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Die Schule Schammais sagt

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(1)

Von W. E. Gebbeb, Hannover

In der tannaitisehen Überheferimg finden sich zu zahheichen Diskus¬

sionen der Schulen Schamraais und Hilleis Interpretationen, die folgen¬

den Aufbau haben :

Ein Lehrer (z.B. R. Eh(ezer) sagt: Die Schule Schammais und die

Schule HiUels streiten nicht darüber (bzw. die Schule Schammais

stimmt mit der Schule Hillels darin überein), daß ... Worüber

streiten sie? ... Die Schule Schammais sagt : ... Die Schule HUlels

sagt : ...

Man hat in der Literatur atif diese Interpretationen häufig hingewie¬

sen^, auch Schlüsse wurden aus ihnen gezogen^. Aber eine zusammen¬

fassende Behandlung der hier in Frage kommenden Texte hat man noch

nicht vorgelegt. Eine solche soll im Folgenden versucht werden !

Wir können zunächst einmal beobachten, daß ein Lehrer die Ansicht

der Schule Schammais berücksichtigt.

Pea VI 2 heißt es:

Die Garbe, die an eine Mauer oder an eine Miete, an ein Rind oder

an Ackergeräte angelehnt ist — die Schule Schammais sagt : Sie ist

nicht Vergessenes*. Die Schule Hillels dagegen sagt: Sie ist Ver¬

gessenes*.

Tosefta Pea III 2^ hingegen finden wir folgende Interpretation :

Als ich (sc. R. El(ai; um 110 n. Chr.) kam und den R. Eli(ezer (um

90 n. Chr.) fragte, sagte er mir: Bei diesen (sc. den Garben, die an

eine Mauer oder an eine Miete, an ein Rind oder an Ackergeräte

angelehnt sind) stimmen sie überein, daß sie kein Vergessenes seien.

Worüber sie geteilter Meinung waren, war die Garbe, die man er¬

griffen hatte, um sie nach der Stadt zu schaffen, und die man dann

1 Vgl. W. Bachbe, Tradition und Tradenten in den Schulen Palästinas

und Babyloniens, 66; A. Guttmann, Das redaktionelle und sachliche Verhält¬

nis zwischen MiSna und Tosephta, 138.

2 Vgl. W. E. Gbebee, Be§a, in: Die Mischna, hrsg. von K. H. Rengstoep und L. Rost, 25. 29. 33.

3 Nach Deuteronomium 24, 19 gehört die auf dem Feld vergessene Garbe

den Armen. Die Schule Schammais meint nun. daß die dort genannte Garbe

den hier erwälmten nicht gleichgestellt werden könne. Vgl. Ph. Blackman,

Mishnayot, z. St. ; Ch. Albeck, 7]1V0 mO nw, z. St.

* Sie stellt also die Deuteronomium 24, 19 besprochene Garbe den hier

zur Diskussion stehenden gleich. Vgl. P. Billebbeck, Kommentar zum

Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, IV 696; Ph. Blackman, a.a.O.,

z.St.; Ch. Albeck, a.a.O., z.St. ^ = Jeruschalmi Pea 19b, 70ff.

2 ZDMO II9/I

(2)

18 W. E. Gerbeb

an eine Mauer oder an einen Zaun legte. Die Schule Schammais

sagte: Sie ist kein Vergessenes, weil man sie (durch ihr Ergreifen)

in Besitz genommen hatte, und die Schule Hillels sagt : Sie ist Ver¬

gessenes*.

Nach Pea VI 2 differieren die Schulen über eine Garbe, die an eine

Mauer, Miete, an ein Rind oder Ackergeräte angelehnt ist, wobei die

Schule Schammais eine solche Garbe nicht als Vergessenes bezeichnet,

während die Schule HiUels in einer solchen Garbe etwas Vergessenes

sieht. Nach der Interpretation des R. Eli(ezer hingegen sind sich beide

Schulen darin einig, daß eine solche Garbe nicht als Vergessenes beurteüt

werden kann. R. Eli(ezer gibt also die Ansicht der Schule Schammais

als die Ansicht der Schule HiUels aus.

Wie ist diese Verschiebung zu erklären?

Bereits früher wurde aus Interpretationen dieser Art der Schluß ge¬

zogen, daß der betreffende Lehrer die Ansicht der einen oder anderen

Schule vertritt, wenn in seiner Interpretation die Lehre der Schule

Schammais als Lehre der Schule HUlels bzw. umgekehrt ausgegeben

wird'. Dieser Erklärungsversuch scheint mir auch jetzt noch erwägens¬

wert zu sem. Wir haben also anzunehmen, daß R. Eli(ezer — in Über¬

einstimmung mit der Ansicht der Schule Schammais — die Meinung

verficht, daß eine Garbe, die an eine Mauer, Miete, an ein Rind oder an

Ackergeräte angelehnt ist, nicht als Vergessenes zu verstehen ist. Weiter

ist zu vermuten, daß er diese Annahme für eine unbestrittene hält. Er

ignoriert deshalb den Streit der Schulen und vertritt, daß die Lehre der

Schule HiUels von derjenigen der Schule Schammais nicht verschieden

gewesen sei. Man wird also sagen dürfen, daß R. Eli(ezer, indem er eine

aus früherer Zeit stammende Diskussion mit einer interpretierenden

Bemerkung versieht, die Vergangenheit nicht so sieht, wie sie ist, son¬

dem so, wie er sie sich vorsteht.

