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Das rothe Meer und die Küstenländer im Jahre
1857 in handelspolitischer Beziehung
beleuclilel nach eigener Anschauung und Forschung während der Monale Juni bis November 1857 an der Küsle von llidjaz.
- Von
Rleli. Freih. von Iireiiiiaiis *),
Dr. jur., kitnigl. bayer. Kammerjunker.
Wenn es wahr ist, dass eine Nation nur dann reich seyn kann,
wenn sie Handel treibt, welcher auf einheimische Industrie sich
stützend, die Früchte ibrer intellektuellen und produktiven Kraft
im Umsätze mit fremden Nationen verwerthet und hiedurch eine
rasche Erhebung' merkantilen Reicbthumes und politischen Ein¬
flusses begründet, sn ist es nicht zu verwundern, dass von jeher
kräftige und wohlgeordnete Regierungen dem auswärtigen Handel
die grüsste Aufmerksamkeit und Pflege gewidmet haben.
Unter dieser Pflege erstand mit dem Ende der ruhmreichen
Befreiungskriege von 1813 eine deutsche Industrie, welche im
Laufe weniger Decennien einen überraschenden Aufschwung ge-
*) Durcb gü\jge Millheilung .Sr. Excellenz des K. K. Oeslerreichiscben In- lernnnlius Freiherrn A. von Prokesch-Oslen erhallen wir die folgenden inleressanlen Berichle des Herrn Baron von Neimans. Leider müssen wir zu¬
gleich den Tod dieses vorlreCflichen Reisenden heklagen, der in der Blülhe seiner Jahre der Wissenschaft und seinem Valerlande, das slolz auf ihn sein kann, entrissen wurde. L'eher die n'äheren Umstände seines Todes schreibt uns Hr. v. Prokesch-Oslen unler dem 2. April : — Baron von Neimans slarb ara lä. März zu Kairo in der Blülhe der Gesundheit nnd Kraft, ein Mann des festesten Willens und seltener Körperstärke, aus einem scheinbar unbedeu¬
tenden Anlasse. Eben mit den letzten Anstallen für seine beabsichtigte Reise nach Darfur und Wadai beschäftigt, als er hereits einen Theil seiner Habe nacb Cbartum vorausgesendet halle und dahin von Su|z über Suakin und Dakka folgen wollle, befiel ihn ein heftiges Zahnleiden. Er liess sich drei Zähne ausnehmen und setzte dann das Einpacken in einem Räume, wo slarke Zugluft war, fort. Plötzlich trat ein gewaltiger Kieferschmerz ein und Starr¬
krampf erfasste ihn. Ausgezeichnete Aerzte, Dr. Reyer und Dr. Bilbarz, Dr. Reil ans Halle, Dr. Saudal nus Upsala und Dr. Rulmann boten alle Miltel vergeblich auf. Der vorlrelfliche Mann starb innerbalb 24 Stunden. Am 16.
fand die Autopsie und das Begräbniss statt. Die österreichischen und preus¬
sischen Consnlatsbeamten, so wie die meisten der anwesenden Deulschen ge¬
leiteten die Leiche zu Grabe auf den protestantischen Kirchhof in Alt-Kairo.
Bd. .ML 26
392 Freih. v, Neimans, das rolhe Meer und die Küstenländer
nuinmen hat. Mit nationaler Kraft sich emporrichtend, hat sie es in weniger denn dreissig Juhren duhin gehracht, die fremden Fabricate
von den einheimischen Märkten zu verdrängen, und der auf diese
Basis gegründete süddeutsche Handel hat einen regen Verkehr
mit der Levante und dem Auslande begonnen. Triest, zum Em¬
porium des aufblühenden Handels erkoren , sah im Laufe eines
einzigen Jahrzehntes den Werth seines Verkehres um mehr denn
17 Millionen österr. Gulden gehohen, und hoffnungsreich blickten
Industrie und Handel der kommenden Zeit entgegen.
So lagen die Verhältnisse beim Herannahen der bewegten
. Juhre 1847 his J850.
Bedroht und gefährdet durcb innere Separationsgelüste, hatte
der einheimische Fabrikstand eine schwere Zeit der Prüfung und
der Mülisale zu überstehen.
Da trat un die Spitze des mächtigsten Staates der deutschen Confödcration ein jugendlicher Kaiser, welcher mit tliatkräftigein
Sinne es verstand, eine neue segensreiche Ordnung seines Rei¬
ches zu begrUnden, und mit weisem Bemühen bestrebt war, di&
gemeinschaftlichen Handelsinteresscn der übrigen Staaten Deutsch¬
lands mit dem Kaiserstaate durch Zoll- nnd Münzvereine innigst
zu verketten.
Beschirmt und beschützt nach Innen und Aussen , gewannen
Industrie und Handel unter seiner Regierung an zunehmender
Kraft und Bedeutung. Unter' österreichischer Flagge durchkreu¬
zen in steigender .4nzabl reichbeladene Schiffe die Gewässer der
Adria, die Häfen des mittelländischen Meeres, die Buchten des
Archipelagus und die fernen Küsten des Poutus. Den aufopfern¬
den Anstrengungen einer erleuchteten Staatsverwaltung gelang,
es, durch Unterstützung des Lloyd einen fortan geregelten See¬
dienst zu sichern, welcher die Interessen der deutscben Industrie,
unabhängig vom Auslande, bleibend zu vermitteln, im Stande ist.
in den sämmtlicben Häfen der Levante sind die österreichischen
Consulate die Beschützer der deutschen Interessen , und in er¬
freulichster Weise wird unter ihrer Obhut die Ausdebnung des Ab¬
satzes einheimischer Fabricate gefördert.
Aneifernd und belebend wirkte alles dieses insbesondere auf
die sUddeutacbe Industrie, und der vermehrten Erzeugung einheimi¬
schen Fabrikfleisses sind rasch die Grenzen bisherigen Ab¬
satzes in den Häfen des mittelländischen Meeres zu enge ge¬
worden. Der Handel späht nach neuen, hisher noch nicht be¬
suchten Plätzen zur Vermehrung des einheimischen Wohlstandes.
Die sichere Grundlage und den zuverlässigen Stützpunkt des
in der Levante bestehenden Handels benutzend , richten sich die
Blicke nach dem hereits früher befahrenen Wege des rothen
Meeres. — Dort bieten die Gestade der arabischen Halbinsel,
die frucbtbeladenen Kaffeegärten Jeniens, das gold- und elfen-
im J. 1857 in handelspolitischer Beziehung beieuchlel, 393
beinreiclie Abyssinien und die KUstenlande Aegyptens grossen
uud sicheren Gewinn.
Bisher nur von den indischen Kaufleuten besucht und aus¬
gebeutet, versprechen diese Gegenden durch hier anzuknüpfende
Handelsverbindungen der einheimischen Industrie den doppelten
Vortheil — 1) eines vermehrten Exportes süddeutscher
Fabrikate; 2) durch Annäherung an Indien, die Si¬
cherheit eines wohlfeileren Bezuges der indischen
Produkte.
Wie wichtig die Erreichung des unter 1. angedeuteten Vor-
theiles wäre, bedarf keiner weitläufigen Erläuterung. Jede Ver¬
mehrung industriellen Exportes ist eine Vermehrung politischer
Grösse.
Ad 2. Die Vortheile einer Annäherung an Indien und die
Wichtigkeit der von diesem Lande über ETngland alljährlich nach
Deutscliland importirten Cottons, Indigo's und Gewürze sind zu
bedeutend, um dem aufmerksamen Beobachter der Erzeugnisse
deutscher Industrie jemals aus dem Gedächtnisse kommen zu kön¬
nen. Ein ebenso wichtiger Artikel sind die Farhbolzer zur Fär¬
bung der verschiedepen Gespinnste, welche aus Jemen, Indien und
der OstkUste Afrikas kommend zum grössten Theile ihre Einfuhr
über England nuch Deutschland zu suchen genöthigt sind.
Die Möglichkeit und Erleichterung eines direkten und dess¬
balb wohlfeileren Bezuges dieser der Fabrication so unerlässlichen
Rohprodukte würde eine neue Aera grossartigen Aufschwunges
bedingen, und jede Bestrebung einer Annäherung in dieser Rich¬
tung muss der grössten Unterstützung und Berücksichtigung wür¬
dig erscheinen.
Scbon zur Erreichung dieser Vortheile wäre eine Ansässig-
machung deutscher Kaufleute an den hauptsächlichsten Handels¬
orten des rothen Meeres im höchsten Grade wünschenswerth,
aber aucb in Anbetracht der gerade gegenwärtig in Frage stehen¬
den Durchstechung des Isthmus, von Suez erscheint . eine Aus¬
dehnung des Handels nach der Ricbtung des rothen Meeres von
der allergrössten Bedeutung.
Ohne uns den sauguinischen französischen Hoffnungen fabel¬
haft rascber Ueberwindung der Schwierigkeiten dieses letzteren
Unternehmens hj^nzugeben, erkennen wir wohl, dass auch bei so¬
fortigem Beginne der Durchstechungsarbeiten , nach ruhigem Er¬
messen , kaum vor 15 his 20 Jahren ein Einfluss auf regulirte
Handelsverhältnisse sich zeigen würde. Dass aber diesem Ein¬
flüsse die süddeutsche Industrie bei vorhergehender Begründung
eines Handelsstandes in den Küstenländern des rothen Meeres
ruhiger und freudiger entgegensehen könnte , kann keinem ge¬
rechten Zweifel unterliegen.
Für die Gegenwart handelt es sich darum , den Grund zur
dereiustigen Ausbeutung dieses Unternehmens zu legen. Was
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394 Freih. v. Neimans, das rolhe Meer und die Küslenländer
heute dem Haudel in jenen Gewässern sich hietet, soll den Gegen¬
stand der nachstehenden Ausführung hilden und wird aus einer
Beschreibung der politischen Lage und der Uandelsverbältnisse jener Küstenländer um deutlichsten erhellen.
Beschreibung der politischen , Handels- und Verkehrs-
Yerhältnisse des rothen Meeres.
Zufolge der gegenwärtigen politischen Eintheilung zerfallen
die Küstenländer des rothen Meeres in die vier Hauptländer:
Hedjaz • auf der arabischen Küste nach Osten ,
Jemen j
Abyssinien und \ auf der westlichen Seite.
