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Seien Sie herzlich begrüßt bei uns hier in Sachsen-Anhalt

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Academic year: 2022

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Sehr geehrter Herr Hiltermann,

meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Fachkolleginnen und Fachkollegen,

ich begrüße Sie zum diesjährigen Arbeitsschutztag hier in Leuna, dem traditionellen Chemiestandort im Land Sachsen-Anhalt.

Ich freue mich, dass die Einladung des Landesarbeitskreises für Arbeitssicherheit und Gesundheit bei Ihnen auf so großes Interesse gestoßen ist – 303 Teilnehmer haben sich angemeldet - und dass der Arbeitsschutztag sich zu einem jährlichen Treffpunkt für den Informationsaustausch und die Diskussion unter Arbeitsschutz- fachleuten des Landes Sachsen-Anhalt entwickelt hat und einen festen Platz in der Jahresplanung einnimmt.

In diesem Jahr findet der Arbeitsschutztag zum ersten Mal in seiner 11-jährigen Ge- schichte nicht in den drei Oberzentren, sondern an einem traditionellen Industrie- standort statt.

Unserer Einladung sind auch eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern gefolgt. Seien Sie herzlich begrüßt bei uns hier in Sachsen-Anhalt.

Besonders begrüße ich

- Frau Dr. Ziemer, die Direktorin des Thüringer Landesbetriebes für Arbeits- schutz

- Herrn Dr. Thiele, den Direktor des Hamburger Amtes für Arbeitsschutz. Vielen Dank dafür, dass Sie sich für ein Grundsatzreferat zur GDA zur Verfügung ge- stellt haben.

Ich überbringe Ihnen die herzlichen Grüße der Ministerin für Gesundheit und Sozia- les des Landes Sachsen-Anhalt, Frau Dr. Gerlinde Kuppe. Frau Ministerin kann in

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diesem Jahr wegen anderer Termine (der Sitzung des Sozialausschusses) nicht am Arbeitsschutztag teilnehmen. Sie hat in den letzten Jahren ja immer wieder die Gele- genheit genutzt, ihr Engagement für die Belange des Arbeitsschutzes zu dokumen- tieren. Sie erinnern sich, dass sie im letzten Jahr auf dem Arbeitsschutztag in Schö- nebeck sehr engagiert dafür eingetreten ist, die Arbeitsschutzverwaltung nicht zu kommunalisieren. Das hat sie dann auch weiter so getan. Im Ergebnis des Gesetz- gebungsverfahrens ist im Kabinettsentwurf davon Abstand genommen worden und ich habe die Hoffnung, dass auch im Landtag keine andere Lösung entsteht. Das würde heißen, in Sachsen-Anhalt wird Arbeitsschutz komplett als unmittelbar staatli- che Aufgabe in einer einheitlich handelnden Behörde wahrgenommen.

Ebenso möchte ich Ihnen die Grüße des zuständigen Abteilungsleiters aus dem MS, Herrn Dr. Dr. Nehring, übermitteln, der gern teilgenommen hätte, aber durch andere Verpflichtungen verhindert ist.

Ich begrüße besonders diejenigen, die sich als Referenten für diese Tagung zur Ver- fügung gestellt haben. Durch sie wird der Erfolg der Tagung vor allem sichergestellt.

Mein herzlicher Dank gilt dem Vorbereitungskomitee, unter der Leitung von Herrn Dr.

Scheunpflug, dem Geschäftsführer des Landesarbeitskreises für Arbeitssicherheit und Gesundheit in Sachsen-Anhalt, dem Veranstalter des Arbeitsschutztages.

Ich möchte mich besonders bei Ihnen, Herrn Hiltermann - Sie sind ja nicht nur Betreiber des Leuna-Chemieparks, sondern auch der Hausherr - für die Unterstüt- zung bedanken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Herbst wird überall in Ost- deutschland in allen Fassetten ein Resümee gezogen über 20 Jahre friedliche Revo- lution, Wiedervereinigung und die Folgen.

Auch ich nehme dies zum Anlass, mich zu diesem Thema zu äußern.

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20 Jahre Arbeitsschutz in Sachsen-Anhalt -Rückblick, Stand, Ausblick

Ich will das tun anhand einiger weniger Impressionen aus den letzten 20 Jahren.

