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Archiv "Ethik: Gelegentliche Melancholie" (20.02.2009)

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ETHIK

Gelegentliche Melancholie

Was kann Ethik heute leisten, da moderne Medizin Menschen nicht mehr nur heilen, sondern auch nach individuellen Wünschen „verbes- sern“ kann? Ist mit der ständigen Er- weiterung von Optionen menschli- che Realität überhaupt noch ange- messen beschreibbar, oder braucht es in der beschleunigten Moderne eine grundsätzliche Verständigung über das, was den Menschen aus- macht, über sein Maß?

Der Band versammelt dazu 20 Beiträge. Zunächst gilt es, sich über die „Natur des Menschen“ und sein Verhältnis zu ihr klar zu werden. In seiner „Rede über die Menschen- würde“ (1486) stellt Pico della Mi- randola den Menschen als das Le- bewesen vor, dessen Natur darin besteht, dass es keine Natur hat. So muss er aus der Fülle der Möglich- keiten wählen. Wer an einen Schöp- fer glaubt, wird die schöpferischen Möglichkeiten des Menschen mit Demut zu verbinden suchen. Wer dagegen der Ansicht ist, dass der Mensch seit der Aufklärung auch zur Mitbestimmung an seinem bio- logischen Schicksal ermächtigt sei, wird sich mit Begrenzungen jeder Art schwertun. Hatte doch bereits Immanuel Kant zwei Aspekte des menschlichen Umgangs mit seiner Natur betont: Dem „lebe der Natur gemäß“ wird ein „mache dich voll- kommener, als die bloße Natur dich schuf“ an die Seite gestellt. Mit Blick auf die moderne Medizin wird ein Dilemma deutlich: „Was durch Wissenschaft technisch dis- ponibel geworden ist, soll durch moralische Kontrolle normativ wie- der unverfügbar gemacht werden.“

(van den Daele)

Ein zweiter Teil fragt, was die

„Natur des Menschen“ zu einzelnen ethischen Entscheidungen beitragen kann. Die Optimierung menschli- cher Gehirnleistungen mittels „kos- metischer Psychopharmakologie“,

„natürliche“ und „künstliche“ Leis- tungssteigerung im Sport, Repro- duktionsmedizin, Nanotechnologie und Anti-Aging-Medizin werden behandelt. Der Aufsatz „Medizin

und Menschenbild“ unterzieht eini- ge Leitbilder der modernen Medi- zin, etwa das mechanistische und das Bild des Menschen als Einzel- wesen, einer grundsätzlichen Kritik.

Ein Gegenentwurf schlägt vor, den Menschen als „vulnerabel und an- gewiesen“ anzusehen. Eine in die-

sem Sinn humane Medizin betrach- tet den kranken Menschen nicht als Störfall, sondern versteht Kranksein als eine menschliche Existenzweise.

Ein lesenswertes und notwendi- ges Buch. Angesichts der behandel- ten Fragen kann einen bei der Lek- türe gelegentlich eine Melancholie beschleichen, deren Grund der Phi- losoph Peter Sloterdijk so formu- liert hat: „Es gehört zur Signatur der Humanitas, dass Menschen vor Pro- bleme gestellt werden, die für Men- schen zu schwer sind, ohne dass sie sich vornehmen könnten, sie ihrer Schwere wegen unangefasst zu las- sen.“ Christof Goddemeier

Giovanni Maio, Jens Clausen, Oliver Müller (Hrsg.): Mensch ohne Maß? Reichweite und Grenzen anthropologischer Argumente in der bio- medizinischen Ethik. Karl Alber, Freiburg 2008, 436 Seiten, gebunden, 48 Euro

A348 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 8⏐⏐20. Februar 2009

M E D I E N

MEDIZINGESCHICHTE

Unterhaltsam

„Ich trage einen großen Namen“ – so heißt es seit 1977 im Südwest- fernsehen in einer Ratesendung, und genauso dürfte zweifelsohne auch der Titel des Buchs von Andreas Winkelmann lauten. „Von Achilles bis Zuckerkandl“ ist ein Nachschla- gewerk der Eponyme (Begriffe, die Gegenstände und Sachverhalte mit Personen assoziieren). Auf 320 Sei- ten sind knapp 500 Kurzbiografien von Medizinern zu finden und mehr als 600 mit diesen in Verbindung zu bringende anatomische Strukturen und/oder Krankheiten. Im Vergleich mit der Erstauflage aus dem Jahr 2004 kamen 30 weitere Seiten hin- zu, entsprechend einem Stichwort- zuwachs von circa zehn Prozent.