Aegyptisches Küstenland |
I. Hedjaz»
Mit dem Namen Hedjaz bezeichnen die Araher jene Hälfte
des westlichen Theiles der arahischen Halbinsel , welche süd¬
licb von der syrischen Grenze längs den Ufern des rothen Meeres
sich hinziehend hei dem Fischerorte Hali durch Jemen und die
Bergvölker von Assyr begränzt wird. Nach Innen macheq. die un¬
bestimmten Territorialverbältnisse von Nedjd ünd die zwischen
beiden liegenden Bedninenstämme die Ziehung einer genauen Grenz¬
linie unmöglich.
An und für sicb nur eine Fortsetzung der syrischen Wüste,
ist das Land mit Ausnahme weniger Orte ein ödes Steinfeld ,
welches dem Besucher den trostlosesten Anblick bietet. Im höch¬
sten Sfaasse arm und steril , entbehrt es durcb die Ungunst seines
Bodens diejenige Fruchtbarkeit, welche die Natur in üppigster
Fülle an die übrigen Gestade des rothen Meeres verschwendet hat.
Dünn und wenig bevölkert, ermangelt das Land, das nur einige Dat¬
teln erzeugt, selbst des zum menschlichen Lehen so nothwendigen
Getreides und Feuerholzes. Die grösste Mehrzahl der täglichen
Lebensmittel muss dessbalb von der gegenüber liegenden ägypti¬
schen Küste gehracht werden. Die eiuzigeo in dem Lande Hedjaz
erzeugten Fabrikate sind : Henna ( zum Rotbfäfi)en der Nägel ),
Rosenkränze aus Jusr ( einer Art schwarzer Koralle) nnd aus
Ebenholz geschnitzte Kämme.
Die beiden Städte von Bedeutung sind Mekka und Hedina,
wichtig und vielbesucht als „geheiligte Orte" mohammedanischen
Glanbens. Ihnen verdankt Hedjaz einzig and allein seine heutige
Bedeutung.
Die jährlich in Mekka zasamnenströmende Henge von Pil¬
gern und Kaufleuten aus den verscLiedeneD Theilen der Brde
im J. 1857 in handelspolitischer Beziehung beieuchlel. 395
liat seit Jahrhunderten Djedda, den Hafenort Mekkas, zu dem
handelspolitisch wichtigsten Punkte des rothen Meeres gemacbt.
Auf dem Wasserwege kommen dahin hauptsächlich die Kauf¬
leute von Bombay, Surat, Mascat, Calcutta, Singopore und den
Küstenländern Ost-Afrikas. Mittelst der Karawanen (von Mekka
aus) beschicken den Platz noch heute die Kaufleute von Persien,
Syrien und Aegypten. Die Karawanen der Maghrebiner (aus
Tunis, Algier und Marokko) so wie die der Inder baben seit
Jahren aufgehört, hingegen bat der Verkehr durch die in den
letzten Jabren zunehmende Pilgerzabl aus den Binnenländern Cen¬
traiafrikas und namentlicb Darfur, Wadai und Timbuktu zuge¬
nommen. Vor allem aber . ist der über Suez geleitete europäi¬
sche Handel von stets steigender Bedeutung.
Seit den Kriegszügen Mehemed Ali's ist Hedjaz wieder unter
türkische Botmässigkeit gebracht.
Die Verwaltung des Landes geschiebt tbeilweise durch einen
von Coostantinopel ernannten Pascha, welcher zugleich General¬
gouverneur der sämmtlicben übrigen Häfen nnd Küstenstriche des
rothen Meeres ist, theilweise durch den Grossscherif von Mekka.
Die Gewaltstheilung zwischen diesen beiden ist nach Zeit
und Umständen verschieden. Im Principe wohl so bestimmt, dass
der türkische Pascha die Küstenstriche, der Grossscherif aber die
Bergstämme noter Botmässigkeit zu balten bat, ist das Verhältniss
zwischen heiden durch immerwährende Rangstreitigkeiten und Eifer¬
süchteleien zu einer Ursache totaler Machtlosigkeit geworden , so
dass gegenwärtig die araWschen Stämme, selbst in der Umgegend
der militärisch besetzten Hafenstädte, die türkische Behörde gar
nicht, in den Gebirgen aber den Grossscherif nur dann anerken¬
nen, wenn es ihnen eben gefällt.
Die Gewalt der türk. Gouverneure in den Städten beschränkt
sich darauf, die ein- und ausgeführten Waaren zu besteuern. Die
Ausübung von Gewerben und Grundbesitz ist auf Grund der „Heilig¬
keit" des Gebietes von Hedjaz steuerfrei. Die Erträgnisse der
sämmtliehen Duanen unter gegenwärtiger Administration belaufen
sich auf etwa 90,000 Talleri , wozu namentlich 'die Mauthkasse
von Djedda die Summe von jährlich 77,000 Tall, beiträgt.
Die Kosten der Verwaltung sind jährlich 850,000 bia 900fi00
Talleri. Hierin figurirt, ausser dem Militäretat zu 3500 Mann,
die jährlich dem Grossscherif für seine Unterwürfigkeit zu zahlende
Apanage von 400 Beuteln. Zahlreiche Stipendien für das Beit-
ullub td. i. Haus Gottes) und die dort beschäftigten Ulemas-wab¬
ren das Interesse- der stets die Aufrichtigkeit des Grossscberifs
bezweifelnden Pforte. An verschiedene Bergstämme und Öeduinen
werden jährliche Contributionen unter dem Titel vou „Subventionen"
gezahlt zur Erbaltung der Ruhe und Verhinderung von Pilgerranb.
Nichtsdestoweniger waren Vorfälle der Art, zufolge der heillosen
2 7
396 Freih. v. Neimans, "dos rolhe Meer und die Küslenländer
Administration des Genefalgouverneurs Ma-Iimud Pascha, im lau¬
fenden Jahre an der Tagesordnung.
Europäische Kaufleute sind in Djedda und Hedjaz nicht an¬
sässig, hingegen zahlreiche indische Kaufleute, englische Unter¬
thanen. England und Frankreich unterhalten zur Wahrung ihrer
Interessen gegen etwaige Uehergriffe der Gouverneure in Djedda
Consuln.
Buchten und Hafenorte von Hedjaz sind, ausser dem letzte¬
ren Orte, Yembo, Rekal und Gumfudda, welche jedoch nur als
Ein- und Ausschiffungsorte der nicht handeltreibenden Pilger eine
sehr vorübergehende Frequenz haben.
1. Yembo.
Der Hafen von Yembo ist ungeschützt. Die Bewohner aes
Ortes besteben meistens aus Arabern von dem Stamme Djehe'ine.
Der Handel des Ortes beschränkt sich fast nur auf Lebensmittel.
Nur in wenigen (4—6) Läden sieht man iodiscbe oder über
Aegypten kommende Manufakturwaaren ausgelegt. Der Import
von Kosseir beträgt etwa 48,000 Talleri an Getreide, Durrd
(BUscbelmais) , Linsen u. s. w. Von Djedda kommen für 20,000
Talleri indische Gespinnste; über Suez finden etwaige europäische
Fabrikate ihren Eingang, welche gegen 26,000 Tall, werth seyu
mögen. Die Einwohner von Yembo besitzen gegen 80 eigene
Barken. Wasser wird in den Cisternen vor dem Thore „Medina"
gesammelt. Die Erträgnisse der Duuue betrugen 1856 5000 Tall.
2. Djedda und sein Aandel.
Djedda ist unbedingt der bedeutendste Hafen des rothen Mee¬
res, sowohl wegen seines direkten Verkehres mit deu übrigen
Küstenländern, als wegen seines internationalen Handels über die
Gränzen des rothen Meeres hinaus.
Zwischen Ras Gahass und Ras el-Alm in sicherer Bucht ge¬
legen und gegen Westen durch zahlreiche Corallenhänke gegen
Winde und Sturmfluthen vollkommen geschützt, musste es schon
durch diese günstige Terraingestaltung frühzeitig eine Bedeutung
vor allen übrigen Häfen des rothen Meeres erlangen. Durch die
Erhebung Mekkas zur Metropoje des mohammedanischen Glaubens
und die dadurch in Uebung gekommene Pilgerfahrt ward Djedda
zum Hafen der beiligen Stadt, und hierher zog sich die grosse
Hundelsstrasse für Hedjaz und das Innere von Arabien — Nedjd —,
sowie für alle aus Aegypten und den Küstenländern des rothen
Meeres kommenden Waaren. Im Anfange des 16. Jahrhunderts
gewann Djedda einen neuen und bedeutenden Aufschwung durch
den Beginn eines regelmässigen Verkehres mit Indien , und nach
und nach ward der ganze indische Handel, zur Zeit der Ptole¬
mäer und Venetianer über Berenice und Myos hormos an der ägyp¬
tischen Küsle geleitet, an die arabische Küste Ubergetragen, und
im J. 1857 in handelspoliUscher Beziehung beieuchlel. 397'
Djedda ward und blieb bis beute für iudisclie Produkte und Fa¬
brikate der Hafen Aegyptens.
Mebemed Ali batte im Laufe seiner Feldzüge in Arabien
verscbiedene Versuche gemacbt, den Stationsort der indiscben
Schiffe nach Suez oder Kosseir zu verlegen, und durch bedeu¬
tende Besteuerung in Djedda und Vergünstigung für letztere Orte
solches zu erreichen gestrebt. Aber an dem Schwierigkeiten ,
welche er in der Stabilität eines seit mebr denn drei Jahrhunder¬
ten für Djedda geregelten Handelsverkehres fand, scheiterten seine
Projekte. — Die alljährlich hier zusammenströmende Masse von Pil¬
gern und Handelsleuten verschaffte den zu Markt gebrachten Pro¬
dukten einen sicherern und günstigem Absatz als es jemals in dem
damals nocb wenig bewohnten Suez oder Kosseir der Fall sein
kennte, und der hergebrachte religiöse Glaube an die Heiligkeit des
Bodens von Djedda bewirkte, dass die streng musel'roännischen Kauf¬
leute Indrens ihn,allen übrigen Orten des rotben Meeres vorzogen.
Von Europa bezieht Djedda: Manufakturwaaren und Gespinnste,
Glas und Eisen aller Art, Zink, Blei, Kupfer, Antimon, ve-
oetianiscbe Glaswaaren, Quincuillerie, Tassen, Spiegel, Seife«
Seide und Halbseide, Turbusche u. s. w.