Rückblick

Arbeitsschutzsituation 1989

Der „Arbeitshygienische Bericht 1989“, der die damalige Situation in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten des Landes Sachsen-Anhalt (d. h. der Bezirke Magdeburg und Halle) beschrieb, bezog sich auf 1,2 Mio. Beschäftigte, von diesen waren 700.000 in der Produktion beschäftigt. 300.000 Beschäftigte waren damals unter ge- sundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen tätig, d. h. 40,5 % der in der Produktion Beschäftigten waren gesundheitlich gefährdet, sehr viele von ihnen waren mehrfa- chen Gesundheitsgefahren ausgesetzt.

Damals waren beispielsweise

- gehörschädigendem Lärm 144.000 (48 %), - körperliche Schwerarbeit 124.000 (41 %), - chemische Schadstoffe 51.000 (17 %), - Ganzkörpervibrationen 51.000 (17 %), - nichttoxische Stäube 44.000 (15 %).

ausgesetzt.

Viele der besonders gravierenden Abweichungen von den zulässigen Arbeitsbedin- gungen (man könnte auch sagen, gravierende Gesundheitsrisiken) wurden – z. T.

wiederholt – durch so genannte Ausnahmegenehmigungen „legalisiert“, d. h. die für die Wirtschaft Verantwortlichen entschieden auch über die Zulässigkeit von Gesund- heitsrisiken. Das betraf auf dem jetzigen Gebiet des Landes alleine 73 Ausnahmege- nehmigungen für ca. 22.000 Arbeitnehmer.

Trotz des Wirkens einer Vielzahl von Personen, die sich für die Belange des Arbeits- schutzes eingesetzt haben, trotz des hohen Kenntnisstandes von Beschäftigten und Führungskräften im Arbeitsschutz, trotz einer Vielzahl von Aufsichtsbehörden und Fachinstitutionen, trotz eines ausgefeilten und in sich konsistenten technischen Re-

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gelwerkes konnten akzeptable und nicht gefährdende Arbeitsbedingungen für eine Vielzahl von Beschäftigten nicht durchgesetzt werden. Allerdings gab es eine gut funktionierende arbeitsmedizinische Betreuung, die vielfach rechtzeitig durch präven- tive Maßnahmen Schlimmeres verhindert hat.

Ursache dafür war, neben den bekannten wirtschaftlichen Schwierigkeiten, vor allem der fehlende staatliche Rechtsrahmen, der im Arbeitsschutz die Durchsetzung eines Rechts auf körperliche Unversehrtheit – wie es im Grundgesetz Art. 2 verankert ist – ermöglicht hätte.

Insofern war für alle Akteure im Arbeitsschutz die mit der Wiedervereinigung gege- bene Einführung eines verbindlichen Rechtsrahmens und die Bildung unabhängiger Aufsichtsbehörden zur Durchsetzung dieses Rechtsrahmens von grundsätzlicher Bedeutung für die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit für die Beschäftigten.

Ich will an dieser Stelle auch noch einmal erinnern, dass für alle Akteure im Arbeits- schutz in Sachsen-Anhalt eine zweifache Änderung des Rechtes gegeben war.

Nachdem 1990 die Gewerbeordnung und die darauf gestützten Verordnungen bin- dend waren, ist ab dem Jahr 1996 mit dem Arbeitsschutzgesetz und den darauf ge- stützten Verordnungen ein völlig neuer – EU-konformer – Rechtsrahmen Grundlage des Handelns.

Arbeits- und Anlagensicherheit

Das heutige Territorium des Landes Sachsen-Anhalt war geprägt durch Industrie- zweige mit einem hohen Bestand an sicherheitstechnisch relevanten Anlagen. Das industrielle Anlagenprofil hatte sich über lange Zeit kaum verändert. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation war der überwiegende Teil der Anlagen weitgehend ver- schlissen, war unwirtschaftlich, hatte gravierende Umweltdefizite, war weit entfernt vom Stand der Technik und konnte nur unter hohen Anstrengungen und Belastungen der Beschäftigten betrieben werden.

