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Toxikologische Bewertung gasförmiger Emissionen aus einem Polyurethan-Hartschaum

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Toxikologische Bewertung gasförmiger Emissionen

aus einem

Polyurethan-Hartschaum

Abschlussarbeit

Postgradualstudium Toxikologie der Universität Leipzig

Dr. Thomas Schupp Diepholz, im Mai 2003

(2)

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abkürzungen 4

Zusammenfassung 5

1. Einleitung 6

1.1 Bewertungskonzepte 6

1.1.1 Das Richtwertkonzept des Umweltbundesamtes 6

1.1.2 Das NIK-Konzept (niedrigste interessierende Konzentration) 7 1.1.3 Das Konzept der Reference Concentration der United States 8

Environmental Protection Agency

1.2 Einige Grundlagen der Polyurethanreaktion 8

1.3 Versuchsanordnung und Expositionsszenario 9

2. Emissionskammermessungen mit einem Polyurethan-Hartschaum 10

3. Toxikologisches Profil der emittierten Stoffe 11

3.1 Ableitung von Innenraumrichtwerten in dieser Arbeit: Richtkonzentrationen 11 3.2 Bewertung der einzelnen flüchtigen organischen Verbindungen 12

3.2.1 Formaldehyd 12

3.2.2 Acetaldehyd 14

3.2.3 Propionaldehyd 15

3.2.4 1,2-Dichlorpropan 16

3.2.5 2-Chlor-1-propanol, 1-Chlor-2-propanol 18

3.2.6 Tris(1-chlor-2-propyl)phosphat (TCPP) 19

3.2.7 Diethanolamin 22

3.2.8 Triethanolamin 25

3.2.9 2-Dimethylaminoethanol 26

3.2.10 Bis(2-dimethylamino-ethyl)ether 27

3.2.11 Triethylamin 27

3.2.12 Xylol 28

(3)

3.2.13 Ethylbenzol 30

3.2.14 Trimethylbenzol 32

3.2.15 Toluol 33

3.2.16 Indan und Pentamethylheptan 34

3.2.17 2-Ethylhexanol 35

3.2.18 1,1,1,3,3-Pentafluorpropan 36

3.2.19 1,1,1,3,3-Pentafluorbutan 36

3.2.20 1,1,1,2,3,3,3-Heptafluorpropan 37

4. Bewertung der Kammerkonzentrationen 38

4.1 Vergleich der Kammerkonzentrationen mit den Richtkonzentrationen 39

4.2 Bewertung gemäß dem Entwurf des NIK-Konzeptes 41

5. Literaturverzeichnis 43

Anhang I: Ableitungsschema des UBA für Innenraumrichtwerte 48

Anhang II: Das NIK-Konzept 49

Anhang III: Das Konzept der Reference Dose (RfD) und der Reference 50 Concentration (RfC) der United States

Environmental Protection Agency (US-EPA)

Anhang IV: Berechnung von Konzentrations-Zeitverläufen und Maximalkon- 51 zentrationen aus Kammermessungen

(4)

Verzeichnis der Abkürzungen

AgBB Aussschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten BG Berufsgenossenschaft

BRI Building Related Illness

BUA Beratergremium Umweltrelevante Altstoffe CHO Chinese Hamster Ovary Cells

d Tag / Tage

DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft DNA Desoxyribonukleinsäure

ENV Europa-Norm, Vor-Norm

EPA Environmental Protection Agency

EU / EWG Europäische Union / Europäische Wirtschaftsgemeinschaft h Stunde / Stunden

HGPRT Gen-Locus für Hypoxantin-Guanin-Phosphoryl-Transferase ISO International Standard Organisation

KG Körpergewicht

LO(A)EC Lowest Observed (Adverse) Effect Concentration LO(A)EL Lowest Observed (Adverse) Effect Level

MAK Maximale Arbeitsplatz Konzentration (Kommission für ...) MTD Maximale Tolerable Dosis

NIH National Institut of Health

NIK Niedrigste Interessierende Konzentration NO(A)EC No Observed (Adverse) Effect Concentration NO(A)EL No Observed (Adverse) Effect Level

NTP National Toxicology Program ppm, ppb parts per million, parts per billion

RfC / RfD Reference Concentration / Reference Dose RfD Reference Dose

RW I Richtwert I für Innenraumluftkonzentrationen des UBA RW II Richtwert II für Innenraumluftkonzentrationen des UBA SBS Sick Building Syndrom

TDL Tumorigenic Dose Level

TK Gen-Locus für Thymidin-Kinase TRGS Technische Regeln für Gefahrstoffe

TVOC Total Volatile Organic Carbon-compounds: Summe aller flüchtigen organischen Kohlenstoffverbindungen

UBA Umweltbundesamt US United States of America

VOC Volatile Organic Carbon-Compounds: flüchtige organische Kohlenstoffverbindungen

w Woche / Wochen

WHO World Health Organisation

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Zusammenfassung

Emissionen aus Bauprodukten in Innenräume finden zunehmendes Interesse. Während es für die Luft am Arbeitsplatz Grenzwerte für zahlreiche Stoffe gibt, ist das für Wohnräume praktisch nicht der Fall (Ausnahmen). Außerdem wurden und werden zahlreiche Tierversuche derart durchgeführt, dass sie die Situation am Arbeitsplatz berücksichtigen. Um auf den Wohninnenraum zu extrapolieren, wurde vom Umweltbundesamt ein Richtwertkonzept publiziert. Ein Vergleichbares Ziel haben die „Reference Concentrations“ der US-EPA.

Ein Polyurethan-Hartschaum-Versuchsprodukt sollte hinsichtlich seines Emissionsverhaltens untersucht werden. Ziele waren die Bewertung möglicher gesundheitlicher Einflüsse auf Bewohner und die Bewertung anhand des im Entwurf befindlichen Bewertungskonzeptes für Bauprodukte (NIK-Konzept). Die Prüfkammerversuche wurden so durchgeführt, dass die Kammerkonzentrationen die im Realfall höchsten denkbaren Innenraumkonzentrationen erreichen konnten. So war der Schaum mit einer Dicke von 10 cm an der Obergrenze für Innenraumanwendungen und die Schaumoberfläche war nicht weiter bedeckt, was im Realfall nicht vorkommt.

Wie erwartet fielen die Kammerkonzentrationen innerhalb von 28 Tagen deutlich ab. In die toxikologische Bewertung gingen aber nicht nur die nach 28 Tagen noch nachweisbaren Verbindungen ein, sondern auch alle diejenigen, die theoretisch in der Kammerluft vorgelegen haben könnten. Dieses Vorgehen gründet sich in der Erfahrung, dass besorgte Endverbraucher auch für die nicht nachgewiesenen, aber theoretisch vorhandenen Stoffe eine Bewertung wünschen für den Fall, dass jene Substanzen gerade unterhalb ihrer Nachweisgrenze vorliegen.

Es wurden insgesamt 21 flüchtige organische Verbindungen bewertet. Für die Bewertung wurden zunächst die vom Umweltbundesamt vergebenen Innenraumrichtwerte herangezogen.

Als zweite Wahl wurden die von der United States Environmental Protection Agency vergebenen Reference Concentrations berücksichtigt. Für die Verbindungen, für die weder Innenraumrichtwerte noch Refrence Concentrations vorliegen, wurden Richtkonzentrationen anhand toxikologischer Daten und mit Hilfe plausibler Analogieschlüsse abgeleitet, wobei das Konzept der Innenraumrichtwerte als Vorlage diente.