Von Indien: Nanking», Musselin zu Turbanen und Kleidern,
Gürtel aus Baumwolle nnd Seide, Haihstoffe, Seide,'Zucker,
Gewürze, und namentlich Reis in unendlicher Menge.
Von Afrika: Elfenbeio , Straussenfedern, Moschus, Esel und
Sklaven.
Von Arabien hauptsächlich Datteln.
Von der orabiscben Küste: Kattee, Medicin - Krauter,
Weihrauch und Bauholz.
Von Persien: Shawls, Edelsteine, Türkisse, Rubinen und
Perlen, Teppiche, eingemachte Früchte u. s. w.
Aus Syrien: Kefficn (Tiicher zur Kopfbedeckung für die Araber),
Robseide, Seide und Haihstoffe.
Aua A e gy p te n : ~ Getreide, Gerste, Durra, Linsen, Bohnen,
Biscuits, Sirop und Zucker, Komäsch (grobe Baumwollenstoffe
zu Zelten und Segeln).
Der Handelsverkehr, welcher auf dem Wasserwege über
Djedda^ im Jahre 1856 betrieben wurde, stellt sich hinsichtlich
der verschiedenen Hafenorte in Zahlen foleendermaaseo dar:
a. I mj» or t des Hafens von Djedda 1856—57.
Uafeaorte :
Gumfudda importirte — die Werthe in Talleri (HariaTheresiaj:
Getreide 42,500, Kaffee 10,500, Mandeln S500, Palm£a«ero
z« Stricken und Tauen , Lif genannt, 2,700, Gummi ii>000,
Holzstosse 2,300, Häute 2,800, Durra 4,000, Perlmutter
l,60a, Diveraa 7,700. Total 9l»a00 T.
398 Freih. v. Neimans, das rolhe Meer und die Küslenländer
Loh heia: Getreide 41,000, Mais und Linsen 14,000, Kaffee
292,000, Indigo 700, Perlmutter 900, Haut« 1,200, Sennes¬
blätter 3,500, Krapp, Holz, Mandeln und Di versa 4,500.
Total 357,800
Hodeida: Getreide 31,500, Reis 9,000, Kaffee 405,000,
Weihrauch 14,000, Sandelholz 2,700, Mandeln 1,500, Seu-
nesblätter 4,500, blaue Tücher 22,000, Sandalen 8,000,
Perlmutter 7,000, Perlen 10,000, Redifs 6,800, Diversa
11,000, Packtuch von Palmfasern 2,300, Stricke desgl.
von Lif 1,700, Tamarinden 4,500, Rosinen 2,500. Tot. 543,000
Mokka: Getreide 15,500, Kaffee 20,000, Räucherholz 700,
Mandeln 1,200, Diversa 1,700. Total 39,000
Massaua: Kaffee 7,500, Zibeth (viverra Zibetha) 4,500,
Elfenbein 5,000, Perlmutter 1,500, Wachs 6,000, Häute
4,500, Maultbiere 2,000, Sklaven u. Diversa 5,450. Tot. 36,450
Suakin: Getreide 40,500, Durra 3,500, Butter li6,.')00,
Salz 20,800, Elfenbein 8,000, Häute 2,000, abyss. Kaffee
8,000, Datteln 4,000, Weibrauch, Daberceln von Duffer 1,.')00,
Schlachtvieh 5,000, Hammelfett, Oel, Strohmatten u. Diversu
5,000. Total 222,800
Kosseir: Getreide 87,600, Bohnen, Erbsen, Linsen, Biscuits
9,500, Sirop 2,200, Zucker 3,250, Komäsch und grobes
Tuch 2,900, Diversa 2,500. Total 97,950
Suez importirte europäische Produkte, als < Baumwollen- und
Manufakturwaaren von England , Frankreich, Deutschland u.
Italien, Halbstoffe und Seidengespinnste in nahezu 34,000
Ballen für 850,000, Eisen- uud Stahlwuaren 17,500, Zink
und Kupfer 8,000, Blech 4,000, Glaswaaren und Geschirre
15,500, Glasperlen von l'enedig 9,000, Tücher 4,500, Spie¬
gel und Horndosen 2,500, Papier 3,200, Schwefel 1,800,
syrische Seife 1,200, türkische Musseline, Baumwolle, Ta¬
schentücher u. s. w. 39,200, Tabak 4,300, Schuhe 1,000.
Total 980,450
Indien, Bengalen u. die .Mulubarkuste: Reis 158,000,
Gewürze 52,000, Safran 2,300, Hölzer u. Bauholz 7,000,
Eisen 9,370, Farbhölzer u. Diversa 32,980. Total 291,750
Bomhay u. Surat: Manufakturwaaren in Baumwollen, Seide,
Hnlhstoffen , theils indischen , theils englischen Ursprungs
!>57,000, Pfeffer 8,230, Gewürznelken 16,900, Cocosnüsse
2,180, Eisen, roh und geschmiedet 4,500, Diversa 9,620.
Total 592,750
Singapore: Zucker 33,750, Maoufakte 20,500, Medicin-
kräuter und Diversa 26,250. Total 80,000
Maskat sendete Datteln 14,500, Teppiche 9,700, Gewürze
3,900. Total 23,500
.Alle diese Importwertlie der aufgeführten 12 Orte zusammenge¬
nommen geben einen Totalimport für Djedda zu 3,355,650 T.
im J. 1857 in handelspolitischer Beziehung beleuchtet. 399
Hierzu wären bei einer Berechnung des Gesammtimportes für
Uedjaz noch zu zählen die durcb die Karawanen aus Syrien und
Aegypten gekommenen Seiden, Haihstoffe, Baumwollenstoffe, Dat¬
teln und Tabake, Tücher und Keffien mit einem approximativen
Werthe von 49,000 Tail. Die Karawane aus Persien, welche
gewöhnlich den Landweg Uber Bassoru und Bagdäd nimmt, hlieb
in diesem Jabre ganz aus, und zwar wegen der Unruhen, welche
im Laufe der Winters und Frühjahres 1856—57, hei Gelegenheit
der Absetzung und Gefangennehmung des Grossscberifs Ahu Mot¬
talib, das Land in erhöhtem Maasse in Aufregung hielten. Die mit
derselben ankommenden Produkte sind: Wollene Teppiche 20,000
Tall., Edelsteine, Türkisse, Rubinen, Perlen in einem nicht zu be¬
stimmenden Betrage, Tabake, Datteln, eingemachte Früchte u. s. w,
b. Export des Hafens von Djedda 1856—57.
Htit'enorte :
Yembo empfing von Djedda: Kaffee 5,500, Reis 15,200,
Manufakte 17,300, Gewürze 2,000, Weihrauch 2,700, Ta¬
bak 2,100, Hölzer 1,700, Henna, Lif, Ebenholz u. Diversa
3,500. Total 50,950
Gumfudda an europäischen und indischen Manufakten, Baum¬
wollen- und Haihstoffen 155,000, Henna 2,100, Tabak 700,
Kupfer und Zink 1,100, Eisen 900, Schwefel von Suez
1,800, Diversa 3,800. Total 165,400
Loh heia: Manufakte (hauptsächl. europ. Ursprungs) 10,500,
Henna 900, Kupfer 1,100, -Eisen- und Stublwaareo , Nägel,
Ketten 1,300, Tobak 700, Glaswaaren, Perlen, Seife und
Div<^sa 4,650. Total 19,250
Hod.tida: europäische Manufakte und Seide, 201,850, Pa¬
pier 2,000, griech. Messing 3000, Glas-Crystalle, Spiegel
2,500, Eisendraht und Stahlwaaren 2,700, türkische Gold¬
stickereien u. desgl. von Hedjaz 9,300, Tabak, Schuhe, Seife
uud Diversa 2,750. Total 224,300
Massaua: Manufakte 14,300, Seide und Halbstoffe 3,200,
Taue 1,500, Gewürze 1,000, Weihrauch, Tabak, wenige
Eisen- und Stahlwaaren, Henna u. s.w. 3,050. Total 23,050
Suakin: Manufakte und Halbstoffe aller Art 72,000, Ge¬
würze 250, Holz 300, Glasperleu und Geschirre 1,200, Stahl
und Eisen 700, Diversa 850. Total 75,350
Kosseir: Kaffee 9,000, indische Manufakte und Halbstoffe
5,500, Reis 2,500, Teppiche 6,000, Holz zum Bauen 2,500,
Taue aus Palmfasern 1,500, Lif 250, Gewürze und Pfeffer
1,500, Sandalen 800, Tabak 700, Henna 1,900, Spiegel,
Glas u. andere Geschirre 1,400. Total 33,650
Suez: Kaffee 622,500, indische Stoffe 60,400, indischer Reis
16,000, Aloe 41,750, Gewürze aller Art 62,000, Sandarach u.
Weihrauch 34,000, Henna 33,700, Perlmutter 26.000, Wachs
2 7 *
400 Freih. v. Neimans, das rolhe Meer und die Küslenländer
5,000, Häute 27,500, Keffieo und gestickte Tücher 12,500,
Gummi arahic. 32,000, Senneshiätter 15,000, Indigo, Krapp
7,000, persische Teppiche 22,000, Tabak 7,000, eingemachtf
Früchte 2,000, Mandeln, Myrrhe, Moschus, Jusr (schwärzt
Korallenurt) , F^if (Palmfasern) und Diversa aller Art 42,000.
Total 1,070,300
Bengalen hezog: Sulz 16,050, Teppiche 3,000, türkische u.
syrische Seide und Gewebe 9,700, Diversa 5,050, Tot. 33,800
Bombay und Surat nahmen nur eine unbedeutende Quantität
Weihrauch. Sie konnten die in früheren Jahren so bedeutende
Fracht an Salz nicht nehmen, da durch Einführung des Salz¬
monopuls seitens der türkischen Regierung der Frachtpreis
uicbt lohnt. Die so zahlreichen Schiffe von Bomhay (18) fuh¬
ren desshalb sämmtlich von Djedda mit Ballast ab und nah¬
men Pilger nn Bord ; in Hodeida frachteten sie Kaffee.
Singapore nahm: Datteln 1,800, Sulz 4,900, Henna und Kohcl
(zum Roth- und Schwarzfärbeo der Nägel und Augen für
Frauen), Stickereien, Weihrauch, Farbhölzer und Diversa in
einem Totalbetrag von 4,850 T. Total 11,550
Maskat: eine unbedeutende Quantität Henna. Die Sembuks
(Barken von Maskat) kommen mehr nach den Häfen von Je¬
men, um dort Kaffee abzuholen.
