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NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST
Addison-Krise
Addison-Krise ist die Bezeichnung für einen unerkannt und unbehandelt zum Tode führenden Schock- zustand im Verlauf eines Morbus Addison. Die Ursache hierfür ist ein Mineral- und Glukokortikoidaus- fall bei primärer Nebennierenrindeninsuffizienz. Während früher überwiegend eine Nebennierentuber- kulose dieser Erkrankung zugrunde lag, scheinen ätiologisch in jüngerer Zeit immunologische Ursa- chen (Immunadrenalitis) im Vordergrund zu stehen. Andere bilaterale Infektionen, degenerative Verän- derungen, Blutungen (Antikoagulantientherapie!), Traumen und Tumoren sind seltener. — Der Mangel von Aldosteron, Cortisol und Androgenen bestimmt die klinische Symptomatik. Das Fehlen von Aldosteron führt zu Natriumverarmung und verminderter Kaliumelimination. Als Folge treten bei der Addison-Krise Hypovolämie, Hypotonie, Schock oder hyperkaliämischer Herzstillstand ein. Durch den gleichzeitig bestehenden Glukokortikoidmangel lassen sich gastrointestinale, psychische und kardio- vaskuläre Befunde ableiten. — Traumen, Infekte, ACTH-Test, Insulinbelastungstest oder inadäquate Nahrungszufuhr (Hungern) können die Addison-Krise auslösen, an die gedacht werden muß, wenn ein hypovolämischer Schockzustand mit den Zeichen einer massiven Dehydration, Hyponatriämie und Hyperkaliämie einhergeht. Ein wegen der häufigen gastrointestinalen Beschwerden vorgenommener operativer Eingriff kann den Tod des Patienten zur Folge haben. — Durch die bei der Addison-Krise sofort notwendige Therapie muß die weitere Diagnostik nicht vollständig verschleiert werden, wenn das unten vorgeschlagene Vorgehen beachtet wird.
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Diagnose
Vermehrte Hautpigmentie- rung (Narben, Mundschleim- haut, Handlinien, Mamillen) anamnestisch Hinweis auf
„Salzhunger";
Hyperkaliämie (> 5,0 mval/I), Hyponatriämie (kann durch Hämokonzentration maskiert sein), Hypochlorämie, Hypo- glykämie, Leukopenie mit re- lativer Lymphozytose und deutlicher Eosinophilie, BKS- Beschleunigung, metaboli- sche Azidose, verzögerte Diu- rese nach Flüssigkeitssubsti- tution.
Jr. med. Gerald Klose Klinisches Institut für Herzinfarktforschung Medizinische
Universitätsklinik Bergheimer Straße 59 6900 Heidelberg
Symptomatik
Initial Unruhe, psychische Ab- weichungen wie inadäquate Furcht vor diagnostischen Eingriffen (Venenpunktion), zunehmend Schwäche bis zum Bild extremer Apathie, Koma;
anamnestisch Gewichtsver- lust, gastrointestinale Be- schwerden wie kolikartige Leibschmerzen, Übelkeit, Erb- rechen, Obstipation oder Diarrhöe;
Zeichen der Dehydration, Ex- sikkose, Hypotonie, Hypovol- ämie;
Hyperthermie als Zeichen des Schocks Kaltschweißigkeit, Zyanose, Tachykardie.
Therapie
Schnellste Klinikeinweisung möglichst sofortige Flüssig- keitssubstitution;
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Intravenöser Dauerzugang, Blutentnahme für spätere Be- stimmung von Plasma-Corti- sol und ACTH.Rasche Infusion von physiolo- gischer NaCI (11/h) unter Zu- satz von 4-20 mg Dexametha- son*) (z. B. Decadron®)
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Weitere Gabe von 0,9%iger NaCI und 20-40% Glukose bis zur Kreislaufstabilisierung.O Bei Schockgefahr: Plasma- ersatzmittel 500 ml (vasopres- sorische Substanzen erst nach Mineralausgleich!)
Bei Hyperthermie: Antipy- retika
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Breite antibiotische Abdek- kung.Nach 1 h Blutentnahme für zweiten Cortisolwert.
') Wenn Dexamethason nicht rasch zur Verfügung steht, muß 100 bis 200 mg Prednison (z. B. Decortin®) verabreicht werden.
2576 Heft 44 vom 2. November 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT