Der ptolemäische Felsentempel in Elkab
Von Philippe Deechaik, Heusy-Verviers
Im Nordosten der Umfassungsmauer von Elkab befinden sich im
Osten der Nekropole mehrere, seit langer Zeit bekannte Baudenkmäler.
Unter ihnen ist der ptolemäische Felsentempel am wenigsten bearbeitet.
Seine Beschreibung ist am unvoUständigsten, obwohl er für einen so
kleinen Tempel sehr viele Inschriften enthält. Leider sind sie stark
beschädigt. Seit dem Besuch der ersten Archäologen zu Begmn des
19. Jahrhunderts, sind sie sogar teilweise verloren gegangen. Das be¬
deutet, daß die von mir beabsichtigte VeröfFentlichung sowohl auf meiner
eigenen Arbeit in Elkab in den Jahren 1954 und 1956 sowie auf den Auf¬
zeichnungen von Nestoe l'Hote, Hay, Wild und der preußischen
Expedition unter der Leitung von Lepsius beruht.
Trotz des schlechten Erhaltungszustands bin ich der Ansicht, daß die
Tempelreste es verdienen, veröflFentlicht zu werden. Obwohl der Name
der Nechbet mehrmals, vor allem außen, vorkommt, handelt es sich um
einen Empfangstempel für die Göttin, die in der Ferne war.
Hathor scheint sogar in Löwenform verehrt worden zu sein, denn im
hinteren TeU der Kapelle befinden sich noch die Reliefs zweier liegender
Löwengestalten, die an dieser Stelle nur die Gottheit darstellen körmen,
der das HeUigtum geweiht war. Wir haben es also mit einem HeUigtum
der Hathor Tefnut zu tun, deren Kult in Elkab von Jttnkee erschlossen
worden ist^.
Diese Erkenntnis läßt sich verhältmsmäßig leicht gewinnen, während
die dem HeUigtum eigene Theologie sehr vielschichtig ist. Sie stellt ein
örtHches Göttersystem dar, in das die verschiedenen Kulte, die nach¬
einander im Gebiete von Elkab Bedeutung erlangten, verschmolzen sind.
Als letzte nahm Nechbet von dem Tempel Besitz. Die Weihinschriften
an den Außenwänden, die bei der ptolemäischen WiederhersteUung des
Tempels angebracht wurden, sind ihr zugeeignet. Eine genaue Unter¬
suchung der Titelreihe der Nechbet beweist jedoch, daß sie den Tempel
usurpiert hat. Alle ihre Titel smd eigentlich Titel der Hathor, von der
geläufigen Reihe „Auge des Re, Himmelsherrscherin, Herrin der Götter,
die in Bugem wohnt" bis zur vollständigen Assimilierung in der Gestalt der Nechbet-Hathor, der Herrin des Wüstentales".
1 Junker, Auszug, 86ff.
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Die langen Texte im Innern der Kapelle erwähnen Nechbet überhaupt
nicht, sondern sprechen nur von Horus und Hathor. Sie sind als vier-
strophige Hymnen nach dem typus nfr wj hr.k oder m m.s pw n gestaltet
und häufig zu größeren Einheiten zusammengeschlossen. In Wirklichkeit
sind diese Hymnen Ritualzusammenfassungen, wie es ein Vergleich mit
den Parallelinschriften in Edfu und Philae^ beweist. In diesen Hymnen
ist Hathor die viergesichtige Weltherrscherin, mit einem Gesieht für
jede Himmelsrichtung, die als Beschützerin auf der Sonnenbarke mit¬
fährt. In dieser Gestalt ist Hathor also Uräusschlange. Wir haben schon
hier einen Beweis für die Angleichung der beiden Mythen der zwei Augen
des Himmelsgottes, des Auges des Re und des Auges des Horus.
Auf diese Beschreibung der viergesichtigen Hathor folgt eine Reihe
von Anspielungen auf die Besänftigung der Göttin, die in der Feme war,
durch Thoth, ferner Musik- und Tanzszenen, die bis in den Wortschatz
genau dem entsprechen, was Junkee in Philaeinschriften entdeckt hat.
Am Ende des Rituals fanden verschiedene Opfer statt, unter anderem
das Opfer einer Antilope. Es war ausführlich beschrieben, der Text ist
leider sehr unvollständig erhalten. Die noch lesbaren Reste haben es mir
jedoch ermöglicht, dieses Antilopenopfer sicher zu identifizieren und
darin, durch Vergleich mit den zahlreichen, in anderen Tempeln erhal¬
tenen Beispielen, eine Sonderform des Rituals zu erkennen. Es geht dabei
vor allem um die Verwendung des Kopfes der Antilope und ihrer Haut
zur Herstellung einer heüigen Barke. Nun ist gerade in Elkab eine heüige
Barke bezeugt, die der A^ww-Barke des Sokaris, mit einem am Buge auf¬
gehängten Antilopenkopf, recht ähnlich ist. Das läßt den Schluß zu,
daß das im Felstempel beschriebene Ritual örtlichen Überlieferungen
angepaßt war.
Der Ritus des Antüopenopfers ist für den Empfang der Göttin, die aus
der Ferne kommt, kennzeichnend. Die wichtige Rolle, die ihm hier ein¬
geräumt wird, bestätigt die Auffassung, daß diese Kapelle gerade diesem
Ritus geweiht war.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die ägyptische Theologie der
Spätzeit die beiden Augen des Re und des Horus sowie die beiden
Göttinnen Hathor-Tefnut und Sechmet aneinander angleicht. Letztere
erscheint in den Inschriften von Elkab. Die Angleichung ist hier so weit
getrieben, daß das Ritual zur Besänftigung der Sechmet zwischen das von
mir beschriebene Hathorritual eingefügt ist. Es handelt sich deutlich um
die menschenvernichtende Göttin Sechmet, und nicht um den Mond-
1 In die Bituale sind jedoch Hymnenfragmente eingefügt worden, die sich
in Edfu und Musawwarat (Sudan) auch in der hymnischen Form gefaßt
finden. Die ParaUelsteUen aus Musawwarat verdanke ioh einer freimdlichen Mitteilung von Prof. Hintze.
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zyklus der Hathormythe. Lange Stellen dieses Rituals zur Besänftigung
Sechmets kommen Wort für Wort in Philae und in Edfu vor.
Ich habe die Texte zusammengestellt, was zum ersten Male den voll¬
ständigen Text ergibt, weil glücklicherweise die Lücken der vier
Fassungen nicht zusammenfallen.
In Edfu stehen die Texte auf den Architraven der ersten Säulenhalle,
tmd zwar in astronomischem Zusammenhang und in besonderer Ver¬
bindung mit Anspielungen auf die zahlreichen Gefahren, denen die Men¬
schen während der Schalttage ausgesetzt sind, wenn Sechmet wütend
wird und ihre Krankheits- und Todesboten auf die Erde sendet. Eine
Anspielung auf eine unbekannte Gestalt, die durch Schu in den Himmel
erhoben wird, scheint auf die Endszene des Mythos der Vernichtung
der Menschheit und das Entschweben Res auf dem Rücken der Nut
hinzuweisen, nachdem er sich das brennende Auge, das seine Aufgabe
erfüllt hat, als Uräusschlange auf die Stirn gesetzt hat.
Andererseits schemt die Löwengestalt der Göttin, die Hathor-Tefnut
und Sechmet eigen ist, wesentlich gewesen zu sein, da, wie ich bereits
ausgeführt habe, im Sanktuarium zwei Löwen dargestellt sind.
