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von der Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer For- schungseinrichtungen in der Bundesrepu- blik

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Anzeigen Historische Bibliographie. Berichtsjahr 1986. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer For- schungseinrichtungen in der Bundesrepu- blik. M ü n c h e n : Oldenbourg 1987. 349 S.

Mit dem Jahrgangsband 1986 wird das Projekt einer jährlich erscheinenden Nationalbibliogra- phie f ü r das historische Schriftgut der Bundesre- publik als fortlaufender Beiband zur Histori- schen Zeitschrift in Angriff genommen. D a z u wurde eine zweckmäßige Vorentscheidung über die Erfassung von Monographien, Sammelbän- den und Zeitschriftenaufsätzen getroffen. Statt letzte Vollständigkeit anzustreben, stellen die Bearbeiter die Aktualität in den Mittelpunkt.

Dies ist allein schon mit Blick auf die selten zeit- gerecht erscheinenden Zeitschriftenbände eines Jahrganges angebracht, da die Herausgabe der Bibliographie andernfalls monatelang verzögert würde. Insgesamt sammeln die Herausgeber wie bisher für das »Jahrbuch der historischen For- schung« bei den außeruniversitären Forschungs- einrichtungen über eine Jahreserhebung deren Veröffentlichungen und ergänzen diese über die historisch relevanten Titel aus dem Bücherver- zeichnis der Deutschen Bibliothek in F r a n k f u r t / Main sowie über die Auswertung der 100 wich- tigsten historischen Zeitschriften der Bundesre- publik. Nicht rechtzeitig erschienene Zeitschrif- tenbände werden jeweils im folgenden Jahres- band mitverwertet.

Vorangestellt werden in einem »Allgemeinen Teil« zunächst Beiträge zur Theorie- und Me- thodendiskussion, zur Quellenkunde und zu epochenübergreifenden Fragestellungen. Dem schließt sich ein »Chronologisch-systematischer Teil« an, der nach neun Hauptabschnitten von der »Vor- und Frühgeschichte« bis zur »Welt im 20. Jahrhundert« gegliedert ist. Jeder Einzelab- schnitt innerhalb dieser H a u p t g r u p p e n ist zu- sätzlich in sich nach durchgängig festgelegten Sachgruppen und Territorialgliederungen aufge- schlüsselt, wobei die den Militärhistoriker be- sonders interessierenden Beiträge jeweils als Sachgruppe 6 »Kriegs- und Wehrwesen« aufge- führt sind. Zusammen mit seinen abschließenden Autoren-, Personen- und Ortsregistern ist damit ein handliches Hilfsmittel entstanden, das frei- lich die generelle Frage f ü r die Z u k u n f t offen las- sen muß, ob die anfallende Literaturflut über- haupt noch mit dem Mittel herkömmlicher Bi- bliographien arbeitsökonomisch f ü r den Benut- zer zu erfassen ist. Schließlich haben National- M G M 2 / 8 8 u nd Spezialbibliographien bereits einen zahlen- 227 mäßigen U m f a n g angenommen, der sie selbst

nur noch über Bibliographien der Bibliographien überschaubar macht. Was also dem schnellen Zugriff auf weit verstreute Beiträge dienen soll, wird damit selbst zunehmend zum immer zeit- aufwendigeren Arbeitsgang f ü r Erfasser wie Be- nutzer. Vielleicht ist deshalb das letzte W o r t über ein computergestütztes System zur D a t e n - speicherung und -verfügbarmachung auch in den Geisteswissenschaften noch nicht gesprochen.

Bruno Thoß

Bibliografia italiana di storia e studi milita- ri 1960-1984. Milano: Angeli 1987.

X X V I I I , 560 S.

D e r 1982 gegründete »Centro Interuniversitario di studi e ricerche storico-militari« plante von Anfang an eine großangelegte Bestandsaufnah- me der militärgeschichtlichen Forschungen in und über Italien in den beiden letzten Jahrzehn- ten. Ein Probeheft entstand 1984. Jetzt liegt das fast 3000 Titel umfassende Gesamtwerk vor, das in möglichst breiter Auswahl die seit 1960 er- schienenen Buch- und Zeitschriftenpublikatio- nen enthalten soll. Die Bibliographie ist alphabe- tisch nach Autoren geordnet. Eine thematische und chronologische Gliederung ergibt sich aus den verschiedenen Indices. Hier lassen sich ge- sondert auch Länder, Regionen, O r t e und han- delnde Personen auffinden. D e r thematische In- dex enthält Stichworte wie »Scienza e technolo- gia« (39 Titel), »Sociologia militare« (131 Titel),

»Reclutamento e addestramento« (67 Titel),

»Prigionia« (99 Titel, davon 88 über 1939 bis 1945), »Mediterraneo« (137 Titel, davon 116 f ü r 1939—1945), »Aeronautica« (270 Titel). Militär- geschichte wird, wie etwa solche T h e m e n wie

»Militärsoziologie«, »Antimilitarismus«, »Recht«,

»Wissenschaft und Technik« oder »Kolonialpo- litik« zeigen, sehr breitgefaßt.

Die Auswahl enthält ein beträchtliches M a ß an Willkür, wie die Autoren, u. a. G. Rochat, F. Frassati, P. Del Negro, L. Ceva und G. Caforio, freimütig zugestehen. »Das ist der Preis f ü r ein Pionierwerk, [. . .] das man nicht als Endpunkt, sondern als Beginn einer breiteren und vertieften Diskussion über die neuzeitliche Militärge- schichtsschreibung in Italien aufzufassen hat.«

(S. IX) Am stärksten aufgeopfert scheint die Re- sistenzageschichte zu sein. Ein eigenes Stichwort

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»Resistenza« gibt es nicht. Unter »guerriglia«

und »corpi volontari« sind für die Jahre 1939 bis 1945 nur 115 bzw. 155 Titel aufgeführt, die sich außerdem noch großenteils überschneiden. Von Giorgio Bocca nur zwei, von Guido Quazza nur einen Titel genannt zu sehen, muß überraschen.

Viele der aufgenommenen Titel sind kurz kom- mentiert. Die Beiträge der deutschen Forschung zur Militärgeschichte Italiens hat G. Schreiber (Freiburg) ausgewählt. Der vermutlich beträcht- liche Nutzen des Werkes wird sich bei längerem Gebrauch zeigen. Eine flüchtige Durchsicht de- monstriert aber schon die neue Vitalität, die die Militärgeschichtsschreibung in Italien in den letzten zwei Jahrzehnten gewonnen hat.

Jens Petersen

Wir brauchen die Wahrheit. Geschichtsdis- kussion in der Sowjetunion. Hrsg. von Gert Meyer. Köln: Pahl-Rugenstein 1988.

303 S. ( = Kleine Bibliothek. Bd 488; Poli- tik und Zeitgeschichte.)

Das große Interesse, das die Perestrojka in der Sowjetunion auch hierzulande findet, läßt eine Fülle von Publikationen zu diesem Thema auf dem Buchmarkt erscheinen. Breiten Raum neh- men dabei Ubersetzungen von Texten aus der sowjetischen Presse ein, darunter auch Überset- zungen von Leserbriefen, die die öffentliche Meinung im größten osteuropäischen Staat in besonderer Weise widerspiegeln.

Das hier vorzustellende Buch nimmt einen Teil- aspekt des veränderten intellektuellen Lebens unter die Lupe. Gert Meyer als Herausgeber hat Texte über die sowjetische Geschichtsdiskussion zusammengestellt, die, vergleichbar dem deut- schen Historikerstreit, helfen sollen, die jüngere Vergangenheit der UdSSR zu bewältigen. Den Texten vorangestellt ist eine fast 50 Seiten um- fassende Einführung des Herausgebers, in der er dem Leser nützliche Informationen über Verlauf und Art der innersowjetischen Diskussion bietet.

Hilfreich sind die vielen weiterführenden Litera- turhinweise, die dem neugierig Gewordenen wertvolle Anregung liefern.

Im Gegensatz zu anderen Fachrichtungen taten sich die Historiker nach Gorbatschows Amtsan- tritt 1985 zunächst schwer, ihre eigene Disziplin in Frage zu stellen. 31 verschiedene Beiträge, die bis auf die eigens für diesen Band geschriebene Stellungnahme von Sergej Nikitin zum Thema Jugend und Geschichte alle bereits in der Sowjet-

union abgedruckt worden sind, vermitteln einen Uberblick über die Diskussion, wie sie auch von der sowjetischen Öffentlichkeit wahrgenommen werden konnte.

Die Enttabuisierung der »weißen Flecken« in der sowjetischen Geschichte kann dem westlichen Leser kaum neue Fakten bringen; diese sind uns weitgehend bekannt. Es ist jedoch bemerkens- wert, daß eine solche Diskussion in der Sowjet- union jetzt möglich geworden ist. Die gegenwär- tigen Kontroversen sollten uns aber nicht in eine unkritische Begeisterung stürzen. Es sind immer noch Tabus geblieben, und Gert Meyer hätte in seiner Einleitung auf solche Defizite hinweisen müssen, zum Beispiel, um nur zwei Themen an- zusprechen, auf das geheime Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts vom 23. August 1939, das von den sowjetischen Historikern bis heute geleugnet wird. Und müßte die sowjetische Ge- schichtswissenschaft nicht auch den Leninkult kritisch beleuchten? Falsch wäre es auch, so zu tun, als ob die Geschichtsrevision einmütige Zu- stimmung erfahren würde; es gibt massive Ge- genstimmen aus der »Zunft« der Historiker und der sowjetischen Öffentlichkeit, die die Entta- buisierung bestimmter Themen als Nestbe- schmutzung auffassen.

Was die Ubersetzung der Texte angeht, so ist zu bedauern, daß die russischen Originaltexte manchmal etwas großzügig übertragen wurden.

Wenn der Übersetzer Auslassungen macht, seien sie auch noch so kurz, sollte er sie trotzdem als solche kennzeichnen, was zum Beispiel bei dem Text von Alexander Samsonow »Die Geschichte darf man nicht ummodeln« nicht geschehen ist.

Auch Juri Afanasjews »Die Vergangenheit ken- nen, um die Zukunft zu errichten« wird im Vor- spann ausdrücklich als gekürzt wiedergegeben bezeichnet, aber im Text sind die Kürzungen nicht kenntlich gemacht.

