSRECHT Zum «alten» Beschaffungsrecht (IVöB 2001)
Dr. iur. Christoph Jäger, Rechtsanwalt
4. Mai 2021 – Zoom
Inhalt
Einführung
Grundlagen
Rechtsgrundlagen
Geltungsbereich
Ziele und Grundsätze
Vergabeverfahren
Arten und Verfahrenswahl
Verfahrensgang (Überblick): Von Ausschreibung bis Zuschlag
Ausschreibung und Ausschreibungsunterlagen
Kriterien: Technische Spezifikationen, Eignungskriterien, Zuschlagskriterien
Zuschlag
Ausschluss, Abbruch und Widerruf
Inhalt
Rechtsschutz
Anfechtungsobjekte
Rechtsmittelweg
Besonderheiten
Fragen / ev. Übungsfälle
Einführung
Vertrags-/Obligationenrecht (i.d.R. Privatrecht)
Beschaffungsrecht (öffentliches Recht) Intern/Verwaltungsorganisation/etc.
(öffentliches Recht)
Grundlagen: Rechtsgrundlagen
Internat.
Bund
Interkant.
Kanton
GPA Bilat. Abk.
Interkant. Vereinbarung IVöB ÖBG
BöB
VöB 3. Kap.
ÖBV / OÖBV
Ausserhalb Ausnahmen
BGBM
Grundlagen: Rechtsgrundlagen
GATT/WTO-Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen
Government Procurement Agreement, GPA, von 1994, i.K. seit 1996
Ziel: Öffnung der Märkte für staatliche Beschaffungen für Anbieter aus anderen Unterzeichnerstaaten
Prinzipien: Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung, Transparenz, Wettbewerb/
Wirtschaftlichkeit
Eingeschränkter Geltungsbereich (z.B. hohe Schwellenwerte, nur ausgewählte DL)
„Variable Geometrie“: Gegenrechtsvorbehalt
Bilaterales Abkommen CH-EU
Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz über
bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (von 1999, i.K. 2002 als Teil der „Bilateralen“)
Weitergehende Marktöffnung: Erweiterung des Geltungsbereichs des GPA im Verhältnis zu den EU-Staaten (z.B. Beschaffungen der Gemeinden/Bezirke sowie weiterer Sektoren)
Grundlagen: Rechtsgrundlagen
ÖBG-Revision 2014:
Aufhebung der «bernischen» Schwellenwerte und Verweis auf IVöB- Schwellenwerte gemäss Anhang 2
Keine Differenzierung nach kommunalen und kantonalen Beschaffungen mehr, Gemeinden können tiefere Schwellenwerte vorsehen
Hinweis: Revision schaffte Abweichungen zum Buchbeitrag in Müller/Feller, Bernisches Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Bern 2013!
Ausblick:
GPA 2012: für CH i.K. seit1.1.2021
BöB 2019/VöB 2020: i.K. seit1.1.2021
IVöB 2019: beschlossen, i.K. bei Ratifizierung durch mind. 2 Kantone
Beitrittsgesetz Kanton Bern:
1. Lesung im GR im März 2021: Zustimmung zur neuen IVöB
Vorbehalt zweistufiger Rechtsmittelzug
Beitritt zur IVöB 2019 im 1. Quartal 2022 zu erwarten
Buchbeitrag zum neuen Beschaffungsrecht in Müller/Feller, Bernisches Verwaltungsrecht, 3. Auflage, Bern 2021
Grundlagen: Geltungsbereich
Öffentliche Auftraggeber (Art. 2 Abs. 1 ÖBG)
Kanton
Gemeinden gemäss GG
Öffentliche und private Sektorenunternehmen (v.a. Energie, Verkehr, Telekom.)
