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ARBEITSDOKUMENT. Ausschuss für Wirtschaft, Finanzen und Handel Globalisierung und Finanzkrise

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DT\774141DE.doc AP100.515v01-00

DE DE

Assembleia Parlamentar Euro-Latino-Americana Euro-Latin American Parliamentary Assembly Assemblée Parlementaire Euro-Latino Américaine

Asamblea Parlamentaria Euro-Latinoamericana

Ausschuss für Wirtschaft, Finanzen und Handel

10.3.2009

ARBEITSDOKUMENT

Globalisierung und Finanzkrise

Ko-Berichterstatter: Manuel António dos Santos

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AP100.515v01-00 2/10 DT\774141DE.doc

DE

Einführung

Die infolge der Krise des Hypothekenmarktes der Vereinigten Staaten im Jahre 2007 ausgebrochene Weltfinanzkrise hat seit dem zweiten Halbjahr 2008 ein höchst besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Die negativen Auswirkungen der mangelnden Liquidität auf den internationalen Märkten und der Destabilisierung des Bankensektors, deren schlimmste Folgen die Verlangsamung der Produktion und des globalen Wachstums und der daraus folgende Anstieg der Arbeitslosigkeit sind, sind bereits mehr oder weniger heftig in allen Volkswirtschaften der Welt spürbar. Der Weltbank zufolge wird die Finanzkrise sehr schnell in einer Beschäftigungskrise münden.

Zur selben Zeit, da die Welt die Ursachen und Folgen der größten Finanzkrise seit 1929 zu begreifen versucht, haben die nationalen Regierungen Notstandsmaßnahmen zur Stabilisierung des internationalen Bankensystems ergriffen. Experten halten die Regulierung der Finanzmärkte für notwendig, um sie sicherer und vorhersehbarer zu gestalten. Zum ersten Mal entsteht weltweit ein breiter Konsens im Hinblick auf Initiativen zur Regulierung des Kapitalverkehrs, der mit der Globalisierung in der Welt ständig wächst. Die Ursachen der Krise sind also eng mit der voranschreitenden Globalisierung verbunden, in deren Verlauf keine dem Zuschnitt des derzeitigen Finanzsystems angemessenen Regelungs- und Kontrollverfahren eingeführt wurden. Da die Ursachen der Krise mit dem globalen Kapitalverkehr verflochten sind, wird zugleich auch weltweit durch eine Öffnung der Märkte nach einer Antwort auf die Krise gesucht. Dabei sollen protektionistische und isolierende Maßnahmen vermieden und die regelmäßige Koordinierung von Aktionen und Politiken in den Vordergrund gestellt werden. Die Globalisierung ist demzufolge aufs Engste mit der derzeitigen weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise verbunden, da sie deren Ursache ist aber auch die Lösung bringen wird.

Finanzkrise: Vorgeschichte und Kontext Die Entwicklung der Finanzkrise

Die aktuelle Krise erschüttert die ganze Welt und hat zu einem generellen Klima der finanziellen und wirtschaftlichen Unsicherheit geführt. Sie begann in den Jahren 2006 und 2007, als die Immobilienpreise in den USA drastisch fielen und das gesamte Finanzsystem des Landes aus dem Gleichgewicht geriet, das auf Hypothekenanleihen beruhte, deren Wert von der Fluktuation der Märkte bestimmt wurde. Inmitten der als „Subprime-Krise“ bekannt gewordenen Krise kollabierte das Finanzsystem, und das zog den Bankrott von Finanzinstituten und eine drastische Kreditbeschränkung nach sich. Auf Grund der Internationalisierung der Märkte und des Finanzsystems breitete sich die Krise rasch aus und nahm in kurzer Zeit globale Ausmaße an.

Die führenden Vertreter der größten Volkswirtschaften der Welt stellten auf dem G20-Gipfel im November 2008 fest, dass die Ursachen der Krise in einer mangelnden Koordinierung der makroökonomischen Politiken, ungeeigneten Strukturreformen und entsprechenden nicht nachhaltigen makroökonomischen Ergebnissen liegen. Nach einer Phase ausgeprägter Stabilität und soliden globalen Wirtschaftswachstums, in der sich die Kapitalströme vervielfachten, strebten die Marktteilnehmer nach immer höheren Gewinnen und ließen eine verantwortungsvolle Risikobewertung vermissen. Zu den spezifischen, die Krise auslösenden Faktoren zählen unzulängliche Parameter bei der Kreditanalyse und Risikokontrolle sowie die

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fehlende Transparenz des Finanzsystems1. Kurz gesagt, die Liberalisierung der Märkte Ende der 1980er Jahre und die Unfähigkeit des Überwachungssystems auf globaler Ebene sind die beiden Hauptursachen der Krise.

Obwohl die Folgen der Krise bereits Ende 2008 mehr oder weniger stark spürbar wurden, wird das Schlimmste erst für die kommenden Jahren erwartet. Nach Voraussagen der Weltbank wird sich der Welthandel 2009 zum ersten Mal seit 1982 auf Grund der zurückgegangenen globalen Nachfrage und der Kreditverknappung um 2,1 % verringern.

Experten erwarten zudem einen Rückgang des globalen BIP-Wachstums von 2,5 % im Jahre 2008 auf 0,9 % im Jahre 20092. Allerdings werden die Folgen in den Industrieländern wohl anders als in den Entwicklungsländern zu spüren sein. Die Industrieländer erwartet 2009 ein Minuswachstum, während in den Entwicklungsländern das 2007 verzeichnete starke Wachstum von 7,9 % 2009 auf 4,5 % absinken wird3. Zum großen Teil ist dies durch die Kreditverknappung bedingt, die sich direkt auf Investitionen auswirkt, die wiederum einen bedeutenden Anteil am Wachstum der Entwicklungsländer in den vergangenen fünf Jahren hatten4. Vermutlich wird diese Krise das Ende der Ära des freien und nicht oder kaum regulierten Marktes einläuten.

Ende 2008, wenige Monate nach dem Ausbruch der Krise in den USA, begann die Arbeitslosigkeit in einigen europäischen Ländern anzusteigen5. So stieg sie beispielsweise in Estland von 4,7 % im Jahre 2007 auf 5,0 % im Jahre 2008 und wird den Prognosen zufolge 2010 7,7 % erreichen. In Litauen wird sich die Arbeitslosigkeit von 2007 bis 2010 um 4,3 % auf 8,4 % erhöhen. Für Spanien wird für den gleichen Zeitraum ein Anstieg um 8,3 % auf 15,5 % vorausgesagt, für Irland um 4,6 % auf 7,4 %6.

Der Rückgang der Exporte ist einer der wichtigsten Kennzeichen der Krise. Die Volkswirtschaft Deutschlands beispielsweise sieht sich mit der weltweit geringeren Nachfrage nach Kapitalgütern, die zu den vorherrschenden Exportgütern des Landes gehören, konfrontiert. Auch die Verlangsamung der Produktion und des Konsums erschweren den Aufschwung der europäischen Wirtschaft: In der Eurozone ist das Wachstum besonders gering – eine Tendenz, die sich mit der Krise verschärft. In der Region betrug das BIP- Wachstum 2006 und 2007 2,9 % bzw. 2,6 % und ging 2008 auf 1,1 % zurück. Für 2009 wird ein Minuswachstum von 0,6 % vorausgesagt, 2010 könnte es eine leichte Erholung mit einem Wachstum von 1,6 % geben7.

Auch in Lateinamerika hatte die Krise besonders seit Anfang 2009 schwere Folgen für die reale Wirtschaft. Der Negativeffekt in der Exportentwicklung wird jetzt spürbar und deutet

1 G-20, „Declaration of the Summit on Financial Markets and the World Economy“. Washington, 15. November 2008.

2 World Bank, “Global Economic Prospects 2009“. Dezember 2008. Abrufbar unter:

http://go.worldbank.org/P65UXL6I00.

3 Ebd.

4 Hans Timmer, in Weltbank, „Historic commodity price boom ends with slowing global growth”. Abrufbar unter: http://go.worldbank.org/P65UXL6I00.

5 Europäische Kommission – Präsident José Manuel Durão Barroso. Abrufbar unter:

http://ec.europa.eu/commission_barroso/president/focus/credit_crunch/index_pt.htm.

6 Europäische Kommission, „Economic Forecast Autumn 2008“. November 2008. Abrufbar unter:

http://ec.europa.eu/economy_finance/thematic_articles/article13288_en.htm.

7 Weltbank, „Regional forecast detail”. Prognosen Oktober 2008. Abrufbar unter:

http://web.worldbank.org/external/default/main?theSitePK=612501&pagePK=2904583&contentMDK=2066599 0&menuPK=612532&piPK=2904598.

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eine beginnende Rezession in den meisten lateinamerikanischen Volkswirtschaften an. Im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern gab es in der Region ein tendenziell geringeres Wachstum, und diese Tendenz wird wohl 2009 und 2010 anhalten. Während man 2009 für die Entwicklungsländer insgesamt von einem Wachstum von 4,5 % ausgeht, wird es wohl in Lateinamerika nur 2,1 % betragen1. Die Krise manifestiert sich vor allem im Rückgang der Exporte und Investitionen im produktiven Sektor, im Rückgang der Geldüberweisungen von den im Ausland lebenden Lateinamerikanern und in den Schwierigkeiten der Schwellenländer auf dem internationalen Finanzmarkt2. Angaben der CEPAL zufolge werden besonders die Länder betroffen sein, die am stärksten von den Geldüberweisungen ihrer Auswanderer abhängen; deren Volkswirtschaft enger mit dem US-Markt verknüpft ist; und deren Exporte nicht ausreichend diversifiziert und auf Waren ausgerichtet sind, deren Märkte besonders heftig von der Krise erfasst wurden3. Die lateinamerikanischen Staaten gehören mehrheitlich zu den Ländern mit schlechteren Bedingungen für große öffentliche Investitionen zur Rettung ihrer Wirtschaft.

Der Preisverfall bei den commodities wie Erdöl und Nahrungsmittel wirkt sich ebenfalls negativ auf die Einnahmen in Lateinamerika aus. Infolge der durch die Finanzkrise verursachten Verlangsamung des Wachstums, des größeren Angebots und der Prognosekorrekturen hat sich die tendenzielle Preissteigerung der letzten Jahre bei den commodities ab Ende 2008 ins Gegenteil verkehrt, weshalb sich die Einnahmen der Länder, die diese Produkte exportieren, drastisch verringert haben.

Auf der anderen Seite gibt es auch Länder in der Region, die sich der Krise entgegenstemmen, wie zum Beispiel Brasilien. Angaben der Weltbank zufolge gibt es in Brasilien einen leichten Wachstumsrückgang von 5,4 % im Jahr 2007 auf 5,2 % im Jahr 2008. Diese Daten, die im Vergleich mit dem Schrumpfprozess, den im gleichen Zeitraum andere große Entwicklungsländer wie China (von 11,9 % auf 9,4 %), Indien (von 9,0 % auf 6,3 %) und Südafrika (von 5,1 % auf 3,4 %)4 erlebt haben, zeigen die relative Abschottung Brasiliens gegenüber der Krise.

Entgegen der vorhergesagten schlimmeren Folgen des geringeren Wirtschaftswachstums für die Industrieländer sind es doch die Entwicklungsländer, in denen sich die Krise noch bedrohlicher für die besonders schwachen Bevölkerungsschichten auswirken und die Tendenz zur Eindämmung von Armut und Elend in der Region umkehren kann. Arbeitslosigkeit und wachsende Armut sind potenziell für die Lateinamerikaner die dramatischsten Folgen der Krise. Zu den Schwächsten gehören auch die Selbstständigen und die in der so genannten informellen Wirtschaft Beschäftigten.