Verschiedene aadere Häfen mit einem l'otul von .19,250
Gesammtexport 1,746,850
Wie sich aus obigen Zusammenstellungen ergiebt, betrug
der Gesammtimport Djeddas im Jahre 1856 in Tall. * 3,355,650
Gesammtverkehr 5,102,500
Der Import überstieg den Export um 1,608,800 Tall., wei\':hcr
Werth in dem Lande von Hedjaz und durch die unkommend^n
Pilger consumirt wurde. Dus umgekehrte Verhältniss findet in alleii
übrigen Häfen des rotben Meeres statt: dort übersteigt der Ex¬
port den Import stets um beträchtliche .Summen. — Den Schiff-
fahrtsverkehr Djeddas betrieben im nämlichen Jahre 27 grosse Kauf¬
fahrteischiffe , welche sämmtlich von Indien kamen, mit .Ausnahme
zweier ägyptischer Gouvernementsbrigs , welche Getreide von
Kosseir für die türkischen Truppen brachten. Die Zeit des Ein¬
treffens fiel in die Monate Februar, März und April, und ändert
sich diese je uach der Zeit der Pilgerfahrt, welche in jedem
Juhre ura 10 —11 Tage vorrückt. Die Rückfracht , welclie diese
.Schiffe nahmen , bestand in Hedjaz ausschliesslich aus Pilgern
und Salz und den Kuffeebullen vun Hodeida in Jemen. Nächst
diesen .Schiffen wird der Binnenverkehr mit den Küstenländern des
rotiicn Meeres durch Sembuks (kleine Barken) unterhalten.
Die Zahl der eingelaufenen .Sembuks betrug 832,
die der uusgelaufenen im nämlichen Jahre 815.
im J. 1857 in handelspoliUscher Beziehung beieuchlel. 401 3. Guinfudda-Handel.
Der Handelsverkehr dieses Ortes heflndet sich iu g-änzlichem
Verfalle, lu Folge der kraftlosen türkischen Verwaltung sind die
Bergvölker von Assyr in neuester Zeit his vor die Thore der
iStadt herahgekoDimeu und haheu den dortigen Gouverneur derart
eingeschüchtert, dass sie uod ihre Produkte zollfreien Verkehr in
und ausser der Stadt haben. Die Häuser der Stadt hestehen aus
elenden Lehmhütteu. Der einzige Hundeisverkehr des Ortes be¬
steht mit Djedda und Lohheia. An ersteren Ort liefern sie für
91,000 Tall. Werth in Produkten, an letzteren für etwa 30,000
Tall, europ. Manufakturwaaren. Diese Manufakte importiren sie
uus Djedda in einem Totalwerthe von 165,000, resp. 150,000 Tall.,
uud bringen sie theilweise nach Lohheiu, theilweise nach Mas¬
saua, um sie dort gegen baares Geld abzusetzen.
In Gumfudda wird Scbiesspulver gefertigt, welches, obgleich
ausserordentlich schlecht, doch zu deu höchsten Preisen an die
Beduinen und Bergvölker ubgesetzt wird.
Die Duuue betrug im Jahre 1856 = 7,000 Tuli.
II. Jemeu.
Mit dem Namen Arabia felix bezeichneten schon die Römer
jenen südlicb von Hedjaz gelegenen Tbeil der arabischen Halb¬
insel, welchen die arabischen Schriftsteller auch wohl die Perle
des rothen Meeres nennen. Und in der That nicht mit Unrecht
wurden diese Namen dem von der Nutur so überaus gesegneten
Landstriche gegehen.
Der Reichtbum Jemens ist ausserordeutlich. In den gebir¬
gigen Hochebenen des Inlandes erzeugt es den Kaffee in einer
Menge und Güte, wie er in keinem anderen Tbeile der Welt
gefunden wird , den wohlriechenden Weihrauch und das Aloebolz
in bester Qualität.
Der Kaffee, seit 1554 in die Türkei uud 1600 vou Marseille
und Venedig nacb Europa gebracht, nimmt an Verbrauch täglich
zu. In der Mitte des 17tea Jahrhunderts schätzte der türkische
Historiograph Hadschi Chalfa die jährliche Ausfuhr auf 80,000
Ballen zu 10 Farasle (200 leichte Pfunde), wovon 40,000 nach
Djedda und der Rest nach Bassora gesandt worden seyen. Ist
diese Angabe Hadschi Chalfa's ricbtig, so hat sich die Gesammt-
pruduktion Jemens in Kuffee seit dieser Zeit, resp. in 200 Juhren,
nur um das Doppelte gehoben. Der Gesammtexport in Kaffee
mag gegenwärtig etwu 1,562,000 JPurusle betragen, welche
heute noch wie damals in gleicheu Collis zu 10 Farasle (200
Pfund) 'verpackt zu einem Drittel nach Djedda und zu zwei Drit¬
teln nach Hodeida, Lohheia und Aden, nach England und Amerika
cxportirt werden. Dieselben repräsentiren, den mittleren Ankaufs¬
preis eines F'arasle zu 2 Talleri angenommen , somit einen Ge-
402 Freih. v. Neimans, das rolhe Ueer und die Küslenländer
saoimtwerth von 3,125,000 Talleri oder 6,250,000 ügterr. Gulden.
Die gesuchtesten Kaffeesorten Jeniens sind die von Kaukabun ,
Djcbel Darau, Djebel Rema, El Mochader und Schiham. Die
Produktion des Kaffees ist nach den Berichten der Eingeborenen
noch der grössten Ausdehnung fähig, uber es scheitert der gute
Wille des Volkes, trotz des ihnen bei vermehrter Nachfrage iu
Aussicht stehenden Gewinnes, an der Unsicherheit der .Strassen
und der machtlosen Verwaltung der habsüchtigen Regierungen.
Der Gebrauch des Kaffees ist in Jemen unbekannt, und die Be¬
wohner trinken nur eiueu von der ungebrannten Kaffeebulsc ge-
o
kochten Absud, „Ghischr" genannt.
Getreide und Krapp werden in den Hochebenen in Menge
producirt. Indigo, Baumwolle und Sesam gedeihen in Fülle
auf dem Küstenstriche von Tebama und könnten bei intelligenter
Bewirtbschaftung zu einer unerschöpflichen Quelle steten Wohl¬
standes für das Land werden.
In Drehemi , Beit el Fakib und Zebid sind einige Manufaktu¬
ren , welche Futas (Kopftücher) und Redifs (Zeugstücke, wel¬
clies die Bewohner während des Tags uuf dem Anne tragen und
bei Nacht zum Zudecken benutzen) verfertigen.
u *
In Zebid werdeu Nabhel Sandalen von Ochsenhaut) für
den Bedarf von Jemen, Hedjaz und Abyssinien in grosser Menge
gefertigt. Eine andere in Jemen sehr verbreitete Kunst ist , die von
Indien und England importirten weissen Baumwollenstoffe blau zu
färben, und liefern Zebid uud Beit el Fakib an die sainintlichen Küstenländer des rothen Meeres sehr belichte .Milayes (''j'^*, '»•i'^'),
blaue Tücher für Frauen, uod Hemden.
Die politische Eintheilung des Landes ist die in die Reiche
der .Assyr, Abu Arisch und das Gebiet des Imams von Sana. Die
Küstenländer sind seit 1849 durch Wiederbesetzung der wichtig¬
sten Häfen in türkische Hände gefallen.
Die jährlichen Erträgnisse der letzteren an Staatseinnahmen,
Steuern und Mauth betragen circa 450,000 Tail., die jährlichen
Ausgahen für Verwaltungskosten 180,000 Tall. Der Ueberschuss
geht nach Djedda zur Deckung der Verwaltungskosten von Hedjaz.
Der Handel Jeineus gebt über die Häfen von Djizan,
Lohheia, Hodeida, Mokka und Aden.
üeber die numerischen Verhältnisse des Verkehres dieser Häfen genaue und bestimmte Data aufzustellen , ist bei dem giinzlichen
Mungel europäischer Kuuflcute nicht möglich. Die nachstehenden
Wertlie sind nacb den.Aussagen der gegenwärtigen Duanenpäcbter Ulier der hauptsächlichsten indischen Kaufleute zusammengestellt.
1. Lohheia.
Der Export Loliheias geht hauptsächlich nach dem Hufen
von Djeddu und betrug, wie uoter diesem Orte nuchgewiesen, für
im J. 1857 in handelspoliUscher Beziehung beleuchtet. 403
1856- 57 den Werth von 357,800 Talleri. Nach den übrigen
Häfen des rotben Meeres ist die Ausfuhr nur unbedeutend, da
für die im Lande erzeugten Produkte In Djedda die höheren
Preise gezahlt werden.
Von der südlich gelegenen Umgegend geht ein bedeutender
Kaffeetransport zu Laude nach Hodeida, jedoch wird in die bei
ihrer Rückkehr nach Indien auf der Rhede ankernden Schiffe ein
Werth von nahezu 135,000 Talleri in Kaffeebohnen eingeladen,
und in andern Gegenständen, als Gummi, Weihrauch, Aloe u.s.w.
ein Werth von 25,000 Talleri.
Der Totalexport übersteigt nicht die Summe von 514,000 T.
Bezüglich seines Importes ist Lohheia hauptsächlich auf
den Markt von Djedda und Hodeida angewiesen. Von ersterem
Orte importirt es 19,250 T. (s. Export von Djedda), hingegen
empfängt es durch Gumfudda etwa 80,000 T. in europ. Manu¬
fakturwaaren, während von Hodeida und den indiscb«n Schiffen in
bedeutendem Maasse die indischen Manufakte eingeführt werden.
Der Werth derselben "betragt nach den Schätzungen der indischen
Kaufleute gegen 220,000 T. Die Bewohner Lohheias sind wenig
gewaudte Seefahrer und Uberlassen den Besuch ihrer Rhede zum
grössten Theile den Barken von Djedda, Gumfudda und Hodeida.
Die Stadt ist aus Coralleufelsen gebaut, umgeben mit einer
Mauer und Forts.
