t—1 -
K ^ 1»^ ^15: m m°m ^ 4^ SS m°
^ >3 ffi iH- SS ^ rt^ [E- SS iiiin ^ N -^r
CO Ö iE- « -3^°^ >5 Ö 15- # -i^^l^ ^ iE- -5^°
^ ^ >3 |c ^ Hl ^o|^ ^ ^ ^^0^^ 1^. ^^0^ ilim fil w m°
O m m K e #°>3 iü *k°^ ö ^ illin Hä 1^ te: !f °
l-H
hH T-H
II tE- flf ^°-5- Iffi -N^ !liia°mr Ie- tPj iE- fe! ^ ^
oi ^ r « ^°-5- m ^ iE- fj^fe ls- ^ ^°llllü IHK -5^°
CO ü ^ ^ ^'-fr m ^ iii!Q°K- iE- m ^ m -^^^wn ^ m 0°
l-HHH f—( »■H
^ ^ m Ii; -15!^°^ ^ m^m ^ ^ -^^m ^ m
M m M°m ^ ^ ^°
>
l-H m-a^m m \h m ^ m m°
(N m^m ^"^m m \h \^ m m
eo mii^m M m m -p w mr
m ^ m"-^" ^ ^°nn «1 h- k 05°
\6 -N^ m°nn iü ^ m°m \h n
153
Proben aus Victor von Strauss' Schi-king-Uebersetzung
mit Text und Analyse.
Von Georg Ton der üabelenti.
Hit einer Tafel.
Seit einigen Monaten harrt ein wissenschaftlich-künstlerisches
Werk der VeröflFentlichung, das, trügt mich nicht Alles, in der
Uebersetzimgsliteratur aller Zeiten und Länder einen höchst hervor¬
ragenden Platz einnehmen soU. Herr Geheimer Rath Victor von
Stranss und Torney hat, nachdem er die tiefsinnige Theosophie
des grossen Mystikers Lao-tsi mit unerreichter Meisterschaft ge¬
deutet, sieben Jahre unablässigen Pleisses dem alten Liederschatze
der Chinesen, dem dritten ihrer canonischen Bücher, Schi-klng
gewidmet, welches er in einer nach Porm und Inhalt getreuen
Uebersetzimg der deutschen Leserwelt bekannt machen will. Proben
seiner Arbeit hat er vor ohngefähr einem Jahre in einer Zeitschrift
veröffenthcht, und nun, da ich die Handschrift druckfertig vor
Augen gehabt habe, scheint mir eine Untersuchung jener Proben
auf ihre philologische Richtigkeit erwünscht.
Die dreihundert und neun Lieder des Schi, innerhalb eines
etwa eiKhundertjährigen Zeitraumes entstanden (18— 7tes Jahrh.
V. u. Z.), sind in vier Bücher vertheilt: 1) Kuoh-füng ,Landes-
sitten', d. i. Lieder aus den einzelnen Peudalstaaten, deren Sitten
und Zustände sich in ihnen spiegeln; 2) Siah-yä und 3) Td-yä
Lieder zu kleineren und grösseren Festen (?); endhch 4) Sung
Lobheder. Fast alle diese Gedichte sind gereimt, aber in Vers¬
mass und Reimfolge sehr vielgestaltig. Viersylbige Verse sind
vorwaltend, und soviel in jener alten Metrik noch unaufgeklärt
sein mag, so wissen wir doch, dass nächst der Zahl der einsyl¬
bigen Wörter auch deren Tonbeschaflfenheit berücksichtigt wurde.
Die Sylben selbst scheinen als gleichwerthig, sämmthch als Längen
gegolten zu haben; und für das Gefühl des Dichters müssen sie
wohl noch schwerer wiegen, als etwa eine Länge in europäischen
Versmaassen, weil jede chinesische Sylbe für sich allein den ge-
154 d- Gabelentz, Proben a. Victor v. Slrauss' Schi-king- Ueberselzung.
danklichen Inhalt eines ganzen Wortes in sich birgt. Luthers
Predigerregel.
Geh' rasch 'nauf, Thu's Maul auf, Hör' bald auf!
hat ganz die Wucht jenes MonosyUabismus.