Liegen für die individuellen flüchtigen Verbindungen die Richtwerte bzw. Reference Concentrations bzw. Richtkonzentrationen über den gemessenen Kammerwerten, wird bei der Verwendung des Polyurethan-Hartschaumes eine gesundheitsschädigende Wirkung auf Bewohner nicht zu befürchten sein. Eine weitere Forderung ist, dass die Summe der Konzentrationen aller flüchtigen Verbindungen (TVOC) nicht über dem TVOC-Richtwert von 1-3 mg/m³ liegt.

Für Ethylbenzol, das als Verunreinigung eingeschleppt wurde und dessen Kammer- konzentration nach 28 Tagen im Bereich der Richtkonzentration lag, wurde die Quelle ermittelt und es wurden Maßnahmen zu dessen Reduktion eingeleitet.

Diese Arbeit führte zu zwei Ergebnissen:

1. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung von Bewohnern durch den Einbau des in dieser Arbeit bewerteten Polyurethan-Hartschaumes in Innenräumen ist nicht zu erwarten.

2. Der untersuchte Polyurethan-Hartschaum erfüllt die geforderten Kriterien für ein geeignetes Bauprodukt gemäß dem Entwurf des Konzeptes der „Niedrigsten Interessierenden Konzentration“.

(6)

1. Einleitung

In den westlichen Industrienationen verbringt der Mensch die meiste Zeit des Tages innerhalb von Gebäuden. Die Bedeutung der Qualität der Innenraumluft wurde vor ca. 20 Jahren in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt (Asbest, polychlorierte Biphenyle, Holzschutzmittel). Krankheitssymptome wurden mit der Innenraumluftqualität in Verbindung gebracht und unter den Schlagwörtern „Building Related Illness (BRI)“, „Sick Building Syndrom (SDS)“ und „Multiple Chemical Sensitivity (MCS)“ findet man bei der Literatursuche in Fachjournalen zahlreiche Artikel, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Bei der BRI kann in der Regel ein Zusammenhang zwischen klaren Symptomen und Gebäudefaktoren hergestellt werden (z. B. Schleimhautreizungen durch relativ hohe Formaldehydkonzentrationen, entzündliche Atemwegseffekte durch verkeimte Klimaanlagen). Beim SBS und MCS – die untereinander nicht leicht abzugrenzen sind – ist der Zusammenhang mit der Innenraumluft oft weniger deutlich ausgeprägt, und die Krankheitssymptome sind mannigfaltig und diffus (Müdigkeit, Konzentrationsschwäche...).

Die Qualität der Innenraumluft wird durch gasförmige Emissionen aus Bauprodukten und Einrichtungsgegenständen, durch das Mikroklima (Luftfeuchte, Luftaustausch, Temperatur) und biologische Emissionen (biologische VOC’s, Keime, Antikörper) beeinflusst.

1.1 Bewertungskonzepte

Zunehmende Beschwerden im Zusammenhang mit der Innenraumluftqualität ergaben die Notwendigkeit, diesen Bereich unter toxikologischen und regulatorischen Aspekten zu bearbeiten. Zum einen gibt es Empfehlungen hinsichtlich des Raumklimas, zum anderen wurden und werden Konzepte zur Bewertung von Emissionen aus Bauprodukten und Einrichtungsgegenständen erarbeitet; um Letzteres geht es in dieser Arbeit.

Gegenüber dem Arbeitsplatz ergeben sich bei dem Wohninnenraum Besonderheiten: der Mensch ist rund um die Uhr exponiert und auch empfindliche Individuen wie Kleinkinder, Alte, Schwangere und Kranke müssen berücksichtigt werden. Die Art der Durchführung toxikologischer Studien orientierte sich aber bisher hauptsächlich auf den Arbeitsplatz. Die Extrapolation zur Wohnraumsituation ist mit Unsicherheiten behaftet, die man in den unterschiedlichen Konzepten zu handhaben versucht. Somit wurden im allgemeinen

„Richtwerte“ und keine Grenzwerte abgeleitet. Die Einhaltung der Richtwerte soll einen hohen Grad an Sicherheit gewähren. Das Auftreten von gesundheitlichen Beschwerden bei besonders empfindlichen Personen kann aber auch bei der Einhaltung der Richtwerte nicht ausgeschlossen werden. Aber auch das Überschreiten der Richtwerte bedeutet nicht automatisch, dass die Gesundheit in jedem Fall beeinträchtigt wird.

1.1.1 Das Richtwertkonzept des Umweltbundesamtes

Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wurden zahlreiche Wohninnenräume durch das Umweltbundesamt chemisch-analytisch untersucht und die Bewohner nach dem gesundheitlichen Befinden befragt [Krause 1991]. Darauf folgende Arbeiten des Umweltbundesamtes zielten auf eine gesundheitliche Bewertung der Wohninnenraumluft ab und schließlich wurde ein Bewertungsschema für Stoffe in der Innenraumluft veröffentlicht [UBA 1996]. Im Rahmen dieses Richtwertekonzeptes wurden für einzelne Stoffe Richtwerte ermittelt. Bei Überschreitung der Richtwerte besteht ggf. die Notwendigkeit die Quelle zu beseitigen. Der TVOC-Wert ist nicht anhand experimenteller Befunde und nicht nach dem Richtwertekonzept abgeleitet worden; bei dem Umwelt-Survey

(7)

stellte sich heraus, dass 90 % der Bewohner nicht über Gesundheitsbeschwerden klagten, wenn ein TVOC von 1-3 mg/m³ nicht überschritten wurde [Seifert 1999].

Die Ableitung von Richtwerten bedarf einer sorgfältigen Bewertung der Datenlage des Einzelstoffes. Vorhandene toxikologische Daten wurden mit dem Ziel der Arbeitsplatzbewertung generiert, bedürfen also der Zeitextrapolation (8 h/d, 5 d/w >> 24 h/d, 7 d/w: Faktor 5) und der Intraspeziesextrapolation (gesunde Arbeiterinnen und Arbeiter >>

Alte, Kranke: Faktor 10). Die höhere Atemrate von Kindern wird mit einem Faktor 2 berücksichtigt. Liegt nur ein NOAEL aus einem chronischen Tierversuch vor, wird auf den Menschen mit Hilfe eines Faktors 10 extrapoliert. Liegt nur ein LOAEL aus einem chronischen Tierversuch vor, wird ein Faktor 3 zwecks Extrapolation auf den NOAEL gewählt. Durch Anwendung dieser Extrapolationsfaktoren wird der Richtwert II (Interventionswert) ermittelt. Mittels Division durch einen weiteren Faktor 10 erhält man den Richtwert I (Vorsorgewert).

Die Anwendung fester Extrapolationsfaktoren (Mensch / Tier, Intraspeziesunterschiede, Zeitextrapolation, Kinder) ist ein pragmatischer Ansatz, der auch von verschiedenen anderen Einrichtungen (US-EPA, WHO; siehe z. B. die Ableitung der Acceptable Daily Intake – ADI–

Werte – bzw. Tolerable Daily Intake – TDI - Werte) verwendet wird. Dieses Vorgehen ist toxikologisch diskussionswürdig, trägt aber dem Umstand Rechnung, dass bei vielen Stoffen die notwendigen Kenntnisse zur Toxikokinetik und zum Metabolismus fehlen, auf die man eine wissenschaftlich begründete Extrapolation aufbauen kann. Durch Verwendung der fixen, eher konservativen Extrapolationsfaktoren wird ein ausreichender Schutz der Zielgruppe angenommen und die bisherige Erfahrung mit z. B. Restmengen von Pestiziden in Nahrungsmitteln scheint diese Annahme zu bestätigen.

