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Relativer Quantenquark

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© 2015 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 1617-9439/15/0404-3 Physik Journal 14 (2015) Nr. 4 3 M E I N U N G

Meinung von Dr. Holm Gero Hümmler, selbstständiger Unter- nehmensberater und Regional- gruppensprecher der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Unter- suchung von Parawissenschaften (GWUP).

D

ie Quantenheilung basiert auf den Erkenntnissen der Quan- tenphysik, heißt es auf Internetsei- ten und in Büchern oder Broschü- ren zahlreicher Alternativmedizi- ner. Die Behandlung, für die mit dieser Behauptung geworben wird, besteht im Wesentlichen darin, dass der Patient sich vorstellen soll, er sei geheilt, während ihn der Heiler an zwei Punkten seines Körpers berührt. Hypnotiseure und Reiki- Meister folgern aus E = mc2, dass Materie aus der Energie der Gedan- ken entsteht. „Alles ist vorstellbar“, folgt in einem Buch über Schama- nismus aus der Beobachterabhän- gigkeit der Quantenmechanik.

In Frankfurt (Oder) erhält der Quantenunsinn gewissermaßen universitäre Weihen: Harald Wa- lach, der das Institut für transkul- turelle Gesundheitswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina leitet, will mit seiner „Schwachen Quantentheorie“ (WQT) beispiels- weise Telepathie, Hellsehen oder Präkognition durch die Existenz von Quanteneffekten in der All- tagswelt begründen. Durch angeb- lich komplementäre Messgrößen oder eine Verschränkung, nicht etwa von Teilchen, sondern von Personen, sollen diese Phänomene dann allerdings einer empirischen Untersuchung entzogen sein. Im Gegensatz zu einer echten Quan- tentheorie macht die WQT keiner- lei experimentell prüfbare quanti- tative Aussagen.

Wer sich auf Einstein, Heisen- berg oder Schrödinger beruft, beansprucht wissenschaftliche Seriosität und erspart sich kritische Fragen: Die wenigsten Laien wollen eine Diskussion über Nichtlokalität in der Quantenmechanik oder die Äquivalenz von Masse und Energie führen. Hier müssten sich Physiker mit ihrer wissenschaftlichen Re- putation engagieren. Gerade diese fallen jedoch in Deutschland eher

durch peinlich berührte Zurück- haltung oder Desinteresse auf. In Amerika engagieren sich in der Tradition von Richard Feynman Nobelpreisträger wie Murray Gell- Mann, Steven Weinberg oder Leon Lederman gegen Pseudowissen- schaft und esoterische Geschäfte- macherei. In Deutschland hinge- gen erhalten Journalisten an den zuständigen Hochschulinstituten oder Sonderforschungsbereichen oft ausweichende, zurückhaltende oder gar keine Stellungsnahmen, wenn sie nach kritischen Infor- mationen zu Unsinn wie Biopho- tonen, Tachyonen-Hautcreme oder auf Quantenebene informiertem Blumendünger suchen. Derlei Hokuspokus ist nicht harmlos:

Er untergräbt das Vertrauen in die Wissenschaft und zieht gutgläu- bigen Menschen das Geld aus der Tasche. Falsche Heilungsverspre- chen und irrationale Ängste führen dazu, dass Kinder nicht gegen tödliche Krankheiten geimpft oder Schwerstkranke nicht wirksam be- handelt werden.

Oft ist es die missglückte Kom- munikation seriöser Wissenschaft, die zur Mystifizierung der Physik beiträgt und dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. Im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums werden als makroskopisch bezeich- nete Quantensysteme, Quanten- teleportation oder das unsägliche

„Gott-Teilchen“ eher mit plakativen Assoziationen aufgeladen als ver- ständlich erklärt. Mitunter machen jedoch auch namhafte Physiker sich und die Autorität ihres Fachs ganz bewusst zu Kronzeugen zwei- felhafter Glaubenssysteme. „Es gibt keine Materie“, zitieren Esoteri- ker gerne den 2014 verstorbenen Münchener Max-Planck-Direktor Hans-Peter Dürr. In der Höflich- keit seiner Nachrufe suchte man vergebens den Hinweis, dass es sich bei den gewagten Thesen in Dürrs

späten Schriften um reine Speku- lation und nicht um wissenschaft- liche Ergebnisse handelt.

Sich zu engagieren ist nicht schwer: In Vorträgen, Artikeln und sozialen Medien könnten viel mehr Physiker zur Aufklärung über echte und falsche Quantentheorien beitragen. Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) vernetzt Interessierte unterschied- lichster Disziplinen, organisiert Veranstaltungen und gibt die Zeitschrift Skeptiker heraus.1) Wenngleich mancher Skeptiker selbst als Esoteriker begonnen hat, geht es nicht in erster Linie darum, die Überzeugten oder gar die Ge- schäftemacher zu bekehren. Ver- unsicherte, aus den Medien oft nur bruchstückhaft oder verzerrt infor- mierte Laien sind oft dankbar, von Fachleuten solide Informationen in verständlicher Sprache zu erhalten.

Dazu könnten anerkannte For- scher, die an Instituten des öffent- lichen Wissenschaftsbetriebs tätig sind, ihre besondere Glaubwürdig- keit wesentlich stärker einbringen, als es viele derzeit tun.

Wissenschaftler haben eine ge- sellschaftliche Verantwortung, auch zur Aufklärung darüber, was nicht mit der Wissenschaft vereinbar ist. Es gibt reichlich zu tun: Das E- Book „Mit Quantenheilung Geräte instandsetzen“ ist keine Satire.

Relativer Quantenquark

Physikerinnen und Physiker sollten Stellung gegen den esoterischen Missbrauch ihrer Wissenschaft beziehen.

Holm Gero Hümmler

1) Mehr Informationen auf www.gwup.org

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