Ein Bericht des Landesamtes für Arbeitsschutz aus dem Jahr 1993 zur Bewertung der Arbeits- und Anlagensicherheit in Sachsen-Anhalt hat den Sanierungsbedarf

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ausgewiesen, der für die damals noch betriebenen Anlagen bestand – eine Vielzahl war schon stillgelegt -. Untersucht wurden chemische Produktionsanlagen, Flüssig- gaslagerbehälter, Anlagen für brennbare Flüssigkeiten, Gefahrstofflager, Dampf- kesselanlagen, Gashochdruckleitungen und Fernleitungen für brennbare Flüssigkei- ten. Der Bericht wies aus, dass die von den Altanlagen ausgehenden Risiken für Ar- beitnehmer, Umwelt und Sachwerte im Allgemeinen oberhalb eines akzeptablen Grenzrisikos lagen, sodass sie nur unter Realisierung von Sanierungskonzepten und spezieller Sicherungsmaßnahmen durch das Betriebspersonal zur Herstellung der Betriebssicherheit betrieben werden konnten. Die Defizite betrafen eine Vielzahl von Branchen, insbesondere aber chemische Industrie, Schwermaschinen- und Anla- genbau, Nahrungsgüterwirtschaft und Energieerzeugung.

Die Sanierung der Altanlagen bzw. Neuinvestitionen dauerten etwa 10 Jahre. Die Schaffung eines modernen hochproduktiven und sicheren Anlagenbestandes in die- sem Zeitraum ist eine enorme Leistung, zu der insbesondere Arbeitsschutzfachleute in den Betrieben, Sachverständigenorganisationen, Unfallversicherungsträger und Behörden beigetragen haben. An die enormen Arbeitsschutzprobleme bei Abriss und Sanierung der Altanlagen und –standorte sowie an die Diskussion um die Bildung der Chemieparks sei in diesem Zusammenhang erinnert.

Stand

Berufskrankheiten

Berufskrankheitenfälle sind gute Indikatoren für die Arbeitsschutzsituation, allerdings mit dem Nachteil, dass das „Ereignis“ Krankheit an die Einwirkung über einen länge- ren Zeitraum gebunden ist und damit retrospektiven Charakter hat.

So ist der größte Anteil der als berufsbedingt anerkannten BK-Erkrankungen in den 90er Jahren überwiegend auf gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen der DDR-Zeit zurückzuführen. Das betrifft insbesondere die BK lärmbedingte Schwerhö- rigkeit, asbestassoziierte Erkrankungen, Berufskrankheiten durch chemische Einwir- kungen. So ist der starke Anstieg der als berufsbedingt anerkannten Erkrankungen in den 90er Jahren (der Gipfel war 1996 mit 975 Fällen) zu erklären.

Seit dieser Zeit nehmen als berufsbedingt anerkannte BK-Erkrankungen kontinuier- lich ab (2006 430 Fälle). Berufskrankheiten, die heute anerkannt werden, sind – mit

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Ausnahme von Asbest – auf Lärmexpositionen, hautschädigende Tätigkeiten, Infek- tionserreger und mechanische Einflüsse auf den Bewegungsapparat, auch an aktuel- len Arbeitsplätzen, zurückzuführen. Eine Betrachtung des Zeitraumes der letzten 10 Jahre zeigt folgende Situation für Sachsen-Anhalt:

- lärmbedingte Schwerhörigkeit 43 – 56 % der bb-Erkrankungen, (1996 468; 2006 241 Fälle) - Hauterkrankungen 14 – 20 % der bb-Erkrankungen,

(1996 170; 2006 58 Fälle) - asbestassoziierte Erkrankungen 11 % 1996 (105 Fälle)

20 % 2006 (86 Fälle) mit weiter ab- nehmender Tendenz

Es folgen:

- Infektionskrankheiten

- Atemwegserkrankungen durch allergisierende Stoffe

- Erkrankungen des Bewegungsapparates durch mechanische Einwirkungen.

Arbeitsunfälle

In diesem Kreis über die Bedeutung der Arbeitsunfallstatistik zu referieren erübrigt sich.

In der Mitte der 90er Jahre gab es in Sachsen-Anhalt eine Vielzahl von Schlagzeilen in den Medien über die Arbeitsschutzsituation. Zur Erinnerung, im Jahr 1996 gab es in Sachsen-Anhalt 53.000 Arbeitsunfälle und zugleich 46 tödliche Arbeitsunfälle bei betrieblicher Tätigkeit. Die Zahl der Arbeitsunfälle ist seit dieser Zeit kontinuierlich gesunken auf ca. 42.000 im Jahr 2000 und ca. 30.000 im Jahr 2005. Auch die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle hat im gleichen Umfang abgenommen auf 23 im Jahr 2000 und 14 im Jahr 2005.