Ein Übersichtsschema des Richtwertkonzeptes ist im Anhang I enthalten.

1.1.2 Das NIK-Konzept (niedrigste interessierende Konzentration)

Bauprodukte können Emissionsquellen für VOC’s (volatile organic substances) in Innenräumen sein. Sie sind schwieriger zu entfernen als Einrichtungsgegenstände und die EU- Direktive 89/106/EWG fordert von Bauprodukten eine für die Innenraumluft hygienische Unbedenklichkeit. Um diese zu ermitteln erarbeitete der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) ein sogenanntes NIK-Konzept (NIK = niedrigste interessierende Konzentration) [UBA 2002]. Dieses ist dem Richtwertekonzept des Umweltbundesamtes ähnlich, allerdings pragmatischer gehalten; während für die Ableitung von Richtwerten eine gute toxikologische Datenlage notwendig ist, ist diese für viele Stoffe, die von Bauprodukten emittiert werden können, nicht umfassend genug. Da aber eine Bewertung des Bauproduktes nötig ist, nimmt man zur Ableitung der NIK-Werte Arbeitsplatzgrenzwerte zu Hilfe oder man bedient sich Analogieschlüssen (z. B. wird für ein toxikologisch unbekanntes alkyliertes Benzol die niedrigste NIK anderer alkylierter Benzole herangezogen). Die Extrapolation vom Arbeitsplatz auf den Innenraum geschieht per Division durch Sicherheitsfaktoren (i. d. R. 100, bei Stoffen mit Verdacht auf kanzerogene, mutagene oder reproduktionstoxische Wirkung 1 000; kanzerogene, mutagene und reproduktionstoxi- sche Stoffe der EU-Kategorien 1 und 2 dürfen nicht eingesetzt werden).

Das NIK-Konzept bewertet das Bauprodukt, nicht die Innenraumluft. Gemäß dem Ergebnis von Kammermessungen wird das Bauprodukt als „brauchbar“ oder „nicht brauchbar“

angesehen. Die Bewertung beschränkt sich auf VOC’s mit 6-22 Kohlenstoffatomen.

Mit einem NIK-Wert für Gesamt-VOC (TVOC) sowie mit der Forderung, dass die Summe aus den individuellen Konzentrationen dividiert durch die individuellen NIK-Werte nicht größer als 1 werden darf, soll eine mögliche synergistische (additive) Wirkung der VOC’s berücksichtigt werden. Ein Übersichtsschema des NIK-Konzeptes ist im Anhang II enthalten.

(8)

1.1.3 Das Konzept der Reference Concentration der United States Environmental Pro- tection Agency (US-EPA)

Für verschiedene Verbindungen hat die Environmental Protection Agency (EPA) der USA sogenannte Reference Concentrations (RfC) als Richtwerte für Innenraum- und Außenluft abgeleitet. Die Ableitung folgt dem Schema der Reference Dose (RfD) [EPA 1993];

ausgehend von einem NOAEL aus Tierversuchen werden Sicherheitsfaktoren verwendet, und zwar 10 für die Extrapolation subchronischer Studiendaten zur chronischen Exposition, 10 für die Extrapolation Tier >> Mensch, 10 für die Extrapolation gesunder Mensch >>

empfindlicher Mensch, bis zu 10 für die Berücksichtigung von Unterschieden im Metabolismus zwischen Tier und Mensch und ein weiterer Faktor 10, falls die Datenlage Mängel aufweist. Je nach Datenlage können einzelne Faktoren bis auf 1 reduziert werden. Bei Daten aus Inhalationsstudien wird vom Tier auf den Menschen auf Grund allometrischer Beziehungen extrapoliert.

Ein Übersichtsschema des RfD- / RfC-Konzeptes ist im Anhang III enthalten.

1.2 Einige Grundlagen zur Polyurethanreaktion

Polyurethane werden durch die Reaktion von Diisocyanaten oder Polyisocyanaten mit Polyalkoholen hergestellt. Bei den Hartschäumen für Dämmzwecke wird das Diisocyanat im leichten Überschuss eingesetzt. Moleküle mit gegenüber Isocyanat reaktiven Gruppen (primäre und sekundäre Amine, primäre und sekundäre Alkohole) werden daher in die Polymermatrix eingebunden, da sie sich einem Überschuss des Reaktionspartners gegenübersehen; sie werden nicht oder bestenfalls nur sehr kurzzeitig aus dem Polyurethan emittieren können.

R NCO OH2 CO2 R NH2 R NCO

R NH NH

R O

R NCO HO R' R NH

O R' O

R NCO R NH

O R' O

R N O R' O O NH

R

R NCO R NH HN

R O

R N NH R O O NH

R

+ + +

+

+

+

Harnstoff

Urethan

Allophanat

Biuret

Das Diphenylmethan-4,4’-diisocyanat (CAS-Nr. 101-68-8 und CAS-Nr. 9016-87-9), ein Reaktionspartner bei der Polyurethanreaktion, wird ebenfalls in der Polymermatrix eingebaut.

Es wird zwar im leichten Überschuss eingesetzt, ist aber in Gegenwart von Luftfeuchtigkeit selbstpolymerisierend und es kann mit Urethan- und Harnstoffbindungen zu Allophanaten und Biureten reagieren. Auf Grund ihrer Reaktivität gegenüber Luftfeuchtigkeit ist mit einer dauerhaften Emission von Diisocyananten nicht zu rechnen [Wolff 2000]. Dieses wurde durch Kammermessungen bestätigt [IVPU 2001] und im Rahmen dieses Projektes wurde eine Emission von Diisocyanaten deshalb nicht bestimmt.

(9)

1.3 Versuchsanordnung und Expositionsszenario

Bei Emissionskammermessungen wird der Wohnraum simuliert. Eine Probe wird in die Kammer eingebracht und die Kammer mit einem bestimmten Volumen Frischluft pro Zeiteinheit belüftet (Luftwechselrate). Die ausgetragene Luft wird auf VOC’s analysiert. Die Anordnung der Probe soll so erfolgen, dass sie der späteren Situation im Wohnraum entspricht, d. h. ein bestimmtes Verhältnis von Probenoberfläche zu freiem Kammervolumen wird eingestellt. Für die Konzentration eines Analyten in der Gasphase der Kammer gilt analog dem Modell des kontinuierlichen Rührkessels:

dc/dt = SERa * F/V – V’ * c/V

c: Konzentration des Analyten in der Kammerluft (z. B. mg/m³) SERa: flächenspezifische Emissionsrate (z. B. mg/m²/h)

F: diffusionsoffene Fläche des Probenkörpers

V: freies Kammervolumen

V’: Luftwechsel (m³/h)

Ist SERa,0 die flächenspezifische Emissionsrate zum Zeitpunkt 0, k1 die Probenkörper- spezifische Emissionskonstante und k2 die Luftwechselrate (V’/V), so lässt sich durch Lösen der obigen Gleichung die Konzentration zu jedem beliebigen Zeitpunkt berechnen:

C (t) = SERa,0 * F / (V * (k2 – k1)) * {exp[- k1 * t] – exp[- k2 * t]}

[Breuer 1998]. Durch Kammermessungen lassen sich SERa,0 und k1 ermitteln. Die für ein bestimmtes Szenario gültige c,t-Funktion gleicht der aus der Toxikokinetik bekannten Bateman-Funktion für das Ein-Kompartiment-Modell.