Trotz dieser Mängel ist das Buch sowohl für das Fachpublikum als auch für allgemein an sowjeti- scher Geschichte Interessierte informativ und nützlich. Es bleibt nur zu wünschen, daß auch die immer engagierter vorgetragenen neuen Bei- träge zur Geschichtsdebatte in der Sowjetunion dem deutschsprachigen Leser in ähnlicher Weise zugänglich gemacht werden. Trude Burry

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Edward Ν. Luttwak: Strategy. T h e Logic of W a r and Peace. Cambridge, Mass., L o n d o n : Belknap Press of Harvard Uni- versity Press 1987. XII, 283 S.

D e r Autor, der sich schon mit der Strategie des Römischen Reiches und der Kriegskunst des amerikanischen Pentagon beschäftigt hat, ver- sucht sich hier an theoretischen Überlegungen zum Begriff »Strategie« allgemein. Er versteht darunter »die Regelung und die Folgen mensch- licher Beziehungen im Zusammenhang mit tat- sächlichen oder möglichen bewaffneten Konflik- ten« (S. 4) oder in Anlehnung an Beaufre »die Kunst der Dialektik von Willen, die Gewalt be- nutzen, um ihre Konflikte zu lösen« (S. 241).

Das T h e m a von Luttwak deutet schon der Un- tertitel an. Es geht um die »Logik« politischen und militärischen Handelns.

D e r gesamte Bereich der Strategie sei nämlich von einer »eigenen paradoxen Logik« (S. 4) be- herrscht. Dies wird einführend an dem Satz:

»Wenn D u Frieden willst, bereite Dich auf den Krieg vor«, aber in der Folge auch an vielen ak- tuellen und historischen Beispielen demonstriert.

W a r u m das so sein muß, ergebe sich natürlich aus der Tatsache, daß in Politik und Strategie zwei unabhängige Willen in der Zeit aufeinan- dertreffen, die oftmals nicht nach den Gesetzen formaler Logik agieren und reagieren, sondern zu »paradoxem« oder »kontraproduktivem«

Denken und Handeln kommen oder gezwungen werden (S. 18).

Diese Erkenntnis ist seit Clausewitz nicht mehr so neu. Er verweist militärisches und politisches H a n d e l n in die Sphäre des »Zufalls« und des

»Spiels«, in der logische V e r n u n f t nur begrenzt herrscht oder herrschen kann. In weiten Teilen liest sich das Buch von Luttwak wie ein moderner historischer Kommentar zu dem W e r k »Vom Kriege« und liefert eine Bestätigung vieler Ge- danken von Clausewitz, wie es ζ. T. auch sein Vokabular, ζ. B. »Friktion« (S. 10), »Kulmina- tionspunkt und Rückschlag« (S. 21), verwendet.

Bei manchem der angeführten Beispiele hätte der Autor allerdings die W o r t e von Clausewitz über den Gebrauch historischer Beispiele zum Beweis einer theoretischen Wahrheit beherzigen sollen.

Sicherlich entwickelt der Autor nur in begrenz- tem U m f a n g eine »allgemeine Theorie« (Klap- pentext), aber er illustriert den »paradoxen« und oft wenig »logischen« Bereich politisch-militäri- schen strategischen Denkens und Handelns durch eine Sammlung von Fallstudien, die in der T a t an der Rationalität der Akteure zweifeln las- sen; bezogen auf das Problem der politischen

und militärischen Abschreckung mit Nuklear- waffen ein sicher nicht beruhigender Befund.

V o n daher wäre das Buch nicht nur politischen Wissenschaftlern, Militärhistorikern und -theo- retikern sowie Verteidigungsexperten zu emp- fehlen (Klappentext), sondern vor allem Politi- kern und ihren Beratern aller Schattierungen.

Greiner

Klaus Kost: Die Einflüsse der Geopolitik auf Forschung und Theorie der Politi- schen Geographie von ihren Anfängen bis 1945. Ein Beitrag zur Wissenschaftsge- schichte der Politischen Geographie und ihrer Terminologie unter besonderer Be- rücksichtigung von Militär- und Kolonial- geographie. Bonn: Dümmler 1988. 467 S.

( = Bonner Geographische Abhandlun- gen. Bd 76.)

Es erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, daß in den Militärgeschichtlichen Mitteilungen eine Dissertation besprochen wird, die in der Nachbarwissenschaft Geographie angesiedelt ist.

Klaus Kost hat seine Arbeit bei K.-A. Boesler ge- schrieben, der sich intensiv um einen modernen Ansatz der Politischen Geographie bemüht1. Hierzu gehört auch die Auseinandersetzung mit der Geopolitik, die bis 1945 maßgeblich auf Be- völkerung, Politiker und Wissenschaft einge- wirkt hat. Angesichts der bisherigen ideenge- schichtlichen Erforschung der Geopolitik — etwa mit der wichtigen Haushofer-Biographie von Ja- cobsen2 — wird nun deutlich, daß diese Gegen- stand der Geschichte wie der Geographie ist. D a - bei lag der Schwerpunkt bisher bei der Ge- schichtswissenschaft; Klaus Kost liefert nun end- lich einen aufschlußreichen Beitrag der geogra- phischen Forschung, was die historischen Ergeb- nisse erheblich ergänzt.

Zahlreiche Geographen (etwa Schöller, Schwind, Ante, Boesler haben sich nach 1945 von der Geopolitik als »Leerformel eines Begrif- fes« (Kost, S. 403) getrennt, um der Politischen Geographie im Rahmen der Fachgebiete der Geographie als Wissenschaft neue Inhalte zu ge- ben. Darüber hinaus aber fehlte bisher eine geo- graphisch-disziplingeschichtliche Aufarbeitung der Geopolitik und deren Einfluß auf die Geo- graphie als Wissenschaft seit Ende des 19. Jahr- hunderts bis 1945. Damit ist es Kost gelungen, eine wichtige Lücke zu schließen. Er beachtet durchaus die Ergebnisse der Historiker, legt den

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Schwerpunkt seiner Untersuchung jedoch auf die Geographie. Er zeigt vor allem, welchen gro- ßen Einfluß die Geographen (gerade vor allem die Hochschullehrer in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts) in Deutschland auf das po- litische Denken hatten.

Kost beginnt mit der Politischen Geographie Friedrich Ratzels, die einmündete in die Geopo- litik des Schweden Rudolf Kjellen. Seine Gedan- ken als politische Handlungsanweisungen stie- ßen in Deutschland auf einen »Trend der Zeit- entwicklung, die [. . .] im Ausland in den Arbei- ten eines Mackinder und M a h a n ihr adäquates Gegenstück besitzen« (S. 52). Ausführlich geht Kost dann auf das Neben- und Miteinander von Politischer Geographie und Geopolitik »im Sy- stem der geographischen Wissenschaft« (S. 56) ein, die vor allem in einer »Welt-, Staats- und Auslandskunde« aufgingen (S. 102). Haushofer machte aus der Geopolitik eine Raumlehre, die nach Kost ohne seine genaue Definition zum

»Lebensmythos stilisiert« wurde (S. 123). Dahin- ter verbarg sich der Kampf der Staatsvölker um ihr Dasein. D e r Raum hatte nun im Gedanken- gebäude des Sozialdarwinismus seinen gebüh- renden Platz gefunden. Kost zeigt auf, daß hier- aus die Kolonialgeographie entwickelt wurde, deren programmatischer Charakter Deutsch- lands Kolonialansprüche begründete. Auch die Militärgeographie (auf die Kost sehr ausführlich eingeht) vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg w a r eine Kriegsgeographie, die für den Kampf um das Dasein konkrete Handlungs- anweisungen lieferte. Er weist nach, daß sowohl die Mitteleuropa-Vorstellungen vor dem Ersten Weltkrieg als auch die deutschen Kriegsziele von Geographen mitformuliert wurden. So hatten diese etwa auch Einfluß im Alldeutschen Ver- band. V o r allem H a u s h o f e r wollte »mit Hilfe sei- ner Geopolitik Erziehung zum großräumigen Denken vermitteln und Möglichkeiten aufzei- gen, die Deutschland in den Kreis der Groß- mächte zurückführen« (S. 294).

Obgleich der Verfasser die Imperialismus-Dis- kussion der Historiker nur ansatzweise berück- sichtigt (S. 227), kann er doch den großen Ein- fluß deutlich machen, den Geographen seiner- zeit auf die deutschen politischen Ideen hatten.

Dies setzte sich auch nach dem Ersten Weltkrieg im Kampf gegen die deutschen Einbußen durch den Versailler Vertrag fort. Besonders in den 20er Jahren gewannen geographische Hochschulleh- rer Geltung in allen politisch-öffentlichen Berei- chen — nicht nur bei den Nationalsozialisten.

Obwohl Hitler seine eigene Ideologie entworfen hatte und sie mit seiner Politik in die T a t umsetz-

te, blieb die Geopolitik mit ähnlichen Inhalten auch in den 30er Jahren und während des Zwei- ten Weltkrieges Hauptbekenntnis der Geogra- phen. Dabei waren die Ziele Hitlers und der Geopolitiker unterschiedlich.

Oskar Ritter v. Niedermayer, der eine zeitgemä- ße, in Teilen noch heute glaubwürdige Wehr- geographie entwickelte, war zwar ein Freund der Nationalsozialisten und der Geopolitiker, be- mängelte aber nach Kost kritisch die Raumbe- dingtheiten der Geopolitik, die das dynamische und wechselnde Handeln der Menschen unbe- rücksichtigt ließen (S. 336—338).

Gerade f ü r heute und f ü r das moderne Politik- verständnis ist das eine wichtige Erkenntnis, um die es Kost eben auch mit seiner Untersuchung geht. Insofern ist ihm sehr zu danken, daß er eine Verbindung zwischen früherer und heutiger Po- litischer Geographie herstellt. Damit berührt er aber auch die historische Diskussion um die deutsche Geschichte und um das Denken über Tradition. Kritisch muß man ihn allerdings fra- gen, was er unter »militärischer Zweckfor- schung« (S. 336 und 404) versteht — ein Begriff, der in seiner ausgezeichneten Dissertation so- wohl f ü r die Vergangenheit wie Gegenwart un- klar bleibt. Thomas Palaschewski

1 K.-A. Boesler: Politische Geographie. Stuttgart 1983.

2 H.-A. Jacobsen: Karl Haushofer. Leben und Werk.

Boppard 1979.