Dieser Rückgang hat vielerlei Ursachen – die Wirkung der Baustellenverordnung, die präventive Beratung durch Sicherheitsfachkräfte in den Betrieben, die intensive Auf- sicht und Beratung durch Gewerbeaufsicht und die Unfallversicherungsträger, sie ist aber auch verursacht durch den Rückgang der Bautätigkeit nach dem Bauboom der 90er Jahre.

Bedenklich an der Entwicklung der Unfallzahlen ist, dass in Sachsen-Anhalt nach dem Minimum 2005 ein leichter Anstieg im Jahr 2006 und ein deutlicher Anstieg der

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Unfallzahlen im Jahr 2007 zu verzeichnen ist. Obgleich auch in anderen Bundeslän- dern ein Anstieg der betriebsbedingten Arbeitsunfälle zu verzeichnen ist, ist die spe- zifische Unfallquote (pro 1000 Beschäftigte) in Deutschland, aufgrund konjunkturell gestiegener Beschäftigung, insgesamt auch bis 2007 kontinuierlich gesunken. Der Anstieg der Unfälle in Sachsen-Anhalt um mehr als 10 % auf mehr als 32.000 – er verteilt sich auf eine Reihe von Branchen - kann damit nicht erklärt werden.

Die Zahlen für 2008 liegen noch nicht vor. Über die Ursachen kann im Augenblick nur spekuliert werden – ist es die zunehmende Arbeitsverdichtung oder ist es die zurück- gehende Präsenz der Aufsichtsbehörden in der Fläche (ich komme darauf noch zu- rück).

Ausblick

Veränderungen in der Arbeitswelt

Das gegenwärtige Arbeitsschutzsystem in Deutschland ist in seiner Organisations- struktur, seinem Regelwerk und seinem Selbstverständnis im Wesentlichen eine Antwort auf Belastungen und Gefährdungen der Industriegesellschaft. Der Arbeits- begriff des Industriezeitalters mit seinem Verhältnis von Arbeit und Arbeitenden mit lebenslanger Bindung an bestimmte Tätigkeiten – mit einseitigen wenig veränderli- chen Arbeitsbedingungen – taugt immer weniger für die Beschreibung neu entste- hender Arbeitsbedingungen.

Die letzten 15 Jahre haben den Beginn einer Entwicklung der Arbeitsgesellschaft erkennen lassen, deren Auswirkungen oft unterschätzt werden. Neue Arbeits- und Organisationskonzepte und damit die Entwicklung einer neuen Arbeitskultur können als Versuch einer Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung angesehen werden.

Flexibilität ist die zentrale Kategorie des strukturellen Wandels der Arbeitsgesell- schaft. Sie bezieht sich auf Veränderungen der Arbeitsorganisation, der Arbeitsorte, der Arbeitszeit, der Beschäftigungsverhältnisse und sozialen Beziehungen innerhalb von Unternehmen.

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Unternehmensorganisationen mit flachen Hierarchien, mit Eigenverantwortlichkeit und Zielbindung, mit Selbstorganisation und Selbstregulation, führen simultan zur Zunahme von Handlungsspielräumen und Leistungsverdichtung, Autonomiegewinn und Verschärfung der psychischen Belastungen. Arbeitszeit entwickelt sich zum we- sentlichen Stresser- und Belastungsfaktor (Arbeitszeitflexibilität, Bereitschaftsdienst, Verhältnis von Arbeits- und Freizeit, ständige Erreichbarkeit).

Besondere Bedeutung hat die Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse. Der Arbeitsmarkt wird zum Markt. Arbeitssuchende treten als Kunden der (knappen) Wa- re Arbeit auf. Unternehmen suchen gesunde und fähige Beschäftigte auf Zeit oder Dauer. Zentrale Bedeutung hat die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit. Die Förde- rung von Qualifikation, Motivation und Gesundheit sind damit verbunden. Arbeitsges- taltung, d. h. Anpassung der Arbeitsbedingungen an den Menschen und Beschäfti- gungsfähigkeit, d. h. Anpassung von Personen an die Bedürfnisse des Arbeitsmark- tes/Arbeitsplatzes müssen sich ergänzen. Betriebe und Organisationen müssen aus Eigeninteresse, aus Gründen der sozialen Verantwortung und wegen des demografi- schen Faktors verstärkt daran interessiert sein, gesunde und leistungsfähige Mitar- beiter zu gewinnen und sie gesund zu erhalten. Sowohl Betriebe als auch Beschäf- tigte, Staat und Sozialsysteme haben ein gleichgerichtetes Interesse an der Erhal- tung und Förderung von Gesundheit.