Bei der von R. Eli(ezer mitgeteüten Differenz der Schulen ist festzu¬

halten, daß das Urteil der Schulen Schammais und HiUels mit dem

Urteü, das sie in der ursprünglichen Diskussion abgegeben haben, über¬

einstimmt*. Wenn wir davon ausgehen, daß die von R. Eli(ezer mitge-

• Vgl. P. BiLMBBECK, a.a.O. IV 696; S. Liebebman, StSWDD XnBDin, z,

St. ' Vgl. W. E. Gebber, a.a.O., 25. 29. 33.

' Es ist nicht immer der Fall, daß das Urteil, das dio Schulen Schammais

und Hillels in der Diskussion vortragen, mit dem Urteil, das sie nach

einem Gelehrten in dem strittigen Punkt äußern, identisch ist. Wir lesen

z.B. Maaser scheni III 6: Waren die vorbereitenden Arbeiten an ihnen (sc.

den Früchten) nicht abgeschlossen — die Schule Sehammais sagt: Man muß

den zweiten Zehnt ebenfalls nach Jerusalem zurückbringen und dort ver¬

zehren. Die Schule Hillels dagegen sagt: Man darf ihn auslösen imd an

(3)

teilte Übereinstimmung der Schulen nur zum Teil getreu ist, wird man gegenüber der historischen Zuverlässigkeit dieses Streites einigermaßen

skeptisch werden. Doch hat man andererseits auch wieder zu beachten,

daß die von einem Lehrer vorgetragene DifiFerenz der beiden Schulen

durchaus zutreffend sein kann*

Daneben läßt sich dann belegen, daß ein Lehrer die Ansicht der Schule

Hillels berücksichtigt.

Wir lesen Be§a I 3:

Die Schule Schammais sagt: Man darf die Leiter (an einem Feiertag)

nicht von einem Taubenschlag zum anderen tragen^^ ... Und die

Schule Hillels erlaubt das^^.

jedem beliebigen Ort verzehren. — Ebd. heißt es nun weiter: R. Schim(on

ben Jehuda sagte im Namen des R. Sohim(on (um 150 n. Chr.): Die Schule

Schammais und die Schule Hillels sind nicht geteilter Meinung darüber,

daß man von Früchten, an welchen die vorbereitenden Arbeiten noch nicht

abgeschlossen sind, den zweiten Zehnt auslösen und an jedem beliebigen

Ort verzehren dürfe. Worüber sind sie geteilter Meinung ? Uber Früchte,

an welchen die vorbereitenden Arbeiten abgeschlossen wurden. Die Schule

Hillels sagt nämlich: Den zweiten Zehnt davon muß man naeh Jerusalem

zurückbringen und daselbst verzehren. Die Schule Sohammais dagegen

sagt: Man darf diese Früchte auslösen und an jedem beliebigen Ort ver¬

zehren. — Vgl. hierzu Ph. Blackman, a.a.O., z.St.; Ch. Albeck, a.a.O.,

z. St. Eine formale Entsprechung zu Maaser scheni III 6 findet sich Toharot

IX 5 und Tosefta Toharot X 10, vgl. E. Schereschewsky, Toharot, in:

Die Tosefta, hrsg. von K. H. Rbngstobf, 98.

' Hier ist vor allem auf Pesaehün VIII 8 und Tosefta Pesachim VII 13

(= Babli Pesachim 92a Baraita; vgl. P. Billbbbeck, a.a.O. I 102f.; S.

Liebebman, a.a.O., z.St.); Be^a II 4 (vgl. P. Billebbeck, a.a.O. I 851f.)

und Babli Besa 20a Baraita; Tosefta Kelim Baba batra V 7 (vgl. W. Wlnd-

FUHB, Kelim Baba batra, in: Die Tosefta, hrsg. von K. H. Rbngstobf,

z.St.); Zabhn I 2 und Tosefta Zabim I 8 (vgl. G. Mayeb, Zabim, in: Die

Tosefta, hrsg. von K. H. Rbngstobf, z. St.) hinzuweisen. Die Bemerkungen von W. E. Gebbee, a.a.O., 75 sind also zu korrigieren.

10 Formale Analogien zu Pea VI 2 und Tosefta Pea III 2 finden wir BabU

Schabbat 135a Baraita (= Jeruschalmi Jebamot 9a, 7 Baraita; vgl. P.

Bellebbeck, a.a.O. I 105. 992); Besa II 1 (vgl. P. Billebbeck, a.a.O. II

830) und Tosefta Jom tob II 4 (vgl. S. Liebebman, a,a.O., z. St.). Außerdem

sind hier Demmai VI 6 und Tosefta Maaserot III 13 (vgl. P. Billebbeck,

a.a.O. II 504.506.507; S. Liebebman, a.a.O., z.St.) zu nennen. Tosefta

Maaserot III 13 unterscheidet sich allerdings insofern von den anderen Be¬

legen, als nur von einer Übereinstimmung, nicht aber auch von einem

Streit der Schulen die Rede ist.