Johannes H. Voigt: Geschichte Australiens.

Stuttgart: Kröner 1988. VIII, 347 S. ( = Kröners Taschenbuchausgabe. Bd 488.) Uber den fünften, erst zu Beginn des 17. Jahr- hunderts durch die Holländer entdeckten und seit dem 18. Jahrhundert zur britischen Ein- flußsphäre zählenden Kontinent Australien be- steht hierzulande nicht gerade ein üppiges M a ß an Kenntnis, was sich u. a. aus der geographi- schen Randlage des kleinsten Erdteils erklären läßt. U m so mehr ist es daher zu begrüßen, daß sich der Stuttgarter Uberseehistoriker Johannes H . Voigt anläßlich der Zweihundertjahrfeier der australischen »Neuzeit« — einsetzend mit der A n k u n f t des ersten Sträflingstransports und der G r ü n d u n g der Kolonie N e w South Wales im Jahre 1788 — der dankenswerten Aufgabe ange- nommen hat, eine fundierte Darstellung der po- litischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen

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Entwicklung Australiens zu präsentieren, die dem historisch interessierten Leser sowohl als nützliche Orientierung wie auch als Einstieg dienen kann.

D e r erste Teil schlägt einen weiten Bogen von den geographischen Voraussetzungen und den ersten Australiern über die Suche nach der »Ter- ra Australis«, die — angeblich als kontinentales P e n d a n t zu Europa im Süden von Afrika gelegen

— das Denken seit der Antike beschäftigt hat, bis hin zu den Sträflingskolonien des 18. und 19.

Jahrhunderts, dem Eintreffen der ersten freien Siedler 1793 und dem Vordringen ins Landesin- nere in der ersten H ä l f t e des letzten Jahrhun- derts, das mit dem Streben nach »kolonialer Frei- heit«, nach politischer Emanzipation vom M u t - terland, verbunden war.

D e r zweite Teil umfaßt die entscheidende Phase auf dem W e g zu einer australischen Nation, die Zeit von 1850 bis 1900, und setzt mit dem Gold- rausch in der Jahrhundertmitte ein, der der Er- schließung Australiens und der Durchsetzung der Demokratie wichtige Impulse gab. Prägend f ü r die Herauskristallisierung eines australischen Nationalbewußtseins erwies sich Deutschlands Zugriff auf Neuguinea 1884, da die Erschütte- rung der bisherigen politischen Sorglosigkeit un- ter dem britischen Schutzschirm nicht nur den

»kolonialen Egoismus« und die Minderwertig- keitsgefühle gegenüber dem Mutterland über- w a n d , sondern auch in zum Teil bewußter Frontstellung gegen London zu einem subimpe- rialistischen Aktionismus seitens der Kolonialre- gierungen führte. Mitten im Burenkrieg gelang am 1. Januar 1901 die staatliche Einigung der australischen Kolonien zum »Commonwealth of Australia« (1907 Dominion), das durch ein re- striktives Einwanderungsgesetz und durch die Ausgrenzung der Aborigines auf dem gesamten Kontinent die (bis weit in die 1960er Jahre gülti- ge) »White Australia Policy« zur Staatsdoktrin erhob.

Das abschließende Kapitel befaßt sich mit Au- straliens Rolle im Zeitalter der Weltpolitik, w o - bei die australische »Feuerprobe« im Ersten Weltkrieg bei Gallipoli (1915) sowie die Teilnah- me australischer Truppen an diversen Schlachten des Zweiten Weltkrieges wesentliche W e g m a r - ken der jüngsten Geschichte des Fünften Konti- nents bildeten. Eigens thematisiert der Verfasser Australiens asiatisch-pazifische Neuorientierung ab 1972 und die endgültige Preisgabe der »White Australia Policy« im Rahmen der Politik des

»multiculturalism« unter Premierminister Whit- Iam, eine überfällige Korrektur, die insbesondere durch Englands EG-Beitritt 1972 notwendig ge- worden war.

Mit seiner leicht lesbaren und ungemein infor- mativen »Geschichte Australiens«, die eine aus- reichende Zahl an weiterführenden Literaturhin- weisen enthält, hat Voigt im deutschen Sprach- raum endlich eine schmerzliche Informationslük- ke geschlossen. Rolf-Harald. Wippich

Friedrich Edelmayer: Maximilian II., Phi- lipp II. und Reichsitalien. Die Auseinan- dersetzungen um das Reichslehen Finale in Ligurien. Stuttgart: Steiner 1988. VIII, 234 S. ( = Veröffentlichungen des Insti- tuts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte. Bd 130 ( = Beiträge zur Sozial- und Verfassungs- geschichte des Alten Reiches. Nr. 7.) T h e m a der Wiener Dissertation Friedrich Edel- mayers ist die Geschichte der kleinen M a r k g r a f - schaft Finale, ein Reichslehen unweit Genuas, vorwiegend in den Jahren 1558 bis 1576. Ein zweimaliger Aufstand der Einwohner gegen ih- ren örtlichen Tyrannen alarmierte in der politisch hochsensiblen Region Norditaliens die benach- barten Mächte — besonders aber Genua, das H e r z o g t u m Mailand und damit Spanien sowie den kaiserlichen H o f . D e r überraschende Ein- marsch spanisch-mailändischer T r u p p e n im Frühling 1571 führte zu einem ernsten, auch von den Beteiligten als schwerwiegend empfundenen Konflikt zwischen dem Kaiser und dem spani- schen König: Dem Geschehen w o h n t laut Edel- mayer f ü r die Geschichte der kleinen Reichsle- hen in Italien ein »modellhafter Charakter«

(S. 5) inne. Von zentralem Interesse ist f ü r den Verfasser das Verhältnis zwischen den beiden Zweigen des Hauses Habsburg: W ä h r e n d Maxi- milian II. versuchte, den Status des Reichslehens Finale und damit generell die kaiserliche Reputa- tion in Italien zu bewahren, zielte Philipp II. auf eine Einverleibung des sowohl in militärstrategi- schem wie ökonomischem Sinne bedeutsam er- scheinenden Territoriums in den spanischen Herrschaftsverband.

Die Arbeit basiert hauptsächlich auf Recherchen im Archivo General de Simancas sowie im H a u s - , H o f - und Staatsarchiv in W i e n : W o Quellen fehlen, werden vorsichtige Thesen for- muliert. Sehr anschaulich und minuziös werden die Chronologie der Ereignisse, die komplexen Verschränkungen der sich variierenden Interes- senlagen und des jeweiligen Verhaltens der in-

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volvierten Mächte rekonstruiert. Gerade die gro- ße Detailfreudigkeit ermöglicht am konkreten Beispiel bemerkenswerte Einblicke in die nicht immer leicht zu durchschauenden Mechanismen der damaligen Politik. So werden nicht nur die eher theoretischen rechts- und machtpolitischen Standpunkte der Kontrahenten, sondern auch deren tatsächliche Umsetzungschancen vor O r t deutlich: Maximilian II. fehlten die realen Machtmittel — Truppen und Geld —, um seinen Willen gegenüber den Finalesen und Spanien durchzusetzen. Philipp II. unterschätzte die Hartnäckigkeit des kaiserlichen Widerstandes und mußte schließlich den Schein reichsrechtli- cher Legalität wahren. Eine wesentliche Rolle nahm daher eine mehr oder minder geschickte und intrigante Verhandlungsführung an den H ö f e n in Madrid und Wien bzw. Prag ein, auf die Edelmayer sein Hauptaugenmerk richtet.

Zugleich behält der Verfasser aber stets den übergreifenden europäischen Handlungsrahmen vor allem der spanischen Krone im Blick. D e r all- gemeine, über das enge Spezialthema hinausge- hende N u t z e n dieser Arbeit liegt zum einen in ihrem Verweischarakter auf die schwierige Si- tuation der kleinen Reichslehen in Norditalien während der Frühen Neuzeit begründet, w o die traditionelle Verfassungsstruktur des Reichs und die neue, expansive Machtpolitik Spaniens auf- einandertrafen. Zum andern wird in ihrer peni- blen Darstellung ein exemplarischer, nicht unbe- deutender österreichisch-spanischer Konflikt vorgeführt, was die Untersuchung zu einem be- achtenswerten Mosaikstein f ü r das Verständnis der Geschichte der beiden Zweige des Hauses Habsburg und ihrer diffizilen Beziehungen zu- einander in den großen Krisen des 16. und 17.

Jahrhundert werden läßt. Die ungetrübte habs- burgische H a r m o n i e war und blieb trotz aller propagandistischen Beschwörungen von Freund und Feind Fiktion.

Z u m Schluß mag noch ein ganz anderer Gedan- ke angesprochen werden: Eine Dissertation muß sich auf gewisse Aspekte beschränken, und so kommen in der auf Haupt- und Staatsaktionen konzentrierten Geschichte Edelmayers die be- troffenen Einwohner Finales nur eher am Rande, als Verfügungsmasse der Mächtigen vor. D o c h auch wenn der umfangreiche Papierkrieg der Un- tertanen keinen entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung der Ereignisse gehabt hat, so könn- te er doch interessante sozial- und kulturge- schichtliche Aufschlüsse liefern. Vielleicht ergibt sich aus der Kenntnis der Quellen heraus einmal die Möglichkeit eines Nachtrags — aber dies ist nur eine Anregung. Rainer Brüning

England und Hannover — England and Hanover. Hrsg. von Adolf M. Birke und Kurt Kluxen. München usw.: Saur 1986.

194 S. ( = Prinz-Albert-Studien. Bd 4.) Dies ist der vierte Band der seit 1983 regelmäßig erscheinenden und von Birke und Kluxen verant- worteten »Prinz-Albert-Studien« — der eine Di- rektor des deutschen Historischen Institutes in London, der andere Verfasser einer umfassen- den deutschsprachigen »Geschichte Englands«.

Die Prinz-Albert-Gesellschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, die deutsch-englischen Beziehun- gen in ihren vielfältigen Verästelungen zu erfor- schen und der Öffentlichkeit zu vermitteln.