Diese Veränderungen in der Arbeitswelt haben zunehmend tiefgreifende Auswirkun- gen auf Belastungen und Beanspruchungen von Beschäftigten. Etwa seit der Jahr- tausendwende kann man von einer Angleichung der gesundheitlichen Arbeitsbedin- gungen in Sachsen-Anhalt und den alten Bundesländern ausgehen, allerdings unter Berücksichtigung von Besonderheiten des ostdeutschen Arbeitsmarktes. Diese hat das ISW Halle unlängst in einer Studie zu 20 Jahren Mauerfall „Die ostdeutsche Transformation im Spiegel wirtschaftlicher und sozialer Indikatoren“ beschrieben. Es sind deutlich höhere Arbeitslosigkeit, längere (tarifliche) Arbeitszeiten, niedrigere Ent- lohnung und weitgehend fehlende Tarifbindung im nichtindustriellen Bereich.

Unter dem Druck der Arbeitsmarktsituation in Sachsen-Anhalt sind Beschäftigte oft immer noch gezwungen, unter nicht hinnehmbaren sozialen Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Das betrifft insbesondere die überlangen Arbeitszeiten und die enorme Ar- beitsverdichtung.

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Insofern geben die Ergebnisse der repräsentativen Befragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeit (BAuA) zum Zusammenhang zwischen Belastung und Beanspruchung von Beschäftigten aus dem Jahre 2005/2006 wichtige Hinweise, die auch für die Arbeitssituation in Sachsen-Anhalt von Bedeutung sind.

1. Körperliche Arbeitsbedingungen Häufigkeit (%) Belastung (%)

Arbeiten unter Lärm (häufig/manchmal) 39 47

Lasten >20 kg (Männer), >10 kg (Frauen) 39 43 2. Beschwerden nach der Arbeit Häufigkeit (%) Behandlung

(%)

Schmerzen im Rücken/Kreuz, Na- cken/Schulter

> 40 > 60

Allgemeine Müdigkeit/Mattigkeit 42 15

3. Überforderung durch Arbeitspensum 17

4. Psychische Anforderungen und Belastungen Häufigkeit (%) Belastung (%)

Termin- und Zeitdruck 53 59,4

Störungen bei der Arbeit 46 59,8

Vorgabe Mindestleistung/Stückzahl 31 45

Das RKI weist in einer Studie aus, dass psychische Erkrankungen mit stark steigen- der Tendenz die Hauptursache für Frühberentungen sind, bei Männern mit 25 %, bei Frauen mit 35 %.

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Ausblick

Folgen für das Arbeitsschutzsystem

Flexible Unternehmensorganisationen erfordern ständige Wandlungsfähigkeit. Sie führen auch zu einem veränderten Bewusstsein. Flexibilität verändert das Selbstver- ständnis von allen Beteiligten. Die gewünschte Eigenschaft hat Folgen, man unter- wirft sich nicht mehr engen starren Regeln und Vorschriften, ist gegen absolute Set- zungen und bürokratische Formalitäten – auch im Arbeitsschutz.

Die angedeuteten Entwicklungen werden sich verfestigen. Arbeitsschützer müssen sich darauf einstellen, dass diese neue Arbeitskultur Arbeitsschutzsystem und Auf- gabenwahrnehmung verändern werden.

1. Traditionelle Gefährdungen des Industriezeitalters werden abnehmen

o wegen der stärkeren Integration systemimmanenter sicherer Technik

o weil industrielle/gewerbliche Tätigkeiten mit hohen Gesundheits- und Unfall- risiken abnehmen,

o weil lebenslange einseitige Belastungen bei hohen Gesundheitsrisiken durch flexible Beschäftigungsverhältnisse seltener werden.

Damit wird sich die Bedeutung der Unfallversicherungsträger in ihrem Kernge- schäft – der Versicherung gegen Arbeitsunfälle und vor allem Berufskrankheiten – verringern.