Bei der Bekämpfung von Armut und Ungleichheit können die Folgen der Krise ein Hindernis für die Fortsetzung der in den letzten Jahren erzielten Erfolge darstellen. Schätzungen zufolge lebten 2008 46,1 % der Lateinamerikaner (das sind 253 Millionen Menschen) in Armut

1 Ebd.

2 Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL), Pressemitteilung: „CEPAL-Bericht:

Armut in Lateinamerika und der Karibik trotz der internationalen Finanzkrise leicht rückläufig“. Abrufbar unter:

http://www.eclac.cl/cgi-bin/getProd.asp?xml=/prensa/noticias/comunicados/7/34737/P34737.xml&xsl=/

prensa/tpl/p6f.xsl&base=/tpl/top-bottom.xsl.

3 Ebd.

4 Weltbank, „Country-Specific Historical Data“. Abrufbar unter:

http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/EXTDEC/EXTDECPROSPECTS/EXTGBLPROSPECTS/0,,c ontentMDK:20672485~menuPK:612532~pagePK:2904583~piPK:2904598~theSitePK:612501,00.html.

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(33,2 %) oder extremer Armut und Bedürftigkeit (12,9 %)1. Von 2003 bis 2007 verringerten sich die Armut und die extreme Armut in der Region infolge des Wirtschaftswachstums und der besseren Einkommensverteilung in den Ländern2 beträchtlich. 2008 wurden jedoch nur begrenzt Fortschritte erzielt, was als Folge der seit 2007 wachsenden Inflation, des Preisanstiegs für Nahrungsmittel und des langsameren Wachstums der Weltwirtschaft im gleichen Jahr gedeutet werden kann. Das für 2009 wegen der Krise angekündigte geringere Wirtschaftswachstum wird sich noch negativer auf die Bekämpfung der Armut in Lateinamerika auswirken.

Experten schätzen, dass die Krise möglicherweise ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat und dass die derzeitige Rezession in der Welt noch lange anhalten kann.

Antworten auf die weltweite Finanzkrise

Die sich aus der Finanzkrise ergebenden Herausforderungen verlangten und verlangen von den nationalen Regierungen und internationalen Organisationen nachdrückliche Antworten. In Anbetracht ihrer Schwere besteht Konsens darüber, dass die strukturellen Ursachen der Krise bekämpft werden müssen, damit sie sich in einem solchen Ausmaß nicht wiederholt. Schritte gegen die Krise werden auf verschiedenen Ebenen unter Einbeziehung der Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration und nationaler Institutionen unternommen.

Besonders stark haben die nationalen Regierungen eingegriffen, die in der ganzen Welt Not- und Ausnahmemaßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte ergriffen haben, um Schäden für das Wachstum abzuwenden. Viele Regierungen haben Konjunkturpakete aufgelegt, um die Auswirkungen der Krise zu verringern und eine schnelle Erholung der Wirtschaft zu bewirken. Ziele dieser Programme sind die höhere Liquidität in der Wirtschaft, die Kapitalaufstockung der Finanzinstitute, die Sicherung der Spareinlagen und Depots, die Überwindung der Regulierungsmängel und die Dynamisierung des Kreditmarktes3.

In der EU wird die Krise durch nationale, auf EU-Ebene koordinierte öffentliche Interventionen bekämpft. Auch in Europa gibt es wichtige Maßnahmen, und zwar konkret seit der Annahme des Europäischen Konjunkturprogramms durch den Europäischen Rat im Dezember 2008. Dafür steht ein Budget von 1,5 % des europäischen BIP zur Verfügung (etwa 200 Milliarden Euro). Das Programm bildet einen gemeinsamen Rahmen für die Koordinierung und Optimierung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der EU gegen die Krise.

