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Da Ma gcig lab sgron ma die zentrale Persönlich¬ keit der gCod-Schule war, eignet sich ihre Biographie besonders für eine Quellenanalyse

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QUELLENANALYTISCHE VORARBEITEN

Von Karenina KoUmar-Pauienz, Bonn

Vor einigen Jahren übersetzte ich im Rahmen meiner Magisterarbeit' eine

zu Beginn dieses Jahrhunderts verfaßte Biographie^ der Ma gcig lab sgron

ma, einer Mystikerin des 11. Jahrhunderts, die der tibetischen gCod-Tradi-

tion angehört. Schon damals steUte sich mir die Frage, welche älteren Quel¬

len der Autor bei der Abfassung der Biographie wohl benutzt hatte und wie

aus dem vorhandenen Quellenmaterial zum Leben dieser Mystikerin ein hi¬

storisch annähernd gesichertes Lebensbild ersteht werden könnte. Aus dieser

Fragestellung ergab sich in der Folge das Thema meiner Dissertation, an der

ich zur Zeit arbeite.' Anhand einer quellenkritischen Analyse des Zhi byed-

chos 'byung*, eines Geschichtswerks der Zhi byed- und gCod-Schulen, versu¬

che ich die innere historische Entwicklungsgeschichte der beiden Schulen her¬

auszuarbeiten. ' Einen Ausschnitt aus meiner Arbeit möchte ich hier vorstel¬

len.

Eine quellenanalytische Untersuchung läßt sich am besten anhand von

Einzelbiographien bedeutenderer Traditionsträger der betreffenden Schulen

durchführen, da sich über sie genügend Material auch in Kirchengeschichten und Chroniken etc. findet. Da Ma gcig lab sgron ma die zentrale Persönlich¬

keit der gCod-Schule war, eignet sich ihre Biographie besonders für eine

Quellenanalyse; an ihrem Lebensbericht kann die innere historische Ent¬

wicklung einer solchen Heiligenvita exemplarisch aufgezeigt werden.

An dieser Stelle möchte ich den Inhalt der gCod-Lehre kurz ins Gedächtnis rufen. Tib. gcod pa bedeutet ,, abschneiden, durchtrennen". Mit Hilfe dieses

' Karenina Kollmar: Ma-gcigdab-sgron-ma. Eine Mysd/<erin der tibeti¬

schen gCod-Tradilion. Unveröffentlichte Magisterarbeit. Bonn 1984.

2 Es handelt sich um den im gCod yul ... byin rlabs gter mtsho enthalte¬

nen Text; s. Anm. 30.

' Der Arbeitstitel lautet: ,,Der Rosenl<ranz der Befreiung. "Die Geschich¬

te der Zhi byed- und gCod-Schulen des tibetischen Buddhismus.

* Vollständiger Titel: Zhi byed dang gcod yul gyi chos 'byung rin po che'i phreng ba thar pa'i rgyan. Toyo Bunko 47—724. Ebenfalls in: gCod kyi chos skor. New Delhi 1974.

' Über die gCod-Schule selbst existiert bis heute keine umfassende histori¬

sche Untersuchung. In neuerer Zeit sind einige Aufsätze erschienen, so

z. B. Janet Gyatso: The Development of the Gcod Tradhion. In:

Soundings in Tibetan Civilization. Eds. B. N. Aziz & Matthew Kap-

STEiN. New Delhi 1985, S. 320—341. Qyatsos Darstellung läßt jedoch

eine quellenkritische üntersuchung des Textmaterials vermissen.

(2)

Die Biographie der Ma gcig lab sgron ma 373

Rituals soll das diskursive Denken (tib. rnam par rtog pa) abgetrennt, d. h.

überwunden werden. Wegen der Spaltung in ein denkendes Subjekt und ein

gedachtes Objekt verhindert das diskursive Denken die Erkenntnis der

Nicht-Dualität der Erscheinungswelt* und demzufolge die Befreiung aus dem

Kreislauf der Wiedergeburten. Die Erkenntnis der Leerheit der Erschei¬

nungswelt wird durch die Meditation sowie die Visualisation schreckenerre¬

gender Gottheiten erreicht.'' Während der Ausübung des Ritus visualisiert

der Adept aus sich heraus eine schwarze zornvolle Däkini, die die Zerstücke¬

lung seines Körpers vornimmt. Mit den einzelnen Körpergliedern* speist sie

die zuvor herbeigerufenen Dämonen und Gottheiten'. Nach der Speisung

(tib. phung po gzan skyur) absorbiert der Adept die Gottheit wieder in ,,sein eigenes Herz", d. h. er zerstört sie, so wie er sie zu Beginn des Ritus erschaf¬

fen hat. Dieses Erlebnis führt unmittelbar zur Gewißheit des illusionären

Charakters der Erscheinungswelt und damit zur Erkenntnis der Sünyatä. Die

gCod-Meditation wird zur Nachtzeit an hierfür besonders geeigneten Orten,

z. B. auf Leichenplätzen, durchgeführt.