Schiffe können sicb der Stadt nur bis auf eine Entfernung
von drei Seemeilen nähern und bei unruhigen Winden auf der
offenen Rhede nicht ein- und ausladen. .Aus diesem Grunde
geht der Export des Landes um Lohheia zum grossen Tbeile
über Hodeida, wo der sichere Hafen den Verkehr mit den indi¬
schen Schiffen begünstigt.
2. Hodeida.
Hodeida ist nacb Djedda der bedeutendste Hafen der arabi¬
schen Meeresküste. Es verdankt seiue heutige Blüthe hauptsäch¬
lich dem Verfalle Mokkas. Die Hälfte des Handels dieses Ortes
hat sicb hierher Ubertragen.
Hodeida bildet einen regelmässigen Stationsort für alle von
und nach Indieu gehenden Schiffe, welche hier 10—14 Tage ver¬
weilen. Die Stadt ist woblbefestigt und hat grosse Gebäude. Sie
ist der Sitz der türk. Gouverneure für die Provioz Jemen. Unter
ibnen stehen die Gouverneure von Lohheia und Mekka. Drei
Seemeilen eotfernt liegt das fruchtbare Eiland Kameran mit 7
Ortschaften, gleichfalls in türkischem Besitze. Die Einwohnerzahl
ist der Djeddas fast gleich, circa 15,000, und hat den Vortbeil
guter und sehr wohlfeiler Lebensmittel.
Der Handel Hodeidas nach Hedjaz geht sämmtlich über
Djedda, wuhin jährlich 120 Barken abgehen mögen. Der Export
dabin betrug (s. Djedda) 543,000 T.
404 Freih. V, Neimans, das rolhe Meer und die Küslenländer
Nebst diesem bestebt ein lebhafter Verkehr mit Abyssiniei
und Massaua, welcher einen Betrag von 51,000 T. repräsentirt.
Nach den Häfen von Zeila, Tedschurra und Berbera an der Ost¬
kUste Afrikas exportirt es jährlich im Werth von 30,000 T
Am wiebtigsten Tür Hodeida aber ist der direkte Verkehr
der indischen Schiffe, welche kommend und gehend 10—14 Tage
anhalten, um ihre Manufakte und den indischen Reis abzu¬
setzen und dagegen bei der RUckfahrt Kaffee, Weihrauch, Aloe
u. s. w. einzutauschen. Der Export, welcher sich auf diese Weise
bewerkstelligt, beträgt gegen 735,000 T.
Alle diese Expuirtwerthe zusammengenommen, betrug die
Summe des Exportes 1,449,000 T.
Als hauptsächlichste Produkte figuriren in dieser Summe:
Kaffee mit einem Werth von 1,139,000 T. , wovon fUr 405,000 T.
nacb Djedda, fur 708,000 T. aber üher Indien nach England ge¬
bracht wurde. Der Rest bestebt in Getreide 39,000 T., blau
gefärbten Tüchern, Milayes und Redifs 21,000, Gummi 24,000,
abyssinischem Elfenbein 20,000, Sandalen und Fellen 13,250 T.
u. s. w. (Ueber den Wiederexport der von Indien erhaltenen Ma¬
nufakte und des Reises s. Lobheia und Djedda.)
Hingegen importirte Hodeida auf dem Wasserwege:
a) von Pjedda, wie oben, den Gesammtwerth von 224,300 T.
b) von den indischen Schiffen: Manufakte 431,000
Halbstoffe 72,000, Seide 11,000 83,000
Gewürz 21,000, Reis 20,000 41,000
Eisen und Stahl 21,000, Zink uud Kupfer 28,000 49,000
Glas und Geschirre aller Art 15,000
Holz zum Schifi1)au uod andere Hölzer 4,000
Diversa aller Art von Indien und England 63,000
c) von Abyssinien: Elfenbein 20,000, Kaffee 3,000 23,000
Häute 2,000 und Diversa 16,000 18,000
d) von den übrigen Häfen des rothen Meeres, Jemen
und Mokka 20,000
e) von Maskat und den persischen Häfen: Teppiche
40,000, eingemachte Früchte 7,000 und Diversa
2,000 49,000
Totalimport 1,020,300 T.
Totalexport 1,449,000
Hodeidas Gesammtverkehr 2,469,300 T.
3. Mokka.
Der einst so berühmte Hafen von Mokka ist seit der Besitz-
naliine Adens dnrcb die Engländer 1838 in einem Zustande immer
noch fortdauernden Verfalles. Von den früheren 15,000 Biuwnh-
im J. 1857 in handelspoliUscher Beziehung beieuchlel. 40.)
uern ist die Stadt auf .2—3000 lierakgekommcn , und die sämiui-
lichen reichen Kaufleute liahen sicli nacli Hodeida und Aden
ühergesiedelt. Verlassen stehen die Gebäude der Stadt, in Zei¬
ten des Reicbtbums erbaut, deren Werth in einem Maasse ge¬
sunken ist, dass nach Aussagen der von dort kommenden Kauf¬
leute der Miethpreis eines 20 — 30 Räume enthaltenden Hauses
auf 2 — 3 Talleri gefallen ist.
Noch zu Zeiten des Imams von Sana, FA Mahdi Ibn Metu-
a^el 1812 (f 1833), und seines Nachfolgers, Mansur Sidi Ali
(f 1837), war der Verkehr des Ortes so belebt, duss die jährlichen
Erträgnisse der Duane von Mokka sich auf 350 — 400,000 T.
heliefen, eine Summe, welche beute die sämmtliehen Häfen Je¬
mens zusammengenommen kuum zur Hälfte erreichen. Der Kaflfee-
liandel des Ortes hat sich zum grössten Theile uach Aden, zum
anderen Theile nach Hodeida gewendet. Die Mautherträgnisse
des Hafens sind gegenwärtig um jährlich 7,000 T. verpachtet.
Nicht wenig trugen zu diesem raschen Verfalle des Handels
die Verwallungsgrundsätze der einheimischen Scherife von Sana und
Abu Arisch hei , welche die Kaufleute derart mit übermässigen
Zöllen belasteten, dass mit Eröffnung des Hafens von Aden durcb
die Engländer 1838 die geldbesitzenden Handelsleute, ihren fana¬
tischen Hass gegen die Christen vergessend, bald fanden, dass sich
unter englischem Schutze für ihren Handel besser leben lasse,
als unter der Herrschaft der geldsUcbtigen Nachkommen des Pro¬
pheten, welche ihre Unterthanen plünderten und ausrauhten so
oft es ihnen beliebte.
Die seit 1849 an deren Stelle getretene türkische Verwal¬
tung machte es nicht besser, und wirkte durch ihre Massnah¬
men keinesfalls dahin , der fortdauernden Auswanderung Schran¬
ken zu setzen.
Der Gesammtexport und Import mag etwa 150,000 und
70,000 T. betrogen.
4. Aden.
Aden und sein Handel, obwohl sehr bedeutend und werth¬
voll für den Binnenverkehr Jemens , gehört nicht in den Bereich
der uos gestellten Aufgabe; üher dessen Bedeutung und Eiufluss
hingegen werden ■ wir später unter der Rubrik „ indo-englischer Handelsverkehr im rotben Meere" Näheres beizubringen Gelegen¬
heit fioden.
5. Djizan.
Zur Abschliessung der Hafenorte der arabiscben Küste er¬
übrigt nur noch der Hafen Djizan.
Dieser Ort ist seit 1849, dem Jahre der Wiederhesetzung Je¬
mens durch die Türken, in Folge der Schwäche des türkischen
Gouvernements den Bergstämmen von Assyr in die Hände gefallen,
welche im Monate August 1856 die türkischen .Soldaten daraus
406 Freih. v. Neimans, das rnihe Meer und die Küslenländer
vertrieben und seitdem mit eigenen Truppen die Stadt militärisch besetzt halten.
Der Hafeu- und Handelsverkehr war nicht unbedeutend , und
ertrug die dortige Duane jährlich 10—12,000 Tall.
Da die Details dieses Kreiguisses in Europa wohl wenig
bekannt seyn möchten, so dUrfte eine Aufführuns: derselben hier
nicht ohne Interesse seyn."
Zum Verständnisse des ganzen Vorfalles ist es nöthig , auf
die Zeit des Jahres 1849 zurückzugehen. In diesem Jahre
war Mabmud Pascha (jetziger Exgouverneur vnn Djedda, Nov.
1857) als Gouverneur von Jemen und Hodeida installirt wor¬
den. Der Küstenstrich von der südlichen Grenze von Hedjaz
bis nach Mokka, damals dem Scherif Hussein von Abu Arisch
zugehörig, war von den Türken fast ohne Schwertstreich abge¬
treten worden.
Dem .Scherif Hussein (nach Constantinopel deportirt) folgte
sein' Suhn Elassan ibn Hussein.
Mabmud Pascha, unzufrieden mit dessen Administrationsweise,
hatt^, innere Zwistigkeiten in dem Lande Abu Arisch benutzend,
die Regierung einem andern Scherife, Namens Haider oder Heder,
übertragen, welcber Hassan kurze Zeit nachher (1853) aus sei¬
nem väterlichen Erbtheile vertrieb.
Hassan, empört Uber diese ungerechte Maassregel .Mahmud
Paschas und begierig die vnn den Türken seinem Vater entrisse¬
nen Häfen wieder zu erobern, flüchtete sich zu dem kriegeri¬
schen Stamme der Beni Jam und suchte zu jenem Zwecke von
ibm Bundesgenossen und Soldaten anzuwerben, jeduch ohne
Erfolg.
Hassan verliess desshalb nach einiger Zeit diesen Stamm und
wandte sicb in gleicher .Absicht an Ait ibn Mury, den Anführer
der Assyr. Bei diesem war er glücklicher, und Ait, einem Kriegs¬
zuge gegen die Türken nicht abgeneigt, liess bald die Vorbe¬
reitungen zum Angrilfe treffen.
Im Frühjahre des Jahres 1856 kam der Häuptling der Assyr
wirklich mit einer Armee gegen Abu Arisch und Hodeida herab,
willens seine Eroberungen noch weiter gegen Süden und das Ge¬
biet des Imams von Sana auszudehnen, sobald er die Türken
vertrieben haben würde.
Scherif Heder, der von Mabmud eingesetzte Beherrscher
von Abu Arisch , welcher sich gerade auf Grund seiner Ein¬
setzung durch die Türken keinen grossen Anhang zu verschaffen
im Stande war, sah ein, dass Widerstand unnütz wäre, und entfloh
aus dem ihm von den Türken übertragenen Reicbe, welche letz¬
tere keinen Versuch machten ibn zu unterstützen.