Auch die lateinamerikanischen Institutionen sprechen sich für eine stärkere Koordinierung zwischen den Ländern zur Eindämmung der Krisenfolgen aus. Im Rahmen des Mercosur hat das Parlasur hat im November 2008 eine „Empfehlung an den Rat des Gemeinsamen Marktes zur Schaffung einer Gruppe zur Beobachtung der Finanzkrise“ herausgegeben. Die Länder des Mercosur unterstreichen, wie wichtig das einheitliche Handeln der Mitglieder des Blockes und die Vertiefung der regionalen Integration für die Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist. Diese Haltung spiegelt sich sowohl in dem vom Mittelamerikanischen

1 Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL), op.cit. Extreme Armut bedeutet der Studie zufolge, dass die Bedürftigen sich nicht ausreichend ernähren und Arme ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen können (Seite. 4, Fußnote 2).

2 Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL), abrufbar unter:

http://www.eclac.cl/publicaciones/xml/2/34732/PSE2008-Presentacion-SecEjecutiva-AliciaBarcena.pdf.

3 G-20, „Declaration of the Summit on Financial Markets and the World Economy”. Washington, 15. November 2008.

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Integrationssystem beschlossenen „Programm dringend erforderlicher Maßnahmen für den Umgang mit den Folgen der internationalen Finanzkrise in der Region“ als auch in der im November 2008 verabschiedeten „Erklärung des Beratenden Ausschusses der Finanzminister, Zentralbanken und Wirtschaftsplaner der Andengemeinschaft“ wider. Die Andengemeinschaft übertrug einer ständigen Sachverständigengruppe die Aufgabe, die Auswirkungen der Krise auf die reale Wirtschaft zu bewerten und zu verfolgen, nach Möglichkeiten zu suchen, Finanzmittel von internationalen Organisationen zu erlangen und Mechanismen zur Abwehr möglicher Krisensituationen zu schaffen.

Sowohl in Europa als auch in Lateinamerika sind die regionalen Entwicklungsbanken zu zentralen Akteuren für die Konjunkturprogramme berufen. Die Mittel der Europäischen Investitionsbank (EIB), der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB), der Bank des Südens, der Anden-Entwicklungsgesellschaft (CAF) und der Zentralamerikanischen Bank für wirtschaftliche Integration (BCIE) müssen in vollem Umfang zur Aufrechterhaltung der Kredite eingesetzt werden, um vor allem die Märkte zu stabilisieren und das Wachstum anzukurbeln und so Arbeitsplätze und Einkommen zu schützen.

Auf multilateraler Ebene organisieren sich die Länder, um ein günstiges Klima für Reformen des internationalen Finanzsystems zu schaffen. Auf dem G20-Gipfels wurden solche Reformen auf höchster Ebene diskutiert. Dabei wurde insbesondere die Rolle der internationalen Finanzinstitute – hauptsächlich des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank – für die Belebung des globalen Wachstums hervorgehoben, die durch den Einsatz ihrer Kapazitäten Ländern in finanziellen Schwierigkeiten, vor allem den Schwellen- und Entwicklungsländern, Hilfestellung geben1.

Zu den größten Herausforderungen der Finanzkrise gehört die Bekämpfung protektionistischer Tendenzen und maßloser staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft. In der Tat sind Protektionismus und ökonomischer Nationalismus eine Gefahr für die Erholung der Weltwirtschaft, da die Errichtung zusätzlicher Hemmnisse die derzeitige schwierige Situation noch verschärfen würde.

Andererseits reicht es nicht, gegen konjunkturelle Ursachen anzugehen oder Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrisen abzufedern. Die allgemeine Instabilität und Rezession erfordert eine umfassende Antwort zur Bekämpfung der strukturellen Ursachen der Krise, welche die bisher von den Regierungen eingeleiteten kurzfristigen Maßnahmen ergänzen. Experten warnen davor, dass Ausmaß und Folgen der Krise von den Regierungen mehrerer Länder – die USA eingeschlossen – unterschätzt werden. Solange die Arbeitslosenquoten in einem besorgniserregenden Tempo steigen, halten Ökonomen die von den Ländern bislang zur Eindämmung der Krise vorgeschlagenen Maßnahmen für unzureichend2.