Die nach dem Ritual benannte Schule geht der Tradition nach auf den süd¬

indischen Siddha Pha dam pa sangs rgyas'" zurück, der im Laufe des 11.

Jahrhunderts Tibet mehrere Male besucht haben soll. Er hat die gCod-Lehre

Ma gcig lab sgron ma übermittelt, die in der Folge zur bedeutendsten Expo¬

nentin des gCod wurde. Ma gcig lab sgron ma, ,, Einzigartige Mutter, Leuch-

« S. G. Tucci: Die Religionen Tibets. Stuttgart 1970, S. 106—112.

■' Zu der seelischen Grundbefindlichkeit, die sich zu einer solchen Visuah- sierung eignet, äußert sich Tucci: op. cit., S. 107—108.

* Die Körperglieder und inneren Organe werden in vielen gCod-Texten mi¬

nutiös aufgelistet, s. rJe btsun mkha ' spyod dbang mo la brten pa 7 gcod tshogs mkha' spyod grub pa'i dga' ston, Fol. 16a.

' Es handelt sich zumeist um schreckenerregende Gottheiten wie 'Dre,

gDon, gNod sbyin etc. Eine besondere Rolle kommt den vier ,,Skandha- Dämonen" (tib. phung po bdud bzhi) zu, die im Phung po gzan skyur gyi rnam bshad, Fol. 103 ff., ausführlich beschrieben werden.

Seine Biographie im Deb sngon, na, Fol. la ff. (Übersetzung in G. N.

Roerich: The Blue Annais. New Delhi 1979, S. 868 ff.); ebenso im Zhi byed chos 'byung, Fol. 83b ff. B. N. Aziz gibt in ihren Aufsätzen The Work of Pha-dam-pa Sangs-rgyas as revealed in Ding-ri Folklore. In: Ti¬

betan Studies. Ed. M. Aris & A.S.S. Oxford 1979, S. 21—29, und In¬

dian Philosopher as Tibetan Folk Hero. The legend of Langkor: A new

source material on Pha dam pa Sangye. In: CAJ 23, 1—2 (1979),

S. 19—37, einen Abriß seines Lebens.

(3)

te von Lab"", lebte ungefähr von 1055 bis 1149'^, wie sich aus dem uns vor¬

liegenden Quellenmaterial ergibt. Dieses Material ist drei literarischen Gat¬

tungen zuzuweisen: 1. Kirchengeschichten und Chroniken, 2. Biographien

und Biographiensammlungen und 3. Lehr- und Ritualtexten der gCod-

Schule. Unter den Kirchengeschichten und Chroniken, unserer ersten litera¬

rischen Gattung, findet sich der älteste bis jetzt bekannte Lebensbericht der

Ma gcig lab sgron ma im 1476 von 'Gos lo tsa ba gZhon nu dpal

(1392—1481) verfaßten Deb ther sngon po, den ,, Blauen Annalen"". Die

Blauen Annalen stellen nach dem bisherigen Urteil der Fachwelt eine zuver¬

lässige Quelle dar, wenngleich der Autor die von ihm benutzten Quellen zu¬

meist vom Umfang her stark reduziert.'''

" ,,Lab" ist hier eindeutig eine Ortsbezeichnung und bedeutet nicht ,, Leuchte der Rede" (tib. lab), wie H. Hoffmann: Die Religionen Ti¬

bets. Freiburg/München 1956, S. 129, übersetzt. Im Zhi byed chos

'byung, Fol. 22b, wird die Namengebung erläutert.