Ait, mit seinen Assyrvölkern vor Abu Arisch angelangt, be¬
setzte ohne Schwertstreich die Stadt und niarschirte gegen Djizan.
Die türkische Besatzung dieses Ortes, nus nur 120 Mann bestehend.
im J. 1857 in handelspoliUscher Beziehung beieuchlel. 407
vertlieidigte sich mit grosser Tapferkeit, bis Mangel an Lebens¬
mitteln und Pulver sie zwang deo Platz aufzugeben.
In Djizan und Abu Ariscli hatte Ait eiue neue Basis seiner
Operatiunspläne gegen den Süden und Sicherheit des Rückzuges
gewonnen. Von hier richtete er seinen Marsch gegen Hodeida.
Mahmud Paseba, der türkische Gouverneur, hatle von Trup¬
pen an sich gezogen was er konnte, und vertheidigte die Stadt.
Ait, hierdurch aufgehalten, liess sein Lager vorden Thoren der
Stadt aufschlagen und schickte sich an, den Ort mit Sturm zu
nehmen. Durch die hierzu nöthigen Vorbereitungen wurde er auf¬
gebalten und an Lebensmitteln beschrankt ; dazu brach plötzlich
noch die Cholera in seiner .Armee mit einer Heftigkeit aus, dass
sie seine Krieger tagtiiglirli zu Hunderten hinwcgruffte. Ait sah
sich genöthigt, entweder sofort den Ort zu forciren, oder unver¬
richteter Dinge seine Armee an der Seuche dahinsterben zu lassen.
Nichtsdestoweniger halle er gegen die ängstlichen Türken
die Chance des GeliiT^JH-.s , — da erschienen plötzlich, ein deus
ex machina, zwei englische Kriegsschiffe vor dem Hafen vun Ho¬
deida, um die Türkeo gegen den mutliigen Angriff der Assvr zu
schützen. Hauptsächlich durch die Itomheii der englischen Schiffe
wurden die Thore der Stadt gegen den andrängenden Feind ge¬
deckt, und die Assyr, zurückgeschlagen, sahen sich genulliigt
nach Abu Arisch zurückzukehren. Auf diesem .Marsche slarb .Ali
ibn Mury an der Cholera.
Ihm folgte sein Suhn Muhammed ibn Ait als Beherrscher der
Assyr, Mohammed, wenig achtend auf die Versprechungen , wel¬
chu sein Vater vor Beginn des Kriegszuges dem Hassan ibn Hus¬
sein gemacht hatte, ihn uls Statthalter von Ahu Arisch einzu¬
setzen, unterhielt Garnisonen in Abu Arisch und Djizan.
.Scherif Hassan , hiedurch bitter enttäuscht, wandte sich vun
neuem zu den Beni Jam, alles aufbietend um dort bessere Partei¬
gänger zu werben und sicb selbst an die Spitze einer Arnicc
zu stellen.
Diessmal war das Glück ihm günstiger. Es gelang ihm
800 Soldaten unter ihnen zusammenzubringen , und vor 3 Mona¬
ten (August 1857) zog cr mit diesen vur Abu Arisch, belagerte
die Stadt und erubertc sie nach kurzem Widerstünde.
Von hier wandte er sicb gegen Djizan, in welchem Orte er an
den Kaufleuten eine sichere Unterstützung zu finden hofl'te, um sich
der lästigen Eindringlinge von Assyr zu entledigen. Leider war
diese Expedition nicbt so glücklich wie die erste; die eingeschüch¬
terten Bewohner der Stadt liessen sich uicht zu einer offenen Auf¬
lehnung gegen die grausamen Bergsoldutcn verleiten , und nach
unfruchtbaren Versuchen sah er sich genöthigt die Belagerung
aufzuheben. Nichtsdestoweniger unterbrach er die Verbindungen
zwischen dem Assyr-Lande und der Besatzung der Assyr-Soldaten
in Djizan, Nebstdein unterhielt er Verbindungen mit den Bcwuh-
Rd. .\II. 27
408 Freih. v. Neimans. das rolhe Meer und die Küslenländer
nern der Stadt. Die Assyr, von diesen Verbiudungen benacb-
ricbtigt, räcbteu sicb an den Einwobnern durcb allerlei Bedriik-
kungen, Besteuerung und Erpressung, steckten die Häuser der Ver¬
dächtigen an, plünderten ihre Waaren und entehrten ihre Frauen.
In Folge des unterbrocbenen Verkehrs mit dem Gehirge
ermangelten aher die Assyr in kurzem der nötbigen Lebensmittel
und Munitionen, und plünderten nunmehr die Barken, welche vou
Hodeida die Küstenfahrt nach Djedda machten. Die Nachricht von
diesen Plünderungen verfehlte nicht den Handel Jemens und Hedjaz
zu unterbrechen. Nach genauerer Ermittlung jedoch waren im Gan¬
zen nur sechs Barken geplündert worden, in deren einer eine
bedeutende Summe Geldes für das türkische Gouvernement sich
befunden hatte.
Mobammed, Cbef der Assyr, von diesen Vorfällen Kenntniss
erhaltend, gab ^sofort Befehl die Feindseligkeiten einzustellen, und
lud Scherif Hassan zur Ausgleichung der zwischen ihnen beste¬
henden Differenzen ein. Die Unterhandlungen, durch Abgesandte
betrieben, führten zu dem Resultate, dass Mobammed ibn Ait die
Souverainetätsrechte Hassans ibn Hussein anerkannte unter der
Bedingung, dass letzterer an ihn eine jährliche Rente von 60,000
Talleri zablte (wohl übertrieben und auf 15,000 T. zu reduciren,
welche Summe auch Scherif Hussein an Ait zahlte), wogegen
Djizan sofort von den Assyr verlassen wurde und sich somit heute
in den Händen des Scherif Hassan von Abu Arisch befindet.
Djizan ist kein unwichtiger Hafen; in der Näbe befinden
sich die reichen Mineralsalze von Lohara, welche trotz türkischer
Verwaltung doch einen jährlichen Reinertrag von 15,000 T.
abwerfen. Die Ausbeute derselben war jedoch bereits 1856 in
Folge der lüderlicben Finanzwirthschaft des Gouverneurs Mah¬
mad Pascha aufgegeben worden , da die Arbeiter aus Verdruss
über den seit 20 Monaten rückständigen Sold das Gebiet der Mi-
nerallager verlassen batten, um sich in ,das Innere des Landes
xu flüchtenvon wo sie erst während der Wirren der Assyr zu¬
rückgekehrt sind.
Hiermit wäre die Schilderung der arabischeo Küste des
rotben Meeres beeodigt.
III. Aby««lnlen
und seine gegenwärtige Gestaltung.
Gesehiehtlieher Umriss vqn 1851 —1857.
Debergebend auf das abyssinische nnd ägyptische Territo-
riom, halten wir es betreffs des ersteren für zweckmässig, die letz¬
ten politischen Ereignisse d«s Landes in Kürze sn beleuchten , um
die Stelinng zu fixiren, welche die bandeltreihenden Nationen
der Lkudesbebörde gegenüber eiozunebmen genöthigt sind.
im J. 1857 !» handelspoliUscher Beziehung beieuchlel. 409
Das einst so mächtige alt-äthiopische Kaiserreich Ahjssinien
ist zerfallen. An die Stelle des Einen Kaisers sind im Laufe der
Zeit drei Major domus getreten, nnd das Land hat sich nach
und nach in drei Königreiche getheilt: 1) Tigr6, 2) Amhara,
3) Schoa.
Nichtsdestoweniger ward his zum Juhre 1852 die eigentliche kaiserliche Familie als die regierende anerkannt und ein Mitglied
derselben der Form nach mit der Kaiserkrone gekrönt. Derart
war die Luge der Dinge his vor wenigen Jahren (1851).
An der Spitze des Königreiches Tigre stund Ras Uhie, un
der Spitze von Ambara uud Süd-Abyssinien Ras.Ali.
Itcide, stets bedrängt von den zablreichen innern Parteiungen
und dem schismatischen Eifer der koptischen Geistlichkeit, hatten
mit fortwährenden innern Zwistigkeiten zu kämpfen, welche oft¬
mals ibr Leben und ibren Thron in Frage stellten. Ras Ubie
war deren in letzter Zeit Herr geworden, nicht so Ras Ali.
Dieser hatte mit zwei Vasallen zu kämpfen, von welcben
der eine, Buru Goschu, durch seine Geldmittel, der andere,
Djedjadj Kasai, ein Edelmann uus amhurischer Familie (nachmals
Kaiser Theodorus I.), durch seine militärische Gewandtheit längst
eine Macht erlangt hutten , welcher die des Ras Ali nicht mehr ge¬
wachsen war. Sie beide durch gegenseitige Kämpfe zu schwä¬
chen , bewog Ras Ali den Ersteren gegen Kusai einen Kriegs¬
zug zu unternehmen (1850). Buru Goschu fand sich dazu ge¬
neigt, umsomebr da er mit den Ländern seines Gegners belehnt
wurde.
Der unvorbereitete Kusui musste anfänglich weichen, aber
bald sich erholend rUckte er gegen den sich sicher glaubenden
Rivttlen vor nnd sclilug ihn in einer mörderischen Schlacht bei
Gorgoru (10. Nov. 1852), in welcher Burn Goschu getödtet wurde
und sein ganzes Lager in die Hände des Feindes fiel.
Kasai an der Spitze seines siegreichen Heeres, verstärkt
durch die Deberläufer des geschlagenen Feindes und im Besitze
eines grossen Theils seioer Geldmittel, zögerte nicht, auf dem
betretenen Wege weiter zu gehen. Als die Triebfeder des ihm
gelieferten Kampfes seinen bisherigen Herrn, Ras Ali, erkennend,
verweigerte er, sich fürder dessen Befehlen zu fügen, und be¬
setzte einen Theil der diesem zugehörigen Provinzen (Ende 1852).
Jetzt erst rückte Ali dem gefUrchteten Gegner in Person
mit seinen Soldaten eutgegen. In einer Reihe von stets unglück¬
lichen Treffen vou den Truppen des jugendlichen Kasai besiegt,
verlor Ali Land und Thron an seinen kriegerischen Vasallen ,
sah sich um die Mitte des Jahres 1853 von seinen Soldaten ver¬
lassen und flüchtete sich zu deu Negerstämmen der Gallas.