Deshalb werden folgende Empfehlungen unterbreitet:

Empfehlungen

1. Wie die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung zur Krise anregt, sollten die betroffenen Länder die Herausforderungen als Chance begreifen. Angesichts der nun vor allen Ländern der biregionalen strategischen Partnerschaft EU-LAK stehenden

1 Ebd.

2 James K. Galbraith, Universität Texas, bei einem Vortrag vor dem Europäischen Parlament per Videokonferenz am 3. März 2009.

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Herausforderungen ist eine engere Zusammenarbeit in finanziellen und makroökonomischen Fragen höchst erstrebenswert. Lösungswege aus der Krise müssen global und durch multilaterale Verhandlungen gefunden werden. Auch wenn die zentralen Maßnahmen zur Eindämmung und Minderung der Folgen der Krise und zur Belebung des Wirtschaftswachstums von den nationalen Regierungen ausgehen müssen, wird ein koordiniertes Vorgehen die positiven Auswirkungen auf die Volkswirtschaften vervielfachen, und deshalb müssen sich alle Seiten aktiv darum bemühen. Von großem beiderseitigen Nutzen wäre eine effektive Koordinierung zwischen Europa und Lateinamerika bei der Planung kurz- und mittelfristiger Maßnahmen und bei den Entscheidungsprozessen zu Strukturreformen, damit die Krise und ihre Auswirkungen wirksamer bekämpft werden können.

2. Das zwischen Europa, Lateinamerika und der Karibik koordinierte Vorgehen muss das unterschiedliche Haushaltsniveau der einzelnen Länder berücksichtigen, wenn auf die Krise reagiert und der Anstoß zum erneuten wirtschaftlichen Wachstum gegeben wird.

3. Im Einklang mit den Erklärungen des G20-Gipfels sollten die Maßnahmen im Rahmen der Partnerschaft die Grundsätze des freien Handels respektieren und stärken und konsequent jegliche Form des Protektionismus zurückweisen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die gegenseitige Unterstützung bei der Anpassung der Länder an die neue internationale Finanz- und Wirtschaftslage, insbesondere bei der Umsetzung des Aktionsplans zur Einführung von Grundsätzen für Reformen, der von den G-20 mit folgenden Zielen angenommen wurde: verstärkte Transparenz und Verantwortlichkeit;

bessere Regulierung; strengere Überwachung; Risikomanagement; Förderung der Ethik auf den Finanzmärkten; stärkere internationale Zusammenarbeit; Reform der internationalen Finanzinstitutionen.

4. Der internationale Handel muss durch biregionale und multilaterale Abkommen erleichtert werden. Vorrang muss der Abschluss der Doha-Runde im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) mit dem Ziel eines umfassenden und ausgewogenen Abkommens, auf dessen Grundlage der internationale Handel zum Vorteil aller Seiten intensiviert werden kann. Auch die Verhandlungen EU-Mercosur, EU-Mittelamerika und EU-Andengemeinschaft bedürfen neuer Impulse, damit die jeweiligen Abkommen so schnell wie möglich abgeschlossen werden. Ebenso sind Initiativen zur bilateralen Partnerschaft begrüßenswert und müssen biregionale Dialogformen ergänzen.

5. Die biregionale wirtschaftliche Zusammenarbeit muss auf der Grundlage der Grundsätze des freien Handels gefördert werden, wobei auch ein mögliches Marktversagen kompensiert werden muss. In diesem Sinne kann die Partnerschaft auf Ausgleichregelungen der Länder zurückgreifen, um den notwendigen Konsens für den Abschluss umfassender biregionaler Freihandelsabkommen herbeizuführen.

6. Im Sinne einer Absage an den Protektionismus sind alle Produktionssubventionen abzulehnen, die den freien Handel behindern und den Abschluss biregionaler Abkommen erschweren.

7. Kurzfristig müssen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Bankensektor beibehalten und wenn nötig forciert werden. So ist die Wiederaufnahme der normalen Bankfunktionen erforderlich, damit die Kreditvergabe erleichtert wird.

Andererseits dürfen diese Maßnahmen keinen diskriminierenden Charakter haben und das level playing field auf den Märkten nicht in Frage stellen. Daher muss eine

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gemeinsame Richtschnur für staatliche Eingriffe in den Banken festgelegt werden, insbesondere für die Verwendung öffentlicher Gelder bei der Sicherung der Einlagen und bei der Aufstockung des Kapitals.

