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Archiv "Menschen mit Behinderungen: Aus der Anstalt in die Mitte der Gesellschaft" (28.03.2014)

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A 562 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 13

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28. März 2014

MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN

Aus der Anstalt in die Mitte der Gesellschaft

Das Museum für Hamburgische Geschichte zeigt die Ausstellung

„Geht doch! – Inklusion erfahren“.

D

as 150-jährige Bestehen der Evangelischen Stiftung Als- terdorf nimmt das Museum für Ham- burgische Geschichte zum Anlass, mit der Erlebnis-Ausstellung „Geht doch! – Inklusion erfahren“ die Si- tuation von Menschen mit Behin- derungen zu beleuchten. Die Schau in der Hansestadt gliedert sich in drei Teile: zwei thematisieren die geschlossene Anstalt gegenüber dem heute angestrebten Miteinander und der Inklusion. Ein Übergangsbe- reich stellt den Begriff der Norma- lität infrage. Eine Installation zeigt, wie die Menschen mit Behinderun- gen von 1860 bis 1979 in dem da- mals noch Alsterdorfer Anstalten genannten Asyl gelebt haben.

Pastor Heinrich Matthias Sengel- mann gründete 1863 ein Heim für vier geistig behinderte Jungen in Alsterdorf, damals noch ein Vorort Hamburgs. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges lebten bereits 1 000 Pa- tienten auf dem Areal. Im National- sozialismus wurden die Anstalten

lautstark kundtat, wurde er mit der sogenannten Schutzjacke gefesselt, zum „Ruhigstellen“. Dass ihre An- wendung verboten war, interessier- te niemanden. Beides, die Kiste und die Zwangsjacke in der Vitrine, we- cken schauerliche Assoziationen.

1979 erlebte der Zivildienstleis- tende Daniel Karasek in den Alster- dorfer Anstalten bigotte Pfleger, die ihn an das freudlose Personal in Bergmann-Filmen erinnerten. Die fürchterlichen hygienischen Zustän- de machte Daniel Karasek zusammen mit Reportern der Wochenzeitung

„Die Zeit“ publik.

In der Ausstellung gilt es, viele Knöpfe zu drücken, auch Kinder dürfen alles anfassen und auspro- bieren. Barbie-Puppen stellen Men- schen mit Behinderungen dar. Das verfehlt nicht seine Wirkung, weder Barbie mit langen roten Haaren im Rollstuhl noch der smarte Ken, ihr Boyfriend, mit Blindenstock. Dass die Gesellschaft noch einen weiten Weg zurückzulegen hat, bis alle Menschen in der sozialen Mitte an- kommen können, zeigt ein Blick auf einen Busfahrplan in der Schau.

In Hamburg muss ein Rollifahrer dreimal mehr Zeit einkalkulieren als ein Fußgänger.

Judith Meisner zu einem „Spezialkrankenhaus für

alle Arten geistiger Defektzustän- de“. Die sogenannte Euthanasie, die auf Sozialdarwinismus beruhende Ermordung von Menschen, die nicht zum volkswirtschaftlichen Nutzen beitrugen, wurde schon seit 1920 im konservativen Lager dis- kutiert. Als erstes verschwanden nach 1933 jüdische Insassen. Insge- samt wurden 550 Menschen depor- tiert und ermordet.

Auch nach 1945 blieben die Ideen der Nazis maßgebend. Moder- ne Grundsätze der Psychiatrie fassten in Deutschland erst sehr langsam Fuß. So gab es keinen Rückzugs- raum, und Privatsphäre war Fehlan- zeige: Eine etwa DIN A 4 große, 15 Zentimeter hohe Holzkiste musste für die Besitztümer des Bewohners ausreichen. Das sollten im wesent- lichen Süßigkeiten von Verwandten sein. Es gab keine Schublade, kei- nen Schrank, und schon gar nicht ein eigenes Zimmer. Wenn jemand unzufrieden war und seinen Unmut

Die lebensgroße Figur der Rollifahrerin gestalteten behinderte Menschen. Weiße Figürchen symbolisieren die 550 Euthanasie-Opfer aus den Alsterdorfer Anstalten.

Ein blinder Mensch schuf das farbige Relief „Freundschaft“. Die Barbie-Puppe im Rollstuhl als Beispiel für eine junge Frau mit Muskelschwund

Fotos: Judith Meisner

Informationen: „Geht doch! – Inklusion erfahren“

im Museum für Hamburgische Geschichte, Holsten- wall 24, 20355 Hamburg. Bis 21. April. Öffnungs- zeiten: Dienstag bis Sonnabend 10–17 und Sonn- tag 10–18 Uhr. www.hamburgmuseum.de

K U L T U R

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