ZUR ENTWICKLUNG HONORATIVER FUNKTIONEN IM JAPANISCHEN
Von Bruno Lewin, Bochum
Ein typisches Merkmal der japanischen Sprache ist der sog. Höflichkeits¬
ausdruck (keigo). Die Enzyklopädie der jap. Sprachwissenschaft {Kokngo-
gakujiten, 1955) definiert den Begriff folgendermaßen: ,,Eine Sprachgewohn¬
heit, bei welcher der sprachliche Ausdruck für gleiche oder ähnliche Objekte
je nach dem Verhältnis von vornehm und niedrig, überlegen und unterlegen
oder vertraut und fremd, das zwischen dem Sprechenden, dem Hörenden
und einer dritten Person herrscht, in seiner Form unterschieden wird".
- Die ,, Sprachgewohnheit" hat sich nicht etwa im Laufe der historischen Entwicklung des Japanischen herausgebildet, sie ist vielmehr ein inhärenter
Wesenszug der Sprache, der sich bis zum Beginn ihrer Überlieferung zu¬
rückverfolgen läßt. Der kategoriale Gehalt dieser Spracherscheinung hegt
im interpersonalen Bezug: nicht die grammatische Person, sondern das
soziale Verhältnis der am Sprechakt beteiligten und im Redeinhalt einge¬
schlossenen Personen bestimmt die sprachlichen Formen dieses Bezugs¬
feldes.
Der interpersonale Bezug, übrigens auch ein Charakteristikum des Kore¬
anischen, kann als sprachsoziologisches Phänomen Soziativ genannt wer¬
den. Eine weite; Skala von Ausdrucksmitteln der Ehrerbietung, Ergeben¬
heit, Verbindlichkeit, Höflichkeit, Verfeinerung, Herablassung und Ge¬
ringschätzung, teilweise graduell gestaffelt, steht dem Japanischen hier
zur Verfügung. Formal und funktionell am deutlichsten ausgeprägt im
soziativen Sprachbereich des Japanischen ist die auf Achtungsbezeugung
angelegte Komponente, in der seit je ein kategoriales System funktioneller
Oppositionen besteht. Diese sprachliche Kategorie nennen wir Honorativ.
Zu ihrer Bezeichnung dienen grammatische und lexikalische Mittel, die im
Laufe der Sprachgeschichte formalen und funktionellen Wandlungen unter¬
lagen. Der historische Entwicklungsprozeß des Honorativs zeigt in seinem
Bezugssystem und in seinen grammatisch-morphologischen Merkmalen ge¬
wisse Regelmäßigkeiten, die sich herausarbeiten lassen und hier in Kürze
skizziert seien.
Für die Bildung von Honorativformen sind vier personale Faktoren
relevant: Sprecher (a), Partner (b), Handlungsträger (c) und Handlungsbe¬
teiligter (d). Sprecher und Partner gehören in den Bereich der Sprech-
situation, Handlungsträger und Handlungsbeteiligter in den Bereich des
Redeinhalts. Die personalen Faktoren stehen in interpersonalen Beziehun¬
gen, von denen für die Bildung des jap. Honorativs nur die folgenden drei
grammatisch relevant sind: Sprecher - Partner (a-b), Sprecher - Hand¬
lungsträger (a-c) und Handlungsträger - Handlungsbeteihgter (c-d). Die
interpersonale a-b Beziehung ist außersprachlich; wir sprechen hier von
Partnerbezogenheit. Die a-c- und c-d-Beziehung sind innersprachlich ; wir
sprechen hier von StofFbezogenheit. Die drei analysierten interpersonalen
Beziehungen erhalten eine honorative Funktion, indem ein soziatives Ge¬
fälle zwischen den beteiligten bzw. gemeinten Personen gesetzt wird : Hono¬
rativformen treten in Aktion, wenn die eigene und ihr zugeordnete Perso¬
nen tiefer gestellt werden als andere Personen. So ergibt sich ein
1. partnerbezogener Verbindlichkeitsausdruck aus der Beziehung a/b, z. B.
watahusM-no imoto-de-gozaimasu.
2. Stoff bezogener Ehrerbietungsausdruck aus der Beziehung a/c, z. B.
shachö-wa asu Osaka-e ikareru yotei-da.