Es ist klar, dass in diesem Punkte die chinesische Verskunst
für unsere Sprache unnachahmhch ist. Ein zweiter Umstand kommt
aber hinzu: wir, und selbst die Engländer mit ihren zahlreichen
einsylbigen Wörtem können schlechterdings nicht in so wenigen
Sylben soviel ausdrücken, wie die altchinesischen Sänger. Hier
hat unser Uebersetzer mit dem ihm eigenen feinen Formgefühle
das Ricbtige gefunden, indem er jeder chinesischen Sylbe einen
Versfuss gleichsetzte. Dem deutschen Worte ist der Trochäus
(und, bei Vorschlag einer kurzen Sylbe, der Iambus) typisch, und
so war der eingeschlagene Weg zugleich derjenige, auf welchem er
am ersten Wörtlichkeit der Uebersetzung bei der denkbarsten Ana¬
logie des Metrums zu erreichen schien.
Wörter von gleichklingendem Auslaute waren, — dies lehrt
uns das Schi, — schon im Altchinesischen in weit grösserer An¬
zahl vorhanden, als sie es etwa im Deutschen sind. Daher in jener
Sprache die Leichtigkeit des Reimens, daher die MögUchkeit, den¬
selben Reim in einer Strophe viel öfter wiederkehren zu lassen,
als wir es ohne störendes Gedrechsel könnten. Es gehörte die
Sprachbeherrschung eines Victor von Stranss dazu, um auch hierin
der Form des Originales vollkommen gerecht zu werden, dessen
eigenartiges Gepräge durch jede Abweichung in diesem Punkte
verwischt worden wäre. Dass er die in der chinesischen Poesie
streng verpönten Enjambements zu vermeiden gewusst, ist selbst¬
verständUch,
Die Analyse, zu welcher ich mich nun anschicke, soU eine
blos grammatische sein. In dieser Hinsicht ist die Sprache unserer Lieder einfach 'und meist klar genug, um auch dem Nicht-Sinologen schneU eine gewisse Controle zu gestatten. Sie ist überdies, soweit
dies Liedertexte sein können, ein Muster der jeweihgen Volks¬
sprache und im Zusammenhalte mit anderen gleichalten Schrift¬
stücken eine bündige Widerlegung des zuweilen gehörten Wahnes,
es bätten die alten Chinesen anders geredet als geschrieben. In
lexicahscher Beziehung ist allerdings um so mehr zweifelhaft; in¬
soweit sei der Leser auf Legge's Cbinese Classics, Vol. IV Pt.
1 & II verwiesen. Der üebersetzer hat hier oft die Wahl zwischen
den Auslegungen verschiedener gleich gut empfohlener Erklärer;
uns aber bleibe der Trost, dass wohl der Dichter den Dichter am
besten verstehen werde. Wo icb daher des Herrn von Strauss
Auffassung mit der des einen oder anderen einheimischen Commen¬
tators im Einklänge sehe, darf ich mich für den vorliegenden Zweck
ihr ohne Weiteres ansehliessen. Die Frage, welche ich durch meine
V. d. Oabelentz, Proben a. Victor v. Strauaii' Schi-kiug-Uebersetzung. 155
zwischenzeiligen üebersetzungen und spracblichen Anmerkungen be¬
antworten will, lautet nicht: wie kann der Text noch anders auf¬
gefasst werden? sondem vielmehr: durfte er nach den Gesetzen
der Sprache so aufgefasst werden, wie es von Herm von Strauss
geschehen? Meine Arbeit, ein kleines Praktikum im vorclassischen
Chinesisch, wird dadurch an Passhchkeit für Pemerstehende reich-
hch soviel gewinnen, als ihr an kritisch-gelehrtem Beiwerke abgeht.
Und somit zur Sache.
I. a, ni, 2).
1) Da schwimmet der Cypressenkahn, Und schwimmet seine Fluthenbahn,
So treibt mich's ohne Mast und Schlaf,
Wie wen da nagt des Schmerzes Zahn.
Nicht weil mir Wein war abgethan
Wandl' ich und schweif ich auf dem Plan.
Pän pi ^eh-tscheä,
(Es) schwimmt jenes Cypressenboot,
Yih fän k'i liiu;
ünd schwimmt-in seiner Strömung;
Kfeng-kfeng puh m6i,
Euhelos nicht schlafe (ich),
Jü yeü yin yeü.
Wie wenn (ich) hätte geheimen Kummer.
Wei ngö wü tsieU,
Nicht ich habe-nicht Wein,
i ngäo i yeii
Darum wandele (ich), dämm streife-ich-umher.
