A 352 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 8|
22. Februar 2013 ob diese Stressresistenz bei ihnentatsächlich vorliegt.
Klar ist auch, dass sich bei den äl- teren Teammitgliedern im Laufe der Jahre durch die tagtägliche Arbeit in der Praxis Kompetenzen und Erfah- rungen angesammelt haben – etwa auch Erfahrungen mit „Stammpa- tienten“, die der Praxis seit vielen Jahren die Treue halten. Dieses Wis- sen im Umgang mit den Patienten ist
geradezu Gold wert und trägt erheb- lich zur Kompetenz der „Grauköpfe“
bei, die kein Arzt missen möchte.
Auch in der Teamarbeit und bei der Konfliktbewältigung geht es dar - um, sich die Stärken der Generatio- nen zunutze zu machen. Augenarzt Laube erläutert: „Beim produktiven Umgang mit Konflikten kann ich meistens auf die Ausgeglichenheit der älteren Mitarbeiter zurückgrei- fen. Häufig hilft deren Erfahrung dabei, Konflikte etwa in der Beleg- schaft zu versachlichen und eine Es- kalation zu verhindern.“ Der Grund:
Die Älteren haben oft genug am ei- genen Leib gespürt, dass es wenig hilfreich ist, allzu emotional zu rea- gieren und störrisch auf der eigenen Meinung zu beharren. Sie kennen die Situation, dass der Kompromiss oder besser noch der Konsens, der Aus-
gleich zwischen den konträren Posi- tionen, eher zu Win-win-Situationen führt als das uneinsichtige Festklam- mern an der eigenen Position.
Darum meint Laube: „Es muss sich nicht immer so verhalten, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß: Äl- teren Mitarbeitern ist es aufgrund ihres sozialen Leistungspotenzials eher möglich, in Konflikten als Konfliktlöser aufzutreten.“ Und in
Streitsituationen, an denen sie selbst beteiligt sind, fällt es ihnen leichter, die eigenen Emotionen und die der anderen Konfliktpartei in den Griff zu bekommen und dem Gegenüber die versöhnende Hand zu reichen.
Kommen wir zur Teamarbeit:
Die genannten Eigenschaften der Älteren prädestinieren diese für die Teamarbeit. Dort sorgen ihre Aus- geglichenheit, ihre Ausgewogen- heit und ihr unaufgeregter Umgang mit problematischen Situationen dafür, dass der Blick für die Ge- samtentwicklung der Praxis nicht verloren geht. Ältere Mitarbeiter sind häufig in der Lage, von (ihren) Einzelinteressen abzusehen, diese nach hinten zu stellen und sich auf die Gesamtentwicklung der Praxis zu fokussieren.
Wenn es in der Praxis eine Auf- gabe im Team zu bearbeiten und zu lösen gilt, ist es zielführend, einen älteren und einen jüngeren Mitar- beiter gemeinsam im Zweierteam wirken zu lassen, damit sich deren Kompetenzen sinnvoll ergänzen:
etwa die Begeisterungsfähigkeit und die kreativen Ideen der jungen Mitarbeiter und die durch Lebens- und Praxiserfahrungen gesättigten Hinweise der „Grauköpfe“.
Aber Achtung: Bei der ganzen Thematik gilt es, sich vor Pauscha- lisierungen zu hüten. Denn natür- lich gibt es ihn – den stressanfäl - ligen und egoistischen älteren Mit- arbeiter, der im Streit keinen Schritt nach hinten weicht und lieber für sich selbst dahinwerkelt, als sein Wissen im Team einzubringen. Ge- nauso wie es den jungen Mitarbei- ter gibt, der mit hoher Stressresis- tenz und Konfliktlösungskompe- tenz die Belange des Teams über die eigenen Interessen stellt.
Laube fasst zusammen: „Wie im- mer im Umgang mit Menschen und bei der Mitarbeiterführung gilt: Der Arzt muss berücksichtigen, mit welchen Menschen und Mitarbei- tertypen er zu tun hat, und seine Führungsaktivitäten auf die Menta- lität des jeweiligen Mitarbeiters ab- stimmen.“
Und dabei spielt nicht allein das
Alter eine Rolle.
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Karin und Michael Letter, 5medical management, Neuss
Eine Krankenkasse ist zur Kostenübernahme einer stationären Behandlung für eine allogene Stammzelltransplantation einer 72-jährigen Versicherten verpflichtet. Dies hat das Sozial- gericht Hamburg entschieden.
Die Frau litt zunächst an einem myelodys- platischen Syndrom. Nachdem die Krankheit in eine akute Leukämie übergegangen war, stell- te das Krankenhaus die Indikation für eine Stammzelltransplantation. Die Kostenübernah- me wurde von der Krankenkasse abgelehnt mit der Begründung, das Verfahren sei für eine 72-jährige nicht ausreichend erprobt und nur
im Rahmen einer klinischen Studie durchführ- bar. Anderenfalls verstoße die Behandlung ge- gen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Dies wurde vom gerichtlichen Sachverständigen so nicht geteilt. Er führt aus, dass eine allogene Stammzelltransplantation auch bei einer 72-jährigen Patientin kein experimentelles Ver- fahren mehr darstelle. Nicht das Alter, sondern der Allgemeinzustand sei für die Risikoabwä- gung der Behandlung ausschlaggebend.
Auch nach Auffassung des Gerichts ist al- lein entscheidend, ob die Krankenhausbehand- lung im Einzelfall medizinisch erforderlich ist.
Eine zwingende Einbindung der streitigen Be- handlung in eine klinische Studie gebe das Gesetz nicht vor, da es sich bei der allogenen Stammzelltransplantation auch bei einer 72-Jährigen nicht um eine neue Behandlungs- methode handele. Auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der bei Vor- liegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung auch neue Behandlungsmethoden von den Krankenkassen zu übernehmen sind („Niko - lausurteil“), komme es vorliegend nicht an, ob- wohl diese Voraussetzungen im streitigen Fall vorliegen (Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 17. Januar 2013, Az.: S 35 KR 118/10)
RAin Barbara Berner
RECHTSREPORT
Übernahme der Kosten einer lebenserhaltenden Stammzelltransplantation