Unterstellt man, dass die flächenspezifische Emissionsrate konstant bleibt, so stellt sich in der Kammer nach einiger Zeit eine Gleichgewichtskonzentration ein:

dc/dt = 0 Ù c = SERa * F/V’ = SERa/q,

wobei q die flächenspezifische Lüftungsrate ist. In q fließen das Verhältnis der Probenkörperfläche zum Raumvolumen und die Lüftungsrate ein.

Weitere Ausführungen zur Auswertung der Analysen finden sich in Anhang IV.

(10)

2. Emissionskammermessungen mit einem Polyurethan-Hartschaum

In der Tabelle 1 sind die Werte für die gemäß Rezeptur erwarteten VOC’s und gefundenen VOC’s wiedergegeben.

Tabelle 1: Prüfkammerkonzentrationen der gefundenen / erwarteten VOC’s

Stoff CAS-Nummer 1 Tag 3 Tage 28 Tage

Formaldehyd 50-00-0 < 5 µg/m³ < 5 µg/m³ < 5 µg/m³ Acetaldehyd 75-07-0 15 µg/m³ < 10 µg/m³ < 10 µg/m³ Propionaldehyd 123-67-8 < 30 µg/m³ < 30 µg/m³ < 30 µg/m³ 1,2-Dichlor-

propan

78-87-5 k. D. < 1 µg/m³ < 1 µg/m³ 2-Chlor-1-

propanol, 1-Chlor- 2-propanol

78-89-7, 127-00-4

k. D. < 2 µg/m³ < 2 µg/m³

Tris(1-chlor-2- propyl)phosphat

13674-84-5 k. D. < 1 µg/m³ < 1 µg/m³ Diethanolamin 111-42-2 k. D. < 2 µg/m³ < 2 µg/m³ Triethanolamin 102-71-6 k. D. < 2 µg/m³ < 2 µg/m³ 2-Dimethyl-

aminoethanol

108-01-0 k. D. < 2 µg/m³ < 2 µg/m³ Bis(2-dimethyl-

amino-ethyl)ether

3033-62-3 k. D. < 2 µg/m³ < 2 µg/m³ Triethylamin 121-44-8 k. D. < 2 µg/m³ < 2 µg/m³

Xylol 1330-20-7 k. D. 150 µg/m³ 56 µg/m³

Ethylbenzol 100-41-4 k. D. 37 µg/m³ 13 µg/m³

Pentafluorpropan 460-73-1 k. D. 3 700 µg/m³ 1 300 µg/m³ Heptafluorpropan 431-89-0 k. D. 350 µg/m³ < 100 µg/m³ Pentafluorbutan 406-58-6 k. D. 1 900 µg/m³ 560 µg/m³ Trimethylbenzol 526-73-8, 95-63-

6, 108-67-8

k. D. 3 µg/m³ < 2 µg/m³ 2,2,4,6,6-Penta-

methylheptan

13475-82-6 k. D. 7 µg/m³ < 2 µg/m³ 2-Ethylhexanol 104-76-7 k. D. 2 µg/m³ < 2 µg/m³

Indan 496-11-7 k. D. 2 µg/m³ < 2 µg/m³

Toluol 108-88-3 k. D. 17 µg/m³ 4 µg/m³

k. D.: keine Daten; weitere Erläuterungen siehe Text.

Für den Polyurethan-Hartschaum wurde festgestellt, dass q = 1,4 m²/m³ * 0,5/h = 2,8 m² * h/m³ dem realen Anwendungsfall entspricht. Die Schichtdicke des Schaumes lag mit 10 cm an der Obergrenze einer denkbaren Anwendung. Der Schaum hatte keine weiteren Ab- deckungen, was in der Realität nicht der Fall ist. Deshalb präsentieren die Messwerte die höchsten anzunehmenden Konzentrationen für ein Innenraumszenario.

Der Prüfkörper wurde am 12.08.2002 hergestellt, diffusionsdicht verpackt (Aluminiumfolie und Polyethylenfolie) zum Untersuchungslabor geschickt und einen Tag später in die Emissionskammer eingebracht. Probennahmen erfolgten nach 1, 3 und 28 Tagen.

Gemäß NIK-Konzept und ENV 13419-1 (ISO 16000-3) wurden ein Luftwechsel von 0,5 pro Stunde, eine Temperatur von 23 °C und eine relative Luftfeuchte von 50 % eingestellt.

(11)

Formaldehyd, Acetaldehyd und Propionaldehyd sind keine Bestandteile der Polyurethanrezeptur, doch können sie sich durch Photooxidation des Polyurethans in Spuren bilden [Luda 2000]. Im Einbauzustand ist der Polyurethan-Dämmstoff vor Lichteinwirkung geschützt. Deshalb werden diese Aldehyde nur für eine begrenzte Zeit zur Innenraumbelastung beitragen.

Tris(2-chlor-isopropyl)phosphat wird als Flammschutzmittel in Polyurethan-Hartschäumen eingesetzt. 1,2-Dichlorpropan und 2-Chlor-1-propanol sind mögliche Verunreinigungen dieses Flammschutzmittels.

Die tertiären Amine mit Hydroxy-Gruppen reagieren prinzipiell mit Isocyanat-Gruppen und sind daher in der Polymermatrix einbaubar. Da sie in anderen Polyurethanen bei Head-Space- Analysen gelegentlich nachweisbar waren, sind sie in dieser Arbeit in die Bewertung eingeflossen.

Xylol ist ein Bestandteil der Rezeptur. Möglicherweise enthält dieses als Verunreinigungen Toluol, Trimethylbenzol, Ethylbenzol, Indan und Pentamethylheptan, die selber keine Rezepturbestandteile sind, in der Kammerluft aber nachgewiesen wurden.

3. Toxikologisches Profil der emittierten Stoffe

In diesem Abschnitt soll zunächst auf die Problematik einer „sicheren“ Konzentration eines potentiell gesundheitsschädigenden Stoffes und auf die möglichen Ableitungskonzepte für Innenraumwert eingegangen werden. Danach werden die relevanten toxikologischen Effekte für die aus dem Polyurethan-Hartschaum prinzipiell freisetzbaren Stoffe aufgeführt und Innenraumrichtwerte abgeleitet, sofern sie nicht schon vergeben wurden.

3.1 Ableitung von Innenraumrichtwerten in dieser Arbeit: Richtkonzentrationen

Vorrangig werden die Innenraumrichtwerte berücksichtigt, die von der Innenraumlufthygienekommission des Umweltbundesamtes vergeben wurden.

Falls für einen in dieser Arbeit untersuchten Stoff kein Innenraumrichtwert publiziert ist, wird eine vorhandene RfC (Reference Concentration) herangezogen.

Für die Stoffe, die keine Innenraumrichtwerte und keinen RfC-Wert zugewiesen bekommen haben, werden in dieser Arbeit in Anlehnung an das UBA-Richtwertkonzept Richtkonzentrationen CR abgeleitet und ggf. Analogieschlüsse zu strukturell vergleichbaren Substanzen gezogen, falls die stoffspezifische toxikologische Datenbasis nicht ausreichend ist. Der Terminus „Richtkonzentration“ wurde gewählt, um eine Verwechslung mit den vom Umweltbundesamt aufgestellten Richtwerten zu vermeiden.

Ausgehend vom NOAEL (Tier) wird ein Faktor 1 000–10 000 (bei umfassender Datenlage 100–500), ausgehend vom Arbeitsplatzgrenzwert ein Faktor 100–1 000 angewendet.

Wesentlich ist der NOAEL aus chronischen tierexperimentellen Untersuchungen. Liegen keine Ergebnisse aus chronischen Untersuchungen vor, werden in dieser Arbeit die Werte aus subchronischen und subakuten Studien extrapoliert gemäß der Technischen Regel für Gefahrstoffe Nr. 901 (September 2001): Extrapolation von subchronischen auf chronischen Effekten mittels eines Faktors (Divisor) 2, Extrapolation von subakuten auf chronischen Effekten mittels eines Faktors 6.

Bei der Umrechnung von Daten aus Fütterungsstudien in eine Dosis mg/kg KG wurde angenommen, dass Ratten ein mittleres Körpergewicht von 400 g haben und täglich 20 g

(12)

Futter und 30 g Wasser aufnehmen. Für Mäuse wurde angenommen, dass sie ein mittleres Körpergewicht von 30 g haben und täglich 6 g Futter und 7 g Wasser aufnehmen.

Wesentliche Angaben zu den einzelnen Stoffen wurden MAK-Wert-Begründungen oder dem NTP entnommen. Gelegentlich musste auf Primärliteratur zurückgegriffen werden, wobei allerdings lediglich die Zusammenfassungen der jeweiligen Artikel ausgewertet wurden.

Kanzerogene, mutagene, reproduktionstoxische, neurotoxische und immuntoxische Eigenschaften sind von besonderem Interesse. Falls hinsichtlich der Mutagenität nur Daten aus in-vitro-Versuchen vorliegen, diese aber die Gen- und die Genomtoxizität abdecken (z. B.

Genmutationstest in Bakterien und Chromosomenaberrationstest), wird hier bei negativen Versuchsergebnissen davon ausgegangen, dass mutagene und kanzerogene Effekte unterhalb des NOAEL (chronisch) nicht zur Entfaltung kommen.

Liegen keine Untersuchungen speziell zur Neurotoxizität vor, wird von einer vernachlässigbaren Wirkung der Substanz hinsichtlich dieses Endpunktes ausgegangen, wenn in den anderen Studien neurotoxische Effekte nicht beobachtet wurden und ein Vergleich mit anderen strukturell ähnlichen Stoffen eine Neurotoxizität nicht erwarten lässt.

Wenn in einer subakuten, subchronischen oder chronischen Studie keine adversen Effekte auf Organe bzw. Organsysteme des Immunsystems beobachtet werden und kein Verdacht hinsichtlich der Struktur der Substanz besteht, wird davon ausgegangen, dass eine immuntoxische Wirkung unterhalb des NOAEL nicht zu erwarten ist.

Fehlen reproduktionstoxische Daten und ist keine Vergleichsmöglichkeit mit analogen Stoffen mit besserer Datenlage gegeben, wird in dieser Arbeit in der Regel ein weiterer Sicherheitsfaktor von 10 verwendet. Dieser toxikologisch nicht begründbare Ansatz trägt dem Umstand Rechnung, dass für viele Stoffe Daten entsprechender tierexperimenteller Untersuchungen fehlen. Dieser Mangel ist in der Regel nicht durch Substitution zu beheben, sodass es einer pragmatischen Lösung bedarf.

Die meisten Studien an Versuchstieren wurden mit oraler Applikation durchgeführt. Im Fall der Innenraumluft findet allerdings eine inhalative Exposition statt. Gemäß TRGS 901 (Sept.

2001) wird von einer vom Expositionsweg unabhängigen Wirkung ausgegangen, wenn nicht andere Hinweise dieser Annahme widersprechen (unterschiedliche akute orale und inhalative Toxizität, zu erwartender, ausgeprägter first-pass-Effekt durch Metabolismus in der Leber).

In die Bewertung wurden auch Verbindungen mit einbezogen, deren Konzentration in der Kammerluft unterhalb der Nachweisgrenze lag und deren Existenz theoretisch möglich ist.

Dieses geschah mit Rücksicht auf kritische Verbraucher, die die Anwesenheit dieser Verbindungen gerade unterhalb der Nachweisgrenze nicht ausschließen wollen.

3.2 Bewertung der einzelnen flüchtigen organischen Verbindungen

3.2.1. Formaldehyd (CAS-Nummer: 50-00-0)

Formaldehyd wird im Hinblick auf die Qualität der Innenraumluft in der Chemikalienverbotsverordnung behandelt (Fassung vom 19. Juli 1996). Im Abschnitt 3 des Anhanges der Chemikalienverbotsverordnung wird verlangt, dass Holzwerkstoffe, die für die Innenraumanwendung vorgesehen sind, maximal so viel Formaldehyd emittieren dürfen, dass

(13)

in einer Prüfkammer unter Bedingungen, die eine Wohnraumsituation wiedergeben, in der Kammerluft nicht mehr als 0,1 ppm (125 µg/m³) Formaldehyd vorhanden sein dürfen. Da diese Forderung auf den Schutz der Bewohner abzielt, liegt hier der seltene Fall eines gesetzlich vorgegebenen Innenraumwertes vor.

Für Formaldehyd liegt auch eine Begründung des MAK-Wertes vor [DFG 2000a], woraus die folgenden Angaben entnommen sind.

Formaldehyd wirkt oberhalb einer Konzentration von 625 µg/m³ reizend auf die Augen, ab 1,25 mg/m³ auch reizend auf die Schleimhäute der oberen Atemwege. Bei noch höheren Konzentrationen können Symptome wie Kopfschmerz, trockener Rachen und Kurzatmigkeit auftreten. Formaldehyd kann eine Hautallergie hervorrufen.

Eingeatmeter Formaldehyd reagiert schnell mit Proteinen und Glutathion ab. Er wird auch ohne äußere Belastung endogen im Körper gebildet und fließt in verschiedene Stoffwechselwege ein, so z. B. in den Folat-Stoffwechsel, oder er wird über Formiat abgebaut.

Mit Formaldehyd wurden zahlreiche subchronische und chronische Inhalationsstudien mit Ratten, Mäusen, Hamstern und Affen durchgeführt. Die NOAEC lag stets im Bereich von 1,25 mg/m³. Die Wirkung schien unabhängig von der Zeitdauer der Expositionsintervalle (6 h/d, 5 d/w oder 22 h/d, 7 d/w) und der Gesamtdosis zu sein; die Konzentration dagegen schien allein die Wirkungsstärke zu dominieren. Oberhalb einer Konzentration von 1,25 mg/m³ kam es zu Schleimhautschäden, Schleimhautatrophie oder –hyperplasie.

Konzentrationen unter 2,5 mg/m³ hemmten die Proliferation des Schleimhautepithels. Höhere Konzentrationen stellten dagegen einen Proliferationsreiz dar. Außer den lokalen Effekten wurde nur eine verminderte Körpergewichtsentwicklung bei hoch exponierten Tieren festgestellt.

Ratten, die chronisch gegenüber 7 oder 18 mg/m³ Formaldehyd exponiert waren, entwickelten Nasenhöhlentumoren. Die NOAEC lag bei 2,5 mg/m³.