V. 1. Fdn, Prädikat, der gewöhnlichen Wortstellung entgegen
vor dem Subjekte. Diese Inversion ist, namentlich bei Verben des
Sichbewegens, auch in der späteren Classicität nicht ungewöhnlich.
Ihr Sinn ist wohl, dass die Erscheinung zum Gegenstande der
Rede gemacbt und dann hinsichtlich ihres Trägers oder ürhebers
näher erklärt werden soll. So vertauscben psychologisch Subject
und Prädikat die Rollen. — Pi = der, jener, als Attribut voran¬
stehend. Peh = Cypresse, Genitiv des Stoffes zu tscheü = Boot,
Kahn, beide zusammen eine Art Compositum bildend.
V. 2. K'i pron. III pers., wegen des darauf folgenden Sub¬
stantivs genitivisch zu verstehen. Lieü selbst ist freilich seinem
Grundbegriffe „fliessen, strömen," zufolge Zeitwort. Weil es aber
auf das Verbum fdn als dessen Objekt folgt, muss es der Func¬
tion nach Substantivimi sein. Verba des Verweilens oder Sicb-
bewegens können hinter sich örthche Objekte haben; der Zu¬
sammenhang, besonders die Bedeutung des Verbums ergiebt dann,
ob ein Wo, Wohin oder Woher zu versteben sei.
V. 3. Hier wie oft ist das Subjekt aus dem Zusammenhange
1 4
156 d. Gabdentz, Proben a. Victor v.Slrausi' Schi-hing-Uebersetzung.
{vgl. V. 5 ngö = ich) zu erkennen. Kbng-k^ng, eines der vielen
durch Reduphcation gebildeten Adverbien iterativer oder durativer
Bedeutung. Puh = nicht, als Adverb nothwendig vor dem Verbum
mii stehend.
V. 4. Jü (spr. zü) = gleichen, ähneln, wie. Yeh = haben,
vorbanden sein, oft auch unpersönlich = es giebt; Gegensatz: wü
= nicht vorhanden sein, entbehren, mangeln (vgl. V. 5). Yin,
Adjektiv, weh. attributiv vor dem Substantiv stehend. Yeü, Zu-
standswort: traurig, traurig sein. Hier ist es als Object des Ver¬
bums lyCM Substantivum — vgl. oben V. 2.
V. 5. Wii, sonst = klein, verborgen, im Schi öfter statt
ähnlich lautender Vemeinungswörter angewandt.
V. 6. \, als Verbum = nehmen, dann als Präposition, das
Werkzeug („durch, mit'), den Stoflf („aus, von') oder die Ursache („wegen, aus') ausdrückend, steht hier prägnant, d. h. ohne folgen¬
des Begimen im Nachsatze. Es ist daher mit Ergänzung eines
Demonstrativpronomens als Adverb oder Conjunktion zu verstehen:
„damit, dadurch, sodass, deshalb, um zu', u. s. w. Der Sinn von
V. 5—6 ist bestritten; Hr. v. Str. schhesst sich, gegen Legge, der
Mandschu-Uebersetzung an: Bi saraiaci yabuci nure aköngge waka =
weim ich wandele imd einhergehe, so ist es nicht weil Wein mangelte.
Die vom Uebersetzer dem Gedichte gegebene Ueberschrift
lautet: „Unverdiente Zurücksetzung imd Kränkung". Der Dichter
vergleicht den stUlen Lauf eines Bootes, das sich in seinem Pahr-
wasser befindet, mit seinem eigenen zwecklosen und unstäten Da¬
sein. Diese scheinbar zufMige Verknüpfung äusserer Vorgänge
mit inneren Stimmungen ist vielen altcbinesischen Liedern ebenso
eigen wie den süddeutschen Schnaderhupfln.
2) Kein blosser Spiegel ist mein Herz,
Nicht kann ea Eingang nur verlern,
ünd hab' ich wohl der Briider auch,
Sie können mir nicht Stütze sein.
Komm' ich und klage meine Pein,
So fährt ihr Zorn auf mich herein.
Ngö sin ffei kiän,
Mein Herz ist-nicht (ein) Spiegel,
Puh khö-i jü;
Nicht kann-(es) spiegeln,
Yih yeü biüng-ti.
Auch habe-ich Brüder
Puh khö-i kiu.
Nicht kann-(ich) mich-stützen,
Poh y6n wäng sti:
Elend redend gehe(-ich)-hin zu-klagen:
Püng pi-tschi nü
(Ich) begegne ihrem Zorne.