8. Pläne zur Rettung des Bankensektors müssen bestimmten Bedingungen unterliegen, zum Beispiel im Hinblick auf die Ausschüttung von Dividenden, die Managergehälter, die Kreditvergabe und die Darlehensbedingungen.

9. Der Zugang für Privatpersonen und Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sowie für kleine und mittlere Landwirte zu Krediten muss gewährleistet sein.

10. Alle Finanzmärkte, Finanzprodukte und Marktteilnehmer müssen ohne Ausnahme und unabhängig vom Herkunftsland der Regulierung und Überwachung unterworfen sein.

Deshalb müssen in allen Ländern eine Schwarze Liste gegen Steuerparadiese (off-shores) aufgestellt und beschlossen und dringend eine Regulierung von Hedgefonds, spekulativen Fonds und Rating-Agenturen erreicht werden.

11. Die zum Assoziierungssystem EU-LAK gehörenden Länder müssen sich für die Transparenz und Haftung der Finanzinstitute aussprechen. Fehler im Risikomanagement, die am Anfang der Krise standen, müssen behoben werden. Ein verbessertes Risikomanagement muss die Grundlage für die Reform des Finanzsystems bilden.

12. Investitionen in die Infrastruktur müssen Vorrang haben, um die Wirtschaft anzukurbeln und die regionale Entwicklung und Integration voranzubringen.

13. Zu den langfristigen Maßnahmen müssen verstärkte Investitionen in Forschung und Entwicklung, technologische Innovation und Bildung zählen. In diesem Sinne müssen in der Zusammenarbeit EU-LAK bereits bestehende akademische Austauschprogramme und Technologietransferleistungen stärker unterstützt werden, und die Arbeit mit Akademikern und Wissenschaftlern muss zu neuen Kooperationsformen führen. Mit dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Europäischen Innovationsplan ist der geeignete Moment gekommen, um über die Intensivierung der Zusammenarbeit EU-LAK auf dem Gebiet der technologischen Innovation mit dem Schwerpunkt nachhaltige Entwicklung und Zukunftstechnologien zu sprechen1.

14. Initiativen für eine bessere makroökonomische und finanzielle Koordinierung müssen nicht nur zwischen Europa, Lateinamerika und der Karibik, sondern auch innerhalb der Blöcke im Assoziierungssystem EU-LAK Unterstützung finden. In diesem Sinne wäre die technische Hilfe der Europäer sehr willkommen, damit die lateinamerikanischen Partner ihre Strategien für die regionale Koordinierung und Beziehung zu den multilateralen Finanz- und Entwicklungsorganisationen erarbeiten können.

15. Die Zusammenarbeit EU-LAK muss auch der Kontrolle der öffentlichen Verschuldung dienen. Daher ist die Schaffung von regionalen Institutionen für die Verwaltung der öffentlichen Schulden und ihrer Finanzierung in Europa, Lateinamerika und der Karibik zu empfehlen, sobald dafür die politischen Bedingungen geschaffen worden sind.

16. Für eine größere Transparenz des internationalen Finanzgeschehens sind Europa,

1 Rat der Europäischen Union, „Schlussfolgerungen des Vorsitzes”, Seite 9. 11.-12.12.2008. Als

„Zukunftstechnologien“ werden im Dokument die Gebiete „Energie, Informationstechnologie, Nanotechnologie, Weltraumtechnologie und der daraus abgeleiteten Dienste sowie Biowissenschaften“ genannt.

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Lateinamerika und die Karibik aufgerufen, regional Position zu nicht kooperierenden Staaten in der Steuergesetzgebung bzw. zu Steueroasen zu beziehen. Es muss ein Verbot der Steuerparadiese eingeleitet werden, das mögliche Ausgleichszahlungen für die in Frage kommenden Länder und Territorien in Betracht zieht.