Formaldehyd war im Salmonella-typhimurium-, SCE- und UDS-Test positiv. Er erzeugt DNA-Einzelstrangbrüche und DNA-Protein-Vernetzungen. Letztere stellen sich auch bei sehr niedrigen Formaldehyd-Konzentrationen ein, sind offenbar reparabel und haben eine Halbwertszeit von 2-4 h. Bei exponierten Personen ist die SCE-Rate in peripheren Lymphozyten sowie die Mikrokernrate in Nasenschleimhautzellen erhöht.

Zahlreiche epidemiologische Studien konnten keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Tumoren am Menschen und Formaldehydexposition aufzeigen.

Im rezessiven Lethaltest an Drosophila war gasförmiger Formaldehyd negativ, oral verabreichter Formaldehyd positiv. Im Dominant-Lethaltest war Formaldehyd bei der Maus negativ, in hohen Konzentrationen an Ratten positiv. Im letzteren Fall zeigten sich auch eine verminderte Fertilität und eine erhöhte Zahl abnormer Spermien.

Die MAK-Kommission kam zu dem Schluss, dass die kanzerogene Wirkung des Formaldehyds primär auf dessen Reizpotential zurückzuführen ist. Unterhalb der Reizschwelle bilden sich zwar DNA-Protein-Quervernetzungen aus, doch wird auch der Zellzyklus verlangsamt, womit die Chance für eine rechtzeitige Reparatur erhöht wird.

Formaldehyd kann an Keimzellen mutagen wirken, allerdings erst bei vergleichsweise hohen Konzentrationen.

Der Arbeitsplatzgrenzwert wurde mit 375 µg/m³ festgesetzt, basierend auf Erfahrungen am Menschen (Augenreizung). Bei Einhaltung des MAK-Wertes am Arbeitsplatz sind eine kanzerogene Wirkung (Kanzerogen Kategorie 4) oder eine kritische mutagene Wirkung auf Keimzellen (Mutagen Kategorie 5) nicht zu erwarten.

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Da sich der MAK-Wert auf lokale Wirkungen an den Augen bezieht und da im Tierexperiment mit verlängerter Studiendauer keine Erniedrigung der NOAEC eintrat, ist von einem ausreichenden Schutz von Bewohnern bei Einhaltung des in der Chemikalienverbotsverordnung verlangten Grenzwertes auszugehen. Dieser wurde vom damaligen Bundesgesundheitsamt vorgeschlagen und verteidigt [BGA 1992]. Die Richtkonzentration ist damit

CR = 125 µg/m³.

3.2.2 Acetaldehyd (CAS-Nummer: 107-02-8)

Im Rahmen des National Toxicology Program (NTP) der USA erfolgte eine Bewertung des Acetaldehyds [NTP 1991a].

Acetaldehyd hat in starker Verdünnung einen fruchtartigen Geruch. In höheren Konzentrationen reizt es die Schleimhäute der Augen und der Atemwege. Im Körper wird es durch die Aldehyd-Dehydrogenase relativ schnell zur Essigsäure abgebaut.

Für nicht-genotoxische Endpunkte wurde basierend auf subakuten und subchronischen Inhalationsversuchen an Ratten und Hamstern eine Reference Concentration (RfC) 9 µg/m³ abgeleitet. Diese beruht auf dem niedrigsten NOAEL aus oben genannten Studien (8,7 mg/m³) und einem Unsicherheitsfaktor von 1 000 (Extrapolation subchronisch >> chronisch: Faktor 10; Tier >> Mensch: Faktor 10; Extrapolation auf empfindliche Individuen: Faktor 10).

In der gleichen Quelle wird das Unit-Risk der Kanzerogenität abgeleitet. Bei einer lebenslangen Exposition gegenüber 0,5 µg / m³ errechnet sich ein zusätzliches kanzerogenes Risiko von 10-6. Diese Ableitung basiert auf einer Studie an insgesamt je 420 weiblichen und männlichen SPF-Wistar-Ratten, die über zwei Jahre gegenüber 0, 750, 1 500 oder 3 000 ppm Acetaldehyd exponiert waren (6 h/d, 5 d/w, 27 Monate). Die Tiere entwickelten Tumoren im oberen Atemtrakt (zitierte Primärquelle: Woutersen 1984; Woutersen 1985).

In der Ableitung des kanzerogenen Risikos wird angenommen, dass Acetaldehyd ein gentoxisches Kanzerogen ist. Diese Annahme wird gestützt durch eine Dosisabhängigkeit der Tumorinzidenz in der chronischen Rattenstudie, durch positive Befunde in in-vitro- Chromosomenaberrationsstudien und durch eine positive geschlechtsgebundene rezessiv- lethale Mutationsstudie an Drosophila melanogaster.

Für einen eher epigenetischen Mechanismus spricht die bekannte Reizwirkung des Acetaldehyds, der damit als Promotor wirken kann. In der Studie an Ratten lagen alle Expositionskonzentrationen deutlich über der NOAEC der subchronischen Inhalationsstudie (8,7 mg/m³ = 4,75 ppm), bei der das empfindlichste Gewebe das olfaktorische Epithel war.

Hamster, denen Acetaldehyd über 52 Wochen intratracheal instilliert wurde, entwickelten keine Tumoren; Actaldehyd zeigte aber promovierende Wirkung bei gleichzeitiger Gabe von Benzo[a]pyren. Allerdings war die Versuchstiergruppe mit 35 Syrischen Goldhamstern vergleichsweise klein. Die Annahme eines epigenetischen Mechanismus für die Kanzerogenität des Acetaldehyds wird weiter dadurch gestützt, dass in der Studie von Woutersen et al. zwar die Tumorinzidenz dosisabhängig war, nicht jedoch die Latenzzeit [WHO 1995].

Die Annahme eines gentoxischen Mechanismus ist daher eher konservativ und eine nennenswerte Zunahme der Tumorinzidenz bei lebenslanger Exposition gegenüber dem RfC- Wert von 9 µg/m³ ist nicht zu erwarten.

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Zur Teratogenität liegen diverse Daten vor. In dem NTP-Bericht sind 640 µg (intraperitoneal) die höchste Dosis, die keine negativen Effekte an der Maus hervorrief [NTP 1991a]. Dieses entspricht 21 g/kg KG. Extrapoliert man auf den Menschen mit den üblichen Faktoren (10 für Tier >> Mensch, 10 für empfindliche Individuen) und zieht man einen weiteren Faktor 10 hinzu auf Grund der unvollständigen Datenlage resultiert daraus ein TDL0 für den Menschen von 21 mg/kg KG. Dieses entspricht etwa einer Konzentration von 21 mg/l Körpervolumen, Gleichverteilung dieses hydrophilen wie lipophilen, kleinen Moleküls im Körper vorrausgesetzt.

In einer in-vitro-Studie mit 10 Tage alten Rattenembryonen wurde eine NOAEC von 5 mM angegeben, was unter Beibehaltung eines gesamten Unsicherheitsfaktors von 1 000 etwa 0,22 mg/l Körpervolumen entspricht.