" Die Schule Schanunais steht auf dem Standpunkt, daß Transport von

einem in einen anderen Bereich am Feiertag untersagt ist und verbietet

deshalb den Transport einer Taubenschlagleiter.

1* Sie erlaubt den Transport von einem in einen anderen Bereich am

Feiertag und hat deshalb gegen den Transport einer solchen Leiter nichts

einzuwenden.

2*

(4)

20 W. E. Gebbeb

Tosefta Jom tob I 8^' heißt es aber auch :

Es sprach R. Schim(on ben El(azar (um 190 n. Chr.) : Es stimmen

überein die Schule Schammais und die Schule HiUels, daß man die

Leiter transportieren darf. Worüber streiten sie? Darüber, ob man

sie auch zurückbringen darf, denn die Schule Schammais verbietet

und die Schule HiUels erlaubt das.

Bei einem Vergleich ergibt sich, daß nach Be§a I 3 die Schulen Scham¬

mais und HiUels über den Transport einer Leiter verschiedener Meinung

sind: Die Schule Schammais verbietet ihn, während er von der Schule

HUlels gestattet wird. Weiter ergibt sich, daß nach der Interpretation

des R. Schim(on ben El(azar auch die Schule Schammais mit einem

solchen Transport einverstanden ist. R. Schim(on ben El(azar meint

also, daß die Schule Schammais wie die Schule HiUels geurteilt habe.

In unserem Zusammenhang wurde bereits früher angenommen, daß

R. Schim(on ben El(azar — in Übereinstimmung mit der Ansicht der

Schule HiUels — mit dem Transport einer Taubenschlagleiter von einem

zum anderen Taubenschlag einverstanden ist^*. Wir nehmen nun weiter

an, daß er diese Erlaubnis für zutreffend und unbestritten hält. Damit

gelangt er dazu, den Streit zwischen den Schulen Schammais und HiUels

zu leugnen und zu behaupten, daß die Schule Schammais nicht anders

als die Schule HiUels entschieden habe.

Bevor wir fortfahren, sei noch die Differenz betrachtet, wonach die

Schule Schammais mit der Schule HiUels über den Rücktransport ge¬

stritten hat. Auch hier verhält es sich so, daß das Urteil der Schule

Schammais bzw. HiUels mit dem UrteU der Schulen in der früheren Dis¬

kussion übereinstimmt: Beidemal verbietet die Schule Schammais,

während die Schule HiUels erlaubt^*.

M.W. nur einmal machen wir die Entdeckung, daß ein Lehrer die

Ansicht der einen Schule nur zum TeU aufgreift.

Tosefta Makschirin I 1 heißt es :

Schüttelt jemand den Baum, um von ihm Flüssigkeiten herabfaUen

zu lassen, und sind sie auf Abgerissenes" an ihm gefaUen oder auf

Angewachsenes^' imter ihm, so sagt die Schule Schammais : Es güt

= Babli Be?a 9 b Baraita.

" Vgl. W. E. Gebbeb, a.a.O. 25.

" Formale Analogien zu Besa I 3 und Tosefta Jom tob I 8 fuiden wir

Be?a I 5 und Tosefta Jom tob I 10 (vgl. S. Liebebman, a.a.O. z.St.); Be?»

I 6 und Tosefta Jom tob I 12 (vgl. S. Liebebman, a.a.O. z.St.); Be^a II 4

und Babli Be^a 20a Baraita; Nazir III 7 (= Edujot IV 11) und Babli Nazir

20 a Baraita; Zabim IIb und Zabim I lc (= Tosefta Zabim I 5, vgl. G.

Mayeb, Zabim, in: Die Tosefta, hrsg. von K. H. Rengstobp, z.St.).

" d.h. auf abgerissene Früchte oder Kräuter.

" d.h. auf angewachsene Früchte oder Kräuter.

(5)

in" -'S Aber die Schule Hillels sagt : Smd sie auf Abgerissenes ge¬

fallen, so gilt p"" ""S, sind sie auf Angewachsenes gefallen, so gilt fiu- sie nicht ^n"" ""D

Tosefta Makschirin I 2 aber heißt es hierzu :

R. Jose ben R. Jehuda (um 180 n. Chr.) sagte: Nicht stritten sich

die Schulen Schammais und Hillels über jemand, der einen Baum

schüttelt, um von ihm Flüssigkeiten herabfallen zu lassen, so daß

sie auf Abgerissenes an ihm fielen oder auf Angewachsenes unter

ihm, daß für sie nicht gilt in"" ''3, oder über den FaU, daß einer sie

ausriß, nachdem sie trocken geworden waren, daß für sie nicht gilt

]ri' '3- Worüber haben sie gestritten? Über den FaU, daß jemand

den Baum schüttelt, um von ihm Speisen herunterfallen zu lassen

und sie von Ast zu Ast oder von einem Zweig zum andern an dem¬

selben Baum fielen, wobei die Schule Schammais sagt: Es gUt ]n'' "'S, und die Schule Hillels sagt : Es gilt für sie nicht m"" '3 ^•

Hier verhält es sich folgendermaßen: Die Schule Schammais ordnet

sowohl für abgerissene als auch für angewachsene Früchte, die mit

Flüssigkeiten in Berührung kamen, p"" ""D an, während die Schule HiUels

differenziert: Wenn Flüssigkeiten auf abgerissene Früchte fallen, güt

]n'' wenn sie hingegen auf angewachsene Früchte faUen, güt kein

]n'' '3- Nach der Interpretation des R. Jose ben R. Jehuda hingegen

sind sowohl die Schule Schammais als auch die Schule HUlels der Mei¬

nung, daß sowohl abgerissene als auch angewachsene Früchte, die mit

Flüssigkeiten in Berührung kamen, nicht als p"' zu beurteüen sind.

