A 1628 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 33|
14. August 2009AUS ÄRZTLICHER FEDER
L’amitié franco-allemande
Als Leser fragt man sich manchmal, wie Schriftsteller wohl auf die Na- men ihrer Personen kommen – aus dem Telefonbuch, dem Ortsregister des ADAC-Atlas, einem Wörter- buch? Die Hauptperson dieser Er- zählung heißt jedenfalls Kych-Otte, ein Freund Yngve Ytter. Da stellen sich keine Assoziationen ein. Im- merhin trägt Kych-Ottes Gattin den schönen Vornamen Cécile, mit Ac- cent aigu, denn sie ist Französin.
Das ist nicht unwichtig. Das erzäh- lerische Kabinettstückchen handelt nämlich von deutschem und franzö- sischem Wesen. Letzteres schätzt Kych-Otte, der als Mikrobiologe in einem offenbar süddeutschen Uni- versitätsstädtchen wirkt, über die Maßen, wohingegen ihm alles Deutsche suspekt ist, nicht weltläu- fig genug. Doch der gute Kych-Otte erlebt eine Überraschung. Es stellt sich nämlich Besuch aus Frankreich ein, ein Onkel von Cécile, der natür- lich Alain heißt. Und Alain ist be-
geistert von allem Deut- schen, nicht nur im Allge- meinen, sondern speziell auch von einer Assistentin des Mikrobiologen, die dieser bisher als provinziell abgetan hat. Wie falsch – entwickelt sich doch eine nette deutsch-französische Beziehung zwischen der deutschen MTA und dem kultivierten Alain, der, was schon nicht mehr über- rascht, in Paris zu Hause ist und da- zu noch ein historisches Bauernhaus auf dem Land besitzt. Da kommt man sich schnell näher. Weshalb bloß hat Cécile ihrem Mann nicht schon früher vermittelt, dass Fran- zosen gar nicht so selten was für deutsche Kultur, eingeschlossen Wagner-Musik und Oktoberfeste übrig haben, fragt sich der Leser.
Hat sie aber nicht, und so steht Kych-Otte, als Alain auftaucht, mit seinen Vorurteilen ziemlich dumm
da. Doch ganz langsam bahnt sich die Bekehrung an und in Himmelspforten, une des Abbayes les plus impor- tantes du Sud d’Allemagne (der Autor lässt den Leser fleißig im Wörtbuch nach- schlagen!), schmelzen sie vollends dahin. Hier kann er Cécile ein stilvolles Heim bieten und Alain den deut- schen Barock vorzeigen.
Erstaunlich, welche Fülle an Kenntnissen und Erkennt- nissen der Autor auf 138 lo- cker gedruckten Seiten un- terzubringen weiß, nicht zu vergessen manchen Verweis auf den Umweltschutz. Schließlich ist der Verfasser auch Umweltmedi- ziner. Er erzählt eher konventionell und achtet auf den treffenden Aus- druck. Nur gelegentlich verirrt er sich auf die falsche Sprachebene, wo „kein Schwanz“ mehr zu sehen ist und jemand „seinen Senf“ un- passend dazu gibt. Doch das sei ihm nachgesehen. Der schmale Band aus kollegialer Feder verheißt allemal einen heiteren Sonntag- nachmittag. Peter Hilmend Wolfgang Roscher:
Himmelspforten, mon amour.
Novelle.Verlag 28 Eichen, Barnstorf 138 Seiten, 12 Euro, ISBN:
978-3-940597-02-1
Erich Wulff, emeritierter Professor für Sozialpsychiatrie, ist einer der letzten Zeitzeugen und ein intimer Kenner der kulturellen, gesell- schaftspolitischen und kriegeri- schen Ereignisse der Zeit von 1961 bis 1975, aber auch der Entwick- lung nach der Befreiung und Wiedervereinigung Vietnams unter kommu- nistischer Herrschaft.
Über seine Tätigkeit als Psychiater, Lehrer und Berater in Vietnam und seine politischen „Lehr- jahre“ in der Zeit von 1961 bis 1972 berichtete Wulff außer in wissen- schaftlichen Journalen
in seinem ersten Buch über Viet- nam unter dem Pseudonym Georg W. Alsheimer („Vietnamesische Lehrjahre“).
„Vietnamesische Versöhnung, Tagebuch einer Vietnamreise 2008 zu Buddhas und Ho Chi Minhs Ge- burtstag“ ist sein drittes Buch über Vietnam. Wulff war mit seiner Fa- milie vom buddhistischen Organi- sationskomitee in Vietnam zu den gemeinsamen Feierlichkeiten der Buddhisten und der sozialistischen Staatsmacht aus Anlass des Ge- burtstages Buddhas in Hanoi als Redner eingeladen. „Versöhnung“
hat hier eine doppelte Bedeutung.
Einmal ist es die Versöhnung des Autors mit dem Land nach der des- illusionierenden Konfrontation mit REISETAGEBUCH
Kritischer Beobachter
einer von Zwängen bestimmten kommunistischen Alltagswirklich- keit, wie er sie in seinem zweiten Vietnambuch schonungslos aufge- zeigt hatte („Eine Reise nach Viet- nam“). Zum anderen berichtet das Buch ausführlich von dem Wieder- erstehen der buddhistischen Welt und ihrer Versöhnung mit den kom- munistischen Mächten.
Erich Wulff ist nicht nur ein kri- tischer Beobachter des Geschehens, er lässt auch immer teilhaben an seinen eigenen Gefühlen, Zweifeln, Ängsten und Hoffnungen. So ist
„Vietnamesische Versöhnung“ wie- der ein lebendig und anschaulich geschriebenes Buch, das neben Anekdotischem interessante Einbli- cke in die sozialpolitische Entwick- lung und das Gesundheitswesen Vietnams gewährt und in dem man einem menschlich fühlenden und politisch verantwortungsbewussten Arzt begegnet. Wolfgang Kuhl Erich Wulff:
Vietnamesische Versöhnung.
Argument, Hamburg 2009, 166 Seiten, kartoniert, 12,90 Euro