1 4
». d. Gabelentz, Proben a. Victor v. Strausn' Schi-king- Uebersetzung. 157
V. 1. Ngh — ich, wegen des folgenden Substantivs possessiv:
= mein.
V. 2. Kfih-i, das Hülfszeitwort khh = können, mehr von
äusserer Möglichkeit gebraucht, giebt ohne dazwischentretendes l
dem folgenden Verbum passive, mit diesem i dagegen aktive Be¬
deutung. Dieses i, vgl. 1, 6, eigentlich = damit, dadurch, ersetzt
solchenfalls ein Pronomen im Objektivcasus, zuweilen auch ein
blosses ,etwas' oder „Jemand".
V. 3. Yih, meist = „auch", scheint hier, im Vordersatze die stärkere Bedeutung von: „freilich, zwar", zu haben; hiüng-li,
wörthch: „älterer Bruder, jüngerer Bruder" = Gebrüder; die Chi¬
nesen keimen, wie so viele Völker, den Begriff Bruder so schlecht¬
hin, abgesehen vom relativen Alter, nicht.
V. 5. Poh-yen, oben wörthch übersetzt, oder aUenfaUs =
miserabile dictu, kommt in ganz anderem Zusammenhange in
Bucb I Lied VIH vor und wird hier wie yto und poh in B. I L. U
für einen blossen Empfindungslaut gehalten.
V. 6. Nü = zürnen, wird hier durch die SteUung hinter dem
Genitive pl-fschi zum Substantive.
3) Mein Hers ist nicht ein Stein der Flur,
Den hin und her man troUen kann.
Mein Herz iat keine Matte nur.
Die auf und zu man rollen kann;
Steta vi>C ich Redlichkeit und Zucht.,. —
Nichta, dem man Tadel zollen kann
Ngö sin föi schih.
Mein Herz ist-nicht ein-Stein,
Puh khö tsckuhn yl
Nicht kann-es-werden gewälzt.
Ngö sin ffei sih.
Mein Herz ist-nicht eine-Matte,
Puh khö kiüan yl.
Nicht kann-es-werden geroUt.
Wei yi thäi-thäi :
Würdig geziemend immerdar:
Puh khö aiudn yl.
Nicht kann werden gemäkelt.
V. 2, 4, 6. Wegen kho vgl. Strophe 2. Yl ist eine sehr
gebräuchliche, namentlich auch negirende Sätze verstärkende Scbluss-
partikel. Man achte auf die vom Uebersetzer nachgeahmten Doppel¬
reime.
V. 5. thdi-thdi, eine der im Schi-king häufig vorkommenden
'Wortverdoppelungen von iterativer oder intensiver Bedeutung. Das
Zeichen für thai bedeutet an sich eine wilde Kirschenart und ist
natürlich nur der Lautgleichheit wegen für diesen Zweisylbler ver¬
wendet worden. An Stelle der von den Wörterbüchern beliebten
158 d. Gabelentz, Proben a. Victor v. Strauaii Schi-h'ng-Veiersetzung.
ErMärung: gewöhnt, geübt sem, — habe ich eine adverbiale Ueber¬
setzung gewäblt; denn einmal sind solche Wortverdoppelungen
meist adverbial, und zweitens stebt eine adverbiale Bestimmung,
wenn sie die Zeitdauer ausdrückt, meist gleich einem Objekte
hinter dem Prädikate. (Vgl. unsem Accusativ der Dauer.)
V. 6. Siuän heisst eigentlich: wählen, pflücken, herausgreifen.
Der Sinn: mäkeln, to find faults with, ist ein abgeleiteter.
4) Nur Orams ist sich mein Herz bewusst.
Mich hasst die Schaar voll niedrer Lust;
Dasa ich schon viel der Kränkung sehn,
Der Schmach nicht wenig tragen musst'.
Stillschweigend .iinn ich drüber nach,
Wach' auf — und schlag' an meine Brust.
Yeü sin ts'iao-te'joo,
Das bekümmerte Herz (ist) gramvoll,
Yun iü k'iun siao
Gehasst von der Schaar Pöbels;
Keü min ki to
Ich sah Kränkungen schon viele.
Scheu wü puh achao.
Empfing Schmach nicht wenig.
Tsing yto ssJ tschi
Schweigend so bedenke-ich es,
Wu p'ih yeü p'iao.
Erwachend zerschlagen habe-ich die Bmst.
