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Archiv "Tempelanlagen auf Malta: Zeugnisse des Glaubens an die Grosse Mutter" (16.11.2001)

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V A R I A

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nbemerkt Weltöffentlichkeit er-von der eignete sich in der Nacht zum Karfreitag, am 13.

April 2001, auf der Insel Mal- ta ein Kulturfrevel. Einer der ältesten Tempel der Welt, Mnajdra, den die UNESCO zusammen mit der Anlage Hagar Qim 1980 zum Welt- kulturerbe erklärt hat, wurde schwer beschädigt.

Es ist aber nicht das erste Mal, dass einheimische Vanda- len die Tempel von Malta ge- schändet haben: 1991 waren es Hagar Qim und Mdina und 1994 die Tempel-Anlage Borg-in-Nadur. Tonnenschwe-

re Steine wurden mit Hebeln umgestoßen und unwiderruf- lich zerstört. Jedesmal besteht der Verdacht, dass die Täter, die bis heute noch nicht ermit- telt wurden, dieselben sind und ihr Anschlag dazu dient, die Regierung unter Druck zu setzen.

Vogelmord und Wählerstimmen Der Hintergrund der Verwü- stungen sind Vogelfang und Vogelmord. Überall in der Landschaft sieht der Tourist die aufgetürmten Steintisch- chen, auf denen im Frühjahr und Herbst Lockvögel in ihren Käfigen stehen. Nach Schätzungen der rund 1 500 maltesischen Vo-

gelschützer werden jährlich auf Malta mehr als 3 000 Reiher, 1 500 Falken, 500 Eulen, 50 000 Feldlerchen, 100 000 Turteltauben und 200 000 Singdrosseln gefan- gen, geschossen, ge-

tötet. Hinzu kom- men Fischadler, Pe- likane und andere seltene Vögel. Die seltenen Exemplare werden ausgestopft und als Trophä- en gesammelt. Die

„Massenware“ wird fortgeworfen. Zwar gibt es Schonzeiten und Jagdverbote.

Die Einhaltung die- ser Gesetze wird je- doch nicht über-

wacht. Vogeljagd und Vogel- mord sind auf Malta ein Volkssport, den laut Statistik jeder zwölfte Malteser aus- übt. Offiziell gibt es rund 35 000 registrierte Vogeljäger, die über 54 000 Waffen verfü- gen. Bei nur 360 000 Einwoh- nern ist das ein stattliches

Wählerpotenzial. Die Vogel- jäger zu verärgern würde Wählerstimmen kosten – und das will sich keine Partei lei- sten. Im Fall des Tempels Mnajdra liegt das prähistori- sche Naturdenkmal mitten im Fangge- biet und ist damit den Jägern ein Dorn im Auge. Und so sind nicht nur die verschiedensten art- geschützten Vögel be- droht, sondern auch die alten Kulturstät- ten. Maltas Tempel sind einzigartig. Sie sind Denkmäler aus dem Neolithikum, ei- ner Epoche, die weit vor den großen Kul- turen liegt. Sie sind Zeugnis ei- ner der ältesten Religionen der Menschheit: des Glaubens an die „große Mutter“, des

„Tors des Lebens“. Diese Mo- numente sind älter als die Py- ramiden (2800 v. Chr.) oder Stonehenge (2400 v. Chr.). Ih- re Bedeutung ist mit den Nur von der lokalen Presse

wurden die Schändungen der Tempelanlagen auf Malta registriert.

Die Vogeljäger zu verärgern würde

Wählerstimmen kosten – und das will sich keine Partei leisten. Im Fall des Tempels Mnajdra liegt das

prähistorische Naturdenkmal mitten im Fang- gebiet und ist damit den Jägern ein Dorn im Auge.

Tempelanlage von Tarxien

Z EUGNISSE DES G LAUBENS

AN DIE G ROSSE M UTTER

Die steinernen Zeugnisse sind Kulturdenkmäler, die für die Zukunft bewahrt werden sollten.