Hiermit standen sich nunmehr Ende des Jahres 1853 Ras Ubie
und Kasai als die mächtigsten Häupter Abyssiniens gegenüber.
Schon vor dieser Zeit war der nominelle Kaiser Abyssiniens
27* •
410 Freih. v. Neimans, das rolhe Meer und die Küslenländer
mit Tode ubgegaugen, und es liiindelte sicli diiruin, einen Nacli- fulger BUS der kuiserliclicii Fumilie der Form nach zu krönen.
Uhie, laugst lüstern uach der Krone und der ihm in den
Augen des >'olkes dadurch zu verleihenden Würde eines ,, Kaisers von Aethiopieu", hutte dessliulb mit dem koptischen Bischöfe Abuna
Abu Seluinu (Vater des Friedens) ein Uebereinkommen getrulTeu,
duss nur er mit der Kuiscrkrone gekrönt werden solle.
Ou erschien uls neuer und gewichtiger Competent der sieg¬
reiche Kasai.
An dur Spitze eines gewaltigen Heeres , war er besonderer
Berücksichtigung in voraus versichert. Um einen Krieg zwischen
ihm uud Ras Ubie zu verhindern, wurde über diu Frage der Kuiscr-
kröuung im Februar 1854 zwischen ihnen unterhundelt, und sollte
hiernacb zur Vermeidung eines übermächtigen Einflusses des Eineu
oder des Anderu nochmals zur Krönung eines Sciiattenkunigs aus
der kaiserlichen Familie geschritten werdeu. Ausserdem wurde zu
Goodur eiue Art Reichstag versammelt, um unter Zuziehung der
sämmtlicben Notubcin uud Würdenträger des Reicbes die zwi¬
schen Ubie und Kasui entstundeuen Differenzen zu berutben.
Unter Beschickung desselben durch eiue Deputation von Seiten
der Streiteoden Parteien, verpflichteten sich beide eidlich, die
dort gegebene Entscheidung anzuerkennen.
Der Congress kam wirklich zu Stande, aber es währte nicht
allzulange, so zeigte sich in Folge der BemUhuugen Ubie's und
seiner Creutur Abu Selamu, dass die Versammlung nicht abge¬
neigt war, Ubie dennoch die Kaiserkrone zu Ubertragen, uud
Bischof Selamu gewillt sey denselben wirklich zu krönen.
Dieses zu verhindern war nunmehr das eifrigste Bestrebeu
des ehrgeizigen Kasai.
Wohl erkennend, welchen Vortheil Ras Ubie von der Freuud¬
scbaft und den Diensten Abu Seluma's und der koptischen Geist¬
lichkeit zu ziehen im Stande war, strebte Kusui vor allem die
Thätigkeit dieser zu lähmen, und sogar, wo möglich, mit ihnen
in ein Bündniss zu treten. .
In-List und Ränken ebenso gewandt wie in Führung [des
Schwertes, beschloss er mit seltenem Scharfblick, die kirchlichen Wirren zu benutzen, welche seit Jahrzehnten in Folge europäischer Missionsversucbe das Land in Aufregung hielten. Protestantische und katholische Geistliche hatten durcb ihre Bekebrungsversuche
der koptischen Kirche schon seit Jabren das Ansehen des einge¬
borenen Bischofs Ahu Selama gewaltig untergroben. Namentlich
dem gewandten Eifer und der seltenen Intelligenz des Pater Ja-,
covis war es gelungen , einen derartigen Einfluss auf die kopti¬
scbe Geistlichkeit zu gewionen, dass, da eine Wiedervereinigung
der koptischen Kirche mit dem apostolischen Stuhle iu uicht allzu
ferner Aussicht stand, bei erfolgter Erledigung des Bischofs¬
sitzes ernstlich die Wiederhesetzung desselben durcb einen römisch
im J. 1857 in handelspolüischer Beziehung heleuchtet. 4H
katliolisclien und niclit koptisclien Geistlichen diseutirt wurde.
Durch die ßeniühung-en der englischen Missionäre ward diess
zwar hintertrieben, aber die Interessen der römischen Kirche, derart
herangewachsen, erforderten eine äussere Vertretung, und'Pater
Jacovis ward 1849 von dem päpstlichen Stuhle als Bischof Abys¬
siniens neben dem in Kairo erwählten koptischen Bischöfe Abu
Selama ernannt. Aber nicht wenige koptische Geistliche fühlten
sicb mebr geneigt den römischen Bischof anzuerkennen, als den
zu Kairo durch Cbic's Kinfluss erwählten Abuna.
Dieses Verhältniss benutzend, suchte Kasai sich mit dem Bi¬
schof Jacovis zu verbinden, um nöthigenfalls durch ihn die Kai-
scrkrönung zu erlangen.
Bischof Jacovis, nicht ahnend, zu welch schnödem Spiele ibn
der beginnende Kaiser zu gebrauchen gedachte, schöpfte aus die¬
sem Anerbieten neue Hoffnung auf die so lange erstrebte Entschei¬
dung der abyssinisch - kirchlichen Frage, und sein und ihr Ge¬
schick mit dem Glucksstern des thatkräftigen Kasai zu verhin¬
den, schien dem Eifer des strebsamen Kirchenmannes nicht un¬
erwünscht.
Er erklärte sich hereit die Saclie des neuen Kaisers zu
unterstützen. Kasai, dieses den Einfluss Abu Selainns pnraly-
sirenden Mannes versichert, rückte nunmehr rasch seinem Ziele
entgegen.
Nicht ferner beachtend die schon durch Ubie's Bestrebungen
gehrochenen Friedensverbandlungen, zog er plötzlich seine Armee
in und um Gondar zusammen, nm nach SemSn, dem sUdlichen
Gränzlande des Königreiches Tigre, zu marschiren.
Ein Angstschrei des in Gondar versammelten Rathes, wel¬
cher bereits seit Monaten ohne Resultat deliberirte, war die Ant¬
wort auf die kriegerischen Vorbereitungen des eidvergessenen
Kasai , und Abu Selama schleuderte in grimmigem Zorne auf
den seiner Warnung nicht Achtenden den Bannfluch der kopti¬
schen Kirche.
Diesen Baunfluch beantwortete Kasai höhnisch mit den Wor¬
ten: „Wenn Abu Selama im Stande ist den Bann als Bischof der
Kirche zu verhängen, so ist dieser da (Jacovis) im Stande als
Bischof der Kirche denselben zu lösen, und der Fluch kann mir
nimmermehr schädlich seyn."
In der That kümmerten sich die Soldaten des sieggewo^-
ten Herrschers sehr wenig um den kirchlichen Streit, und macht¬
los prallten die Bannworte an dem vorwärtsdringenden Kasai ab.
Diese Wendung der Dinge hatte Abuno Selama nimmer¬
mehr erwartet, und mit Schrecken sah er deu katholischen
Abuna (Bischof) an der Seite eines jugendkräftigen Mannes , wel¬
cher im Kampfe mit dem alternden, ratb- und thatlosen Ras Ubie
zu sicherem Siege berufen schien.
2 8
412 Freih. v. Neimans, das rolhe Meer und die Küstenländer
Angst für sicb und seioeo koptischen Cultus erfusste ihu bei
dem Gedanken, dass durch die Hand eines römisch-katholischen
Priesters der wenig scrupulöse Kasai die äthiopische Kaiser¬
krone'auf sein Haupt setzen werde, und schnell vergessend die
zahlreichen Wohlthaten, welche er vou Ubie seit langen Jabren
erbalten, beschloss er das unglUckverheissende Lager seines
frUheren Herrn zn verlassen und sich der aufgehenden Sonne des
amharischen Herrschers zuzuwenden.
Diesen Wechsel hatte der schlaue Kasai gewünscht und
vorausgesehen. Vermittelst Uoten wurden zwischen ihm und Abu
Selama die Verhandlungen geführt, und bald war der Handel
derart geschlossen, dass der so rasch geschleuderte Bannfluch von
ihm genommen und ihm statt dessen die Kaiserkrone eidlich zu¬
gesichert wurde gegen das Versprechen , dass er den katholischen
Bischof und sämmtliche Missionäre aus dem Lande vertreiben
wolle.
Eine derartige Bedingung unterlag bei dem Charakter des
zukünftigen Kaisers keinem Bedenken. Rasch waren an einem
einzigen Tage die Befehle zur Ausweisung aller uod jeder Mis¬
sionäre gegeben, und der enttäuschte Bischof Jacovis sab sich
an die Gränze Abyssiniens nach Aegypten hiu gehracht, ehe von
irgend einer Seite Schritte zu Gunsten seines Verbleibens auf
dem seit Jahrzehnten mühsam errungenen Terrain guthan wer¬
den konnten.
Unthätig hatte unterdessen Uhie die kostbare Zeit vergeudet.
Plötzlich von Abu Selama verrätberisch verlassen, sah cr sich eines
grossen Theiles seines moralischen Einflusses auf die Menge be¬
raubt; Kasai hatte mittlerweile .Semen obne Schwcrtstcich besetzt und zog nach dem von Ubie in Dcbr-Eski erbauten Krönungshause.
Im Monat Februar 1855 endlich machte sich Ubie auf, sei¬
nen Gegner zu bekämpfen , und erreichte am 9. Februar .Abends
bei Debr-Eski das Lager des Feindes.
Einem übereilten Angriffe auf die gut gerüstcteu Truppen
des ihn erwartenden Kasai folgte eine totale Niederluge, und in
der allgemeinen Flucht fiel Ubie selbst, im Gemetzel der Schlacht
durcb einen Lanzenstich am Schenkel verwundet, als Gefangener
iu feindliche Hände.
Am Tage darauf ward Kasai in dem für Ubie bestimmten
Krönungsbause als „Theodorus I., Kaiser von Gesammt-
Aethiopien" gekrönt.
Mit der Gefangennehmung Ubie's fiel das herrenlose Tigre de
jure in seine Gewult ; ober noch blieb dem neugekrönten Kaiser
der Negus (König) von Schoa zu unterwerfen, welcher dus
neuerworbene Recht desselhen anzuerkennen sich weigerte.