V. 1. ta'iao-ta'iao vgl. Str. 3 v. 5.
V. 2. IM = von macht das vorausgehende, sonst aktive Zeit¬
wort yun zu einem Passivum. K'iün-aiao. Der Chinese setzt
bekanntlich Wörter für Maasse und Mengen scheinbar im Genitiv
voran und sagt z. B. eines Bechers Wein statt: ein Becher Weines.
Siao == klein, durch die Stellung Substantivum und = siao-jin,
gemeine Leute.
V. 3. Keu = sehen, giebt dem folgenden Verbum passive
Bedeutung; ki = schon, bereits, deutet ein Perfektum an. Man
beachte in diesem und im folgenden Verse die emphatische Stellung von ki-tö und puh-schaö.
V. 5. Yin, sonst = sprechen, steht hier statt eines anderen
gleichlautenden Hülfswortes und verleiht dem voranstehenden Ver¬
bum die Bedeutung eines adverbialen Particips.
V. 6. Constrnktion und Bedeutung von yeü, haben, sind hier
nicht ganz sicher.
5) 0 Sonne du, und du o Mond,
Habt ihr gewechselt eur Entschweben ?
Ach meines Herzens Herzeleid
Ist ungewaschnen Kleidern eben.
V, d. Gabelentz, Proben a. Viclor v. Slrauss' Schi-king- üebersetzung. 159
Stillschweigend sinn' ich drüber nach,
Ünd — Flügel kann ich nicht erheben.
Jih kiü yueh tschiü!
Sonne o Mond ach!
Hü t'ieh-rt wei'>
Warum wechselnd verdunkelt?
Sin - tschi yeü i
Des Herzens Gram (p. fin.)
Jü fti huän yl
Gleicht nicht gewaschenen Kleidern.
Tsing-yÄn ssl tschi
Stillschweigend hedenke-ich es
Puh ntag f6n fei
Nicht kann-ich die-Flügel-ausbreitend fiiegen.
V. 1. kiü und tschiü soUen hier als Empfindungslaute wirken.
V. 2. ri — und, da, macht das Vorausgehende im Verhält¬
nisse zum Polgenden adverbial. Der Sinn ist angeblich :, Sonst hat
die Sonne immer gleichen Glanz, während der Mond zu- und ab¬
nimmt und verschwindet; — jetzt scheint es als hätten die Beiden
ihre Bollen vertauscht.
Wo liegt der Vergleichspunkt im V. 4? SoU as heissen: Das
Herz ist schlafi', haltlos? oder etwa: es ist nicht geeignet (nicht
gestimmt) zum geselligen Verkehre mit Menschen? sein Gram möge
der Welt verborgen bleiben? oder: es bedarf der Erfrischung wie
getragene Kleider der Wäsche?
U. (I, IV, H).
Bei dem folgenden Gedichte: „Schamloses Treiben im Innern
des Palastes" werde ich meine phUologiscben Zugaben sehr kürzen können.
1. Die Mauer hat Gedöm,
Das gar nicht wegzubrechen ist.
Und in den Kammem treiben sie,
Was gar nicht auszusprechen ist,
Weil, was noch auszusprechen ist
Nur Rede für den Prechen ist.
2. Die Mauer hat Gedöm,
Das gar nicht auszuTeuten ist,
Und in den Kammem treiben sie.
Was gar nicht anzudeuten ist,
WeU, was noch anzudeuten ist.
Zu arg schon aUen Leuten ist.
8. Die Mauer hat Gedöm,
Das gar nicht wegzuschälen ist;
1 4 »
160 XI.d. Gabelentz, Proben a.Victor v. Strauss' Schi-king-Uebersetzung.
Und in den Kammem treiben sie,
Was gar nicht zu erzählen ist.
Weil, was noch zu erzählen ist,
Als Bede schon zu schmählen ist.
\
Ts'iäng yeü ts'i
die Mauer hat Gedöm (tribulus)
Pub k"o aab yl
Nicht kann es werden weggefegt (p. fin.);
(2.) aiäng beseitigt;
(3.) achüh
zusammengej ätet ;
Tschüng keü tschi yön
Der inneren Kammem (n. gen.) Geschichten
Püh k"o taö yl
Nicht können-sie werden erzählt (p. fin.);
(2) tsiang berichtet;
(3) schüh
wiederholt (vorgetragen);
Sö kö taö (tsiäng, schk) ye
Was kann werden etc. (p. fin.),
Yto tschi tscJieii yl
(Wäre) der Geschichten (n. gen.) schmutzigste (p. fin.).