Einige von ihnen wurden jedoch in letzter Zeit von einheimischen Vandalen schwer beschädigt.

Feuilleton

Tempelanlagen auf Malta

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 46½½16. November 2001 AA3061

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V A R I A

großen Weltwundern gleich- zusetzen. Da in der Kultur Maltas keine Mythen aus der Vorzeit überliefert sind, spricht Maltas Mythos allein durch seine Tempel und die prähistorischen Bildwerke und Skulpturen, die man gefunden hat, und aus dem Namen der Insel. Malta, so vermuten einige Wissenschaftler, kom- me von „Melitta“, der Biene, dem Symbol frauenorientier- ter Gemeinschaftsbildung – oder, was auch in Erwägung gezogen wird, dass „Mylitta“

die Namensgeberin gewesen sein könnte, die Herodot als Göttin der Heilkunst und des Schutzes schwangerer und ge- bärender Frauen beschreibt.

Mit Sicherheit aber waren die- se ersten Tempel der Mensch- heit Wallfahrtsorte zur „Magna Mater“, der großen Urmutter und Göttin.

Heilen im Dienste der Göttin Die am besten erhaltenen me- galithischen Tempelanlagen sind Hagar Qim, Mnajdra, Tarxien auf Malta und Gigan- tija auf Gozo. In ihrer Bau- weise sind alle Tempel durch den ersten Tempel Gigantija auf Gozo geprägt. Immer sind es Rundbauten in ovaler Form, die halbrunde Apsiden bilden. Die Anlagen bestehen aus zwei oder mehreren Tem- peln, die nebeneinander ge- baut sind oder miteinander Berührung haben. Auf der In- sel Gozo steht der älteste Tempel der Welt: Gigantija (4000–3000 v. Chr.).

Die Tempelanlage Giganti- ja wird von einem größeren und einem kleineren Tempel gebildet, die von einer ge- meinsamen Außenmauer um- geben sind. Die Grundrisse erinnern auffällig an die figür- lichen Umrisse der „großen Mutter“ wie auch die Lage der beiden Tempel an das Bild der Göttin in Doppelgestalt von Mutter und Tochter. In der Ur- und Frühgeschichts- forschung werden figürliche Darstellungen zweier Frauen als Mutter-Tochter-Bilder ge- deutet, die die ununterbro- chene Fortsetzung des Lebens- prozesses durch die Frauen

symbolisieren. Deshalb präg- te die weibliche Linie sowohl die familiären als auch die gesellschaftlich-kulturellen Strukturen und garantierte ih- re Fortentwicklung. Und so ist der Tempel von Gigantija wahrscheinlich der erste Sa- kralbau, in dem diese Auffas- sung in Stein manifestiert wurde. Drei hintereinander liegende Schwellen

und Durchgänge führen in die bauchi- gen Innenräume der Tempel. Das erste Raumpaar diente

wohl der Vorbereitung auf die Opferzeremonie. In einem mächtigen, in die gewölbte Außenwand eingefügten Mo- nolithen befindet sich das Orakelloch. Aus ihm sprach eine wissende Stimme zu de- nen, die um Rat suchen. In Ni-

schen entlang der Seitenrun- dungen stehen mehrere kleine Seitenaltäre. Die Innenwände waren verputzt, mit Stuck ver- ziert und in Ocker bemalt. Re- liefdarstellungen mit Spiralen, Pflanzen-, Blumen- und Tier- motiven auf den Altarsteinen weisen auf die Opfergaben hin, die der Großen Göttin ge- weiht wurden.

Der Mnajdra-Komplex (3500–3000 v. Chr.) ist beson- ders interessant wegen seiner geheimen Kammern, die in den dicken Mauern verborgen sind, und den Löchern, die sie mit dem Innenteil des Tempels verbinden. Man vermutet, dass es Orakelkammern waren, es könnte aber auch eine Anlage gewesen sein, durch die Kräu- terdüfte in die Kammern ein-

drangen, um so den Kranken Linderung zu bringen und den Heilschlaf zu fördern. In der Tempelanlage in Tarxien liegt am östlichen Ende des Vor- hofs ein flacher Stein mit ho- hem Rand und sechs Löchern.