Weitere Träger öffentlicher Aufgaben (Art. 8 Abs. 2 IVöB)
Öffentliche Beschaffung (BGE 135 II 49)
Begriffsmerkmale:
«Staat» als Nachfrager
Privates Unternehmen als Anbieter
Einkauf von Leistungen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf dem freien Markt gegen Entgelt (synallagmatischer Leistungsaustausch in einem weiten Sinn)
Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträge (Art. 1 ÖBV), unabhängig vom Auftragswert
(Schwierige) Abgrenzungen: Interne Vergaben und Beleihung (u.ä.):
In-house- und Quasi-in-house-Beschaffungen
Konzessionen (mit/ohne Betriebspflicht)
Subventionsgewährung
Generelle und einzelfallbezogene Ausnahmen (Art. 10 Abs. 1 und 2 IVöB)
Grundlagen: Ziele und Grundsätze
Wirtschaftlichkeit
Haushälterischer Einsatz der Steuergelder
Wirtschaftlich günstigstes Angebot (bestes Preis-Leistungsverhältnis)
Wirksamer Wettbewerb, i.d.R. durch Submission
Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung
Grundsatz der Inländerbehandlung und der Gleichbehandlung inländischer Anbieter untereinander, unabhängig von deren Herkunft/Sitz
Beim Marktzugang und im Verfahren (Verfahrensfairness)
Transparenz
Bekanntgabe der «Spielregeln», inkl. aller Änderungsmöglichkeiten
Dokumentation und Nachvollziehbarkeit
Vertraulichkeit
Wahrung von Geschäftsgeheimnissen
Ausschluss bzw. Einschränkung der Akteneinsicht im Verfahren
Wirksamer Rechtsschutz
Vergabeverfahren: Arten und Wahl
Offenes Verfahren
Öffentliche Ausschreibung des Auftrags
Recht zur Offerte für alle interessierten Anbieter
Einstufige Selektion
Selektives Verfahren
Öffentliche Ausschreibung des Auftrags
Recht zur Offerte nur für präqualifizierte Anbieter
Zweistufige Selektion
Einladungsverfahren
Keine Ausschreibung des Auftrags
Recht zur Offerte nur für eingeladene Anbieter
Einstufige Selektion
Freihändiges Verfahren
Keine Ausschreibung des Auftrags
Direkte Auftragsvergabe an eine frei gewählte Anbieterin
Bagatellaufträge oder als Ausnahme bei überschwelligen Beschaffungen
Vergabeverfahren: Schwellenwerte
Vergabeverfahren: Verfahrensgang
Vereinfachte Darstellung
Vergabeverfahren Vorbereitung
Erarbeitung Offerte
• Ausschreibungs- unterlagen
• Leistungsverzeichnis
• Vertragsentwurf
Ausschreibung
Eingabefrist Eingabe Offerte
Offertöffnung FA-Runde Bezug Unterlagen
Evaluation
Angebotsbewertung nach ZK
Zuschlag wirtschaftlich günstigstes Angebot
Eignungsprüfung nach EK Mitwirkung bei Rückfragen
«Vertragsver- handlungen»
Vertragsschluss Vertrag
Formelle Prüfung, Bereinigung, Berichtigung
«Vertragsver- handlungen»
• Bedarfs-
abklärungen/Kredit
• Erarbeitung Ausschreibungs- unterlagen
• Leistungsver- zeichnis/Pflichten- heft
• Vertragsentwurf
• Etc.
Farb-Legende:
Behörde Anbieter
Vergabeverfahren: Ausschreibung
Bestandteile: Ausschreibung und Ausschreibungsunterlagen
Funktion :
Publikation: Aufforderung zur Angebotsabgabe
Anfechtbare Verfügung, wenn Schwellenwert des Einladungsverfahrens erreicht (Art. 11 Abs. 2 Bst. a ÖBG)
Anfechtbarkeit der Ausschreibungsunterlagen?
Publikationsorgan: www.simap.ch
Inhalt:
Leistungsumschreibung: Leistungsverzeichnis/Pflichtenheft
Zwingende Anforderungen und Kriterien (TS, EK, ZK), Gewichtung, Unterkriterien
Submissionsbedingungen (Fristen, Sprache, etc.)