'2 Ma gcig wurde um 1055 in der Region E bzw. E lab, einem Gebiet östlich des Yar klungs-Tals, geboren. In nahezu allen konsultierten Quellen wird

als ihr Geburtsort mTsho mer angegeben. Nur das gCod yul ... byin

rlabs gter mtsho, Fol. 16b, nennt Dam shod lab. In einigen Quellen wird

Dam/Tam shod (Phung po gzan skyur, Fol. 5b; Zhi byed chos 'byung,

Fol. 21 a.) als Bezeichnung der Region, in der ihr Geburtsort liegt, ge¬

nannt. Klong rdol bia ma (Tibetan Buddhist Studies, za, S. 322) gibt als Variante 'Dah grong mtsho mer. In ihrem 16. Lebensjahr wird Ma gcig

in Grva thang von dGe bshes grva pa mngon shes, dem berühmten gTer

ston der rNying ma pa, als Rezitatorin der Prajnäpäramitä-Schriften für vier Jahre engagiert. Während dieser Zeit trifft sie kurz mh Pha dam pa zusammen. Nach Ablauf der vier Jahre begibt sich Ma gcig nach E chung

zu sKyo ston bsod nams bia ma, einem der bedeutendsten Schüler des

Pha dam pa, der in der Folge ihr ,, Wurzel-Lama" wird. Zu Beginn ihres 20. Lebensjahres geht sie ein eheähnliches Verhältnis mit dem Yogin Thod pa bha dra ein, von dem sie zwei Söhne und eine Tochter (gCodyul

... byin rlabs gier mtsho, Fol. 24b; Phung po gzan skyur, Fol.

34a — 35a), nach anderen Quellen (Deb sngon, pa, Fol. 2b; Zhi byed chos 'byung, Fol. 27a) drei Söhne und zwei Töchter bekommt. Klong rdol bia ma (za, S.322) nennt sogar drei Töchter, wobei der Name der dritten, Nyang mo bsod nams rgyan, große Ähnlichkeit mit dem einer Schülerin der Ma gcig, bSod nams rgyan, besitzt. In ihrem 35. Lebensjahr zieht sich Ma gcig aus dem wehlichen Leben zurück. In Zangs ri mkhar dmar, an der Nordseite des gTsang po in Zentraltibet gelegen, gründet sie ein Kloster, in dem sie inmitten einer stetig wachsenden Schar von Schülern den Rest ihres Lebens verbringt. Sie stirbt hochbetagt im Jahre 1149 oder 1153.

'3 Xerokopie des Indologischen Seminars der Universität Bonn, nach einem

Mikrofilm des von Bell erworbenen Exemplars, heute im Liverpool

Public Museum; Druck von Kun bde gling. Die Biographe der Ma gcig

im Kapitel über gCod, pa, Fol. 2b ff.

S. hierzu H. Eimer: Berichte Uber das Leben des Alisa (Dipamkarasri¬

jhäna). Eine Untersuchung der Quellen. Wiesbaden 1977, S. 240—241.

(4)

Die Biographie der Ma gcig lab sgron ma 375

Für die Spanne zwischen Ma gcigs Tod und der Abfassung der Blauen An¬

nalen, also für ungefähr 330 Jahre, liegen uns keine schriftlich überheferten

Zeugnisse vor. Rang byung rdo rje (1284—1339) liefert uns jedoch einen

Hinweis, daß schon zu seiner Zeit eine oder sogar mehrere Biographien der

Mystikerin bekannt gewesen sein müssen."

In dem zwischen 1545 und 1565 von dPa' bo gtsug lag 'phreng ba

(1503—1565) verfaßten mKhas pa'i dga' ston liegt uns ebenfalls eine verlä߬

liche Quelle vor,'* die bekanntermaßen extrem quellengetreu vorgeht.'''

Während sich im Deb ther sngon po nur ansatzweise Tendenzen zu einer

Überhöhung der historischen Persönlichkeit der Ma gcig finden,'* ist der

Deifizierungsprozeß im mKhas pa'i dga'ston bereits abgeschlossen." In die¬

ser Chronik liegt uns der früheste bisjetzt bekannte, die ,,deifizierende" und die rein ,, biographische" Tradition vereinende Lebensbericht vor, so daß für

die Verschmelzung dieser beiden Traditionen zumindest ein terminus ante

quem gegeben werden kann.

Während die Blauen Annalen und das mKhas pa'i dga'ston für uns einen

hohen Quellenwert besitzen, ist dies bei der Chronik des Padma dkar po

(1526—1592)^" nicht so. Padma dkar po zeigt eine deutlich erkennbare Ten¬

denz zur Überhöhung und hagiographischen Ausschmückung seines Mate¬

rials. 2' Die gleiche Tendenz der Überhöhung gilt für das dPag bsam Ijon

bzang^^, das Sum pa mkhan po Ye shes dpal 'byor (1704—1788) im Jahre

1748 abgefaßt hat. Im letzten Band des gSung 'bum des Klong rdol bia ma

(geb. 1719) finden sich einige wenige biographische Angaben zu Ma

" S. gCod bka' tshoms chen mo'i sa bead, Fol. 506. In: gDams ngag

mdzod. Vol. IX, Fol. 501—527.