Die Ansicht der Schule HUlels wird also nur zum Teil aufgegriffen.

Man wird davon ausgehen dürfen, daß R. Jose ben R. Jehuda —

unter teilweiser Übereinstimmung mit der Lehre der Schule HiUels —

die Meinung vertritt, für abgerissene bzw. angewachsene Früchte, auf

die Flüssigkeiten fielen, gelte kein ]n'' '3, und für Früchte, die nach dem Trocknen ausgerissen wurden, sei ebensowenig in*" ''0 zu behaupten. Von

der Unbestrittenheit dieser Annahme ist er derart überzeugt, daß eine

gegenteüige Meinung für ihn nicht mehr in Frage kommt. Um ihre An-

erkarmtheit zu demonstrieren, verweist er dann darauf, daß sie nicht

ntu: teilweise, sondern in ihrer Gesamtheit sowohl von der Schule Scham¬

mais als auch von der Schule HiUels vertreten worden sei. Das hatte

darm zur Folge, daß die ursprüngliche Ansicht der Schulen verändert

wurde.

" d.h. diese Früchte oder Kräuter können unrein werden. Hier ist Levi¬

ticus 11, 34 zugrundezulegon, wonach Samen, Früchte und Nahrungsmittel

unrein werden, wenn sie mit Wasser in Berührung kommen.

" Vgl. G. LisowsKY, Makschirin, in : Die Tosefta, hrsg. von K. H. Rbngs¬

tobf, z. St. Vgl. G. LisowsKY, a.a.O., z. St.

(6)

22 W. E. Gerber

Unsere Stelle sei ohne Berücksichtigung der Divergenz nicht abge¬

schlossen. Sie zeiclmet sich zunächst einmal dadurch aus, daß die Schule

Hillels nur ein Urteil abgibt, während sie in der ursprünglichen Diskus¬

sion zweifach geurteilt hat. Wenn wir die dort an erster Stelle genannte Ansicht der Schule Hillels einmal aus dem Spiel lassen, ergibt sich wieder¬

um folgendes Schema: Das in der früheren Diskussion erwähnte Urteil

der Schulen wird in der Interpretation wiederholt.

Sehr häufig hingegen können wir feststellen, daß der Lehrer weder

die Ansicht der Schule Schammais noch diejenige der Schule Hillels be¬

rücksichtigt, i

Erubmi I 2 z.B. finden wir folgende Diskussion:

Vorschriftsmäßig macht den Straßeneingang nach der Schule

Schammais ein Pfosten und ein Querbalken^^, nach der Schule

Hillels ein Pfosten oder ein Querbalken*''.

Ebd. gibt es nun folgende Interpretation :

Im Namen des R. Jischma()el (um 120 n. Chr.) sagte ein Schüler

vor R. 'Akiba (um 120 n. Chr.): Die Schule Schammais und die

Schule Hillels sind nicht verschiedener Ansicht über einen Straßen¬

eingang, der weniger als vier Ellen Breite hat. Ein solcher wird

erlaubt entweder durch einen Pfosten oder durch einen Querbalken.

Worüber sind ihre Memungen geteilt? Über einen von vier bis zehn

Ellen breiten. Da sagt die Schule Schammais: Pfosten und Quer¬

balken, und die Schule Hillels sagt: Pfosten oder Querbalken"». '

Nach der ursprünglichen Diskussion verlangt die Schule Schammais

bei einem Straßeneingang, der nicht weiter bezeichnet wird, sowohl

Pfosten als auch Querbalken, während sich die Schule Hillels mit einem

von beidem begnügt. Nach der Interpretation hingegen sind sich die

Schulen über einen Straßeneingang, der bis vier Ellen breit ist, einig,

daß nur ein Pfosten oder ein Querbalken notwendig sei.

Auch hier ist auf Gesagtes zurückzugreifen. R. Jischma()el vertritt

demnach die Meinung, daß ein Straßeneingang, der weniger als vier

EUen breit ist, entweder durch Pfosten oder durch Querbalken erlaubt

wird. Um die Unbestrittenheit seiner Meinung hervorzuheben, verweist

er dann darauf, daß diese Ansicht sogar von den Schulen Schammais

und Hillels akzeptiert worden sei.

Die von R. Jischma()el genannte Divergenz der Schulen ordnet sich

dem bereits gegebenen Material lückenlos ein. Denn es läßt sich fest-

Vgl. E. Baketh. Erubim, in : Mischnajot, Ordnung Moed, hrsg. von

E. Baneth, z. St.

" Vgl. E. Baneth, a.a.O., z.St.; Ch. Albeck, a.a.O., z.St.

2' Vgl. Babli Erubim 12a Baraita, wo R. Schim(on ben Gamli)el (um

140 n. Chr.) eüie ähnliche Interpretation vorträgt.