2. Arbeitsbedingte gesundheitliche Belastungen und Beanspruchungen im Informa- tions- und Dienstleistungsberufen, durch organisatorische Defizite als Folgen von Mobilität, Flexibilität und Arbeitsverdichtung nehmen zu. Von den beiden Aspek- ten im Arbeitsschutzgesetz Gesundheit und Sicherheit wird der erste in seiner Bedeutung zunehmen. Die Rolle der Träger der Krankenversicherung als Koope- rationspartner für den betrieblichen Gesundheitsschutz wird damit tendenziell wichtiger werden.

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3. Die Erkennbarkeit und Beeinflussbarkeit derartiger Belastungen und Beanspru- chungen durch externe Experten, wie Aufsichtsdienste von BG und GAV ist in ih- rer Wirkung begrenzt.

4. Regelwerke werden in ihrer Bedeutung für den Gesundheitsschutz eher abneh- men, auch weil sich organisatorische Sachverhalte schwer regeln lassen.

5. Das innerbetriebliche Arbeitsschutzsystem und die betriebliche Gesundheitsförde- rung gewinnen an Bedeutung. Die Sicherung von Verbindlichkeit und Qualität der betriebsnahen Beratung und die Stärkung der betrieblichen Prävention sind drin- gend erforderlich. Das ASiG erscheint – schon von der Begrifflichkeit – nicht mehr zeitgemäß. Es geht nicht nur um Arbeitssicherheit und Sicherheitsfachkräfte, sondern um Gesundheit und Sicherheit.

6. Eine Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie ist dringend erforderlich. Die Zielorientierung und die jetzt entstandene enge Kooperation zwischen Gewerbe- aufsicht und Unfallversicherungsträgern waren überfällig. Die GDA in ihrer jetzt beschlossenen Vorgehensweise greift ganz wesentliche Themen auf. Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung- mit Sicherheit aber nicht der letzte.

Ich bin sehr froh, dass mit Herrn Dr. Thiele ein kompetenter Fachmann zur Infor- mation über den gegenwärtigen Stand gewonnen werden konnte.

Zum Abschluss noch eine Bemerkung – quasi pro domo – zur staatlichen Arbeits- schutzaufsicht.

Er ist unverzichtbar als vor Ort hoheitlich eingreifende Instanz zum Schutz von Be- schäftigten. Der Arbeitsschutzaufsicht des Landes kommt eine wesentliche Rolle als Garant für Beschäftigte bei der Schaffung humaner Arbeitsbedingungen zu – übri- gens einem Staatsziel in Art. 39 Abs. 2 der Landesverfassung.

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Kompetente Aufsicht und Beratung über die Breite des Spektrums und Präsenz in den Betrieben ist auch zukünftig erforderlich. Auch wenn im Rahmen des Personal- abbaus beim Fachpersonal in der GAV von über 40 % in den letzten 5 Jahren, stei- genden Anforderungen in der Marktaufsicht und bei der Kontrolle der Sozialvorschrif- ten im Straßenverkehr die Präsenz in den Betrieben stark zurückgegangen ist.

Die Anforderungen an die Kompetenz der Arbeitsschutzakteure bei der Beurteilung von Risiken bei der Einführung neuer Technologien (ich nenne Nano-, Bio- und Gen- technik) sowie neuen Organisationskonzepten werden sich auch wegen der Be- schleunigung der Prozesse infolge der Globalisierung erhöhen.

Hinzukommt, dass die Deregulierung der Regelwerke im Arbeitsschutz sowie die De- finition von Sicherheitszielen statt konkreter Festlegungen im Regelwerk verbunden mit der Aufhebung des Monopols bei Sachverständigenorganisationen einerseits zwar zu durchaus gewünschten Freiräumen geführt hat. Andererseits verlangt die Beurteilung von Ermessensspielräumen deutlich höhere fachliche Kompetenz bei den Aufsichtsbehörden.

Die Verantwortung der Behörden steigt damit ebenfalls, weil man sich bei Forderun- gen in vielen Fällen nicht mehr auf das Regelwerk berufen kann. Damit steigen auch die Anforderungen an die soziale Durchsetzungskompetenz von Behördenvertretern aber auch von betrieblichen Vertretern im Arbeitsschutz. Auch deshalb wird von den Aufsichtspersonen – die Sachwalter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind – ein Höchstmaß an Integrität, beispielhaften persönlichem Verhalten und Fachkompe- tenz erwartet , das dieser Stellung gerecht wird.

Referenzen

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