Auch der griechische Name der in diesem Tempel verehrten Göttin
scheint auf eine Löwin hinzuweisen, falls die Identifizierung des Namens
Smithis, der auf einem Proskynema zu lesen ist, mit Smi j.t, die als Be¬
zeichnung Sechmets vorkommt, so wie es Spiegelbeeg vorgeschlagen
hat^, richtig ist, wovon ich persönlich überzeugt bin.
Der Name Smijt läßt sich andererseits mit der Wurzel sms „umher¬
irren" in Verbindung bringen. Aus dieser Wmzel leitet sich auch der
Name der oben erwähnten Dämonen her, die während der Schalttage
im Dienste der Sechmet stehen.
Trifft die Annahme zu, daß der Name Smsjt von der Wurzel smi ab¬
geleitet ist, dann dürfen wir annehmen, daß die Theologen des Fels-
heüigtums in Elkab besonders auf die zyklischen Auswirkungen der
Sonnen- und Mondgöttüi aufmerksam machen wollten. In dieser Hin¬
sicht sind beide Gottheiten gleichzusetzen.
Nach dieser Angleichung scheint eines Tages Nechbet vom Tempel
dadurch Besitz ergriffen zu haben, daß sie sich den alten Gottheiten
gleichsetzte. Wahrscheinhch ist das auf die Lokalpolitik der Spätzeit
zurückzuführen, als man versuchte, die vier heiligen Stätten des Gebietes
in eine Kultgemeinschaft zusammenzufassen: den Stadttempel, den
Felstempel, von dem hier die Rede ist, den Geierfelsen und das Heiligtum
in der Wüste. Sie liegen in einer fast geraden Linie, die vom Nil bis
an das Ende des Wadis reicht, hintereinander. Die Versuchung muß für
1 SprEGELBEBG, Mythus vom Sonnenauge, S. 322.
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258 Philippe Derchain, Der ptolemäische Felsentempel in Elkab
die Theologen der Spätzeit groß gewesen sein, alle Heiligtümer des
Gebietes dem seiner Hauptstadt unterzuordnen, und alle ihre Gottheiten
als Erscheinungsformen der Gauhauptgöttin Nechbet zu betrachten.
Ein letztes Stadium in der Geschichte des Heiligtums läßt sich viel¬
leicht in dem merkwürdigen Namen, der mehrmals in den Inschriften
des äußeren Tores wiederkehrt, erkennen. Es ist der Name einer Göttin
nbt pi hrj. Die beste Erklärung ist immer noch die Sethes, der darunter
etwa ,,die Herrin des ps hrj"^ verstand, wobei er annahm, daß der
Tempel in einem ursprünghch für einem Mann namens Paheri gebauten
Grab errichtet worden sei. Ein Argument für diese These ist die Tatsache,
daß der Name Pahery in Elkab ausreichend belegt ist.
Mangels einer besseren Erklärung habe ich mich mit dieser Hypothese
zufrieden gegeben. Ich frage mich allerdings, ob es wahrscheinhch ist,
daß der Name eines enteigneten Privatmannes zum Namen einer Göttin
wmde. Dieser immer noch ungeklärte Name ist jedoch sicher von Be¬
deutung, denn er erscheint in der Weihinschrift am Türbalken.
Falls Sethes Hypothese zutrifft, hätten wir hier einen chronologischen
Anhaltspunkt. Denn erst nach dem Neuen Reich, — wahrscheinlich am
Anfang des ersten Jahrtausends v. Chr. — konnte das aufgelassene oder
unvollendete Grab in einen Empfangstempel für die Göttin, die in der
Ferne war, umgestaltet werden. Andererseits ist Setau, der unter
Ramses II. Vizekönig von Nubien war, der Erbauer der Thothkapelle
imweit der Treppe, die zur Terrasse vor dem Felstempel führt.
Die Verehrung des Thoth, dessen Beziehungen zur Göttin, die aus der
Ferne kommt, bekannt sind, weist darauf hin, daß der Ort seit der
19. Djmastie, und vielleicht schon früher, dieser Göttin heilig war. Es
köimte Beziehungen Elkabs zu Nubien erklären, die im Neuen Reiche
vielfach bestätigt sind, oder sich umgekehrt durch diese Beziehungen
erklären lassen.