(7)

stellen, daß das Urteil der Schulen in der ursprünghchen Diskussion mit dem Urteil, das sie nach R. Jischma()el in der strittigen Frage abgegeben haben, übereinstimmt**.

Bei den eben besprochenen Interpretationen handelt es sich immer

um solche, zu denen eine ursprüngliche Diskussion nachgewiesen bzw.

wahrscheinlich gemacht werden kann. Nim aber läßt sich feststellen,

daß bei zahlreichen Interpretationen der genannten Art eine entspre¬

chende Diskussion fehlt.

Eine solche Interpretation findet sich z.B. Tosefta Jom tob I 11, wo

es heißt:

Rabban Schim(on ben Gamli)el (um 140 n. Chr.) sprach : Es stimmt

überein die Schule Schammais mit der Schule Hillels, daß man

volle Gefäße, sofern sie nötig sind, und leere Gefäße, um sie zu

füUen, transportieren darf. Worüber sind sie verschiedener Meinung?

Über leere Gefäße, die nicht notwendig sind, denn die Schule Scham¬

mais verbietet, zu transportieren, und die Schule Hillels erlaubt,

zu transportieren.

Wenn wir uns erinnern, daß die Bemerkung eines Lehrers, in der er

von der Übereinstimmung der beiden Schulen spricht, den msprüng-

lichen Sachverhalt nicht richtig wiedergibt, legt sich zumindest die Ver¬

mutung nah, daß auch hier die vorliegende Bemerkung des Rabban

Schtm(on ben Gamli)el, in der er von der Übereinstimmung der beiden

Schulen spricht, nicht die ursprünghche Aussage darstellt. Wenn wir

das einmal als möglich annehmen, erhebt sich natürlich die Frage, ob

die ursprüngliche Diskussion nicht rekonstruiert werden kann. Folgende

Möghchkeiten scheinen mir einer Erwägung wert zu sein :

1. Die Schule Schammais sagt: Volle Gefäße, sofem sie nötig smd, und

leere Gefäße, um sie zu füllen, darf man transportieren. Die Schule

Hillels sagt: Volle Gefäße, sofern sie nötig sind, leere Gefäße, um sie

zu füllen, darf man nicht transportieren.

2* Formale Analogien zu Erubim I 2 dürften an folgenden Stellen vor¬

liegen: Berachot VIII 5 (vgl. P. Billerbeck, a.a.O. IV 236) und Tosefta

Berachot VI 6 (vgl. S. Liebebman, a.a.O., z. St. ; E. Lohsb und G. Schlich-

TiNG, Berakot, in: Die Tosefta, hrsg. von K. H. Rengstobf, z.St.); Maaser

scheni III 13 und Tosefta Maaser scheni II 18 (vgl. S. Liebebman, a.a.O.,

z.St.); Erubim VI 6 und Babli Erubim 72b Baraita; Besa I 6 und Tosefta

Jom tob I 12 (vgl. S. Liebebman, a.a.O., z.St.); Besa I 7 und Tosefta Jom

tob I 15 (vgl. S. Lieberman, a.a.O., z.St.); GiWin VIII 9 (= Edujot IV 7)

und Babli Gittin 81b Baraita; Kelim XI 3 und Tosefta Kelim Baba mesia I

2 (vgl. W. Windfuhr, Kelim Baba mesia, in : Die Tosefta, hrsg. von K. H.

Rengstobf, z.St,). — Allerdings läßt sich die Frage nicht ganz unter¬

drücken, ob jede Interpretation die hier genannte Diskussion voraussetzt.

Es könnte durchaus der Fall sein, daß nur noch die Interpretation vorliegt,

die Diskussion aber verlorengegangen ist. Vgl. hierzu das Folgende !

(8)

21 W. E. Gerber

2. Die Schule Schammais sagt: Volle Gefäße, sofern sie nötig sind, leere

Gefäße, um sie zu füllen, darf man nicht transportieren. Die Schule

Hillels sagt: VoUe Gefäße, sofern sie nötig sind, leere Gefäße, um sie

zu füllen, darf man transportieren.

Wie ist zu entscheiden?

Zunächst könnte man bedenken, daß die Schule Schammais erschwert

und die Schule Hillels erleichtert. Wenn wir dieses Kriterium zugrunde¬

legen, wäre die an zweiter Stelle genannte Möglichkeit als die ursprüng¬

liche Diskussion zu betrachten. Allerdings wird man bedenken müssen,

daß auch die Schule Schammais erleichternd und die Schule Hillels

erschwerend entschieden hat. Desweiteren könnte man davon ausgehen,

daß das Urteil der Schulen, das sie nach einem Lehrer in einem stritti¬

gen Punkt äußem, mit dem Urteil in der ursprünglichen Diskussion

häufig übereinstimmt. Wenn wir dieses Kriterium anwenden, ergibt sich

gleichfalls, daß die an zweiter Stelle genannte Möglichkeit die lursprüng-

liche Diskussion darstellt. Aber auch dieses Kriterium ist nicht immer

anwendbar. Denn erinnern wir uns, daß das Urteil der Schule Scham¬

mais bzw. Hillels nicht immer mit dem UrteU identisch ist, das sie nach

der Ansicht eines Lehrers in einem strittigen Punkt geäußert haben.