Er diente wahrscheinlich der Aufnahme von flüssigen Op- fergaben, die durch die Lö- cher in die Erde geleitet wur-

den. Eine andere Deutung jedoch besagt, dass dort Heil- kräuter verrieben wurden.

Möglicherweise wurden die Kammern von Gebärenden benutzt, die in den Tempeln der „Großen Mutter“ ihre Kinder zur Welt brachten,

vielleicht dienten sie auch da- zu, die Kranken zu beherber- gen, und so aus den Tempeln die ersten frühen Kranken- häuser der Welt entstanden.

Versteinerte Geheimnisse Viele der Steine in den Tem- peln sind mit einem Punktde- kor überzogen, das bei ent- sprechendem Sonnenlichtein- fall reizvolle Schatten wirft.

Da die Tempel in ihrer Ur- form nicht mehr erhalten sind, können diese Effekte nicht mehr zugeordnet werden. Es war wohl das Spiel des Lich- tes, was den Astronomen Paul Micallef veranlasste, den Süd- tempel von Mnajdra zu ver- messen. Er fand heraus, dass die ersten Sonnenstrahlen bei

Tag- und Nachtgleiche durch das Haupttor dringen und die Kopfnische beleuchten. Mi- callef folgert daraus, dass die- ser Bau ein Sonnentempel ge- wesen war, in dem astronomi- sches Urwissen architekto- nisch umgesetzt wurde.

Um 2700 v. Chr. wurde Ha- gar Qim erbaut. In diesem Tempel wurden mittelgroße fettleibige Kalkstatu- en gefunden, darun- ter auch die „Venus von Malta“, eine 13 cm hohe Figur. Wie alle anderen Skulptu- ren aus Hagar Qim dürfte die maltesische Venus bereits ei- ner Spätphase der Tempelkul- tur angehören, ebenso wie das Fragment der großen Göttin aus dem Heiligtum von Hal Tarxien. Sie ist, für die damali- ge Zeit, die größte Kolossal- skulptur aus Stein.

Aber noch andere Beson- derheiten weist die Tempelan- lage von Tarxien (3800–2500 v. Chr.) aus, die 1915 entdeckt wurde: In dem Vorhof des Südwesttempels liegen vor dem Eingang Steinkugeln in verschiedenen Größen. Man nimmt an, dass sie als Trans- portwalzen für das Herbei- schaffen der Steinblöcke dien- ten. Aber man stellte noch ei- nen Verwendungszweck fest:

Der Tempel selbst steht auf solchen Steinkugeln, eine Maßnahme, den Kolossalbau gegen Erdbeben zu sichern.

Die Tempel von Malta zei- gen der Nachwelt, dass in der Prähistorie dort Menschen jahrtausendelang ohne jede Gewalt, das heißt ohne Waffen und Krieg, in Frieden miteinan- der gelebt haben. Bei den Tau- senden von Knochenfunden aus dieser Kultur wurde nicht ein Skelett entdeckt, an dem Gewalteinwirkungen oder Kriegsspuren zu finden waren – und Waffen fand man gar nicht aus dieser Epoche. Um 2000 v. Chr. ist die Frauen-Kultur der Magna Mater im Dunkel der Geschichte verschwunden. 200 Jahre später wird Malta er- neut von den Völkern der Bronzezeit besiedelt. Was blieb, sind die steinernen Zeug- nisse, die es für die Zukunft zu bewahren gilt. Iris Schatz

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A3062 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 46½½16. November 2001

Diese Tempel sind älter als die

Pyramiden (2800 v. Chr.) oder Stonehenge (2400 v. Chr.).

Ihre Bedeutung ist mit den großen Weltwundern gleichzusetzen.

Tonnenschwere Steinblöcke wurden im Mnajdra-Tempel umge- stoßen und zerbrochen – ein nicht zu restaurierender Schaden.

Fotos: Iris Schatz

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