Daraus wird ein Luftrichtwert bezogen auf den Endpunkt Teratogenität wie folgt abgeleitet:

Die Halbwertszeit von Acetaldehyd im Körper beträgt maximal 15 Minuten [ACGIH 1991], was bei einer Kinetik erster Ordnung einer Eliminationskonstante von ke = 0,046 min-1 entspricht. Ein Mensch atme 10 l Luft pro Minute, wobei angenommen wird, dass der in der Luft enthaltene Acetaldehyd vollkommen in der Lunge absorbiert wird. Im Gleichgewicht ändert sich die Konzentration des Acetaldehyds im Körper nicht;

dc/dt = Cl * 10 l/min / Vk – ke * CK = 0

Cl = Konzentration des Acetaldehyds in der Luft (Richtwert bzgl. Teratogenität), Vk = Volumen des Körpers (~ 70 l),

Ck = Konzentration im Körper = 0,22 mg/l.

Durch Einsetzen erhält man Cl = 0,071 mg/l = 71 mg/m³.

Auf Grund obiger Ausführungen, die die Kanzerogenität und Teratogenität des Acetaldehyds berücksichtigten, wird die Übernahme der RfC als Richtkonzentration für Acetaldehyd in der Innenraumluft vorgeschlagen:

RfC = 9 µg/m³.

3.2.3 Propionaldehyd (CAS-Nummer: 123-38-6)

Für Propionaldehyd liegen eine toxikologische Bewertung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie von 1991 [BG Chemie 1991] sowie eine Bewertung durch das Beratergremium für Altstoffe [BUA 1997] vor, wobei bei letzterer Quelle hier nur die Zusammenfassung ausgewertet wurde.

Die Geruchsschwelle für Propionaldehyd liegt bei 0,05-1 mg/m³. In Konzentrationen ab 14 mg/m³ wirkt Propionaldehyd beim Menschen reizend auf die Augen und die oberen Atemwege. Er wird im Körper durch Aldehyddehydrogenase relativ rasch zur Propionsäure abgebaut und in den Fettstoffwechsel eingefügt.

In einem subchronischen Inhalationsversuch an Ratten (6 h/d, 7 d/w, 7 w) wurde eine NOAEC von 365 mg/m³ festgestellt, wobei der empfindlichste Endpunkt irritative Schäden an der Nasenschleimhaut waren.

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Hinsichtlich der Mutagenität liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. Im Genmutationstest an Bakterien war Propionaldehyd negativ gegenüber den Salmonella-typhimurium-Stämmen TA 98, TA 100, TA 102, TA 1535 und TA 1537 mit und ohne metabolische Aktivierung. Bei Bacillus subtilis hingegen war er positiv im Rekombinationstest mit metabolischer Aktivierung.

Propionaldehyd induzierte Chromosomenbrüche und Schwesterchromatidaustausch in CHO- Zellen sowie DNA-Einzelstrangbrüche im alkalischen Elutionstest.

An Säugerzellen verursachte Propionaldehyd Punktmutationen im HPGRT- und im Na-K- ATPase-Test sowie außerplanmäßige DNA-Synthese in Rattenhepatozyten. In Humanlymphozyten und -hepatozyten wurde keine außerplanmäßige DNA-Synthese induziert. Im in-vivo-Mikrokerntest an der Maus war Propionaldehyd negativ.

In einem Test zur Reproduktionstoxizität wurden männliche und weibliche Ratten zwei Wochen vor der Verpaarung beginnend gegenüber Propionaldehyd inhalativ exponiert [Union Carbide 1992]. Gegenüber den trächtigen Weibchen wurde die Exposition bis zum 20.

Trächtigkeitstag aufrechterhalten und die Jungtiere bis zum 4. Laktationstag beobachtet. Die NOAEC für die Jungtiere lag bei 3 625 mg/m³.

Bei der Ableitung einer Richtkonzentration stellt sich die Frage der Bewertung der Mutagenität. Einige in-vitro-Versuche zeigten Mutagenität, andere waren negativ. Die chlastogenen und aneuploiden Effekte in vitro scheinen sich nicht auf die Reproduktion auszuwirken und induzieren in vivo keine Mikrokerne. Da Propionaldehyd durch Aldehyddehydrogenase im Körper schnell abgebaut wird [BG Chemie 1991], ist es fraglich, ob die aktive Verbindung das Knochenmark erreicht (wohingegen bei der hohen Konzentration im Reproduktionsversuch dieses für die Feten angenommen werden kann). Der schnelle Metabolismus des Propionaldehyds zur Propionsäure (Zwischenprodukt beim Abbau ungerader Fettsäuren im Körper) kann allerdings auch zu einer Milieuverschiebung in den Zellkulturen führen, die allein Chromosomenschäden auslösen könnte.

Aus den vorliegenden Studien ist die geringste NOAEC diejenige aus dem subchronischen Inhalationsversuch an Ratten, die zur Richtwertableitung herangezogen wird: NOAEC = 365 mg/m³.

Folgende Extrapolationsfaktoren werden angewendet: 6 h/d >> 24 h/d (4) Tier >> Mensch (10), Mensch >> empfindliche Individuen (10), unklare Mutagenität (10), sodass insgesamt ein Faktor 4 000 resultiert.

Eine Extrapolation von subchronischer auf chronische Exposition wird nicht vorgenommen, weil der kritische Effekt „Reizwirkung“ eine geringere Wirkschwelle als die in den vorhandenen Untersuchungen ermittelten Werte nicht erwarten lässt. Somit ergibt sich eine Richtkonzentration von

CR = 91 µg/m³.

3.2.4 1,2-Dichlorpropan (DCP, CAS-Nummer: 78-87-5)

Zum 1,2-Dichlorpropan liegt ein Stoffbericht des Beratergremiums für Altstoffe vor [BUA 1994], der als Anlage die Begründung der MAK-Kommission zu diesem Stoff von 1993 enthält.

Bei oraler oder inhalativer Aufnahme relativ großer Mengen („Schnüffeln“) verursacht Dichlorpropan beim Menschen Leber- und Nierenschäden, hämolytische Anämie, Azidose

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und Herzmuskelschwäche. Wiederholter Hautkontakt kann eine Kontaktdermatitis hervorrufen.

Dichlorpropan wird nach 24 h zu 80-90 % ausgeschieden, wobei die Hauptmetaboliten Cys- tein-Konjugate sind, die aus einer primären Umsetzung des Dichlorpropan mit Glutathion resultieren.

An Ratten und Mäusen wurden subchronische Studien durchgeführt. Bei oraler Applikation über 13 Wochen fanden sich bei B6C3F1-Mäusen ein NOAEL von 500 mg/kg KG, bei F344- Ratten ein NOAEL von 250 mg/kg KG, bei männlichen Sprague-Dawley-Ratten allerdings ein LOAEL von 100 mg/kg KG.

Bei inhalativer Applikation an Ratten über 13 Wochen (6h/d, 5 d/w) wurde eine LOAEC von 71 mg/m³ festgestellt, was auch die niedrigste Testkonzentration war. Die beobachteten Effekte wurden als sehr leichte bis leichte Hyperplasien des respiratorischen Epithels beschrieben.

Bei höheren Konzentrationen war die Körpergewichtsentwicklung reduziert und systemische Effekte traten vornehmlich an der Leber, aber auch an der Niere auf.

In einer weiteren subchronischen Studie zur Untersuchung neurotoxischer Effekte wurde F344-Ratten DCP oral verabreicht (5 d/w, 13 w, 9 w Nachbeobachtung). Schon bei der niedrigsten Dosis von 20 mg/kg KG traten Tränenfluss und verminderte Spontanbewegung auf, allerdings nur für die ersten drei Tage. Ab 65 mg/kg KG war die Körpergewichtsentwicklung beeinträchtigt. Bei neurologischen Tests und histopathologischen Untersuchungen wurden keine substanzbedingten Schäden festgestellt.