Dazu kommt dann noch eine andere Schwierigkeit. Es könnte näm¬

Uch der FaU sein, daß Rabban Schim(on ben Gamli)el die Ansicht der

einen Schule nur zum Teil bzw. weder die Meinung der Schule Scham¬

mais noch diejenige der Schule HiUels aufgreift. SoU man also anneh¬

men, daß unsere Rekonstruktion abzulehnen ist? Aber das dürfte un¬

berechtigt sein. Man wird immerhin bedenken müssen, daß die Anwen¬

dung zweier Kriterien dieselbe Rekonstruktion ergibt. Doch ist anderer¬

seits festzuhalten, daß sie nur eine Hypothese ist*^.

Schließhch gibt es Interpretationen, die in verschiedener Version

überliefert werden.

So begegnet uns Babli Jebamot 95a Baraita folgende Überliefemng:

R. Jehuda (um 150 n. Chr.) sagte: Die Schule Schammais und

HiUels stimmen darin überein, daß, wenn jemand seiner Schwieger¬

mutter beigewohnt hat, er seine Frau für ihn ungeeignet gemacht

hat. Sie streiten nur über den FaU, wenn er der Schwester seiner

Analogien scheinen mir vorzuliegen z.B. Tosefta Pesachim VII 2. 13

(vgl. S. Liebebman, a.a.O., z.St.); Babli Besa 19a Baraita; Tosefta Nazir

II 10; Babli Baba batra 41b Baraita (= Babli Sanhedrin 31a Baraita);

Tosefta Edujot II 5; Tosefta Kelim Baba mesia I 2 (vgl. W. Windfuhr,

Kelim Baba mesia, in: Die Tosef ia, hrsg. von K. H. Rengstobf, z.St.);

IV 16 (vgl. W. Windfuhb, a.a.O., z.St.); Tosefta Toharot VIII 10 (vgl.

E. Schereschewsky, Toharot, in: Die Tosefta, hrsg. von K. H. Rengs¬

tobf, z. St.).

(9)

Frau beigewohnt hat. Die Schule Schammais sagt dann: Er hat sie

ungeeignet gemacht. Und die Schule Hillels sagt dann: Er hat sie

nicht ungeeignet gemacht. R. Jose sagte: Die Schule Schammais

und die Schule Hillels stimmen überein, daß, wenn jemand der

Schwester semer Frau beigewohnt hat, er seme Frau für ihn nicht

ungeeignet gemacht hat. Sie streiten nur über den Fall, wenn er

seiner Schwiegermutter beigewohnt hat. Die Schule Schammais

sagt: Er hat sie ungeeignet gemacht, und die Schule Hillels sagt:

Er hat sie nicht ungeeignet gemacht.

Die Versionen widersprechen sich: Nach R. Jehuda stimmen die

Schulen darin überem, daß man seme Frau ungeeignet gemacht hat,

wenn man seiner Schwiegermutter beiwohnte. Nach R. Jose hingegen

sind sich die Schulen nicht einig, wenn man seiner Schwiegermutter bei¬

wohnte : Die Schule Schammais meint dann, man habe seine Frau unge¬

eignet gemacht, während die Schule Hillels dem widerspricht. Nach

R. Jose sind die Schulen der Meinung, daß man seme Frau nicht tmge-

eignet gemacht hat, wenn man der Schwester seiner Frau beiwohnt^r""V.

Nach R. Jehuda dagegen sind sie verschiedener Meinung, wenn sfLn -g ^

der Schwester seiner Frau beigewohnt hat: Die Schule Schamfa«is ~

meint, man habe seine Frau ungeeignet gemacht, während die sil^le :§ \

Hillels das bestreitet. Die Frage nach der ursprünglichen Diskusbion, § «

die beiden Interpretationen zugrundeliegt, drängt sich natürlich »ttf. ? ^ .

Aber es dürfte schwierig sein, eme befriedigende Antwort zu findKn. J /

Dagegen wird man mit größerer Sicherheit sagen dürfen, daß R. Jehuda>

der Meinung war, man habe seine Frau ungeeignet gemacht, wenn man

seiner Schwiegermutter beiwohnte, und R. Jose die Ansicht vertrat,

man habe seine Frau nicht ungeeignet gemacht, wenn man der Schwester

seiner Frau beiwohnte. Um die Richtigkeit ihrer Ansicht darzulegen,

hoben dann beide hervor, daß sowohl die Schule Schammais als auch

die Schule Hillels derselben Ansicht gewesen sei*".

Aber in der tannaitisehen Literatur finden sich nicht nur Diskussionen

der Schulen Schammais und Hillels mit Interpretationen der genannten

Art, sondem auch eine ganze Reihe von Diskussionen einzelner Lehrer

oder zwischen einem Rabbinen und der Gruppe der Gelehrten, denen

eine solche Interpretation folgt.

Zunächst ein Beispiel dafür, daß mit der Diskussion zweier Lehrer

eine solche Interpretation verbunden wird.

Jebamot XV 7 lesen wir : . |

Hat sich jemand eine von fünf Frauen angetraut, und ist es nicht

bekannt, welche von ihnen er sich angetraut hat, jede einzelne von

*' Eine formale Parallele findet sich Tosefta Jom tob III 10; Babli Besa

31a Baraita. Vgl. P. Billbbbeck, a.a.O. II 829.