Den gefangenen König Ubie als Trophäe in seinem Lager mit
sich führend, zog Theodorus hiuab gegen Schoa. Nach kurzem
Widerstande besiegte er glücklich den widerspänstigen Negus
im J. 1857 in handelspoliUscher Beziehung beieuchlel, 413
und bestellte den Heerführer Salüa als Statthalter des unterwor¬
fenen Schoa.
Von hier ging- Theodorus nach Amhara zurück , um die in
den Kriegszügen erworbene Macht zu befestigen. Die Verwal¬
tung des Landes zuverlässigen, ihm besonders ergebenen Leuten
übertragend, war derselbe vor allem bestrebt, durcb Milde und
Weisheit der Furcht, welche das Volk vor seiner Macbt haben
musste, diejenige Achtung zuzugesellen, welche ihm nöthig
schien, um in den vereinigten Tbeilen seines ausgedehnten Rei¬
ches Rube und Ofdnung zu begrUnden und dem Volke die Art
und Weise zu zeigen, iu welcher er das neueroberte Reicb zu be¬
herrschen gedenke.
Zwei Acte des Kaisers Th'eodorus I. sind in diesem Sinne
zu bedeutend, um hier mit Stillschweigen übergangen werden
zu können.
Der erste war ein Erlass über die .Aufhebung der Sklaverei
und des Sklavenhandels in sämmtlicben Marken seines Reiches;
der zweite ein Befehl an sämmtliche Muhammedaner des Landes,
,,den stupiden Glauben Muhammed's" zu verlassen und zum Chri¬
steuthum Uberzugehen.
Dieser letztere Befehl , an und für sich ein Pchlgriif , er¬
wies sich bei der Menge seiner muhammedanischen Unterthanen
als unausführbar, uud Theodorus war genöthigt, denselben kurze
Zeit nach seinem Erlasse zur Aufrechthaltung der Ruhe zurück¬
zunehmen. Nichtsdestoweniger bezeichnet er in charakteristischer
Weise den Sinn des Kaisers. Ueber alles Lob erhaben ist die
Weisbeit des ersten Befehles den Sklavenhandel betreffend, um
so mehr als er das richtige, scharfe Urtheil eines gleichsam
„halbwilden" Autokraten bezeicbnet, welcher dasjenige aus
eigener freier Erkenntniss thai, was die türkische hohe Pforte,
seit nahezu drei Jahrhunderten in Widerspruch mit europäiscber
Civilisation, erst vor 3 Jahren nothgedrungen und wider Willen
gethan hat.
Nebeu diesem vielversprechenden Geiste besitzt Kaiser Theo¬
dorus 1. aher aucb einen seltenen Sinn der Achtung für europäiscbe
Bildung und Befähigung. Seit Jahren war sein Streben unaus¬
gesetzt dahin gerichtet, europäische Handwerker und Gewerbs¬
leute in sein Land zu ziehen, um durch deren höbere Kennt¬
nisse seinem Volke die Vortheile der Civilisation und Bildung
begreiflich zu macben. Sogar als er — vielleicht zur Vermei¬
dung religiöser Kriege — genöthigt war die sämmtlicben Mis¬
sionäre aus dem Lande zu vertreiben, protestirte er in öffent¬
lichen Erlassen an die in Massaua residirenden Consuln feierlichst
dagegen, dass hieraus ein Ausschluss der Europäer aus seinem
Gebiete gefolgert werden möchte, und lud diese unter Zusiche¬
rung der besten und ehrenvollsten Behandlung und Anerbietung
von Länderbesitz uod Elfenbein ein, sich unter seinem Schutze
414 Freih. v. Neimans, das rothe Meer und die Küslenländer
niederzulassen und seinem Volke die Künste der cliristlicben Nu¬
tionen zu lebren.
Ein Mann, welcher nus eigenem freien Antrieb in solcher
Weise handelt, erscheint der höchsten ßcachtung würdig.
Was schliesslich die neuesten Ereignisse in dem Kaiserreiche
von Aethiopien betrifft, so lassen sich dieselben in wenige Worte
zusammendrängen.
Ubie, im Laufe des vorigen Jabres aus Achtung und Rücksicht
auf sein Alter und seinen früheren Rang von Kaiser Theodorus iu
Freiheit gesetzt, konnte den Verlust seiner frü]iern Stellung und
Würde nicht verschmerzen. Lange Jahre an Einfluss und Ehren¬
bezeugungen des Volkes gewöhnt, nahm er die Bewillkommnun¬
gen, welche ihm das Volk uud einige spaltungslustigc Notabein
des Landes entgegenbrachten, vielleicht zu wohlgefällig auf
und erregte hierdurch Hoffnungen und Befürchtungen , welche
dem erst kürzlich installirten Kaiser bedenklich erschienen.
Sie zu zerstören, liess ibu Theodorus I. kurze Zeit darauf von
neuem gefangen nehmen, und seit dieser Zeit befindet sich Ubie
nach abyssinischer Weise mit einem anderen Gefangenen zusam¬
mengefesselt auf dem Berge Korra. Ubie selbst hat seinen .An¬
sprüchen seitdem gänzlich entsagt. Die Reste seiner Armee sind
theilweise zerstreut, theilweise von einem Bergfürsteu .Argow
oder Agow Neguti^ gesammelt worden und halten einen Tbeil
des nordwestlichen Tigr6 besetzt. Unter dem Titel eines Ver¬
wandten des gefangenen Königs (er ist ein Neffe einer der
Frauen Ubie's) ist es ihm gelungen Parteigänger zu gewinnen,
welche plündernd und wegclugernd die Provinzen des eigenen
Landes durchziehen und das Eigentbum derer gefährden, welche
sie zu beschützen berufen sind. Bei ihnen befindet sich gegen
den Wii'ßo seines Vaters ein Sohn" Ubie's, welcher jedoch, per¬
sönlich im höchsten Grade unfähig, nur als ein Werkzeug des
ehrsüchtigen Agow gebraucht wird.
Theodorus I. hat his jetzt nuch nichts direct gegen diesen
unternommen, und hoffte, dass Zwietracht unter den Gegnern selbst
entstehen und den Sieg später erleichtern werde. Nach den neue¬
sten Nachrichten hat der mächtigste Anführer dieses Agow sich
hereits gegen dessen willkürliche Erpressungen offen aufgelehnt, und der Kaiser' rüstet einen Heereszug gegen diese letzten Partei¬
gänger, welche namentlich aus Mangel an allen Geldmitteln nicht
allzu lange ihr frcibcuterischcs Hocr zusammenzuhalten vermögen
werden.
Anm. t'eber die Aussichten , welclie dieser Herzog und seine Partei etwa hahen könnten, legen wir einen ßricf des seit 22 Jahren in Abyssinien ansässigen Naturforschers Dr. W. Schimper (des eifrigsten Anhängers des gestürzten Königs L'hie) hei, welcher, ohwohl uon älterem Dalum, durch die Urtheile des landeskundigen Briefstellers nicht ohne Interesse ist; s. Beil. B.
im J. 1857 in handelspolitischer Beziehung heleuchtet. 4I5
Wegen dieser gernde in der Provinz Tigre heruinzicbenden
Banden liat sicli der Handel zwischen Abyssinien und dem KUslcn-
landc Alassuuus bedeutend vermindert. Nur grössere Karawanen
können ungefährdet passiren , welche in Folge ihrer überlegenen
Alenschcnzalil sich gegen Kaubgeliiste der wegelagernden .SoJda-
ten zu schützen im .Stande sind. Jedocb auch diese müssen, aus
dem Inlande kommend , an 4 bis .5 t)rten einen vun deu Finwubnem
seit Jabren eingeführten Zoll bezahlen, welcber von jeder Maul¬
thierlast mit bis 2 Talleri erhoben wird. Die Wohlfeilheit,
mit welclier die Kaulleute im Innern des Landes einkaufen, lässt
diese Zölle nicbt zu hoch erscbeinen. Die grösste Schwierigkeit
eines ausgedehnteren Handelsverkehrs der Küste mit dem Inlande
liegt in der bergigen Beschalfenheit des Landes selbst. Endlose,
steile und zur Regenzeit höchst beschwerliche Bergpfude machen
den Transport ausserordentlich lästig und mühevoll.
Das Clima-uod die Vegetation des unter tropischer Sonne
durch seine fruchtbaren üuclicbcnen einer gemässigten Tempera¬
tur geqiesseudcu Landes ermöglichen neben der Cultur des Kalfee-
und Dattelhaunies den Anbau der sämmtliehen Früchte der ge¬
mässigten Zone. Die Gebirge des Landes sind reicb an Mine¬
ralien und Erzen aller Art. - Gold und Eisen werden in Menge
ans dem Inneren geliefert, und ein dem Lande eigenthümlicher
Handelsartikel ist der Moschus und die Zibethkatze (viverra Zi¬
betha). Rhinoceros- und Antilo|ienhärner werden in Menge aus¬
geführt. Wachs und Gummi sind nicht unbedeutend. Einen an¬
sehnlichen Gewinn wirft die Menge der jährlich ausgeführten
Felle und Häute und der Handel mit Zug- und Schlachtvieh
nachl der gegenüberliegenden Küste der arubischen Halbinsel ab.
Butler findet sich in grosser Menge, ebenso Scsum und Oelc.
Perlmutter und Schildkröten sind häufig. Elfenbein in grosser
Masse ist ein Ausfuhrartikel , welcher bei Verbesserung der Trans¬
portmittel bedeutende Summen in Umlauf setzen müsste.
Hingegen importirt Abyssinien: rothe und blaue Tücher,
rohe und gesponnene Seide; BaumwöllenstofFe und Musseline zu
Turbanen und Kleidern, Glas- und Periwaaren, eine geringe J^lenge
Porzellan, Antimon, Zink, Blech, Eisen, Kupfer; Nadelu, Sche¬
ren, Messer, Spiegel, Tabak und Zucker, Flinten und Säbel¬
klingen u. s. w. — Von Indien kommen Reis, Ziinmt, Pfeffer,
Baumwolle und Gespinnste, Seide und Haihstoffe.
Ausfuhr und Einfuhr geht Uber Massaua.
u s s a u a.
Der Hafen von Massaua ist der einzige än den Küsten
Abyssiniens, welcher eine grössere Bedeutung erlangt bat. Di&
Uisel mit der Stadt gleichen Namens liegt an der Nordspitze der
Agrego-Bucht, getrennt von dem Festlande durch einen schmalen
Kanal, nahezu ein Parallelogramm bildend, bine < halbe Meile
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