" Mkhas-pahi-dgah-ston of Dpah-bo-gtsugdag (also known as Lho-brag- chos-hbyuh). Ed. by L. Chandra: With a foreword by H. E. Richard¬

son. Vol. 1—4. New Delhi 1959—62. (Sata-Pitaka Series. 9.) Die Kurz- biographie der Ma gcig im 10. Kapitel.

" S. H. E. Richardson in: L. Chandra: Mkhas-pahi-dgah-ston. 1. ix-x.

'8 So in dem Bericht von den vier Däkinls in Form von vier schwarzen Vö¬

geln, die um Pha dam pa herumfliegen (pa, Fol. 3a; Blue Annals,

S. 984). Eine dieser Dakinis ist Labs sgron aus g'Ye.

" So heißt es dort (S. 756): ,,Die Prajfiäpäramitä, die Gesegnete, die Buddhadäkini, nahm einen menschlichen Körper an ..."

2" L. Chandra (ed.): Tibetan Chronicle of Padma-dkar-po. (Sata-Pitaka Series. 75.) New Delhi 1968, Fol. AIS—Aid.

2' S.H. Eimer: Die Gar log-Episode bei Padma dkar po und ihre Quellen.

In: Orientalia Suecana 23—24 (1974—1975), S. 182—199.

22 Pag sam jon zang. Part II. History of Tibet from Early Times to 1745 A.D. Edited with an Analytical List of Contents in English. By Sarat Chandra Das. Calcutta 1908, S. 375—376.

(5)

gcig.^'die sich jedoch für die Quellenanalyse als wertvoll erweisen. Das 1802

von dem Thu'u bkvan blo bzang chos kyi nyi ma (1737—1802) verfaßte

Grub mtha' shel gyi me long konzentriert sich mehr auf die Lehrinhalte des

gCod und enthält nur knappe Angaben zur Person der Ma gcig.^'' Thu'u

bkvan unterzieht jedoch die von ihm benutzten Quellen einer kritischen

Bewertung^' und ist deshalb für uns von Interesse.

Im Shes bya kun khyab, dem enzyklopädischen Werk des Kong sprul bia

ma Bio gros mtha' yas (1813—1899), sind einige Daten zum Leben der Ma

gcig enthalten. 2* Allerdings sind in diesem Werk schon allein wegen seines

späten Entstehungsdatums und schulübergreifenden Charakters mit Sicher¬

heit sekundäre Tendenzen auszumachen.

Während die Kirchengeschichten und Chroniken sich auf die wichtigsten

Daten beschränken und jeweils nur einen knappen Rahmenbericht liefern,

wird in den Biographien, der zweiten literarischen Gattung, ein wesentlich

differenzierteres Lebensbild der Ma gcig entworfen. Darüber hinaus liefern

die Biographien ausführliche Hintergrundinformationen für Ereignisse, die

in den Chroniken oftmals nur kurz erwähnt werden. Drei Werke relativ re¬

zenten Datums sind hier zu nennen. Das Phung po gzan skyur gyi rnam

bshad^^, ein Lehrtext der gCod-Schule, enthält in den ersten beiden seiner

insgesamt 10 Kapitel einen ausführlichen Lebensbericht der Ma gcig. Tat¬

sächlich liegt uns mit dieser Biographie der umfangreichste bis jetzt bekannte Bericht vor. Dieses Werk ist wahrscheinlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts

von einem bislang unbekannten Autor abgefaßt worden.

23 Tibetan Buddhist Studies of Klong-rdol bla-ma Nag-dbah-blo-bzah . Vol .

2. Edited from the Lhasa xylograph by Ven. Dalama. Mussorie 1964.

Za, S. 322.

^* Grub mtha' thams cad kyi khungs dang 'dod tshul ston pa legs bshad

shel gyi me long. In: Colleeted works of Thu 'u bkwan blo bzang chos kyi

hi ma. Volume 11 (kha). Edited and reproduced by Nawang Gelek

Demo. Delhi 1969 (Gedan Sungrab Minyam Gyunphel Series. Vol. II).

Angaben zu Ma gcig im Kapitel über Zhi byed und gCod, Fol. 190.

2' S. z. B. seine Bemerkung über Thod smyon bsam 'grub, Fol. 190.

2' L. Chandra (ed.): Kongtrul's Encyclopaedia of Indo-Tibetan Culture.