(10)

26 W. E. Gebbee,

ümen behauptet aber, mich hat er sich angetraut, so soll er jeder

einzelnen einen Scheidebrief geben und die Ketubba*' zwischen

ihnen niederlegen und davongehen, so R. Tarfon (um 115 n. Chr.).

R. 'Akiba (um 115 n. Chr.) aber sagte : Das ist nicht der rechte Weg,

ihn vor einer Sünde zu bewahren; vielmehr soU er jeder einzelnen

einen Scheidebrief und die Ketubba geben**.

Hiermit ist nun Babli Jebamot 118b Baraita zu vergleichen:

R. Schim(on ben Eh(ezer (um 175 n. Chr.) sprach: Nicht sind ver¬

schiedener Meinung R. Tarfon und R. 'Akiba über den, der sich eine

von fünf Frauen angetraut hat und nicht mehr weiß, welche er sich

angetraut hat, daß er die Ketubba zwischen ihnen niederlegen und

weggehen soU. Worüber streiten sie? Wenn er ihr beigewohnt hat.

R. Tarfon sagt: Er soll die Ketubba zwischen ihnen niederlegen;

R. 'Akiba sagt : Bis er jeder einzelnen die Ketubba gezahlt hat.

Es ist wohl überflüssig, auf Einzelheiten — z.B. die Erklärung —

noch einzugehen. Hier sei nur die Frage, die schon oben einmal gestellt

wurde, aufgeworfen, ob der Streit, den R. Schim(on ben Eli(ezer berich¬

tet, authentisch ist. Auch hier wäre zu bedenken, daß die von einem

Lehrer vorgetragene Differenz zweier Gelehrter durchaus zutreffend

sein kann*'

In imserem Zusammenhang ist ferner festzuhalten, daß bei zahlreichen

Interpretationen die entsprechende Diskussion fehlt^i bzw. Interpreta¬

tionen in verschiedener Version vorgetragen werden**.

Schließlich ist zu belegen, daß die Diskussion eines Rabbinen mit der

Gruppe der (belehrten mit einer interpretierenden Bemerkung versehen

wird.

Dabei kann es einmal geschehen, daß der interpretierende Lehrer die

Meinung des Rabbinen aufgreift.

Tosefta Gittin I 4 finden wir :

Alle Urkunden, die zu den Behörden der Heiden kommen ... R.

'Akiba erklärt sie für taughch und die Gelehrten erklären sie für

untaughch, abgesehen von den Scheidebriefen der Frauen und den

Freüassungsurkunden der Sklaven.

"Vgl. Jüdisches Lexikon z.St.; Encyclopedia Judaica z.St.

Vgl. P. Billeebeck, a.a.O. III 462; K. H. Rengstobf, Jebamot, z.St.

2» Vgl. Ohalot XII 8 und Tosefta Ahilot XIII 10 (vgl. W. Windftjhb,

Ahilot, in: Die Tosefta, hrsg. von K. H. Rengstobf, z.St.).

'"Eine analoge Bildung zu Jebamot XV 7 und Babli Jebamot 118b

Baraita finden wir Keritot IV 2.

" Tosefta Schabbat XV 10; Pesachim I 7; Tosefta Pesachun I 5; V 4;

Tosefta Menachot VIII 19.

Vgl. Tosefta Ahilot IX 8 (vgl. W. Windfuhe, a.a.O., z. St.).

(11)

Ebd. heißt es aber auch :

Es sprach R. EIe(azar ben R. Jose (um 175 n. Chr.) : Es sprach zu

ihnen Rabban Schim(on ben Gamli)el zu den Gelehrten in Sidon:

Nicht streiten R. 'Akiba und die Gelehrten über Urkunden, die zu

den Behörden der Heiden kommen, daß sie taughch sind. Worüber

streiten sie? Über privat angefertigte! Denn R. 'Akiba erklärt sie

insgesamt für taughch, und die Gelehrten erklären sie für untaug¬

lich, abgesehen von den Scheidebriefen der Frauen und den Frei¬

lassungsurkunden der Sklaven.

Auch hier kann auf eine nähere Besprechung verzichtet werden. Es

sei nur bemerkt, daß das Urteil, das R. 'Akiba und die Gelehrten nach

Rabban Schim(on ben Gamli)el abgeben, mit dem Urteil in der ursprüng¬

lichen Diskussion identisch ist** **.

Andererseits ist festzustellen, daß ein Lehrer die Meinung der Ge¬

lehrten bevorzugt.

Kelim XXVI 2 heißt es:

Den Geldbeutel erklärt R. Eli(ezer für verunreinigungsfähig, die

Gelehrten aber erklären ihn für rein.

Tosefta Kelim Baba batra IV 3 aber steht :

R. Natan (um 170 n. Chr.) sagt: R. Eli(ezer und die Gelehrten sind

nicht verschiedener Meinung darüber, daß ein Geldbeutel immer

rein bleibt. Worüber streiten sie? Über einen Perlenbeufel. Den

erklärt R. Eli(ezer für verunreinigungsfähig, die anderen Gelehrten aber erklären ihn für rein**.

Von einer ausgeführten Behandlung ist gleichfalls abzusehen**.

Schließlich wäre noch zu notieren, daß zahlreiche Interpretationen

33 Wir haben oben daraufhingewiesen, daß das Urteil der Schulen Scham¬

mais und Hillels in der ursprünglichen Diskussion nicht immer mit dem

Urteil identisch ist, das sie nach der Meinung eines Lehrers in einem stritti¬

gen Punkt geäußert haben. Etwas Analoges gibt es nun auch in unserem

Zusammenhang, vgl. Kelim XXVI 4 und Tosefta Kelim Baba batra IV 7

(vgl. W. Windfuhb, Kelim Baba batra, in: Die Tosefta, hrsg. von K. H.

Rengstobf, z. St.).

3* Eine formale Analogie begegnet Zebachim VIII 4 und Babli Zebaehim

77 a Baraita. Sio kann aueh Ketubbot XIII 1 und Tosefta Ketubbot XIII

5 (= Babli Ketubbot 109 a Baraita) vorliegen, wenn der Anonymus, der

sich Ketubbot XIII 1 äußert, mit der Gruppe der Gelehrten zu identifi¬

zieren ist.

3« Vgl. Babli Sanhedrin 68a; P. Billebbeck, a.a.O., IV 316.

3« Formale Analogien finden wir z.B. Tosefta Chullin III 7; Kelim XII 6

und Tosefta Kelim Baba mesia II 12 (vgl. W. Windfuhb, Kelim Baba

me^ia, in: Die Tosefta, hrsg. von K. H. Rengstobf, z.St.).

(12)

28 W. E. Gerbe, Interpretationen zu tannaitisehen Diskussionen

zwischen einem Rabbinen und der Gruppe der Gelehrten ohne die zu¬

grundehegende Diskussion überliefert werden*'.

Damit sind wir am Ende unserer Darlegungen angekommen. Sie

dürften gezeigt haben, daß das eingangs erwähnte Schema einen weiten

Spiekaum für verschiedene Variationen zuläßt, außerdem, daß frühere

Traditionen nicht widerspruchsfrei hingenommen, sondern — wahr¬

scheinhch aufgrund der eigenen Position — umformuliert werden.

" Vgl. Tosefta Sehabbat XII 14 (= Tosefta Sukka I 8); Tosefta Zeba¬

chim VIII 20; Temura III 1; Tosefta Negaim III 5.

(13)

Von Otto Jastbow, Saarlouis

Südostanatolien beherbergt auf einem Gebiet von mehr als 200 km

Länge und 100 km Tiefe^ eine Fülle arabischer Dialekte, die bis heute

vöUig unerforscht, ja größtenteils nicht einmal dem Namen nach be¬

kannt sind. Die einzige größere Publikation, die je in dieses Neuland

vorstieß, waren Albebt Socins Mardintexte*. An ihnen orientiert sich

seit Generationen die Vorstellung vom Dialekt dieser Stadt und von

den arabischen Dialekten Südostanatoliens schlechthin. Es hegt auf der

Hand, daß neue Materialien zu den arabischen Dialekten dieser Gegend

ein dringendes Desideratum sind, denn abgesehen davon, daß das Mar-

dinarabische durch Socms Texte nur mangelhaft repräsentiert ist*,

reicht auch die Kenntnis eines einzelnen Dialekts keineswegs aus, um

sieh ein Bild dieser höchst altertümlichen und interessanten, dabei doch

in sich selbst sehr differenzierten Dialektgruppe zu machen, die in den

unzugänghchsten Gebieten der Türkei bis heute überlebt hat.

Die folgenden Textproben sollen zeigen, daß inzwischen erste Schritte

in Richtung auf eine ,, Erforschung der qaltu-Disdekte des Mesopotamisch-

arabischen (mit Schwerpunkt auf den Dialekten Südostanatohens)"

unternommen worden sind. Im Rahmen eines zweijährigen Forschungs¬

unternehmens, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft getragen

wird*, habe ich zunächst im Herbst 1967 und im Frühjahr 1968 insge¬

samt mehr als fünf Monate in Mardin zugebracht.

Während dieser Zeit wurde nicht nur der Dialekt der Stadt Mardin,

sondern auch eine Auswahl anderer Dialekte aus dem Vilayet Mardm

bearbeitet. Die Texte illustrieren, welcher Grad von Differenzierung

1 Die Endpunkte sind: im Nordwesten fermik, im Südwesten Urfa, im

Nordosten Sasun und Sürt und im Südosten Äzax (Idil). Die arabischen

Dialekte sind mit unterschiedlicher Dichte über das Gebiet verteilt, das

zum größten Teil von Kurden besiedelt ist. Die relativ größte Dichte er¬

reichen sie bei Mardin und Sürt.

2 Albert Socin, Der arabische Dialekt von Mö^ und Märdln, ZDMG 36,

S. 4—12, 26—53, 237—277 (1882).

3 Leider muß man Socin, von den zeitbedingten UnvoUkommenheiten seiner

Arbeit einmal ganz abgesehen, die mangelnde Sorgfalt bei der Auswahl seiner

Informanten zum Vorwurf machen : Seine Texte sind alles andere als reines

Mardinarabisch.

* Die Anregung zu diesem Unternehmen verdanke ich Haim Blancs

Buch Communal Dialects in Baghdad, Harvard University Press, 1964, aus

dem auch die Bezeichnung „qdltu-Dialekte" stammt.

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