Verhandlungsgrundlage: Vertragsentwurf
Vergabeverfahren: Ausschreibung
Beispiel ab www.simap.ch
Vergabeverfahren: Kriterien
Technische Spezifikationen (TS)
Produkte-/Leistungsanforderungen, technische Erfordernisse und Vorgaben
Produkte-/Markenneutrale Umschreibung anhand von Normen bzw. «oder gleichwertig» (vgl. Art. 12 ÖBV)
Eignungskriterien (EK):
Anbieterbezogene Beurteilung: Ist der Anbieter fähig und geeignet?
Mögliche Kriterien: Rechtsform und Grösse der Unternehmung, Organisation, Anzahl qualifizierte Mitarbeitende, Erfahrung und Referenzen, Arbeitsschutz, etc.
(vgl. Art. 16 ÖBV)
Regel: «Erfüllt» oder «Nicht erfüllt» (absolut). Ausnahme: selektives Verfahren
Zuschlagskriterien (ZK):
Leistungsbezogene Beurteilung: Welches Angebot ist das «Beste»?
Mögliche Kriterien: Preis, Qualität, Unterhalts- bzw. Folgekosten, Termine, Umweltschutz, etc. (vgl. Art. 30 Abs. 3 ÖBV)
«schlechter oder besser erfüllt» (graduell)
«Vergabefremde» Kriterien:
Im Allgemeininteresse, losgelöst vom konkreten Auftrag (heikel!)
Lehrlingsausbildung, Ökologie, Förderung der Gleichstellung, etc.
Ausschluss des Angebots oder des Anbieters
Rechtsfolge bei mangelhaften Angeboten, fehlender Eignung,
Verletzung zwingender Teilnahmebedingungen, Formvorschriften oder Leistungsanforderungen, etc.
Ausschlussgründe: vgl. Art. 24 Abs. 1 ÖBV
Verhältnismässigkeit, Verbot des überspitzen Formalismus’
Abbruch des Vergabeverfahrens:
Voraussetzung ist ein «wichtiger» Grund (Art. 29 ÖBV)
Weiterführung des Verfahrens muss unzumutbar sein
Verfahren kann anschliessend wiederholt werden
Widerruf
Nach Verfahrensabschluss, aus Gründen analog Ausschluss/Abbruch (vgl. Art. 8 ÖBG)
Widerruf als Sanktion?
Vergabeverfahren:
Ausschluss, Abbruch, Widerruf
Rechtsschutz: Anfechtungsobjekte
Anfechtbarkeit abhängig vom Schwellenwert (des Einladungsverfahren):
Ausschreibung
Zuschlag
Abbruch
Präqualifikation im selektiven Verfahren
Ausschluss
Widerruf
In jedem Fall anfechtbare Entscheide:
Ausschluss von künftigen Vergabeverfahren («Auftragssperre», Art. 8 Abs. 2 ÖBG)
Wahl des freihändigen Verfahrens im Staatsvertragsbereich
Rechtsschutz: Rechtsmittelweg
Verfügung durch «kantonale» Stelle
oder «private» Vergabestellen Verfügung durch «Gemeinde»
Zuständige Direktion
Verwaltungsgericht
RegierungsstatthalterIn
Bundesgericht
Öff.recht. Beschwerde (Ausnahme)
Subsid. Verf.beschwerde
Rechtsschutz: Besonderheiten
Beschwerdelegitimation: Berücksichtigung der Zuschlagschancen
Beschwerdefrist von 10 Tagen
Beschwerde hat ex lege keine aufschiebende Wirkung. Gesuch durch die Beschwerdeführerin:
Prima facie-Würdigung
Interessenabwägung
Gutheissung der Beschwerde:
Nach Vertragsschluss: Feststellung der Rechtswidrigkeit/Schadenersatz
Rückweisung und Wiederholung, ausnahmsweise direkt neuer Zuschlag durch das Gericht
Fragen?
Christoph Jäger
Dr. iur., Rechtsanwalt | Partner
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