Als Schlußfolgerung ergibt sich, daß am Eingang des Wadis von
Elkab, seit dem Neuen Reiche — und vielleicht schon früher — ein
Kult der Hathor-Tefnut mit einer besonderen Mythologie bestand.
Vermutlich ist dies der älteste erwähnte Kultort dieser Göttin.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er an die Stelle eines älteren Kultes
getreten, in dem, wie so häufig, eine Löwengöttin den Eingang zur
Wüste hütete. In Elkab hat die Löwin diese Aufgabe zusammen mit
dem bekaimten Geier übernommen. Die Geiergöttin hat letzten Endes
den Sieg davon getragen, nach außen hin wenigstens, da sich, wie ich
dargelegt habe, sichere Spuren ihrer Vorgängerinnen nachweisen lassen.
1 Sethe, Zur Sage vom Sonnenau.ge, S. 22.
Ein Psalm aus Nord-Israel
Micha 7, 7—20
von Otto Eissfeldt, Halle
Johannes Hempel zum 72. Geburtstag
■•»t? „Bewohner von ...", dessen i-Endung, i compaginis genannt,
wahrscheinhch auf einen alten Hilfsvokal i oder auf eine alte i-Form des
Personalsuffixes der 3. sing. masc. zurückgeht, kommt im Alten Testa¬
ment zweimal vor, in der zum Joseph-Spruch des Mose-Segens gehören¬
den Wortgruppe '»t^ pST „die Gunst dessen, der den Dornstrauch
bewohnt" (Dtn 33, 16) und in dem am Schluß des Michabuches stehenden
Psalm, wo es 7, 14 aß heißt V»-)? •r\'\D^ '^v: Trab ''IDÖ? ^^er emsam den
Wald bewohnt inmitten des Karmel". Bei beiden Stellen, bei der zweiten
freihch in viel höherem Grade als bei der ersten, gehen die Meinimgen
darüber, wer mit dem „Bewohner" gemeint sei, Jahwe oder Israel, aus¬
einander, rmd die verschiedene Erklärung dieses Wortes wirkt sich in
beiden FäUen auch auf das Gesamtverständnis des Zusammenhanges
aus. Für die Micha-SteUe trifft das wiederum viel stärker zu als für die
aus dem Mose-Segen. So wird die Untersuchung bei jener erhebhch
länger verweilen müssen als bei dieser.
1.
Wie Leo Baeck 1902 in seinem Aufsatz „niD mid ''rD"i dargetan hat,
haben die Septuaginta^, die Targumim und jüdische Exegeten des Mittel¬
alters daran Anstoß genommen, daß in dem doch offenbar auf Ex 3, 2—4
zurückblickenden oder — denn Dtn 33,16 könnte älter sein als Ex
3, 2—4 — von einer beide Male vorausgesetzten Tradition abhängigen
nip ""»iP von Dtn 33, 16 „auf Grund einer einmaligen Erscheinung" von
Gott ,,ein 'Wohnen' ausgesagt werde", und diesen Anstoß auf mannig¬
fache Weise zu beseitigen versucht. „Die griechische Ubersetzung steUt
... für das Wohnen die bloße Erscheinung ein, und Onkelos übersetzt,
um jedes Mißverständnis auszuschheßen : der, dessen Schechina im
1 Monatsschrift für Geschichte und Wissensehaft des Judenthums 46,
1902, S. 299—301; unter dem Titel „Der im Dornbusch Wohnende" wieder
abgedruckt in: Leo Baeck, Aus drei Jahrtausenden. Wissenschaftliche
Untersuchungen imd Abhandlungen zm Geschichte des jüdischen Glaubens,
1968, S. 240—242. - x-od tol Ssxtcx tü> öcpS^^vxi Iv ßdcTtp.