With an introduction by Gene E. Smith. Pt 1—3 (in einem Band). New

Delhi 1970 (Sata-Pitaka Series. 80.) I, Fol. 533—543, insbes. Fol. 539 ff.

2' Vollständiger Titel: Phung po gzan skyur gyi rnam bshad gcod kyi don gsal byed (Randtitel: rnam bshad), indischer Nachdruck einer undatier¬

ten und anonymen Handschrift von insgesamt 330 Fols. Die Biographie der Ma gcig findet sich auf den Fols. lb — 63b. Dieser Text wurde vom

Tibet House, New Delhi, in einem Sammelband von gCod-Texten (gCod

kyi gcod skor. New Delhi 1974) publiziert.

28 Der Text enthält keinen Kolophon. Das dem Werk beigefügte gSol 'debs wurde vom Kong sprul bia ma Bio gros mtha'yas verfaßt.

(6)

Die Biographie der Ma gcig lab sgron ma . III

Die zweite Biograpfiie ist im schon genannten Zhi byed chos 'byung, einer

Biographiensammlung von Heiligen der Zhi byed- und gCod-Schulen, ent¬

halten. Sie wurde wahrscheinlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem

Osttibeter 'Jigs bral chos kyi seng ge verfaßt.^'

Das gCod yul nyon mongs bia ma brgyud pa 'i rnam thar^^, eine Biogra¬

phiensammlung von Meistern der gCod-Schule, die der rDza rong bia ma

Ngag dbang bstan 'dzin nor bu (1867—1940)" wohl zu Beginn dieses Jahr¬

hunderts abgefaßt hat, enthält ebenfalls eine ausführliche Biographie der Ma

gcig. Diese ausführlichen Biographien weisen alle eine stark hagiographische Tendenz auf. Ma gcig's vergöttlichte Natur als Inkarnation der Jnänadäkinf wird wesentlich stärker betont als ihre historische Persönlichkeit. So finden

sich in diesen Lebensberichten verstärkt Schilderungen von Wundertaten etc.

Deshalb sind die Biographien von ihrem QueUenwert her kritisch zu betrach¬

ten.

Die schulspezifischen Biographiensammlungen schöpfen oft aus Quellen,

die in den Chroniken meist keine Verwendung finden, so z. B. aus Lehr- und

Ritualtexten, unserer dritten literarischen Gattung. In ihnen finden sich ver¬

einzelt biographische Angaben zu Ma gcig. Von besonderer Bedeutung für

uns ist das Thang stong snyan brgyucP-^, eine Sammlung von gCod-

Ritualtexten, die der Heilige Thang stong rgyal po (1385—1464)" in einer Vi¬

sion der Gottheit Värähl auf dem Rasmisvara-Leichenplatz in Kashmir er¬

halten haben soll. Das Thang stong snyan brgyud wurde in der mir vorliegen¬

den Fassung von dem Kah thog Si tu Chos kyi rgya mtsho (1880—1925)

kompiliert, geht jedoch auf eine Edition des Bia ma gShongs chen aus dem

16. Jahrhundert zurück.

" 2'* über sein Leben ist nur wenig bekannt; einige wenige Auskünfte erteilte

mir Tashi Tshering, research scholar an der LTWA, Dharamsala, wäh¬

rend eines Gesprächs im Sommer 1985. Eine Biographie scheint nicht zu existieren.

3" gCod yul nyon mongs zhi byed kyi bka ' gter bia ma brgyud pa 'i rnam thar byin rlabs gter mtsho. A collection of biographies of gurus in the transmission lineage of the Gcod teachings by Ngag-dbang-bstan- 'dzin-

nor-bu of Rong-phu. Reproduced from L. P. Lhalungpa's Tibetan

xylograph by Sonam T. Kazi. Gangtok 1972. (Ngagyur Nyingmay Sun-

grab. Vol. 21.) Die Biographie der Ma gcig auf den Fols. 13a — 40b.

" Seine Biographie bei Khetsun Sangpo: Biographical Dictionary of Tiliei and Tibetan Buddhism. Dharamsala 1973—1981. Vol. IV, S. 573—594.

32 Thah-stoh-shan-brgyud. A treasured collection of gCod practices re¬

ceived by Thah-stoh rgyal-po in a vision of Värähl in the Rasmisvara ce¬

metery in Kashmir. Two volumes. New Delhi 1973. Die Kurzbiographie der Ma gcig in Vol. I, S. 4—6. Zum Thang stong snyan brgyud s. auch J.