17. Die Rolle der Partnerschaft EU-LAK und der daran beteiligten Organisationen wie EUROLAT besteht darin, unterstützend bei der erfolgreichen Umsetzung der Pläne mitzuwirken, die von den regionalen Blöcken zur wirtschaftlichen Erholung ausgearbeitet worden sind und zugleich die Aufmerksamkeit der Regierungen auf die Themen zu lenken, die für die Bevölkerung am wichtigsten sind. Auf keinen Fall dürfen in den Antworten auf die Krise Themen wie Zuwanderung, Nahrungssicherheit, Demokratie und Rechtsstaat, Umwelt, Armutsbekämpfung und Energiesicherheit außer Acht gelassen werden.

18. Der Austausch von Arbeitnehmern zwischen den Ländern des Assoziierungssystems muss ermöglicht und damit die Erholung der Wirtschaft in Europa, Lateinamerika und der Karibik erleichtert werden.

19. Das Wohlergehen der Bevölkerung ist zu sichern, indem Maßnahmen zum Schutz der Bürger, der Wirtschaftszweige und der Regionen ergriffen werden, die von der Krise besonders betroffen sind.

20. Eine neue Strategie zur Umgestaltung der Wirtschaft muss auf Produktivitätssteigerung und Wachstum gegründet sein, wodurch die Lebensbedingungen für die Bürger verbessert und Arbeitslosigkeit und Armut verringert werden. Ein langfristiges Wachstum auf der Grundlage des freien Handels muss im Fokus der wirtschaftlichen Zusammenarbeit EU-LAK stehen.

21. Umweltschutz und Kampf gegen den Klimawandel müssen weiter an erster Stelle stehen.

Ausgehend von einem weit gefassten Entwicklungskonzept müssen die Partner aus Europa, Lateinamerika und der Karibik in Umwelttechnologien, alternative Energieträger (einschließlich Biokraftstoffe) und Umweltschutzmaßnahmen investieren und vor allem die Entwaldung aufhalten und einen breiteren Kompromiss zur Verringerung der CO2- Emmissionen erzielen.

22. Da der Kampf gegen den Klimawandel eng mit dem Erfolg nachhaltiger Entwicklungsprojekte verbunden ist, muss ein umfassender biregionaler Plan für den Wirtschaftsaufschwung speziell auf Maßnahmen gegen die globale Erwärmung abzielen.

Deshalb sind alle Länder im Assoziierungssystem aufgerufen, alle Anstrengungen auf die Umsetzung des Bali-Aktionsplans im Rahmen der UN-Klimaschutzkonvention (UNFCCC) zu richten und einen Konsens bei den Verhandlungen über ein Übereinkommen im Post-Kyoto-Prozess in Kopenhagen 2009 zu erzielen.

23. Alle Anstrengungen zur Durchsetzung der UN-Millenniumsziele müssen weitergeführt und verstärkt werden. Wie wichtig es ist, diese weiter zu verfolgen, wird angesichts der Herausforderungen der Krise umso deutlicher, da die Schwellen- und Entwicklungsländer ihre Auswirkungen viel stärker zu spüren bekommen und die Lage für die am meisten Schutzbedürftigen besonders dramatisch ist.

24. Bei der Umstrukturierung des globalen Finanzsystems und Investitionen für den Wirtschaftsaufschwung sind die politischen Rechte der Bürger und die Bewahrung des demokratischen Rechtsstaates zu berücksichtigen. Ebenso müssen die ökonomischen,

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sozialen und kulturellen Rechte der Bürger gewahrt bleiben, indem die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert und in Bildung und Gesundheit investiert wird.

25. Mit dem Ziel, die zuvor genannten Beschlüsse in die Tat umzusetzen, muss das biregionale strategische Bündnis EU-LAK auf der Grundlage der Lissabon-Strategie der EU die Initiative ergreifen und Wachstums- und Beschäftigungsziele festlegen sowie die Zusammenarbeit auf den Gebieten Umwelt, Wissenschaft, Technologie und Bildung fortsetzen. Diese Initiative muss der Verwirklichung der Millenniumsziele dienen.

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