D e r Sammelband enthält die Ergebnisse und Re- ferate der Jahrestagung der Gesellschaft von 1985. Im Zentrum steht dabei die Fage, wie Eng- land mit »seiner ungeliebten dynastischen De- pendence auf dem Kontinent fertig wurde«

(S. 9). N a c h dem Frieden zu Utrecht hatte sich das »Grundmuster der englischen Politik gegen- über Europa« (S. 7f.) herauskristallisiert: »Es w u r d e zu einem D o g m a , daß England immer dann sicher war, wenn auf dem Kontinent vor seinen Küsten ein Gleichgewicht der Kräfte herrschte.« In diesem Kalkül der englischen

»Europapolitik« störte lediglich jener Faktor,

»der England hinderte, die politischen Leinen zu kappen«, die es mit dem Kontinent verbanden (S. 8): das Kurfürstentum Hannover, dessen Kurfürst 1714 als Georg I. König von England wurde. Die Gesetze des Erbrechts und die engli- schen Interessen waren dieses Mal nicht in Dek- kung zu bringen.

R. Hatton, bekannt durch ihre Biographie Georgs I . u n d G. Gibbs behandeln in ihren Bei- trägen die englische Hannoverpolitik. Dabei un- tersucht H a t t o n unter anderem Probleme der dynastischen Union als solcher, einschließlich ei- nes überraschenden Fundes aus dem hannover- schen Staatsarchiv, »der über den Geisteszustand Georgs III. im Jahre 1765 Auskunft gibt« (S. 30).

Weiterhin kommen allgemeine Aspekte der »po- litischen Strategien und Probleme« im Rahmen dieses Verhältnisses zur Sprache, ebenso die län- gerfristigen Auswirkungen im Bereich der Kunst und insbesondere der Musik. Eine abschließende Analyse gilt der Quellenlage, die aufgrund der Si- tuation nach 1837, aber auch durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges recht kompliziert, sprich

»zerstückelt« ist. Gibbs konstatiert unter anderem, nichts habe die Leidenschaften im englischen Par- lament mehr erregt als die Feststellung oder auch schon Ahnung, »daß politische Interessen denen von Hannover untergeordnet würden« (S. 51).

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Weitere Beiträge behandeln die Einbindung Hannovers in das Heilige Römische Reich und in den Deutschen Bund (V . Press und W. D. Gru- ner), ein T h e m a , welches H. Wellenreuther und H. Duchhardt in zwei Fallstudien vertiefen.

H.-G. Gmelin umschreibt in seinem abschließen- den Beitrag über »die künstlerischen Beziehun- gen der hannoverschen H o f m a l e r Ziesenis und Ramberg zu Großbritannien« (S. 177—94) das Feld der kulturellen W i r k u n g Englands auf Deutschland. D e r Mittlerfunktion, die H a n n o - ver dabei einnahm (S. 9), soll eine der nächsten Tagungen der Gesellschaft gewidmet sein.

Die Herausgeber dieser äußerst gediegen aufge- machten Reihe sollten erwägen, ihre erfreuliche und nützliche Publikation durch eine Anzahl von Serviceleistungen noch benutzerfreundlicher zu machen. Die zahlreichen Einleitungen sind si- cher gut gemeint und entsprechen der Höflich- keit (so das V o r w o r t von N . C. R. Williams, wel- ches die Eröffnungsansprache wiedergibt), kön- nen aber eine längere und kritische Einleitung nicht ersetzen. Auch wäre eine durchdachte Bi- bliographie mehr als wünschenswert.

Hans-Christoph Junge

1 R. H a t t o n : George I. Elector and King. London 1978.

Karl Czok: August der Starke und Kur- sachsen. M ü n c h e n : Beck 1988. 295 S.

Das Buch des Professors f ü r Regionalgeschichte an der Universität Leipzig bestätigt die Versuche der Geschichtswissenschaft in der D D R , sich auch der »feudalen« Vergangenheit ihres Staates biographisch zu nähern1. Dies geschieht mit dem vorliegenden W e r k in einer Weise, die sich auch allgemein immer mehr durchsetzt, nämlich mit einer Fülle schönster und prächtigster Bilder, die gleichrangig neben dem Text stehen. D e r mo- derne Leser, an eine ständig zunehmende Masse von stehenden oder bewegten Bildern gewöhnt, ist wohl anders kaum noch f ü r einen historischen Gegenstand oder eine geschichtliche Persönlich- keit zu interessieren.

D e r Titel »August der Starke und Kursachsen«

ist insofern fast etwas irreführend, als mehr von Kursachsen als von seinem Landesherren die Re- de ist. Uber die H ä l f t e des Buches ist dem Land, der Wirtschaft, der Gesellschaft und dem H o f e gewidmet. Es ist ein durchaus innenpolitischer,

wenn nicht sogar vorwiegend sozialpolitischer Ansatz erkennbar. W e n n der Autor schreibt, es gebe noch andere Fragen zu verfolgen, auf die aber verzichtet worden sei, so gilt das sicher nicht nur f ü r den angesprochenen ideenge- schichtlichen Hintergrund des sächsischen Kur- fürsten, sondern auch f ü r seine Außenpolitik und seine militärischen Leistungen. Jeder Fürst dieser Zeit wollte ja nicht nur als »armierter Stand« im Deutschen Reich Geltung haben oder gewinnen, also ein ansehnliches Kriegsinstrument unterhal- ten, sondern es auch als »Feldherr« nach M ö g - lichkeit selbst einsetzen2. An einem gewissen mi- litärischen Talent scheint es August dem Starken dabei nicht gefehlt zu haben, wie die Anfangs- phase der Schlacht von Küssow am 9. Juli 1702 bewies. Einer der ersten Feldherren der Zeit, Karl XII., wurde immerhin dazu gezwungen, sein ganzes Können aufzubieten, um einer Nie- derlage zu entgehen.

In dem selbst gesteckten Rahmen vermittelt das Buch, gerade auch durch die ausgewählten Bil- der, einen hervorragenden Eindruck von einem barocken Fürsten, seinem Lebensstil und -gefühl und seinem Land. Dem Glanz des H o f e s und den ehrgeizigen politischen Zielen und ihrer reprä- sentativen Darstellung werden dabei die Elen- den, Namenlosen und Armen in der Bevölkerung gegenübergestellt. Es ist dies wohl die Stärke des Buches, den Preis barockfürstlicher Ambitionen auf materieller und ideeller Ebene in dem ge- schundenen Volk zu zeigen. Personen- und Ortsregister erschließen den Inhalt. Ein umfang- reiches Literaturverzeichnis ist beigegeben.

Greiner

1 G. Piltz: August der Starke. T r ä u m e und T a t e n ei- nes deutschen Fürsten. Biografie. Berlin 21987.

2 R. Müller: Die Armee Augusts des Starken. Berlin 1984. Vgl. die Besprechung in M G M 4 4 (1988), S. 1 5 9 - 1 6 1 .

Wolfgang Venohr: D e r Soldatenkönig.

Revolutionär auf dem T h r o n . F r a n k f u r t / Main, Berlin: Ullstein 1988. 379 S.

M a n soll ein Buch nach den Maßstäben beurtei- len, die es an sich selber legt. Niemand wird be- haupten wollen, Venohrs neuester Band erhebe den Anspruch, ein wissenschaftliches W e r k zu sein. Wie die übrigen in den letzten Jahren von ihm vorgelegten Biographien auch ist sein Buch über den »Soldatenkönig« auf leichte Lesbarkeit und Faßlichkeit abgestellt. Das Ergebnis ist

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gleichwohl kein historischer Roman. Zwar ohne präzise Quellenangaben, ansonsten aber detail- liert und schlüssig läßt V e n o h r Aspekt um Aspekt die Geschichte dieses schwer zu verstehenden Königs aufscheinen. Neben die schon aus dem Schulunterricht bekannten Episoden, allen voran den Konflikt mit seinem Sohn, dem späteren Friedrich dem Großen, tritt hier jedoch vor allem das Bild eines ökonomisch-sparsam denkenden autoritär-etatistischen M o n a r c h e n . Friedrich Wilhelm I. erscheint als sparsam wirtschaftender Hausvater ganz Preußens, dem es gelingt, eine zentralistische und effektive Verwaltung aufzu- bauen und damit den ersten Zentralstaat der eu- ropäischen Neuzeit zu schaffen.

V e n o h r erliegt nur selten der Versuchung des Biographen, sich von seinem Helden zu sehr fas- zinieren zu lassen, etwa wenn er wieder und wie- der auf die religiöse Toleranz Friedrich Wil- helms abhebt — dann aber doch nicht ganz ver- hehlen kann, daß etwa Katholiken in den Staats- geschäften noch immer schwer benachteiligt wa- ren. Ansonsten aber läßt V e n o h r nichts aus: nicht die Prügelsucht des Königs und auch nicht seine außenpolitische Unfähigkeit. Er verschweigt nicht, wie Friedrich Wilhelm immer wieder O p - fer seiner Vertrauensseligkeit wird, wie er damit innen- wie außenpolitisch vieles von dem zer- stört, was er mit seiner persönlichen Rechtschaf- fenheit aufgebaut hat.

So wäre dann ein rundum zufriedenstellendes populärwissenschaftliches W e r k entstanden, wenn Venohr nicht darauf bestanden hätte, im- mer wieder — quasi so ganz nebenbei — die gro- ßen wissenschaftlichen Kontroversen der letzten 100 Jahre zu entscheiden. So bezieht er in der jahrelangen »Sonderwegdebatte« ganz kurz Stellung und kommt zu dem Schluß, einen deut- schen Sonderweg habe es nie gegeben. Das Kan- tonreglement von 1733, die V o r w e g n a h m e der späteren allgemeinen Wehrpflicht, wird bei ihm flugs zu »einer der gesellschaftlichen H a u p t - errungenschaften auf dem W e g zur Demokratie«.

Mühelos glaubt Venohr, die Militarismusdebatte in der deutschen Geschichtswissenschaft ab- schließen zu können. Der Autor mag seine Urtei- le lange durchdacht haben; f ü r den Leser werden sie kaum nachvollziehbar. Solche pauschalen Wertungen sind es, die den W e r t des ansonsten höchst erfreulichen Buches deutlich mindern.

Winfried Heinemann

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Johann Friedrich Heyde: D e r Roggenpreis und die Kriege des großen Königs. Chro- nik und Rezeptsammlung des Berliner Bäckermeisters Johann Friedrich Heyde.