3. stofifbezogener Ergebenheitsausdruck aus der Beziehung c/d, z. B.
ototo-ga michi-wo oshiete-sashiageru hazu-da.
Während Sprecher und Partner einander ausschließen, kommen häufig
Identitätsfälle des einen oder anderen mit dem Handlungsträger bzw.
Handlungsbeteiligten vor: a=c, b=c, b=d; z. B.
Itsu Nihon-e irasshaimasu-ka (a/c = b)
Kotoshi-no natsu mairimasu (a = c/d=b)
Onanuie-wa\ - Yamada-to möshimasu (a = o/d = b)
(Der Identitätsfall a=d ist selten, da er die Ehrung der eigenen Person
durch einen anderen impliziert, d. h. den sog. Honorativ majestatis bildet:
b=c/d=a, z. B. Nanji-no mochite-haberu Kaguyahime tatematsure
(Taketori).
Nach dieser kurzen Systematisierung des kategorialen Gehaltes komme
ich nun zur Entwicklungsgeschichte des jap. Honorativs. Diese Sprach¬
kategorie ist bereits für das Altjapanische belegbar, doch handelt es sich
offenbar nicht um eine grammatische Primärkategorie, da die verfügbaren
Sprachmittel von Anbeginn Ableitungen und Übertragungen sind. Soweit
sie sich etymologisieren lassen, sind sie aus honorativ neutralen Bezeich¬
nungen mittels Semantischer Modifikationen hervorgegangen. Im Verlauf
der Sprachgeschichte ist von folgenden Möglichkeiten Gebrauch gemacht
worden :
1. räumliche Umdeutung (omoe, temae, sonokata, kochira usw.)
2. modale Umdeutung (kikosu, iwaru, obosaru, saseraru usw.)
Zur Entwicklung honorativer Funktionen im Japanischen 1053
3. grammatische Umformung {o-jkakij-ari, go-lzaj-ari, o-lyomij-ni-naru usw.)
4. Übertragung der oben-unter-Beziehung {tamau, matsuru, kvdasaru,
ageru usw.)
5. Übertragung der Herr-Dienen-Beziehung (kimi, yatsu, Ssu, saburau usw.)
6. Übernahme lobender oder herabsetzender Affixe, großenteils auch chin.
Herkunft (oho-, mi-, ki-, gu-, sho-, -ue, -kata usw.)
Im Altjapanischen werden solche Wege und Mittel der Ableitung schon
weitgehend verwendet, doch wie sich zeigt, nur zum Ausdruck eines stofF-
bezogenen Honorativs. Folgende Funktionstypen kommen vor:
a/c: Takama-no-hara-ni higi takashirite ma shiki (Kojiki). ,,Ins hohe
Himmelsgefilde dio Giebelfirstbalken hoch errichtend residierte er",
c/d: Izumi-no kawa-no mi-wo taezu tsukaematsuramu ömiyadokoro
(Manyöshü). ,, Solange der Wasserstrang des I.-Flusses nicht versiegt,
werden sie dienen, in des Kaisers Residenz".
Auoh der im Altjapaniseben häufig anzutreffende Fall des Honorativus
majestatis, d. h. die Bezeichnung der Höherstellung der eigenen Person, ist
stoffbezogen und dadurch ausgezeichnet, daß die Ehrung an die eigene Per¬
son gebunden ist (jison), die stets mit dem höherstehenden Handlungs¬
träger bzw. Handlungsbeteihgten identifiziert wird (a=c\,/d=a). Z. B.
ömimi yashinawamu-to-namo omohosu (Semmyö). ,, Unseren erlauchten
Körper gedenken wir zu pflegen "(a=c \ [d=b]). - Hatadomo-woba toku
nagashi-tamaitsu (Semmyö) ,,Die Hata haben Wir weit weg verbannt". -
In solchen Formulierungen zeigt sich eine Art absoluter Honorativ, da hier
der ehrende Ausdruck nicht interpersonal umkehrbar, sondern personal
fixiert ist. Allgemein erweist sich die personale Fixierung der honorativen
Ausdrucksweise im Altj apanischen als stark, da das Sprachbewußtsein
weit mehr durch das soziale Verhältnis von Hoch und Niedrig als durch
eine umkehrbare gegenseitige Höflichkeit geprägt war.