GvATSO: A Literary Transmission of the Traditions of Thang-stong

rgyal-po: A Study of Visionary Buddhism in Tibet. Ph. D. Berkeley

1981, S. 160—180.

33 Zu seiner Person s. J. Gyatso: op. cit.

(7)

Die Ritualtexte stellen generell wahrscheinlich die ältesten uns bekannten

Quellen zur gCod-Tradition dar. Das bKa' tshoms chen mtP'*, ein kurzer

Text von nur fünf Folien Umfang, soll sogar von Ma gcig selbst verfaßt wor¬

den sein. Für unsere Zwecke ist ein weiterer Text, das gCod dbang mdor

bsdus rin po che'i 'phreng ba^^, von Bedeutung, da es kurze Angaben zur

Person der Ma gcig enthält.

Wie kommt man nun anhand des hier vorgesteUten Materials zu einem

einigermaßen verläßlichen historischen Lebensbild der Ma gcig lab sgron

ma? Und auf welche Zeit läßt sich dieses Lebensbild zurückverfolgen?

Um diese Fragen befriedigend beantworten zu können, sind die Texte auf

ihren Quellenwert hin zu untersuchen; hier ist zuerst zu fragen, welchen Ka¬

tegorien die Quellen angehören.'* Alle hier vorgestellten Quellen sind der

,, Tradition"'^ zuzurechnen. In einem nächsten Schritt ist das Material nach

den Kriterien der ,, äußeren Kritik"'* zu untersuchen. Dabei wird es der

Quellenanalyse unterzogen, die das wichtigste Instrumentarium zur Erarbei¬

tung eines historisch annähernd zuverlässigen Lebensbildes darstellt. Durch

eine queUenanalytische Untersuchung" lassen sich einige wichtige Aussagen

zur Entwicklung der biographischen Überlieferung der Ma gcig gewinnen.

Anhand einer Reihe von Kriterien kann das jeweilige Verwandtschaftsver¬

hältnis der Quellen zueinander näher bestimmt werden, so durch einen Ver¬

gleich der sprachhchen Form"»", des Inhalts und des Handlungsablaufs. Die

in den Kirchengeschichten und Chroniken gegebenen biographischen Daten

Shes rab kyi pha roi tu phyin pa zab mo gcod kyi man ngag gi gzhung

bka' tshoms chen mo. In: gDams ngag mdzod. Vol. IX, S. 456—466.

3' In der tibetischen Handschriftensammlung der LTWA, Dharamsala, un¬

ter der Signatur ca 8,18 12664.

3' D. h. entweder den ,, Überresten" oder der ,, Tradhion"; vgl. hierzu E.

Bernheim: Lehrbuch der Historischen Methode und der Geschichtsphi¬

losophie. Mh Nach weis der wichtigsten Quellen und Hilf smh tel zum Stu¬

dium der Geschichte. 2 Bde. New York 1914 (Reprint 1970), S. 255.

3' Im Gegensatz zu den Überresten verfolgt die Tradition stets das Ziel, die ,, Erinnerung von Begebenhehen zu erhalten" (Bernheim: Lehrbuch der Historischen Methode, S. 257), d. h. sie will a priori historisches Material sein.

3' D. h. nach der Echtheit, Entstehung und Rezension sowie Edition der

Quelle.

3« Eine Definition der Quellenanalyse bei Bernheim: Lehrbuch der Histo¬

rischen Methode, S. 414.

"0 In diesem Zusammenhang besonders wichtig die Feststellung von Hel¬

mut Eimer, eine ,, einmal formulierte Aussage wird in der folgenden überlieferungs- oder Überarbeitungsstufe oft nur geringfügig umgestal¬

tet — zumindest aber in ihrem Kern unverändert weherverwendet." (H.

Eimer: rNam thar rgyas pa. Materialien zu einer Biographie des Atisa (Diparnkarasrijnäna). Wiesbaden 1979, S. 18.)

(8)

Die Biographie der Ma gcig lab sgron ma 379

weichen in ihrer sprachlichen Form beträchtlich voneinander ab. Das gleiche

trifft auf den Handlungsablauf zu.'*' Für den Inhalt ergaben sich jedoch viele

Gemeinsamkeiten.Das in den Chroniken gegebene Namenmaterial erweist

sich als von großem quellenkundlichen Interesse, da es vielfältige Bezüge zu

dem in den selbständigen Biographien gegebenen Material hat."" Einige we¬

nige, jedoch signifikante Unterschiede fallen auf und geben einen ersten Hin¬

weis auf eine oder mehrere neben der Haupttradition existierende Nebentra¬

ditionen innerhalb der biographischen Überlieferung. So vereinigt Klong

rdol bia ma in seinem knappen Lebensbericht offensichtlich mehrere Tradi¬

tionsströme, wie aus dem von ihm vorgestellten Namenmaterial deutlich

wird.''^

Ein Vergleich der sprachlichen Form der einzelnen Biographien deutet auf

ein enges Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Phung po gzan skyur gyi