Hrsg. und eingeleitet von Helga Schultz.

Berlin: Akademie-Verlag 1988. 159 S.

In der Bürgerschaft deutscher Städte des 18.

Jahrhunderts gehörten die Meister lebensnot- wendiger H a n d w e r k e zu den relativ wohlsituier- ten Schichten. Einer von ihnen, der Bäcker J. F.

Heyde, hat ein merkwürdiges Buch hinterlassen, dessen Inhalt H . Schultz und der Ostberliner Akademie-Verlag mit einem A u f w a n d veröffent- licht haben, der eines gewichtigeren Gegenstan- des würdig gewesen wäre.

Rezepte f ü r hochgeistige Getränke und f ü r Arz- neien, in die mancher Aberglaube eingeflossen ist, sowie Familiennachrichten rahmen einen zeitge- schichtlichen, von der Herausgeberin nicht ganz zutreffend Chronik genannten Teil ein, der — warum, wird nicht deutlich — genau die Regie- rungszeit Friedrichs d. Gr. umfaßt. Die Auf- zeichnungen sind nachträglich niedergeschrie- ben, was zu einigen Wiederholungen, gelegent- lich auch zu zeitlichen Irrtümern geführt hat. Sie werfen aufschlußreiche Schlaglichter auf das All- tagsleben im Berlin jener Zeit, nicht zuletzt auf die wirtschaftlichen N ö t e während des Sieben- jährigen Krieges mit seiner Geldverschlechte- rung und der kurzen, aber f ü r die Bürger sehr empfindlichen Besetzung der H a u p t s t a d t durch russische Truppen 1760, die ausführlich geschil- dert wird. Manchmal war das Brot, dessen Preise zu den verschiedenen Zeiten gewissenhaft no- tiert werden, so knapp, daß der Bäckermeister seinen Laden zu öffnen sich nicht getraute, son- dern die W a r e durchs Fenster verkaufte. Aber auch über weiter entfernte Begebenheiten zeigt der Autor sich recht gut unterrichtet, nicht nur über Ereignisse im Herrscherhaus und die Feld- züge des Königs, sondern beispielsweise auch über den russisch-türkischen Krieg 1768 — 1774.

Die Herausgeberin erläutert den historischen Hintergrund sowohl durch Randglossen wie durch eine ausführliche Zeittafel, die u. a. mit klassenkämpferischem Eifer jede Arbeitsnieder- legung in Berlin registriert. Die gehässige T e n - denz gegen den König, am krassesten in der N o - tiz über sein Eingreifen in den P r o z e ß des Mül- lers Arnold, womit er die »Illusion des Volkes von einem gerechten König« genährt habe (S. 159), steht kaum auf der H ö h e der Forschung in der D D R , wiewohl die Biographie von Ingrid Mittenzwei1 zitiert wird. Zu dem Rezeptteil wird eine ausführliche W o r t - und Sacherklärung ge-

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boten. D e r chronikalische Teil ist mit trefflich passenden zeitgenössischen Illustrationen verse- hen. D e n Band schließt eine eingelegte Stammta- fel, die auf der V o r d e r s e i t e die Dynastie der H a n d w e r k s m e i s t e r H e y d e , rückwärts die Fami- lie der H o h e n z o l l e r n im 18. J a h r h u n d e r t zeigt.

G. Granier

1 I. Mittenzwei: Friedrich II. von Preußen. Eine Bio- graphie. Berlin (Ost) 1979.

Karl Caesar von Leonhard: Geschichtliche Darstellung der Schlacht bei H a n a u am 30. O k t o b e r 1813. N e u d r u c k der 1. Aufla- ge H a n a u 1813. M i t einer E i n f ü h r u n g von Klaus S c h ö n h e r r . H r s g . vom H a n a u e r An- zeiger u n d Klaus Schönherr. H a n a u am M a i n : H a n a u e r Anzeiger 1988. X X , 96 S.

U b e r den letzten Kampf N a p o l e o n s auf deut- schem Gebiet erschien bereits E n d e D e z e m b e r 1813 der Bericht eines A u g e n z e u g e n , des d a m a - ligen S t e u e r b e a m t e n v. L e o n h a r d . D e r z u m 175. J a h r e s t a g herausgegebene N e u d r u c k w u r d e durch eine s a c h k u n d i g e Einleitung, durch die amtlichen bayerischen, österreichischen u n d französischen Presseberichte v o m N o v e m b e r 1813 sowie d u r c h einige Kartenskizzen u n d Ab- bildungen erweitert.

Zu den K ä m p f e n bei u n d in H a n a u k a m es, als der bayerische Graf v. W r e d e den französischen R ü c k z u g d u r c h das Kinzigtal in R i c h t u n g auf M a i n z mit seinen etwa 30 000 Bayern u n d Ö s t e r - reichern sperren wollte. O f f e n b a r e r k a n n t e W r e - de zu spät, d a ß er auf den g r ö ß t e n Teil der vom Leipziger Schlachtfeld e n t k o m m e n e n Franzosen unter N a p o l e o n s F ü h r u n g g e t r o f f e n war. E r stand damit nicht n u r einer überlegenen Füh- r u n g , s o n d e r n auch einer m e h r als doppelten An- zahl von — allerdings durch die zurückliegenden K ä m p f e u n d M ä r s c h e erschütterten — T r u p p e n gegenüber. W ä h r e n d der zweitägigen G e f e c h t e e r z w a n g der Kaiser die Fortsetzung seines R ü c k - marsches, verlor dabei j e d o c h ein Viertel seiner K r ä f t e . Die ausweichenden Bayern u n d Österrei- cher erlitten schwere Verluste, in der Stadt H a - nau entstanden erhebliche Schäden.

D e r lesenswerte Bericht läßt seine zivile H e r k u n f t erkennen. Darin liegt jedoch ein Vorteil gegen- über der »professionellen« kriegsgeschichtlichen Darstellung: H i e r wird der durch Gerüchte ge- nährte Wechsel zwischen Furcht u n d H o f f n u n g

bei der betroffenen Bevölkerung deutlich; Zerstö- rungen, Plünderungen, die N o t der V e r w u n d e t e n und Sterbenden sowie eine nach der Schlacht aus- gebrochene Seuche werden geschildert, im r ü h - renden Stil der Zeit sind Einzelschicksale ver- zeichnet.

D a g e g e n fehlt es an g e n a u e r e n I n f o r m a t i o n e n über den K a m p f v e r l a u f , über die beiderseitigen Stärken u n d über Führungsentschlüsse. D i e F ü h - rungsfehler auf bayerisch-österreichischer Seite sind deshalb n u r im U m r i ß a u f z u s p ü r e n . V e r - mutlich k a m es den Bayern darauf an, n a c h dem späten Eintritt in die antinapoleonische Koali- tion einen eigenen E r f o l g zu erringen. Bei besse- rer A u f k l ä r u n g , klarer S c h w e r p u n k t b i l d u n g u n d einer w e n i g e r riskanten Aufstellung ihrer T r u p - pen hätten sich die V e r b ü n d e t e n einen Teil ihrer Verluste u n d ihres Mißerfolgs ersparen und den R ü c k z u g N a p o l e o n s d e n n o c h wirksam behin-

d e r n k ö n n e n . Caspar

Wolf Kittler: Die G e b u r t des Partisanen aus d e m Geist der Poesie. H e i n r i c h von Kleist u n d die Strategie der Befreiungs- kriege. Freiburg im Breisgau: R o m b a c h 1987. 429 S. ( = R o m b a c h Wissenschaft- Reihe litterae.)

Diese germanistische Habilitationsschrift ver- sucht durch eine w e r k i m m a n e n t e D e u t u n g Heinrich v o n Kleists herauszuarbeiten, in wel- chem U m f a n g die politischen u n d militärpoliti- schen A u f f a s s u n g e n der Zeit rezipiert w o r d e n sind. U n t e r dieser Fragestellung u n t e r n i m m t es der A u t o r zunächst, das Beziehungsgeflecht of- fenzulegen, das den ehemaligen O f f i z i e r Kleist mit der G r u p p e der »zornigen j u n g e n M ä n n e r « der preußischen Armee vor 1806, das heißt M a s - senbach, Pfuel, Rühle von Lilienstern, aber auch mit den R e f o r m e r n nach der K a t a s t r o p h e wie et- w a Gneisenau, Scharnhorst u n d Clausewitz ver- band.

Dabei setzt K. sich dezidiert v o n den Ergebnis- sen der älteren Kleistforschung ab, die den D i c h - ter f ü r die politischen und militärischen Ziele des Zweiten u n d auch des Dritten Reiches zu verein- n a h m e n suchte. Gleichermaßen distanziert steht er aber auch d e n A u f f a s s u n g e n gegenüber, die die politischen, vor allem aber die militärpoliti- schen Aspekte im W e r k Kleists zu » T a b u z o n e n « erklärt haben.

Einer k n a p p e n Genealogie des H a u s e s Kleist, deren A n g e h ö r i g e über J a h r h u n d e r t e die f ü r den

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preußischen Adel nicht eben häufige Symbiose von »Schrift, Krieg und Ackerbau« praktiziert hatten, läßt der Autor im Zentrum seiner Arbeit eine subtile Analyse der einzelnen Bühnenstücke Kleists folgen. Dabei gelingt es ihm, dem Leser, der, wie auch der Rezensent, über dem ästheti- schen Genuß die Zeitgebundenheit der Stücke in der Regel nicht wahrgenommen hat, die entspre- chenden Konnotationen mit frappierender Deut- lichkeit vor Augen zu führen. Die innenpoliti- sche Situation Preußens am Vorabend der Kata- strophe von Jena tritt, löst man sich von der be- wußt gewählten V e r f r e m d u n g durch die Ver- schiebung der Zeitebenen, im »Zerbrochenen Krug« bis in die numerischen Details der geplan- ten Heeresvermehrung erstaunlich deutlich zu- tage. Heinrich von Kleist als »politischer Dich- ter«, diese Interpretation läßt sich besonders ein- dringlich im »Prinzen von Homburg« und in der

»Hermannsschlacht« nachweisen. W ä h r e n d das erste ein Lehrstück über die paradoxe Einheit von Subordination und Spontaneität im Militär darstellt und damit gleichsam eine aus dem Blickwinkel der Revolutionszeit vorgenommene Kritik an den erstarrten und verkrusteten For- men des altpreußischen Heerwesens enthält, er- weist sich die »Hermannsschlacht« als die litera- rische U m d e u t u n g des Volkskriegsprinzips der preußischen Heeresreformer in ihrer radikalsten Ausprägung.

