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Archiv "Wissenschaftliche Publikationen: Wie ein Fachjournal sich auf den Prüfstand stellte" (02.04.1999)

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A-831

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 13, 2. April 1999 (27) Allerdings forderten alle anderen

in Frankfurt eingeladenen Experten wesentlich strengere Regelungen für die Zulassung und Kennzeichnung funktioneller Lebensmittel. Prof. Rolf Großklaus, Direktor des Bundesinsti- tutes für gesundheitlichen Verbrau- cherschutz und Veterinärmedizin in Berlin, fordert, daß „die funktionellen Eigenschaften in klinischen kontrol- lierten Studien an Menschen hinrei- chend wissenschaftlich gesichert wer- den müssen“.

Großklaus sorgt sich zudem um eine besonders subtile Falle, in die Verbraucher gelockt werden könnten, wenn man der Werbung erlaube, funktionelle Lebensmittel zu einem Synonym für „gesunde“ Ernährung zu machen. Wie trügerisch dieser Glaube sein kann, verdeutlichen die mit der Vitaminkombination A, C und E angereicherten „ACE“-Ge- tränke. Denn es sind bislang keines- wegs hochwertige Fruchtsäfte, die die Industrie durch die Vitaminspritze at- traktiver machen will.

Alibi für minderwertige Lebensmittel

Angereichert werden vielmehr bil- ligere Nektare, die nur etwa zur Hälfte aus Saft, zur Hälfte aber aus Wasser und Zucker bestehen. „Der Sinn kann nicht sein, minderwertigen Lebens- mitteln ein Alibi zu verschaffen“, sagt Großklaus. Ansonsten könnten die vermeintlich „gesundheitsfördernden“

Lebensmittel sogar dazu führen, daß wirklich gesunde wie beispielsweise Obst und Gemüse verdrängt würden.

Auch Ebersdobler betonte des- halb die Position der Deutschen Ge- sellschaft für Ernährung, daß funktio- nelle Lebensmittel nicht in der Lage sind, die Defizite einer unausgewoge- nen Ernährung auszugleichen: „Sie sind nur im Rahmen einer vollwerti- gen Ernährung empfehlenswert.“

Auf Nachfrage räumt er allerdings ein, daß jemand, der sich vollwertig ernährt, „auf diese Lebensmittel auch gut verzichten kann“.

Im Klartext: Wer sich unausge- wogen ernährt, der wird durch Func- tional food nicht spürbar gesünder.

Und wer sich ausgewogen ernährt, der auch nicht. Klaus Koch

s ist eine lange Mängelliste, die die Medizinstatistiker Lars Mi- han und Prof. Jürgen Windeler von der Universität Heidelberg in Ar- tikeln der Internistenzeitschrift „Me- dizinische Klinik“ aufgespürt haben.

Simple Rechenfehler; fehlende Anga- ben über benutzte Methoden; in zahl- reichen Arbeiten wurden Patienten ohne weitere Begründung von der Auswertung ausgeschlossen und so die Ergebnisse verändert.

Angesichts dieses Ergebnisses ist es bemerkenswert, daß die Herausge- ber der Zeitschrift die Mängelliste selbst in ihrem Januarheft abgedruckt haben (Bd. 94, S. 1, 1999). Prof. Johan- nes Köbberling, Schriftleiter der „Me- dizinischen Klinik“, versucht das Re- sultat gar nicht erst zu beschönigen:

„Das Ergebnis ist niederschmetternd.

Wesentliche Qualitätsansprüche wur- den in der großen Mehrzahl aller Stu- dien nicht erfüllt.“ Köbberlings Of- fenheit ist Teil des Versuchs, im Organ der Deutschen Gesellschaft für Inne- re Medizin international gültige Qua- litätsanforderungen an die Publikati- on von Studien einzuführen.

Die Herausgeber der „Medizini- schen Klinik“ hatten selbst die beiden Gutachter aufgefordert, die wissen- schaftlichen Publikationen zu beurtei- len, die das Journal zwischen 1979 und 1996 abgedruckt hatte. Die Kritiker hatten sich auf Originalarbeiten kon- zentriert, in denen die Ergebnisse kontrollierter Studien mitgeteilt wur- den. Die 132 untersuchten Arbeiten erfüllten die Anforderungen an me- thodisch hochwertige kontrollierte Studien „nicht oder nicht befriedi- gend“, so das unmißverständliche Ur- teil der beiden. Oft steckte der Wurm bereits im Entwurf der Studie. Nur in

sechs der 132 Arbeiten fanden Mihan und Windeler beispielsweise Anga- ben über Fallzahlplanungen. Diese Abschätzung, wie viele Patienten an einer Studie teilnehmen müssen und wie lange sie dauern muß, um über- haupt eine Chance zu haben, eine sta- tistisch bedeutsame Aussage machen zu können, hält Windeler für eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale einer

„guten“ Studie.

Windeler glaubt nicht, daß die Autoren der übrigen Arbeiten ledig- lich vergessen haben, diese Zahlen zu nennen: „Ich habe die Erfahrung ge- macht, daß Studien in der Regel nur so gut sind wie die Publikation.“ Ins- gesamt habe er über die 18 Jahre zwar Verbesserungen der Qualität feststel- len können, in den letzten Jahren ge- he es aber eher wieder etwas bergab.

Der Medizinstatistiker ist über- zeugt, daß die gefundenen Mängel ein generelles Problem deutschsprachi- ger Fachzeitschriften seien. „Es geht hier nicht darum, die ,Medizinische Klinik‘ bloßzustellen“, sagt Windeler.

„Ganz im Gegenteil: Dieser offene Umgang mit den eigenen Fehlern ist lobenswert.“ Köbberling, seit fünf Jahren als einer der Herausgeber der

„Medizinischen Klinik“ selbst für die Qualität der Arbeiten verantwortlich, plant, in Zukunft die handwerkliche Qualität eingereichter Studien stärker bewerten zu lassen. Die „Medizini- sche Klinik“ hatte bereits 1997 eine Checkliste für „gute“ Publikationen, das CONSORT-Statement, abge- druckt (Bd. 92, S. 675). „Jeder For- scher sollte diese Liste kennen“, sagt Köbberling. Er kündigte an, das Blatt in einigen Jahren erneut prüfen zu las- sen, um herauszufinden, ob die Kritik Früchte getragen hat. kch

Wissenschaftliche Publikationen

Wie ein Fachjournal sich auf den Prüfstand stellte

Die „Medizinische Klinik“ ließ die Qualität aller

Publikationen begutachten, die seit 1979 veröffentlicht worden waren. Das Ergebnis war niederschmetternd.

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