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Kuhn, N. (1990). Der Auenwald - ein Märchenwald. Schweizer Hotel-Journal, 20(4), 16-19.

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ie Schwemmlandschaften der Flüsse gehören mit den Salzmarschen der Meeres- strände zu den natur- nahesten Lebensräumen in den sonst bis zum Exzess genutzten Zivilisations- Landschaften Europas. Sie sind durch physiognomisch und floristisch eigen- ständige Vegetation gekennzeichnet und heben sich von der Umgebung und den Kulturlandschaften deutlich ab.

Die so deutliche Differenzierung des Auenbereiches von der Umgebung ist eine Folge der Überflutung, der Dyna- mik und der mechanischen Wirkungen desj7iessenden Wassers. innerhalb des Auenbereiches sind es Häufigkeit, Jahres- und Tageszeit der Über- schwemmungen, Strömungseigenschaf- ten mit Erosion und Sedimentation,

welche die unterschiedlichen Pflanzen- gesellschaften und damit Lebensräume auch.für Tiere entstehen lassen.

Die flussbegleitenden Auenbereiche haben Landschaftsformenden Charak- ter. Sie enthalten ein biologisches Potential sondergleichen. Zufolge ihrer langgezogenen Form und Verästelung, ihres Biotopreichtums und ihrer Bio- dynamik sind Flussysteme besonders dazu geeignet, den so entscheidenden biogenetischen Austausch zwischen den durch die Zivilisation isolierten Naturreservaten verschiedenster Aus- prägung zu gewährleisten.

Viele unserer durch das Lebenselement Wasser geprägten Natur- und Kultur- landschaften bestimmen das Bild der Schweiz, welches wir als Heimat empfinden. Auf diesem Reichtum an

In ständigem Wandel

vielfältigen Gewässern gründet unter anderem der Ruf der Schwei-: als Ferien- und Touristenland. Weil aber das Element Wasser auch als Energie- träger und industrielle Ressource eine der Voraussetzungen für unsere hoch- entwickelte Volkswirtschaft bildet, sind diese noch verbliebenen Auengebiete der Schweiz gefährdet. Der Bund bemüht sich heute in Zusammenarbeit mit Wissenschaftern darum, die Öffent- lichkeit für den Schutz derartiger naturnaher Landschaften zu ge1,vinnen. Dies dient letztlich nicht nur der Natur selbst und hilft mit, ihren Reichtum :u erhalten. Es handelt sich darüber hinaus um Bemühungen, die nicht zuletzt auch dazu dienen, die Schwei:

für Bewohner und Besucher /ebens- und liebenswert zu erhalten.

Der Auenw ald

ein Märc henw al d

Wasserwege waren in alten Zeiten tragende Element wirtschaftlichen und kulturellen Austau ehe und der kulturellen Entwicklung sowie des Verkehrs von Per onen und Waren.

B deutende Kulturen und Städte sind an Flü sen und Seen ent tanden. Auch heute noch ist die Land chaft d r Schweiz weitgehend durch Gewä er geprägt, durch Seen, Flü e und Auen.

Dort, wo die e Flü e noch unverbaut und nicht in Kanäle verbannt sind, dort verbinden sich Was er, Landschaft und Wald auf fa zinierende Weise: In man- cher Hin icht sind die noch verblieb - nen naturnahen Flussläufe in der Schweiz mit ihren oft märchenhaft wild und poeti eh wirkenden Auen- 16

Von Nino Kuhn

wäldem so eigenartige wie einzigartige Land chaften.

Ein ungebändigter Flu verändert und verlegt bei jedem Hochwa er einen Lauf in der Talebene. Ange chwemmte Kie - und Sandbänke erzwingen neue Flu arme. Doch nach dem Rückgang der rei enden Flut erobert die Vege- tation die kahlen Sand-, Kie -und Schotterflächen, zuer t mit einjährigen Pflanzen dann auch mit Weidengebü-

chen. Ein Auenwald ent teht. Die er tändige Wandel gehört zur We en

,ut

d r Aue natürlicher Flü e.

Kanalisierung von F/iissen ...

Die Eigenart von Flu land chaften beruht auf der iclfalt der in ihnen

auftretenden Erscheinungen. Je mono- toner die Umgebung wirkt. de to

tärker fällt die e Eigenart auf. Die von flie enden Gewä ern und deren Grundwas er'trömen abhängigen Gebiete werden eit alter Flu auen genannt.

Al Folge von Hochwa emot, Bevöl- kerung wach turn, Landhunger, Arbeit be chaffung, Wa erkraft- nutzung und vielen anderen Faktoren waren chon um die Jahrhundertwende w ite Talgebiete der Herr chaft der Flü e entzogen. Man d nke et\J a an di gro en Melioration werke im Rheintal, in d r Linth ben oder an die Jurage-. ä 'erkonektionen. In d r eben abg hlo n n Integral- 1 lioration

hotel 1oumal Winter 1990

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hotel Journal Winter 1990

Peter

Birmann (1758-1844):

Blick vom !steiner Klotz rhein- aufwärts gegen Basel (Ölgemälde

88,5 x 124,5 cm

. Vermutlich um l 811

). Öffentliche Kunstsammlung

Basel

.

Für Basel und seine Nachbarschaft ist der Rhein seit alters herausra- 0endes Landschaftselement. Vor der Tulla'schen Rheinkorrektion nahm die Auenlandschaft bedeutenden

Raum

ein. Ausserhalb des Über- flutungsbereichs gren:ten überall die Kulturlandschaften an. Ähnliche

Bilder bot die Aare noch im let:ten Jahrhundert auf ,·ielen ihrer Strek-

ken vom Thwzersee bis :ur Mün- dung in den Rhein, beispielsweise bei Aarau -Aar-Au!. (Johann Gottfried Tulla. 1770-1828. Haupr- mann

und grossherzoglicher

Geometer, war seit 1817 Leiter der

Rheinkorrekrion, die nach seinen Plänen erst 1885 beendet wurde.)

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Links ausse11: Elsässische Rheinaue.

Die Harlholzau isl eine reich gesialtete und reichhaltige Waldgemeinschaft. Aus den Kronen hochgewachsener Riesen 11011 Esche11, Ulmen, Eichen, Silber- oder Schwarzpappeln ranken Lianen wie im 1ropischen Rege11wald.

Aufnahme: Nino Kuhn, 1980.

Li11ks: Bolle di Magadi110.

Die Weichholzau is1 ein licluer Silberweiden- wald, der alljährlich iibe,flutel wird. Das Hochwasserfeg1 den Boden von der letz1jährigen Laubs1reuschich1 frei, weshalb die Bestände nach Abfluss des Wassers leicht bega11gen werden können. Doch wer hier versuch/ isl, sein Zell aufzuschlagen, kann bei plölzlichem Gewitter böse Überraschungen erleben. In der Schweiz sind Weichholzauen grossenteils auf schmale Säume reduzierl worden. Erhal1ene Bes1ände gibt es im Delta des Tessi11flusses, die Bolle di Magaclino. Aufnahme: Rober/0 Buffi, 1975.

Unten: Brenno in der Lesgiüna bei Loderio, Val Blenio.

Lediglich 14 Prozent aller Flussstrecken sind in der Schweiz noch von nalurnaher Auen- vege1a1ion beglei1et. Nur als natürliche Fluifelder sind Flusslandschaften in der Lage, ihre Funk1ione11 als Hochwasserpuffer- gebiele, Gru11dwasserbildner und

biogenetische Reservoire zu e,füllen.

Aufnahme: Nino Kuhn, 1988.

hotel Journal Winter 1990

des aargauischen Reusstals hingegen hat der Naturschutz mit Erfolg dafür gekämpft, dass früher häufige Sünden nur in gemilderter Form begangen werden konnten.

. .. zerstört Lebensgemeinschaften Heute stehen wir vor der Situation, dass nur noch an ganz wenigen Stellen Flussläufe sich in einem naturnahen Zustand befinden. Von Urzustand kann auch hier keine Rede sein. Denn durch Stauseen und Verbauungen aller Art wurde ja auch die Wa serführung ausgeglichen. Dadurch muss sich auch die Vegetation den veränderten ökolo- gischen Verhältnissen anpassen.

Der Ausfall von Hoch-und Höch t- wassern bewirkt eine Verarmung höher gelegener, vom Flussbett entfernterer Haitholzauen. Von Natur aus reich an Lianen, zum Beispiel wildem Hopfen, erinnern sie in ihrem Aufbau an tropi- schen Urwald. Mit der Trockenlegung verlieren sie ihre Urwüchsigkeit und werden ausserdem «nadelholzfähig».

Die Folge ist allzuoft eine Fichten- kultur. Anderseits werden aber auch

iedrigwasser seltener so dass sich im Flussbett die sonst so bezeichnenden einjährigen Pionierfluren nicht mehr an iedeln können. Gerade diese hätten einen besseren Schutz nötig, da wir sie mit Unkrautgiften und anderen Mitteln aus un eren herausgeputzten Zivilisa- tion landschaften verbannen. Aus trockengelegten Flussbetten werden anderseits einjährige Pflanzengemein- schaften durch mehrjährige schnell verdrängt.

Doch auch der Zwi chenbereich - zum gro en Teil zur Weichholzaue gehö- rend, für deren Busch-oder Baumbe- tand Weidenarten und in Alpentälern die Weis erle o bezeichnend ind - i t Ändernngen unterworfen. Er wird zwar noch regelmä sig von Wa ser über- spült, doch reicht die Kraft de Strome nur mehr elten au , um die etablierte Vegetation stellenwei e zu entfernen:

das wäre aber für eubesiedlungen nötig.

Die Aue - ein vielfältiger Lebensraum Überflutung und teppenart.ige Dürre, Erosion und Anschwemmung, Üppig- keit und Kargheit, und all da in unge tümem zeitlichem und örtlichem Wech el, machen die Reichhaltigkeit des Leben in der Flu aue au . Und unter die en Bedingungen finden

neben gefährdeten Pflanzen auch viele Tierarten ihren Lebensraum. zum Beispiel der Biber, verschiedene Libellen, Schrecken (Verwandte der Heuschrecken) und Vögel. Um ihrer nur wenige zu nennen: Eisvogel, Flussläufer, Sandregenpfeifer, Bach- stelze, Wasseramsel. Selbst die" achti- gall fühlt sich im Auenbiotop beson- ders wohl, und der Pirol ist in der Hart- holzaue ein ganz besonders treuer Gast.

Schutz durch besseres Wissen Der Verlust an Auengebieten ist eine europäische und darüber hinau sogar weltweite Erscheinung, so dass sich auch der Europarat seit 1980 damit be- fasst. Um die letzten Reste von Fluss- auen in unserem Land vor der endgül- tigen Zerstörung zu bewahren, hat die Eidg. Forstdirektion die Eidg. For- schungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL Birmensdorf) damit beauftragt, ein Inventar der Auengebie- te der Schweiz von nationaler Bedeu- tung au zuarbeiten. Diese Inventar enthält insgesamt 165 Auengebiete mit einer Fläche von l O 240 Hektaren. Das entspricht einem Anteil von einem Viertelprozent der Lande fläche. Zwei Drittel aller Objekte sind kleiner als 50 Hektaren. Nur zehn Objekte sind grösser als 200 Hektaren. Aber gerade auch diese verhältnismässig kleinflä- chigen aturin ein verdienen unsere Aufmerksamkeit und unseren Schutz.

L. Birmen dorf 19

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