An keiner anderen Stelle wird das Grundmotiv der militärisch-politischen Anschauungen Kleists anschaulicher deutlich gemacht. Politisch eher konservativ, den Kräften der Reaktion zunei- gend, vertrat Kleist in mancher Hinsicht Ziele, die weit über die der radikalsten Heeresreformer des preußischen Staates hinausgingen. Die »Her- mannsschlacht«, das vermag Kittler anschaulich zu belegen, läßt sich daher durchaus als die

»Geburt des Partisanen aus dem Geist der Poe- sie« interpretieren.

O h n e Historiker zu sein, ist es dem Verfasser ge- lungen, die politische Dimension im W e r k Kleists den Hauptströmungen der Epoche zuzu- ordnen. D a ß ihm dabei der eine oder andere sachliche Fehler unterlaufen ist, ist zu ver- schmerzen.

Der König aus dem N o r d e n , der »Alexander aus Mittnacht«, war im Verständnis des 18. Jahrhun- derts in der Regel Karl XII. von Schweden und nicht Friedrich II. (S. 116). D a der preußische Staat es vermied, seinen Offizieren dort Kantone zuzuweisen, wo sie begütert waren, war es den Kompaniechefs auch nicht möglich, ihre Bauern zur Feldarbeit zu beurlauben (S. 118). Mit

»Kompaniesystem« meint K. zweifellos die

Kompaniewirtschaft (ebd.). Das Institut der Re- gimentschefs war in Preußen zu Beginn des 19.

Jahrhunderts in keiner Weise mehr zu verglei- chen mit dem der Regimentsinhaber während des Dreißigjährigen Krieges (S. 259).

Unbeschadet dieser kleineren Mängel stellt die Arbeit, in ihrem Bemühen, eine fachübergreifen- de Fragestellung adäquat zu lösen, eine überzeu- gende und beispielgebende Leistung dar.

Bernhard R. Kroener

Rulemann Friedrich Eylert: Zwischen H a m m und Potsdam. Ausgewählter N a c h d r u c k der »Charakterzüge und hi- storische Fragmente aus dem Leben des Königs von Preußen Friedrich Wil- helm III.« Bearb. von Jürgen Kloosterhuis.

Paderborn: H ü t t e m a n n 1988. X X V I , 236 S. ( = Quellen und Schriften zur Mili- tärgeschichte. Bd 1.)

Rulemann Friedrich Eylert (1770—1852), seit 1807 H o f - und Garnisonprediger in Potsdam und später Bischof der Evangelischen Landeskir- che sowie Mitglied des Preußischen Staatsrats, war geistlicher Berater und enger Vertrauter Friedrich Wilhelms III. N a c h dessen T o d setzte er dem Monarchen mit dem W e r k »Charakter- züge und historische Fragmente aus dem Leben des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm III.«, das zwischen 1842 und 1846 in drei Teilen publi- ziert wurde, ein literarisches Denkmal.

Für den Militärhistoriker sind die »Charakterzü- ge« deshalb beachtenswert, weil sie zahlreiche Aussagen über die innere Verfassung der preußi- schen Armee im Ubergang vom 18. zum 19. Jahrhundert enthalten. Die betreffenden Pas- sagen hat J. Kloosterhuis mit dem vorliegenden N a c h d r u c k wieder zugänglich gemacht und quellenkritisch kommentiert.

In seiner Einleitung setzt sich der Herausgeber vor allem mit Eylerts Kritik an der frideriziani- schen Armee, die bis in die Gegenwart rezipiert wird, auseinander. Im einzelnen kann Klooster- huis durch Quellenvergleich sowie Auswertung statistischer Materialien nachweisen, daß Eylert negative Züge im Erscheinungsbild des altpreu- ßischen Militärs übertrieb, um auf diese Weise die Reformtätigkeit Friedrich Wilhelms III. um so eindrucksvoller gestalten zu können. Daneben sind Eylerts Urteile über das spätabsolutistische H e e r sicher auch ein Reflex tiefsitzender bürger-

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licher, insonderheit bildungsbürgerlicher Res- sentiments und insofern zugleich ein beredtes Zeugnis f ü r die Dauerhaftigkeit von Bewußt- seinsstrukturen.

Ahnliches gilt — wenn auch mit anderem Vorzei- chen — f ü r die Charakteristik des preußischen Heeres nach 1806. Hier rückt Eylert bewußt die

»leitenden Ideen«, die die Militär-Reorganisa- tionskommission unter dem Vorsitz Scharn- horsts bei ihrer Arbeit verfolgte, in den V o r d e r - grund seiner Darstellung und suggeriert damit zugleich ihre Realisierung. Ausgehend von der Formulierung »Die Armee ist die Nation und die Nation ist die Armee« (S. 139) erläutert er die Gesamtkonzeption der Heeresform, einschließ- lich ihrer gesellschaftspolitischen Zielsetzungen, und illustriert die Auswirkungen des Reform- werks u. a. an der Veränderung des Militärstraf- rechts, der Einrichtung der Landwehr sowie der Reorganisation des militärischen Bildungswe- sens. Dabei sind die Abschnitte, die sich mit der Bedeutung des Faktors »Bildung« f ü r die einge- leiteten Reformmaßnahmen befassen, auch über den Kreis der primär militärgeschichtlich orien- tierten Leser hinaus von großem Interesse. Ey- lerts Schilderung ermöglicht vielfältige Einblicke in das Militärwaisenhaus, die Kadettenanstalten, die Potsdamer Unteroffizierschule, das Lehrba- taillon sowie die Garnisonschulen und damit in wichtige Bereiche der militärischen Bildung und Ausbildung.

Allerdings weist Kloosterhuis zu Recht darauf hin, d a ß sich Eylerts Vorstellung von der Armee als einer »National-Angelegenheit« mit dem preußischen H e e r in der ersten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts nur bedingt in Ubereinstim- mung bringen läßt, zumal die Entwicklung im V o r m ä r z , also zur Zeit der Niederschrift der

»Charakterzüge«, dazu führte, daß die Reform- ansätze immer stärker zurückgenommen wur- den. H. St.

Rober Wooster: T h e Military and United States Indian Policy 1865—1903. N e w Haven and London: Yale University Press 1988. XIII, 268 S. ( = Yale Western Ame- ricana Series. Bd 34.)

Im Film ist es meist die U. S. Cavalry, die im ent- scheidenden Augenblick die fast schon verzwei- felnden Siedler vor den angreifenden Indianern rettet. D a ß es in der Wirklichkeit nicht so war, ist nur eine der vielen Erkenntnisse, die sich bei der

Lektüre des vorliegenden Bandes ergeben. Denn Kavallerie war eine teure Waffengattung, und ein Kongreß, der auf Sparsamkeit bedacht war, stellte dem amerikanischen H e e r davon viel zu wenig zur Verfügung.

Dabei war die Knauserigkeit des Parlaments nur einer der vielen Faktoren, die eine stetige Strate- gie gegenüber den Indianern verhinderten. Per- sönliche Eitelkeiten und Ehrgeiz beteiligter O f f i - ziere, unterschiedliche Erfahrungen im Bürger- krieg, undurchschaubare Befehlsstrukturen, un- terschiedliche Auffassungen über die »Zivilisier- barkeit« der Indianer, parteipolitische Einfluß- nahme und regionale Interessen führten dazu, daß das Verhalten des Militärs von Fall zu Fall wechselte. H i n z u kam, daß es auch noch keinen Generalstab oder eine vergleichbare Institution gab, die eine Vereinheitlichung des strategischen Denkens hätte herbeiführen können.

Woosters These von der fehlenden strategischen Grundlinie in den Indianerkriegen findet ihre Entsprechung in der a priori vorausgesetzten Annahme, daß auch die politische Seite keine durchgängige Haltung annahm. Letztendlich in- terpretiert Wooster das Chaos im Denken des Heeres nur als Funktion des Primats einer eben- falls wankelmütigen Politik.

Auffallend ist dabei, daß der Autor auch die tota- le Kriegführung des amerikanischen Militärs ge- genüber den indianischen Dörfern, H e r d e n und Weidegründen, ja, die E r m o r d u n g tausender Frauen und Kinder leidenschaftslos und eher technokratisch schildert. Überhaupt wird die moralische Rechtfertigung der gigantischen Landnahme und der Zerstörung einer alten Kul- tur nicht in den Blick genommen.

Ansonsten aber handelt es sich bei Woosters Buch um eine lesbar geschriebene und zugleich allen wissenschaftlichen Kriterien entsprechende Arbeit, die keine Fakten unerwähnt läßt. D e r Autor hat eine zweigeteilte Gliederung gewählt:

N a c h einem problemorientierten, nach Sachver- halten gegliederten Abschnitt, der den umfang- mäßig größten Teil des Bandes ausmacht, folgt eine chronologische Schilderung der wichtigsten Kampagnen. W e n n die Fülle der Daten den Le- ser manchmal zu verwirren droht, so ist auch das wohl vor allem auf die verwirrende Situation der geschilderten Jahre zurückzuführen. Aber es ge- lingt Wooster immer wieder, mit sicherer H a n d den roten Faden sichtbar zu machen. Ein wissen- schaftliches Buch, das man mit großem Interesse lesen kann. Winfried Heinemann

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Roland J. Hoffmann: Τ . G. Masaryk und die tschechische Frage. München: Olden- bourg.

I. Nationale Ideologie und politische T ä - tigkeit bis zum Scheitern des deutsch- tschechischen Ausgleichsversuchs vom Fe- bruar 1909. 1988. 490 S. ( = Veröffentli- chungen des Collegium Carolinum. Bd 58.)

Bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs zählte der erste Staatspräsident der Tschechoslowakei, T . G. Masaryk, in der Donaumonarchie zu den Randfiguren des politischen Lebens. Dies lag pri- mär daran, daß er in vielen Fragen in Opposition zu den führenden tschechischen Parteien stand:

so, als er die Echtheit der für die nationale Idee der Tschechen wichtigen Königinhofer und Grünberger Handschrift in Zweifel zog. Seine an Palacky anknüpfende Überlegung, daß die Tschechen vorläufig Osterreich noch brauchten, um nicht zwischen Preußen-Deutschland und Rußland zerrieben zu werden, trug ihm den Vorwurf des Osterreichertums ein. Seine An- sicht, daß die H u m a n i t ä t den wahren Sinn der tschechischen Geschichte ausmache und diese das Hauptproblem der tschechischen Frage, den jahrhundertelangen Kontinuitätsbruch über- brücke, führte zum Bruch mit den Jungtsche- chen, an die er sich zeitweise politisch angelehnt hatte.

W ä h r e n d auf der einen Seite Masaryk unter den Tschechen in eine immer stärkere Isolierung ge- riet, verschafften ihm seine Vorstellungen bei den fortschrittlich gesinnten deutschen Kräften Ansehen und Einfluß. Letztlich beruhte diese fal- sche Rezeption seiner Vorstellungen — sowohl auf deutscher wie tschechischer Seite — darauf, daß Masaryk zuletzt keine geschlossene Ab- handlung mehr über die tschechische Frage ge- schrieben hatte. Bedingt durch die Bedeutung der Russischen Revolution von 1905, die Sozial- demokratie, besonders die tschechische, und die Demokratisierung des Wahlrechts 1907 wurde sein Humanitätskonzept allmählich überlagert von einem revolutionär geprägten Konzept eines Demokratismus. Das Beharren der Deutschen auf ihrer Vormachtstellung in der Monarchie ließ bei ihm tiefe Zweifel über die Regenera- tionsfähigkeit des Habsburgerreiches und die Befriedigung der nationalen Interessen der Tschechen aufkommen. Dies schränkte seine Loyalität gegenüber Österreich-Ungarn ein, so daß eine Lösung der tschechischen Frage inner- halb eines Bundesstaates oder Staatenbundes Österreich nur noch eine Möglichkeit zur Errei-

chung des primären Ziels, der völligen nationa- len Unabhängigkeit der Tschechen, darstellte.

W ä h r e n d H o f f m a n n im ersten Teil seiner D a r - stellung den Wandel der politischen Vorstellun- gen Masaryks beschreibt, untersucht er im zwei- ten und dritten Teil dessen politische Tätigkeit als Abgeordneter unter den Regierungen Beck und Bienerth (1908/09). N a c h dem Bruch mit den Jungtschechen, mit deren Hilfe Masaryk zwi- schen 1891 und 1893 Abgeordneter im Reichsrat geworden war, gelang es ihm erst wieder ein Mandat zu erlangen, als in der zisleithanischen Reichshälfte das allgemeine Wahlrecht einge- f ü h r t wurde. Im Zentrum seiner parlamentari- schen Tätigkeit stand die Problematik des deutsch-tschechischen Ausgleichsversuchs. Seine Partei, die Fortschrittspartei (mit zwei Abgeord- neten ohne große politische Bedeutung), reprä- sentierte neben den tschechischen Sozialdemo- kraten die einzige politische Kraft, die bei der Lösung des Problems nicht von vornherein auf die Forderung nach Einhaltung des historischen Staatsrechts fixiert war. Gerade Masaryk hatte für den Fall des Ausgleichs ein föderalistisches Konzept entwickelt, das den Deutschen Böh- mens eine nationale Autonomie und ein weitge- hendes Self-government zusichern sollte. H o f f - mann sieht darin aber nur eine Verfeinerung und Ü b e r h ö h u n g des deutsch-tschechischen Gegen- satzes, da das Konzept letztlich nicht zur Über- windung des Antagonismus zwischen den beiden Völkern, sondern primär zur Lösung der tsche- chischen Frage beitragen sollte. Das Scheitern der deutsch-tschechischen Ausgleichsverhand- lungen führte Masaryk zu der Erkenntnis, daß eine Lösung nur im Bereich der Außenpolitik zu erwarten sei.

H o f f m a n n , f ü r den Masaryk ein Fallbeispiel für den V o r g a n g des »nation-building« mit seinen positiven wie negativen Auswirkungen ist, ge- lingt es, in seiner Dissertation die politischen Vorstellungen des tschechischen Professors und Politikers Masaryk deutlich zu machen und des- sen Vorstellungen aus der Perspektive der tsche- chischen Frage zu klären. Franz-Josef Kos

Ernest Bauer: Der letzte Paladin des Rei- ches. Generaloberst Stefan Freiherr Sar- kotic von Lovcen. Graz usw.: Styria 1988.

159 S.

Zahllose Bücher wurden über den Ersten Welt- krieg auf dem Balkan geschrieben, viel Literatur

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gibt es zu Bosnien-Herzegowina. D e r Verfasser dieser Darstellung wertet ein bislang unveröf- fentlichtes Tagebuch des letzten Landeskom- mandanten dieser Gebiete aus, der nach dem Thronfolgermord von 1914 dort eingesetzt wur- de.

D e r Leser erwartet neue Einblicke in die militä- risch-politischen Vorgänge, vielleicht auch In- teressantes zur Person des Schreibers. Es ist nicht Sarkotic anzulasten, daß seine Aufzeichnungen als eher uninteressant bezeichnet werden müs- sen, er schrieb sie nicht f ü r die Nachwelt. Viel- leicht hätte eine Totaledition mehr gebracht? Die ausgewählten Stellen stehen oftmals verloren im Raum, und Bauer hätte die Unergiebigkeit schon bei der Lektüre im kroatischen Archiv in Zagreb auffallen müssen. So wurde aber mit zerdehntem Druck, einigen (teilweise schon allzuoft verwen- deten Photos) und einem Text, der viel zu wenig auf den Menschen eingeht, ein Buch zu machen versucht. Aber Sarkotic scheint doch nur ein

»braver« Soldat gewesen zu sein, der seine

»Pflicht erfüllte« und seinem Kaiser treu diente.

Ein Aufsatz über ihn hätte nach Meinung des Rezensenten genügt.

N a c h Lektüre des Buches weiß man über die letzten vier Jahre der Habsburgermonarchie auf dem Balkan nicht mehr als zuvor. Es wäre besser gewesen, die von Bauer öfters lobend angeführte Wiener Dissertation von 1969 über Sarkotic und seine Verwaltungstätigkeit als Landeskomman- dant (von Signe Klein), überarbeitet und mit ei- nigen Tagebuchbeispielen ergänzt, im D r u c k vorzulegen. Nicht jeder österreichische Offizier bedarf mehrerer Untersuchungen, es ist auch nicht jeder ein Radetzky oder ein C o n r a d , und andere in diese H ö h e n hochzustilisieren, ist ein Fehler, den ein Historiker unter keinen Umstän-

den begehen darf! LorenzMikoletzky

tilen Bildern einen Beitrag zur »psychologischen Kriegführung« leisten. In umfangreichen Propa- gandakampagnen sollte der Gegner herabgesetzt und lächerlich gemacht sowie im neutralen Aus- land f ü r Sympathie geworben werden. Ebenso wurden innenpolitische Probleme mit den Mit- teln der Karikatur überdeckt, die Bevölkerung f ü r den Krieg mobilisiert und der Glaube an den Sieg gefestigt.

Eine vielfältige Sammlung von knapp 400 Zeich- nungen aus allen Ländern der Entente und der Mittelmächte, vereinzelt auch aus neutralen Staaten, werden präsentiert. D e r Herausgeber wertete dazu 32 Zeitschriften und 18 einschlägi- ge Broschüren aus, wobei er sich in der Hauptsa- che auf die reichen Bestände der Bibliotheque d'histoire internationale contemporaire (BDIC) in Nanterre/Frankreich stützen konnte.

Demm gliedert die ausgewählten Karikaturen in fünf Themenbereiche, von denen drei die vom Autor ausgemachten Haupttypen repräsentie- ren : die Symbol-, Gesellschafts- und Militärkari- katur. Das 4. Kapitel zeichnet einen wahren Pro- pagandakampf zwischen Alliierten und Mittel- mächten nach, in dem sich jede Partei als wahre Kulturnation, den Gegner dagegen als Barbar und Bestie darzustellen trachtete. Zeichnungen zum T h e m a »Endlich Friede« bilden den Schluß der Sammlung. Dem Bildteil voran schickt Demm eine knapp gehaltene elfseitige Einfüh- rung, die den Leser mit allen wichtigen Bedin- gungen und Strömungen der Karikatur im Er- sten Weltkrieg, mit den vorherrschenden T h e - men und herausragenden Zeichnern bekannt macht. Eine etwas ausführlichere und typogra- phisch besser gestaltete Kommentierung der ein- zelnen Bildern wäre f ü r den Leser allerdings wünschenswert. Der Band bietet viel Material, regt immer wieder zum Blättern an und lenkt den Blick auf viele Begleiterscheinungen des Krieges.

Andreas Daniel

Der Erste Weltkrieg in der internationalen Karikatur. Hrsg. und kommentiert von Eberhard Demm. H a n n o v e r : Fackelträger 1988.200 S.

Im wahrsten Sinne des Wortes eine gute Illustra- tion der herrschenden Ideologien und kollekti- ven Mentalitäten der Völker gewähren die von E. Demm zusammengetragenen Karikaturen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Auch die Zeich- ner wurden in die Pflicht genommen und sollten mit ihren teils plumpen, teils ausgesprochen sub-

Keith Grieves: T h e politics of manpower, 1914—18. Manchester: Manchester Uni- versity Press 1988. VII, 241 S. ( = W a r , Armed Forces and Society.)

Begriffe wie »manpower« oder »politics of man- power« waren, wie vieles andere, Produkte des Ersten Weltkrieges, Etiketten f ü r das Bemühen, die Arbeitskraft jedes einzelnen in optimaler Weise in den Dienst der britischen Kriegsan-

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strengungen zu stellen. Wenn die Termini schnell Eingang fanden in das politische V o k a - bular, dann zeugte dies von dem Bewußtsein der verantwortlichen Politiker, daß der Krieg zwi- schen entwickelten Industriegesellschaften, der

»totale Krieg«, die umfassende Mobilisierung der Zivilbevölkerung nötig machte, M ä n n e r und zum erstenmal auch Frauen. Das Problem, mit dem sich die britische Regierung konfrontiert sah, war also erkannt. Aber die Versuche zu sei- ner Lösung, nämlich die effiziente Organisation und Verteilung der knappen Ressource Arbeits- k r a f t im Kriege, verursachten verbissen geführte politische Auseinandersetzungen zwischen den Ministern. Die frühen Lösungsversuche griffen, wie Grieves zu zeigen vermag, häufig zu kurz und waren letztendlich, nach mehreren unzu- reichenden ad hoc-Regelungen, Anlaß f ü r die Schaffung neuer administrativer Instanzen.