rnam bshad und der vom rDza rong bia ma verfaßten Biographie hin. Neben

teilweise wortgetreuen Übereinstimmungen in der sprachlichen Form"*' wei-

So folgt z. B. im mKhas pa'i dga' ston der Biographie der Ma gcig eine Auflistung verschiedener Schülerlinien und daran anschließend die Bio¬

graphie ihres Sohnes rGyal ba don grub. Im Deb sngon hingegen wird

nach Ma gcigs Biographie Pha dam pas Begegnung mit den vier Däkinls und die Lebensgeschichte von zweien dieser Däkinls erzählt, dann erst folgt die Biographie des rGyal ba don grub. Andere Chroniken, z. B. das

dPag bsam Ijon bzang, erwähnen rGyal ba don grub gar nicht, dafür

aber Thod smyon bsam 'grub.

Ma gcigs Vita wird in den Kirchengeschichten im wesentlichen nach dem gleichen Schema dargestellt: (1) Herkunft, (2) Begegnung mit Grva pa

mngon shes, (3) Treffen mit Dam pa, (4) Zusammenleben mit Thod pa

bha dra und Geburt der Kinder, (5) Lehrzeit bei sKyo ston bsod nams bia ma, (6) Aufenthalt in Zangs ri mkhar dmar und (7) Tod. In den Chroni¬

ken werden die einzelnen Elemente verschieden gewichtet, manchmal fehlt eines ganz, so z. B im mKhas pa'i dga' ston (4), in der Chronik des Padma dkar po (I).

So wird Ma gcigs Initiation durch sKyo ston — im Deb sngon, pa, Fol.

2a, nur kurz erzählt — ausführlich in den Biographien geschildert (gCod yul ... byin rlabs gter mtsho, Fol. 21b — 22b; Phung po gzan skyur, Fol.

21a — 24b; Zhi byed chos 'byung, Fol. 24b — 25a. rGyal ba don grubs Be¬

kehrung wird nur im Deb sngon und mKhas pa'i dga' ston erwähnt, in

den Biographien jedoch ausführlich erzählt.

So z. B., wenn er als Namen von Ma gicgs Vater Chos bia dbang phyug mgon po angibt (za, S. 322), der im Phung po gzan skyur, Fol. 5b, Deb sngon, pa, Fol. 2b, Zhi byed chos 'byung, Fol. 21a, Chos bia (Variante:

Chos zla) lautet, und im gCod yul ... byin rlabs gier mtsho, Fol. 17a,

dBang phyug mgon po. Der Name der Mutter, den Klong rdol bia ma

(za, S. 322) mit Kiu ma 'bum leam dpal skyid angibt, ist in keiner ande¬

ren Quelle belegt.

*■ Vgl. gCodyul ... byin rlabs gier mtsho, Fol. 15a ff., und Phung po gzan skyur, Fol. lb ff.

(9)

sen die beiden Texte über weite Passagen einen völlig identischen Handlungs¬

ablauf auf.'"' Die im Zhi byed chos 'byung enthaltene Biographie hingegen ist

in ihrer sprachlichen Gestak unabhängig von den beiden oben genannten

Biographien, steht diesen aber sowohl vom Inhalt als auch vom Handlungs¬

ablauf her sehr nahe.'*'' Die in den Lehr- und Ritualtexten der Schule enthal¬

tenen biographischen Angaben lassen sich zumeist einer gemeinsamen Über¬

lieferung zuordnen. So findet sich in der im Thang stong snyan brgyud ent¬

haltenen Kurzbiographie der Ma gcig eine Aussage, die wortgetreu in der

vom rDza rong bia ma abgefaßten Biographie wiedergegeben wird.'** Dar¬

über hinaus enthält dieses Werk einen ausführlichen, sich über mehrere Fo¬

lien erstreckenden Bericht einer Episode aus Ma gcigs Leben,"' die in keinem

anderen Lebensbericht erwähnt wird außer im Thang stong snyan brgyud,

wo diese Episode in einem toposartig formulierten Satz angesprochen wird.'"