Es sind die häufigsten Eigen- namen in der Medizin aufgelistet, jedoch ohne den Anspruch auf Voll- ständigkeit zu erheben; dass in der zweiten Auflage auch „Schellong- Test“, „G-Punkt“, „Knaus-Ogino- Methode“ und „Frenzelbrille“ neu hinzukamen, ist löblich, auch dass Autor und Verlag die Leserschaft um Ergänzungen bitten. Ferner ist es kein Manko von großer Tragweite, dass den Entdeckern seltener Erb- und/

oder Stoffwechselkrankheiten die

Ehre vorenthalten bleibt, hier beim

„Namen genannt“ zu werden; dass je- doch manch ein Medizinstudent ver- geblich nach dem „guten alten Frank Starling“ blättert, wenn er sich für dessen Mechanismus interessieren muss, ist ein klarer Kritikpunkt. So wird er hier auch nicht lernen, dass Otto Frank eben nicht der Vorname von Ernest Starling ist. Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass das Werk, welches auf einer Nomen- klatur von anatomischen Eponymen fußt, die er seit 2001 zusammenträgt, aus Anekdoten besteht und dass seine Intention eben nicht das bloße Auf- listen von Lebensdaten großer Wis- senschaftler ist. Deshalb kann der Leser sich teilweise schmunzelnd in reichlich Skurrilem vertiefen, so dass Stalin möglicherweise Bechterew er- morden ließ oder dass die Guillotine nach Dr. J. Guillotin benannt wurde.

Auch der große Goethe hat seinen

„Goethe-Knochen“, und es darf auch Alois Alzheimer nicht fehlen mit seiner Abhandlung über den Oh- renschmalz und dessen Drüsen, wei- ter gibt es „Ungereimtheiten“ beim

„Erb’schen Punkt“. Ebenso kommen Sagengestalten wie „Achilles“ oder der biblische „Adam“ nicht zu kurz, wobei diese, wie auch andere antike Figuren, doch eher die Ausnahme sind; der Schwerpunkt wird auf die

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 8⏐⏐20. Februar 2009 A349 Forscher ab dem 16. Jahrhundert und

auf klinische Begriffe ab dem 19. Jahr- hundert gelegt.

Diese „Erbauungsliteratur“ ist so- wohl Merkhilfe für Studenten beim

„Büffeln“, erschließt aber auch sämt- lichen Medizinern und medizininter- essierten Laien Medizingeschichte auf unterhaltsame Weise. Durch Querverweise bei den einzelnen Stichworten werden ganze Epochen angesprochen. Der größte Kri- tikpunkt ist jedoch folgender: Bei al- ler unheilvollen deutschen Geschich- te sollte sich der moralische Zeigefin- ger des Autors nicht im Uferlosen überdimensionieren. Wenn bei Max Clara (Clara-Zelle des Bronchialge- webes) in der Kurzbiografie über 17 Zeilen ein „strammrechtes“ Zitat ab- gedruckt wird, welches einer dessen politischen Reden zuzurechnen ist, aber der Leser kaum etwas über das wissenschaftliche Leben Claras er- fährt und Winkelmann abschließend allen Ernstes fragt, ob man die „Cla- ra-Zelle“ nicht umbenennen sollte, ist ihm der Vorwurf der Verunglimpfung und Nestbeschmutzung nicht zu er- sparen, schließlich wurde Clara im Entnazifizierungsprozess vollständig

entlastet. Die gesamte Medizinge- schichte aller Herren Länder aus heu- tiger Sicht betrachtet mit unseren ak- tuellen ethischen und moralischen Wertevorstellungen lässt einen Groß- teil früherer verdienter Forscher und Wissenschaftler in rabenschwarzem Licht erscheinen, dessen sollte sich der Leser jederzeit bewusst sein.

Doch alles in allem wird durch dieses lesenswerte Lexikon dem Le- ser eine gelungene Kombination aus Nachschlagewerk und amüsanter Schmökerliteratur angeboten.

Oliver Andreas Burgstett

Andreas Winkelmann:

Von Achilles bis Zuckerkandl.

Eigennamen in der medizinischen Fachsprache. 2. Auflage.

Huber, Bern 2009, 320 Seiten, gebunden, 24,95 Euro

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