Grieves' Axbeit, die sich auf eine beeindruckende Fülle von Akten, Nachlässen und publizistischem Material stützt, schlägt eine Schneise durch das Kompetenzengerangel der einschlägigen Mini- sterien, der Militärs, der Industrie und der Ge- werkschaften. Er analysiert die verschiedenen politischen und administrativen M a ß n a h m e n der Londoner Regierung zur Uberwindung des Di- lemmas : den Einsatz von Menschen so zu steu- ern, daß angesichts bis dahin nie erlebter Verlu- ste den massiv steigenden personellen Anforde- rungen der Generale an der Westfront entspro- chen werden konnte, ohne dadurch den glei- chermaßen emporschnellenden Bedarf an Ar- beitskräften in der Kriegsproduktion in Frage zu stellen. In eingehenden Untersuchungen, die sich allerdings gelegentlich im Detail zu verlieren drohen, stellt Grieves die Entstehung des M a n - power Distribution Board im August 1916 dar, die Schaffung des National Service Department Ende 1916 und schließlich die G r ü n d u n g des Mi- nistry of National Service im letzten Kriegsjahr.

Die Gründe für das Scheitern Neville Chamber- lains als erstem Chef des M a n p o w e r Distribution Board werden sichtbar gemacht, ebenso dann die steile Karriere von Sir Auckland Geddes, »the government's adivser on manpower« (S. 210) in den Jahren 1917 und 1918. Diese Charakterisie- rung hat man füglich als »understatement« zu verstehen, denn Geddes, mit der Rückendek- kung des Kriegspremiers Lloyd George, gewann f ü r das Ministry of National Service rasch eine Schlüsselfunktion und verschaffte ihm gegen- über dem Generalstab unter Sir William Robert- son eine dominierende Stellung — Illustration dafür, daß in Großbritannien, im Unterschied zu Deutschland, selbst unter den exzeptionellen Be-

dingungen des Weltkrieges die zivilen Politiker das H e f t in der H a n d behielten. Die Militärs re- vanchierten sich dafür später mit Feder und Tin- te: Nach 1918 beklagten führende Generale in ihren Memoiren das mangelnde Verständnis der Politiker f ü r die strategischen Erfordernisse des modernen Krieges im allgemeinen und des »con- tinental commitment« der Briten im besonderen.

Es ist bedauerlich, daß Grieves den Vergleich mit Deutschland, gestützt auf die Arbeiten von Ge- rald Feldman, nur streift, statt ihn systematisch auszuführen. Gerade weil sich das »manpower« - Problem im Reich in nahezu identischer Weise stellte und Feldmans Forschungen das Material leicht zugänglich machen, hätte der Vergleich der beiden Industriegesellschaften im Kriege in- teressante Aufschlüsse geben können. Indes, auch in der streng nationalen Perspektive vermit- telt Grieves' Untersuchung grundlegende Ein- sichten in Organisation und Führung des »tota- len Krieges«. Peter Alter

Wolfgang Schivelbusch: Die Bibliothek von Löwen. Eine Episode aus der Zeit der Weltkriege. München, W i e n : Hanser

1988,243 S.

Zwar bildet die Zerstörung bedeutender Bücher- schätze einen festen Bestandteil der abendländi- schen Kriegsgeschichte, doch nur selten rührte eine solche T a t den größten Teil der gelehrten Zeitgenossen zu Emotionen der Empörung, Be- stürzung und T r a u e r wie im Falle der kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Schutt und Asche gelegten Universitätsbibliothek Löwen. In jener belgischen Stadt starben am Abend des 25. August 1914 — eine W o c h e nach der kampf- losen Besetzung — mehrere deutsche Soldaten bei einer Schießerei, deren genauer Hintergrund zwar bis heute ungeklärt geblieben ist, die jedoch in den Augen der Besatzer nur das W e r k heim- tückischer Franctireurs sein konnte. Die grausa- me Bilanz des unverzüglich angeordneten

»Strafgerichts über Löwen«: 200 erschossene belgische Zivilisten und über 1000 niederge- brannte, meist im historischen Stadtzentrum ge- legene Gebäude.

Auch die Universitätsbibliothek, an G r ö ß e und Bedeutung mit der Landesbibliothek eines der kleineren deutschen Fürstentümer vergleichbar, fiel den Flammen zum Opfer. Hierdurch geriet das zwecks Einschüchterung inszenierte Fanal

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gewissermaßen als »Sarajewo der europäischen Intelligenz« unversehens zum Auftakt eines wah- ren »Weltkrieges der Geister«. In diesem Zusam- menhang diente das Schicksal der altehrwürdi- gen Universitätsbibliothek — als kultureller Mi- krokosmos eignete sie sich trefflich zum Symbol

— den Anhängern der Entente als Beweis dafür, daß sich die deutsche Kriegführung nicht nur ge- gen feindliche Armeen, sondern auch gegen Kul- turgüter richtete. Anschaulich schildert der Ver- fasser den im Zeichen des vermeintlichen Gegen- satzes »Kultur — Zivilisation« eskalierenden

»Propagandakrieg, den die europäische Intelli- genz als Hilfstruppe der Militärs gegeneinander begann« (S. 29). Daß die Löwener Bibliotheks- ruine später der Gefahr entging, aufgrund der langen Kriegsdauer doch noch der Vergessen- heit anheimzufallen, ist jedoch vor allem den be- harrlichen Aktivitäten jener im Exil lebenden belgischen Gelehrten — selbst meist ehemalige Studenten oder Professoren der Universität — zuzuschreiben. Ihren Bemühungen war nach der deutschen Niederlage der gewünschte Erfolg be- schert, wie die Aufnahme eines eigens die Löwe- ner Bücherverluste regelnden Artikels in den Versailler Vertrag sowie die von einem interna- tionalen Hilfswerk in insgesamt vierzehn Län- dern gesammelten umfangreichen Bücherspen- den belegen.

Die 1920 mit Belgien hinsichtlich der Bestands- verluste geführten Reparationsverhandlungen verpflichteten das Reich zur Organisation und Fi- nanzierung der Ersatzlieferungen. Zwar beschei- nigt Schivelbusch der zu diesem Zweck gegründe- ten »Einkaufsgemeinschaft Löwen GmbH«

effizientes Arbeiten sowie den mit der Abwick- lung betrauten deutschen und belgischen Biblio- thekaren ein geradezu kollegiales Verhältnis, weist jedoch auch auf den Mißbrauch des Frie- densvertrages als Profitquelle für den deutschen Antiquariatsbuchhandel hin. Zudem werden die um den Wiederaufbau des Bibliotheksgebäudes kreisenden Aktivitäten des besonders exklusiven amerikanischen Ablegers des Hilfswerks einer kritischen Betrachtung unterzogen, die sich teil- weise wie eine Satire auf das amerikanische Phi- lanthropentum der zwanziger Jahre liest. Trau- rig wiederum der Schluß des Buches: Die groß- artiger als zuvor neu errichtete Bibliothek brann- te im Mai 1940 nach einem deutschen Artillerie- treffer erneut nieder, diesmal ohne nennenswerte Proteste von Seiten der Kulturwelt hervorzuru- fen.

Insgesamt ist die durch einen umfangreichen Bildteil abgerundete Publikation vorzüglich re- cherchiert und — bei einer bibliotheksgeschichtli-

chen Abhandlung selten genug — flüssig, ja gera- dezu spannend geschrieben. Werner Kempken

Benjamin D. Rhodes: The Anglo-Ameri- can Winter War with Russia, 1918-1919.

Α Diplomatie and Military Tragicomedy.

New York etc.: Greenwood Press 1988.

XII, 156 S. ( = Contributions in Military Studies. Nr. 71.)

Die alliierte Militärintervention in Rußland 1918—1920, die sowohl als Reaktion auf den Se- paratfrieden von Brest-Litowsk zwischen dem Zarenreich und Deutschland (3. März 1918) er- folgte als auch im Zusammenhang mit dem Bür- gerkrieg in Rußland zu sehen ist, hat schon die Gemüter der Zeitgenossen bewegt und nach Sinn und Zweck dieses Unternehmens fragen lassen.

Wenn sich auch der Autor, Professor in Wiscon- sin und mehrfach als Verfasser von Artikeln über den nordamerikanischen Anteil an der Interven- tion in Erscheinung getreten, ausschließlich auf Nordrußland konzentriert, so lagen dem dorti- gen englisch-amerikanischen Eingreifen doch weitgehend die gleichen Motive zugrunde wie in Sibirien, wo japanische und amerikanische Trup- pen landeten. Rhodes versteht seine akribische, bisweilen jedoch in Marginalien abgleitende Be- standsaufnahme der circa einjährigen Präsenz englischer und amerikanischer Truppen in Nordrußland primär als Teil der alliierten Stra- tegie, zum einen die als »deutsche Agenten« be- trachteten Bolschewiki zu bekämpfen und den bürgerlichen Nationalismus in Rußland gegen deutschen Imperialismus und russischen Bol- schewismus zu unterstützen; zum anderen mit Hilfe antibolschewistischer Verbände wieder ei- ne zweite Front gegen Deutschland im Osten aufzubauen, wozu auch die Verbindung zur weitgehend aus Kriegsgefangenen rekrutierten tschechischen Legion gehörte, die in Sibirien operierte.

Nach ersten Interventionsplänen im Anschluß an die Oktoberrevolution von 1917 kam der Haupt- anstoß für das nordrussische Unternehmen eben- falls von englischer Seite, als im Gefolge der deutschen Frühjahrsoffensive 1918 Gerüchte auftauchten, Deutschlands Intentionen zielten darauf ab, Murmansk als U-Boot-Basis zu er- obern. In völliger Unterschätzung der Bolsche- wiki kreisten die englischen Planungen aus- schließlich um die Abwehr eines vermuteten deutschen Nordvorstoßes, so daß die anfänglich

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