(2) tsch'äng längste (3) siüh
schmählichste.
V. 1 ist gleich richtig zu übersetzen: An der Mauer giebt es
Gedöm. Yek = haben ist nach unpersönlichen Substantiven s. v. a.
vorhanden sein, und dann sind jene Substantiva natürlich als Loca¬
tive zu übersetzen.
V. 3. tschüng = Mitte, Inneres, wird durch seine SteUung
vor einem Substantivum zum Adjektivum, yin = sagen, durch
seine SteUung hinter einem Genitiv zum Substantivum.
V. 6. Die Uebersetzung, womacb yin Substantiv, und folglich
tschi Genitivpartikel, und daram wieder das prädicative Adjek¬
tivum Superlativ ist, entspricht meines Wissens der gäng und gäben
Auffassung. Man beachte die .glücklich wiedergegebenen Doppel¬
reime, deren Wiederholung nicht zum geringsten Theüe dem Gedichte seine wunderbare Kraft und Schneide verleiht.
m. (I, IX, 7).
Von diesem „ Abschtedalied der Auawanderer an ihren Ober-
beamteu' theüe ich nur die erste Strophe mit. Die heiden übrigen
sind wieder nur Variationen.
1 4 *
fj. ä. Gabelentz, Proben ß. Viclor v, Straats'Schi-king-üebernetzung. Ißl
Grosse Maus! grosse Maus!
Unsre Hirse nicht verschmaus'!
Drei Jahr' hielten wir Dich aus,
Kümmerten Dich keinen Daus;
Wandern nun von Dir hinaus,
Freu'n uns jenes schönen Gau's, Schönen Gau's, schönen Gau's,
Wo wir finden Hof vmd Haus.
Sehl schü, sohl sc/iii\
Grosse Ratte, grosse Ratte!
Wü schi ngö sahh
Nicht friss imsre Hirse!
Sän süi . kuan ßl
Drei Jahre dienten wir Dir,
Möh ngö k'eng-M
Nicht uns erwiesest - Du - Sorgfalt,
Schi tsiang k'iu
Wir gehen fort um zu verlassen Dich,
Schi pi 18h tu
Ziehn in jenes glückliche Gau,
Löh tu, ISh tu
Glückhche Gau, glückhche Gau
Yuän tSh ngö aü
Dort erlangen - wir unsem Platz.
V. 4. Das Objekt vgb = uns, steht vor dem regierenden Ver¬
bum k'eng = gewähren, bewilhgen. Dies ist regelmässig gestattet,
wenn 1. das Objekt ein Personalpronomen, einschliesslich tschi =
„ihn, sie es", ist, und 2. diesem Objekte eine Negation vorausgeht.
Das vorUegende Beispiel ist beachtenswerth wegen des zweiten,
direkten Objektes kit = Sorgfalt, AnfmeAsamkeit, Fürsorge.
V. 8. sil, sonst nieist ah, auch achh gesprochen, ersetzt meist
das objektive Eelativpronomen. Geht ihm tek = erlangen nnd
ein Possessivpronomen voraus, so ist es Substantiv in der Bedeutimg:
gebührender, zusagender Platz.
IV. (I, X, 11).
„Wittwentrauer und Wittwentreue^
1. Daa KS') wächat übern Strauch herein,
Die Wende achlingt sich fort im Frei'n.
Mein Vielgeliebter tat nicht mehr;
Wer iat noch mein?
Ich steh' allein.
1) Eine Art Rankengewäclis, angeblich dolichos.
Bd. XXXII. U
V. d. Gabelentz, Proben a. Victor v. Strausn' Schi-king- Uebersetzung.
Koh seng meng tsu
Das Köh wächst, bedeckt den Dornstrauch,
Lian män iü .schh
Der Convolvulus breitet sich aus in der Wildniss:
Iü mfei wäng tsY
Mein Schönster ist nicht mehr hier;
Schüi tlt tüb ticttu
Wer (ist) bei (mir)? aUein verweUe ich.
V. 4. lii, meist = mit, bei, und, ist in seiner ursprünglichen,
verbalen Bedeutung s. v. a. sicb gesellen, verkehren mit, Gesell¬
schaft leisten u. s. w.
2. Das Kö im Dom wächst hräftiglich.
Die Winde schlingt um Gräber sich.
Mein Vielgeliebter ist nicht mehr:
Wer ist noch mein?
Allein steh' ich.
Koh seng meng Inh.
Das Koh wächst, bedeckt den Brustbeerstrauch,
Lian män iü yüh
Der Convolvulus breitet sich aus auf Gräbern.
Iü mfei wäng ts'l'
Mein Schönster ist nicht mehr hier;
Schüi iü tüb sih
Wer (ist) bei (mir)? allein bleibe ich.
Hier fehlt auch im Urtexte der innere Reim im vierten Verse.
(3) Dei- Pfühl für's Haupt, so .9chön und fein!
So reich der Decke Stickerei'n!
Mein Vielgeliebter ist nicht mehr;
Wer ist noch mein?
Mir tagt's allein.
KiSh tschin fsan In
Das hörnerne Kopfkissen ist schön o !
Kin K"un lun hi
Die gestickte Decke glänzend o!
Iü mfei wäng ts Y
Mein Schönster ist nicht mehr hier;
Schüi iü tüh tdn
Wer (ist) bei (mir)? allein tagt es.
Hier hat der Uebersetzer ausnahmsweise, aber wohl nicht aus
Noth sondem aus richtigem Geschmacke, die Doppelreime der beiden
ersten Verse wiederzugeben unterlassen.
v. d. Gabelentz, Proben a. Victor v. Strauss' Schi-king-Uebersetzung. I(j3
(4) Nach manchem Sommertag,
Nach mancher WintemaM,
Wohl hundert Jahre hinterdrein
GeK ich, uso Er nun Wohnung mcuiht.
Hiä tschi jih
Sommers (n. gen.)-Tage,
Tung tschi y6
Winters (n. gen.) Nächte,
Peh süi tschi heü
Hundert Jahren (n. gen.) nach (= nach hundert Jahren)
Kuei iü k'i hu
Kehre ich heim in seine Wohnung.
V. 3. Ueu = Hinteres, Späteres, ist wegen des vorausgehenden
Genitivs und des folgenden Prädicats Postposition: nach.
V. 2 und 4 sollen hier nach der alten Aussprache reimen.
Äi< V. 4 = wohnen, hier wegen des davorstehenden Genetivs
Suhstantivum.
(5) Naxih mancher Wintemacht,
Nach manchem Sommertag,
Wohl hundert Jahre hinterdrein
Geli ich zu ihm in sein Gemach.
Tüng tschi y6
Winters (n. gen.) Nächte,
Hiä tschi jih
Sommers (n. gen.) Tage,
Peh süi tschi heü
Hundert Jahren (n. gen.) nach
Kuei iü k'i scMh
Kehre ich heim in seine Kammer.
» *
Obige Beispiele mögen genügen, um die Genauigkeit dieser
Uebersetzungen ausser Zweifel zu stellen. Es leuchtet ein, dass
selbst ein Meister in unserer Muttersprache und ein Dichter wie
Herr von Sti auss nur mit der ausdauerndsten Anstrengung eine
solche Arbeit zu Ende führen konnte. Ist das Schi-king dieser
Mühe werth? Ich antworte mit einem begeisterten Ja, und es
liegt mir daran auch hierin die Stimmung meiner Leser für die
Sache zu gewinnen. Pür diesen Zweck aber reichen mir die vier
obigen Proben nicht aus. Danim theile ich mit des Uebersetzers
Erlaubniss noch einige weitere blos in der Uebersetzung mit.
11*
164 *■ Gahelenlz, Proben a. Viclor v. Strausa'Schi-king-Uebersetzung.
I. V, IV.
„BerücH entführt, betrogen."
(3) Eh' sich der Maulbeerbaum entlaubt, Wie saftig glänzt sein Blätterhaupt!
0 weh Dir, Lachetaube, weh,
Iss von den Beeren nicht, den süssen!
0 weh Dir jungem Weibe, ach.
Geh nicht zum Mann die Lust zu büssen!
Der Mann, der seine Lust gebüsst.
Vermag es wieder gutzumachen;
Das Weib, das seine Lust gebüsst.
Vermag es nimmer gutzumachen.
(6) Ich soUte altern neben Dir, —
Nuil macht mich alt mein Jammerstand.
Der Khi, er hat doch seinen Strand,
Die Ebne hat doch ihren Rand.
Als ich noch froh mir Locken wand.
Uns Red' und Lächeln süss verband.
Dein Treugelübd' im Frühroth stand:
Fiel mir nicht ein, dass so sich's wandt'
Dass so sich's wandt', fiel mir nicht ein, —
Und das, ach, muss das Ende sein!
I. m, XV.
In folgenden Strophen hat um's Jahr 700 v. Chr. Geb. ein
chinesischer Staatsdiener seinen Gram besungen:
Durch's Nordthor bin ich fort gerannt,
Von Gram im Herzen übermannt.
In Noth und Elend stets gebannt,
Und Keinem ist mein Leid bekannt.
Genug davon! denn oh.
Des Himmels Fügung macht' es so;
Was ist davon zu sagen? oh!
Des Königs Dienste schicken mich,
Die Staatsdienst' all' auf mich gehäuft ersticken mich ;
Und kehr' ich dann von Aussen heim,
Steh'n meine Hausgenossen rings und zwicken mich.
Genug davon! etc.
Des Königs Dienste jagen mich.
Die Staatsdienst' all' auf mich gehäuft, zerschlagen mich,
Und kehr' ich dann von Aussen heim,
Steh'n meine Hausgenossen rings und plagen mich.
Genug davon! etc.
1). d. GabtUntz, Prohen a. Victor v. Stratu»' Schi-king- Uebersetzung. J 65
I, XV, m
Lied heimkehrender Krieger, gersungen um's Jahr 1100 v. u. Z.
Wir zogen nach des Ostens Bergen,
Lang", lange sonder Wiederkehr.
Da wir vom Osten kamen wieder,
Da fiel der Eegen otrömend nieder. —
Als man im Osten rief zur Kehr,
Schmerzt' uns das Herz nach Westen sehr.
Wir stellten Eöck' und Kleider her;
Kein Dienst erzwang die Eeihen mehr.
Ein Wimmeln war's, wie Raupen machten,
Wo sich ein Maulbeerfeld erstreckt;
Dann gab's ein stiU und einsam Nachten,
Nur von den Wagen überdeckt.
Wir zogen nach des Ostens Bergen,
Lang', lange sonder Wiederkehr.
Da wir vom Osten kamen wieder.
Da fiel der Regen strömend nieder. —
,Des wilden Kürbis Früchte klanunem
Sich wohl an unserm Dach empor;
Die Asseln sind in unsem Kammem
Und Spinneweben in dem Thor;
Die Hirsche weiden auf den Wiesen,
Glühwürmer schimmem über diesen" —
— Wohl konnte Furcht vms kränken so.
Es war ja wohl zu denken so. •
Wir zogen nach des Ostens Bergen,
Lang', lange sonder Wiederkehr.
Da wir vom Osten kamen wieder,
Da fiel der Eegen strömend nieder. —
Vom Ameisberg der Kranich schrie;
Die Frau, im Hause seufzte sie.
Wusch, fegte, stopfte jede Fuge;
Da kehrten wir von unserm Zuge:
Die Bitterkürbiss' hingen voU, Die in Kastanienkästen waren.
Von unsem Augen nicht erbhckt
Bis diesen Tag seit sieben Jahren.
Wir zogen nach des Ostens Bergen,
Lang', lange sonder Wiederkehr.
Da wir vom Osten kamen wieder,
Da fiel der Eegen strömend nieder. —
Nun fiiegt das gelbe Vögelein
Und schimmemd glänzen seine Flügel.
166 d. Gabelentz, Proben a. Victor v. Strauss' Schi-king- Uebersetzung.
Die Jungfrau zieht zur Hochzeit ein,
ünd Füchs' und Schecken lenkt der Zügel.
Die Mutter band die Schftrp' ihr an,
Neun-, zehnfach ist ihr Schmuck gethan.
Das Frische lockt gar lieblich an;
Das Alte, — was reicht da hinan?
Nun erst wül ich fragen : Ist es recht, dass ein solches Ueber-
setzungswerk in der Mappe seines ürhebers vergraben bleibe ? ünd
habe ich nicht recht, wenn ich hier eine Perle unserer Literatur, —
der poetischen wie der sinologischen — erkenne, welche vor
der Welt leuchten, die Welt entzücken sollte? Ich habe obige
Seiten geschrieben um Reclame zu machen ; — dies eine Mal möge
der Zweck das Mittel heiligen!
XeOMfUDMOmUM iHeft. FU.
V-i-
' ' iJ'^
e \// V
JT
U
?^^\^
/D
=|(^(^|fClO^(j'
■Vi^,I r ö f y-, ,, ,
- ^\ r^C^fft- K-tc^l
^ncM-sK-.^ U oT—-
>/ + to/0/,^^