Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3819. September 2008 A1973
B R I E F E
Unberechtigtes Lob
Für mich als Dermatologen, der seit vielen Jahren Hautkrebs-Screenings, immer unter Verwendung eines Auf- lichtmikroskops und oft mittels Vi- deomikroskopie, durchführt, sind die Lobeshymnen von Prof. Breitbart, der Deutschen Krebshilfe und vieler anderer auf die Einführung des „Kas- sen-Screenings“ ein großes Ärgernis.
Ohne Auflichtmikroskop kann man keine gründliche Untersuchung durchführen und keine Läsion ad- äquat beurteilen. Egal, wie es bezahlt wird, egal, wer in den Berechtigten- kreis für das Screening einbezogen wird: Ohne Auflichtmikroskop ist das Hautkrebs-Screening genauso viel wert wie Kaffeesatzleserei!
Dr. med. Ulrich R. Hein,Mariendorfer Damm 126, 12109 Berlin
ARZTNUMMER
Seit Juli müssen Ärzte und Psycholo- gen bei Verordnun- gen und Abrechnun- gen neue Identifika- tionsnummern ver- wenden (DÄ 27/
2008: „Für immer durchnummeriert“ von Sabine Rieser).
Arbeitsaufwand gestiegen
Die Aussage der KV Westfalen Lip- pe in Ihrem Artikel „95 Prozent der Vertragsärzte und -psychotherapeu- ten würden die Änderungen . . . kaum spüren“ kann so nicht unwi- dersprochen bleiben. Da neuerdings für jede Überweisung sowohl die lebenslange Arztnummer sowie die Betriebsstättennummer eingegeben werden müssen, ist der Arbeits- aufwand deutlich gestiegen. Es war offensichtlich auch nicht möglich, wie von Softwarehäusern vorge- schlagen, eine entsprechende Datei zur Verfügung zu stellen, die eine halbautomatische Übernahme der Daten erlaubt. Nein, jede Nummer muss von der Helferin mindestens einmal in die Praxis-EDV von Hand eingeben werden. Dies zeigt wieder einmal deutlich, was pas- siert, wenn Vorgaben mit „heißer Nadel“ gestrickt werden und Sach-
verstand außen vor bleibt. Im Schwäbischen kommentiert man das mit der Aussage „Herr, schmeiß’ Hirn ra!“ . . .
Dr. Klaus-Peter Neff,Kirchheimer Straße 69, 70619 Stuttgart
Das Ende der Freiheit
Der neue Schlachtruf aller Politiker und Funktionäre lautet: „Daten aller Länder vereinigt euch!“ George Or- well hätte dieser digitale Schachzug sehr inspiriert: Datenkontrolle und damit Menschenkontrolle weltweit.
Mit Einführung der lebenslänglichen Arztnummer und Betriebsstättennum- mer für Ärzte ist nun aus digitaler Sicht das Ende der Freiheit und das Ende einer freien Ärzteschaft auch definitiv elektronisch besiegelt. Mag auch die EU-Kommission noch die Illusion einer freien Arztwahl dahin- heucheln. Ärzte in Deutschland sind nun auch nur noch Nummern, also Sklaven eines elektronisch durchme- tastasierten Demokratiesystems . . .
Dr. med. Gerhard Walter,Radiologisches Zentrum, Hembacher Weg 22, 91126 Schwabach
Ein großer Irrtum
Es ist ein großer Irrtum, dass sich in fachgleichen Gemeinschaftspraxen
„mit den beiden Nummern nachvoll- ziehen lässt, wer was in der Praxis er- bracht und abgerechnet hat“, wie Dr.
med. Berthold Dietsche vom Deut- schen Hausärzteverband sagt. Da un- sere Leistung im Wesentlichen nach Pauschalen abgerechnet wird, lässt sich lediglich sagen, bei welchem Arzt der Patient das erste Mal im Quartal war, bei der „Chroniker-Pau- schale“ entsprechend, welcher Arzt den Patienten zufälligerweise bei der Zweitkonsultation gesehen hat. Der Patient kann beliebig oft und lange andere Kollegen der Gemein- schaftspraxis konsultiert haben, ohne dass sich dies in Abrechnungsziffern bemerkbar macht. Aus den neuen Nummern als mögliche Konsequenz die erwähnte drohende Zulassungs- kürzung für ältere Kollegen abzulei- ten oder gar Zeitprofile zu verteilen, dürfte also mit Sicherheit keiner juris- tischen Überprüfung standhalten . . .
Dr. Michael Posern,Mariahilfstraße 13, 81541 München
RHEUMATOIDE ARTHRITIS
Je früher der Patient die Therapie be- ginnt, desto besser die Prognose (DÄ 27/2008: „Früh- therapie bessert die Prognose“ von Dr. rer. nat. Hildegard Kaulen).
Ein Punkt fehlt
Der Beitrag über die rheumatoide Arthritis (RA) gibt eine gute Zusam- menstellung der systemischen Be- handlungsmöglichkeiten bei RA.
Leider ist völlig vergessen worden, bei ungenügender Wirkung der sys- temischen Behandlung auf einzelne Gelenke auf die Möglichkeit einer Radiosynoviorthese (RSO) hinzu- weisen.
Dr. med. Manfred Wolfrum,Radiologische Gemeinschaftspraxis Wolfenbüttel-Braunschweig, Breite Herzogstraße 23, 38300 Wolfenbüttel
FOLTEROPFER
Ärzte in US-Militär- gefängnissen sind schuldig geworden (DÄ 28–29/2008:
„Wo waren die Ärz- te?“ von Martina Merten).
Fehlverhalten nicht nur in den USA
Dieser Artikel macht deutlich, dass auch heutige Ärzte sich allzu menschlich fehlerhaft verhalten. Im DÄ kann man gewöhnlich die sich wiederholenden Moralschelten über das Verhalten der Ärzte im national- sozialistischen System lesen. Das angeprangerte Fehlverhalten von USA-Ärzten ist meines Erachtens nicht allein auf die USA zu be- schränken. Auch heutige Ärzte pas- sen sich an die jeweiligen Machtsys- teme an. Ärzte sind halt auch nur Menschen. Berufliche Abhängigkeit und macht- und gesellschaftspoliti- sche Vorgaben wie „political correctness“ lassen auch viele Ärzte in Deutschland im Massenstrom mitschwimmen.
Dr. med. W. Bohn,Bahnhofstraße 24 35576 Wetzlar