Aus solchen Indizien können wir auf die Existenz noch weiterer, uns bis jetzt

unbekannter Quellen schließen, die neues und von der hier vorgestellten Tra¬

dition abweichendes bzw. sie ergänzendes biographisches Material enthalten

können.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß ein Hauptstrom der bio¬

graphischen Überlieferung existiert, der sich anhand schriftlicher Quellen bis

ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen läßt. Es gibt Hinweise auf eine oder

mehrere Nebentraditionen, die sich im Inhalt jedoch nicht signifikant von

dem Hauptüberlieferungsstrom zu unterscheiden scheinen. Einer solchen

quellenanalytischen Untersuchung, wie ich sie hier am Beispiel der Biogra¬

phie der Ma gcig lab sgron ma skizziert habe, muß die ,, innere Krkik" der

Quellen folgen. Sie kann hier jedoch nicht dargelegt werden und muß der

weiteren Forschung vorbehalten bleiben.

''* Eine Konkordanz der in Anm. 45 genannten Biographien ergibt folgende in ihrem Handlungsablauf identische Stellen:

gCod yul .. ■byin rlabs gier mtsho Phung po gzan skyur

17b—26b 10a—39b

31a—34a 39b—51a

36a—39b 5Ib—59b

Das Phung po gzan skyur ist in seiner Darstellung ausführlicher, wäh¬

rend der Dza rong bia ma seine Darstellung etwas gestrafft hat.

''■' Der Handlungsablauf ist fast identisch mit den beiden anderen Biogra¬

phien.

■•^ Vgl. Thang stong snyan brgyud, S. 5, Fol. 4, und gCodyul ... byin rlabs gter mtsho, Fol. 39b2-3.

S. gCod yul ... byin rlabs gter mtsho, Fol. 26b — 31a.

'0 S. Thang stong snyan brgyud, S. 4, Fol. 5.

51 S. Bernheim: Lehrbuch der Historischen Methode, S. 325.

(10)

IRANISTIK

Leitung: Bernt Fragner, Berlin

INDISCHES LEHNGUT IM KHOTANISCHEN

Von Almuth Degener, Mainz

Das Khotanische (Khot.) ist nicht nur die östlichste der bekannten ostmit-

teliranischen Sprachen, sondern auch diejenige mit dem umfangreichsten

Lehnwortschatz aus dem Indoarischen. Die Bedeutung des indischen Lehn¬

gutes im Khotanischen ist wiederholt hervorgehoben worden,' ebenso auch

die Unzulänglichkeit der bestehenden Hilfsmittel.^ An dieser Stelle kann kei¬

ne Klassifikation indischen Lehnguts gegeben werden,' ganz zu schweigen

von einer umfassenden Beschreibung und Auflistung der Beispiele. Es sollen

lediglich einige Probleme und Möglichkeiten ihrer Lösung oder Umgehung

skizziert werden, um einen Eindruck von der Lehnwortstudie zu vermitteln,

die zu erstellen ich plane.

' Vgl. z. B. R. E. Emmerick: Guide S. 12, Research on Khotanese,

S. 131 f., CLI § 3.2.3.4.7.4-4.2; O. v. Hinüber in: OLZ 78, 6 (1983), S. 600.

2 In erster Linie ist hier das Dietionary of Khotan Saka von H. W. Bailey zu nennen, das einzige Wörterbuch des Khotanischen, das den Anspruch erheben kann, mehr als ein Text-Glossar zu sein. In diesem Wörterbuch wurde der Lehnwortschatz bewußt ausgeklammert, vgl. dazu z. B. R. E.

Emmerick in IIJ 23, 1 (1981), S. 66—67; N. Sims-Williams in BSOAS

46, 1 (1983), S. 40 und in BSOAS 46, 2 (1983), S. 358—359 und vgl.

Anm. 1. In einigen älteren Glossaren werden Lehnwörter als solche ge¬

kennzeichnet, z. B. von Konow in: A. F. R. Hoernle: Manuscript re¬

mains of Buddhist literature found in Eastern Turkestan. Oxford 1916, und in Saka Studies. (Oslo Etnografiske Museum, Bulletin 5). Oslo 1932;

und von Bailey in KT 6. Nützlich sind auch die von M. Leümann im

Glossar zu E. Leümanns Ausgabe des ,, Nordarischen (sakischen) Lehr¬

gedichts des Buddhismus" (Abh. für die Kunde des Morgenlandes. 20.),

Leipzig 1933—36, angeführten Sanskrit-Entsprechungen, wenn auch

Leümann das Khotanische nicht als iranische Sprache beurteilte und

folglich nicht von Lehnwörtern sprechen konnte. Einige Lehnwörter

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