Ein Charakteristikum dieser ältesten erreichbaren Stute des jap. Hono¬
rativs besteht in der Beschränkung auf den Aussagegehalt ohne Einbe¬
ziehung der Sprechsituation : Die Ausdrücke der Ehrerbietung und der Er¬
gebenheit zielen auf die in Rede stehenden Personen, nicht auf die am
Sprechakt beteiligten. Der Stoff bezogene Honorativ ist mithin als primär
anzusehen. Der partnerbezogene Honorativ hat sich erst seit der Heian-
Zeit sekundär aus dem stoffbezogenen entwickelt. Dieser Prozeß hat sich
in mehreren Stadien der jap. Sprachgeschichte mit immer neuen Formen
wiederholt, doch stets in dieser Richtung und niemals umgekehrt (d. h.
nie vom partnerbezogenen zum Stoff bezogenen Honorativ).
Der Übergang vom stoffbezogenen zum partnerbezogenen Honorativ voll¬
zog sich aus der Identifikation der Handlungsträger-Handlungsbeteiligten-
Beziehung mit der Sprecher-Partner-Beziehung: c / d - a / b. Die honora-
tiven Formulierungen des Redeinhalts wurden mit der Sprechsituation
identifiziert: Sprecher und Partner waren gleichzeitig die besprochenen
Personen, und die Ausdrücke der Ergebenheit wurden vom Redeinhalt ab¬
strahiert und zur höflich-verbindlichen Formulierung gegenüber einem höher
stehenden Partner verwendet. Der Funktion entsprechend, kam diese An¬
wendungsweise vornehmlich im Dialog vor; beispielsweise im Genji¬
monogatari in den Worten eines Wächters, die an einen Priester gerichtet
sind: OtotosJii-no aki-mo koko-ni haberu hito-no ko-no jutatsu-bakari-ni
haberishi-wo torite modekitarishikado , mi-odorokazu-haberiki. Im
Herbst des vorletzten Jahres kam er und ergriff das zweijährige Kind einer
Person, die hier wohnt, jedoch es erschrak bei seinem Anblick nicht". - Hier
steht haberi statt iru bzw. ari und modeku statt ku weniger aus stoffbe¬
zogenen Gründen (c/b) als vielmehr wegen der sozialen Rangstufung in der
Sprechsituation (a/b). Dieser partnerbezogene Honorativ war und blieb auf
wenige Verba und Hilfsverba der Aktionsaussage, Befindlichkeit und Be¬
wegung beschränkt; z. B. in der Heian-Zeit: haberi, saburau, tamauru,
makaru, mädeku. Im Mitteljapanischen seit der Kamakura-Zeit wird diese
honorative Funktion nur noch durch Hilfsverba bezeichnet {-haberi, -sörd,
-ma(rd)su, -gozaru, -oryaru, -ojaru usw.); erst im Neu japanischen seit der
Tokugawa-Zeit treten daneben wieder VoUverba des partnerbezogenen
Honorativs auf (gozaru, ojaru, itasu, tsukamatsuru). Als Hilfsverba der
Partnerbezogenheit können honorative Verba nur dann fungieren, wenn sie
ihre ursprüngliche Verbalbedeutung zugunsten einer allgemeinen Befind-
liohkeits- oder Tätigkeitsaussage aufgegeben haben; z. B. haberi ,, dienstbar sein" oder gozaru ,, residieren" reduzieren sich zu dem verallgemeinerten Begriff der Befindlichkeit; ma(ra)su ,, darreichen" oder mdsu ,, sagen" zu dem verallgemeinerten Begriff der Tätigkeit.
Der Stoff bezogene Honorativ entstammt dem Altj apanischen, der partner¬
bezogene Honorativ dem Mitteljapanischen. Der Prozeß des Überganges
vom einen zum anderen setzt sich bis in die Gegenwart fort. Wenn heute im
Gespräch der Satz formuhert wird: ame-ga futte-mairimashita (es hat zu
regnen begonnen), so kann das honorative Verb mairu nicht als stoffbezo¬
gener Ergebenheitsausdruck interpretiert werden, da ,, Regen" kein per¬
sonaler Handlungsträger ist. Vielmehr ist mairimasu in diesem Falle als ein
neuer, geschlossener Höflichkeitsausdruck der Partnerbezogenheit anzu¬
sehen (a/b). Das gilt für mehrere neujapanische Verbindungen, in denen
stets eine masu-Form das zweite Kompositionsglied bildet (itashimasu:
ressha-wa sanji-ni shuppatsu-itashimasu; gozaimasu: makoto-ni oishü-
gozaimasu). Manche japanischen Sprachforscher sprechen hier von einem
Verfeinerungsausdruck (Tsujimura Toshiki: bika-hydgen), der sich aus dem
partnerbezogenen Verbindlichkeitsausdruck entwickelt habe. In den obigen
Fällen ist jedoch die Partnerbezogenheit noch sehr deutlich, während echte
Zur Entwickliuig honorativer Funktionen im Japanischen 1055
Verfeinerungsausdrücke daran zu erkennen sind, daß sie inhaltsbezogen
sind, aber nicht mehr in den kategorialen Bereich des Honorativs gehören,
wie beispielsweise o-cha, go-han und taberu, die u. U. unabhängig vom Hono¬
rativ unter stilistischen Aspekten verwendet werden. Überhaupt zeigt eine
nähere Betrachtung des Honorativs, daß er nur zum Teil ein grammatisches,
zum anderen ein stihstisches Phänomen ist.
Der jap. Honorativ ist relativ reich an objektbezogenen Honorativverba,
die sämtlich auf Ausdrücke des Gebens, Erhaltens, Opferns, Dienens usw.
zurückgehen. Ursprünglich waren im Altjapanischen alle honorativen
Verba zum Ausdruck der Handlungsträger-Handlungsbeteiligten-Beziehung
(c/d) objektbezogen, z. B. ömiae-woba sono miikusa-ni tamaiki (Kojiki).
,,Den großen Schmaus gab er seinen Kriegern". - Es hat den Anschein, daß
gerade dieses Wortfeld wesentlich zur Bildung des jap. Honorativs beige¬
tragen hat.
Die objektbezogenen Honorativverba tendieren zur Aufgabe der Objekt-
bezogenheit, u. zw. unter zwei Bedingungen:
1. als Vollverba unter Aufgabe der Transitivität im Übergang vom Er-
gebenheits- zum Ehrungsausdruck, z. B. mairu ,, darreichen" — mairu
,,zu sich nehmen",
2. als Hilfsverba unter Aufgabe der ursprünglichen Wortbedeutung, z. B.
itadaku ,, entgegennehmen" — (-te)itadaku ,, veranlassen" (Yamada-san- ni hon-wo yonde-itadakimashita).
Dieser Funktionswandel vom objektbezogenen zum nicht objektbe¬
zogenen Honorativ ist nur in dieser Richtung und nicht umgekehrt möglich.
Zum Schluß noch eine Bemerkung über die Kombinationsfolge bei funk¬
tionell mehrgliedrigen honorativen Verbformen. Die Kombinationsfolge
zeigt eine diachronische Konstanz, deren Kenntnis für philologische Text¬
interpretationen bedeutsam sein kann. Generell stehen die stofFbezogenen
vor den partnerbezogenen Formen - man erinnere sich, daß die letzteren
sekundär und sprachgeschichtlich später auftreten. Bei der Kombination
von stoffbezogenen Formen steht der Ergebenheitsausdruck vor dem
Ehrungsausdruck: c/d -f a/c + a/b.
Z. B. mairi-tamau c/d + a/c
omoi-tamaete-haberi c/d + a/b
nasai-masu a/c + a/b
haiken-sare-masu c/d -f a/c + a/b
Für jede honorative Funktionsgruppe (Ergebenheits-, Ehrerbietungs¬
und Verbindlichkeitsausdruck) kann nur ein honoratives Vollverb und/oder
ein honoratives Hilfsverb stehen. Wenn beispielsweise zwei Hilfsverba
scheinbar gleicher Funktionsgruppe nebeneinander stehen, ist das nach¬
stehende in eine andere Funktionsgruppe übergegangen. So sind etwa
tamauru und haberi urspr. Ergebenheitsverba ; treten sie aber nebeneinander
wie in der Form omoi-tamaete-haberi auf, dann ist haberi hier zum partner¬
bezogenen Verbindhchkeitsausdruck geworden.
Abschließend möchte ieh darauf hinweisen, daß es eine ganze Reihe von
japanischen Honorativtheorien gibt, angefangen mit Yamada Yoshio bis
hin zu Tsujimura Toshiki, dazu eine sehr große Zahl von Einzelunter¬
suehungen über historische und gegenwärtige Probleme (zur Orientierung
sei empfohlen: Keigoho no subete. Sonderband von Kokubungaku 11,8/1964).
Ich habe hier einige Ergebnisse vorgetragen, die nach eigener Beschäftigung
mit dem Gegenstand in der Auseinandersetzung mit der japanischen Fach¬
literatur und in den Erörterungen meines Seminars präzisiert worden sind.
Ich werde Arbeiten der Seminarteilnehmer als Pubhkation des Bochumer
Ostasien-Instituts vorlegen, dies in der Hoffnung, daß solche Untersuchun¬
gen anregend und klärend auf die Behandlung eines so diffizilen Gegenstan¬
des wirken (Beiträge zum interpersonalen Bezug im Japanischen. Hrsg. v.
Bruno Lewin. Veröffentl. d. Ostasien-Inst. d. Ruhr-Univ. Bochum. Wies¬
baden: Harrassowitz 1969).
PROBLEME DER SPRACHMISCHUNG IN OSTASIEN
Von Heinrich Herrfahrdt, Marburg
Aus der Fülle der Fragen möchte ich hier zwei herausgreifen, denen ich im
Zusammenhang der Staatsentwicklung Ostasiens begegnet bin: 1. die
Verhältnisse bei der frühgeschichtlichen Entstehung von Staaten, 2. das
Vietnamesische .
Die Entstehung von Flächenstaaten, über kleine bäuerliche Gemein¬
schaften des Neolithikums hinaus, zeigt in Ostasien ebenso wie im Abend¬
land zwei entgegengesetzte Triebkräfte : 1. das Bedürfnis nach Ordnung in
bestimmten abgegrenzten Gebieten, zuerst besonders bei der Bewirt¬
schaftung des Wassers großer Ströme, 2. den Eroberungswillen, ausgehend
von den Reitervölkern Zentralasiens (Mac ICcnder: pivot of history). Die
Spannung zwischen Ordnungs- und Erobererstaaten und der von ihnen
geprägten Formen (Bürokratie - Lehnswesen) durchzieht seitdem die ganze
Staatengeschichte. In den Stromtalstaaten entsteht die Schrift, in den Er¬
obererstaaten die schnelle Übermittlung von Nachrichten durch Reiter-
staffetten (Post).
Nimmt man mit der - nicht beweisbaren - Überlagerungstheorie (GuM-
PLOWicz, Fk. Oppenheimbb, Rüstow) an, daß jede Herrschaft auf Über¬
lagerung beruht, z. B. in den Stromtalstaaten auf der stärkeren organisa¬
torischen Kraft der eindringenden Viehzüchter, so kann schon für diese
Zeit eine Sprachmischung vermutet werden. Deutlich ist sie bei der Über¬
lagerung von Bauern durch erobernde Reiterstämme. Hier können wir
meist beobachten, daß der Wortschatz der zahlenmäßig überlegenen Bauern
erhalten bleibt, ergänzt durch besondere Ausdrücke aus dem Leben der
Überschichter, daß aber die Syntax der Reiter als die vornehmere Sprech¬
weise auch die Volkssprache ergreift. Die Einheit der Syntax im ,, altaischen"
Bereich von den Türkvölkern bis zu den Japanern, so die konsequente
Attribut Voransetzung, bei völlig verschiedenem Wortschatz, beruht we¬
sentlich auf dem Vorbild der Herrenschicht. Auch das Chinesische dürfte,
ebenso wie das Tibetische, ursprünglich das Verbum ans Ende des Satzes ge¬
stellt haben, bis es, vielleicht aus einem logischen Bedürfnis (Ablaufwieder¬
gabc) zur Nachsetzung des Objekts übergegangen ist. Die Frage liegt nahe,
ob das Chinesische und Japanische vor der Überlagerung durch Reiter¬
völker das Attribut nachgesetzt haben, wie es im Khmer und im Malaischen
der Fall ist. Eine neolithische Bauernkultur vom Gelben Fluß bis Indo-