Bei den Salmonella-typhimurium-Stämmen TA 100 und TA 1535 erzeugte DCP Mutationen mit und ohne metabolische Aktivierung, nicht aber bei den Stämmen TA 98, TA 1537 und TA 1538. Ein DNS-Reparaturtest mit TA 1535, ein SOS-Reparaturtest an Escherichia coli und ein UDS-Test an Humanlymphozyten verliefen negativ. An Säugerzellen zeigten sich beim TK-Test an Maus-Lymphomzellen, bei Aspergillus nidulans und an CHO-Zellen ein mutagenes Potential. Die Schwesterchromatidaustauschrate bei CHO- und V79-Zellen wurde durch DCP erhöht.

DCP war negativ im Dominant-Lethaltest an der Ratte und erzeugte keine geschlechtsgebundenen rezessiven Lethalmutationen bei Drosophila melanogaster.

DCP hat eine schwache Tendenz zur Ausbildung von DNA-Addukten in der Leber.

In chronischen Studien wurde DCP Mäusen (125 und 250 mg/kg KG) und Ratten (62- 250 mg/kg KG) oral verabreicht. Bei den Mäusen entwickelten sich Leberadenome und Leberkarzinome, bei den weiblichen Ratten Brustdrüsentumoren.

Diese Befunde veranlassten die MAK-Kommission DCP als Kanzerogen der Kategorie 3B einzustufen [BUA 1994; DFG 2002]. In der Begründung zur TRGS 905 wird angemerkt, dass die Befunde aus den chronischen Versuchen schwierig zu deuten seien, da die verwendeten B6C3F1-Mäuse möglicherweise besonders sensitiv gegenüber halogenierten Verbindungen seien und die Lebertumorrate im Rahmen der historischen Kontrolle lägen; bei den Ratten läge die Überlebensrate unter 50 % [TRGS 905]. In derselben Quelle wird auch den negativen in-vivo-Mutagenitätsstudien ein höheres Gewicht zugesprochen als den positiven in-vitro- Mutagenitätsstudien. Insgesamt wird DCP gemäß EU-Einstufungskriterien als nicht mutagen und nicht kanzerogen eingestuft.

In Teratogenitätsstudien an Kaninchen und Ratten wurde ein NOAEL von 50 bzw. 30 mg/kg KG festgestellt [BUA 1994].

In einer Zweigenerationenstudie an Ratten wurde für die erwachsenen Tiere ein NOAEL von 25 mg/kg KG, für die Jungtiere ein NOAEL von 100 mg/kg KG und für die Reproduktion ein NOAEL von 190 mg/kg KG festgestellt. Im Rahmen dieser Studie, in der die F0-Tiere bereits

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ab der 10. Woche vor der Verpaarung exponiert wurden, wurde der oben erwähnte Dominant- Lethaltest durchgeführt.

Zur Ableitung einer Richtkonzentration für die Innenraumluft wird auf die RfC der USA-EPA zurückgegriffen [NTP 1991 b].

Ausgehend von oben erwähnter subchronischer Inhalationsstudie wird der LOAEL von intermittierender auf permanente Exposition angepasst:

LOAEL (korr. Ratte) = 71 mg/m³ * 6 h/24 h * 5 d/7 d = 12,7 mg/m³.

Durch einen Faktor von ca. 9,5 wird auf den Menschen extrapoliert (allometrische Beziehung) LOAEL (korr. Mensch) = 12,7 mg/m³ / 7 = 1,3 mg/m³.

Zum NOAEL wird durch einen Faktor 3 dividiert, da die beobachteten Effekte sehr gering waren. Ein Faktor 10 berücksichtigt empfindliche Individuen und ein weiterer Faktor 10 trägt der Unsicherheit hinsichtlich der Kanzerogenität und Mutagenität Rechnung. Damit erhält man

CR = RfC = 4 µg/m³.

Dieser Wert liegt unterhalb der Richtkonzentration, die sich aus dem niedrigsten NOAEL der Zwei-Generationen-Studie ergeben würde (1 mg/m³).

3.2.5 2-Chlor-1-propanol, 1-Chlor-2-propanol (CAS-Nummern: 78-89-7, 127-00-4) Beide chlorierte Alkohole fallen als technisches Produkt in einem Verhältnis von ca. 25:75 an (2-Chlor-1-propanol : 1-Chlor-2-propanol). Die meisten toxikologischen Untersuchungen wurden mit diesem Gemisch durchgeführt.

Chlorpropanol wirkt reizend auf der Haut und stark reizend auf den Schleimhäuten. Es wird im Körper rasch metabolisiert [Clayton 1993-1994].

Bei einer Inhalationsstudie an Ratten gegenüber 30 und 100 ppm 1-Chlor-2-propanol über 15 Tage (6 h/d) wurde ein NOAEL von 30 ppm ermittelt [Clayton 1993-1994]; 100 ppm verursachten Lungenödeme. In derselben Quelle wird über eine orale Studie (Schlundsonde) über 21 Tage an Ratten und über 13 Wochen an Hunden berichtet. Der NOAEL bei den Ratten betrug 76 mg/kg KG (höchste geprüfte Dosis), bei den Hunden 7 mg/kg KG (ab 50 mg/kg KG verzögerte Gewichtsentwicklung).

Im Rahmen des National Toxicology Program der USA wurde das technische Chlorpropanol B6C3F1-Mäusen und F344-Ratten im Trinkwasser über 14 Tage, 14 Wochen und über 2 Jahre verabreicht [NTP 1998].

Ab 1 000 ppm verursachte die Substanz bei den Mäusen in der 14-Tage-Studie Schäden an Leber, Bauchspeicheldrüse und Thymus, bei den Ratten verursachten 10 000 ppm Schäden an Leber, Thymus, Bauchspeicheldrüse, Knochenmark und Milz.

In der 14-Wochen-Studie verursachten 100 ppm bei den Ratten vergrößerte Leber- und Nierengewichte, ab 330 ppm traten abnorme Spermien vermehrt auf, ab 1 000 ppm war eine Atrophie der Nebenhoden beobachtbar. Der NOAEL lag bei den Ratten bei 33 ppm (ca.

2,5 mg/kg KG), bei den Mäusen bei 330 ppm (ca. 70 mg/kg KG).

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In der 2-Jahres-Studie wurde bei den Mäusen ein NOAEL von 100 mg/kg KG, bei den Ratten ein NOAEL von 34 mg/kg KG festgestellt. Die anfänglichen Dosierungen von 15, 30 und 65 mg/kg KG bei den Ratten und 45, 75 und 150 mg/kg KG bei den Mäusen wurden nach einigen Monaten auf 8, 17 und 34 bzw. 25, 50 und 100 mg/kg KG zurückgenommen. Eine signifikant erhöhte Inzidenz an Tumoren oder Neoplasien war nicht feststellbar.

1-Chlor-2-propanol erzeugt Mutationen an den Stämmen Salmonella typhimurium TA 100 (mit metabolischer Aktivierung) und TA 1535 (mit und ohne metabolische Aktivierung), ist aber negativ in Tests an TA 97, TA 98 und TA 1537. Exposition gegenüber Chlorpropanol erhöht die Rate der Chromosomenaberrationen und Schwesterchromatidaustausch bei CHO- Zellen in vitro. Injiziertes Chlorpropanol erzeugt geschlechtsgebundene rezessive Lethalmutationen in Drosophila melanogaster, ist im gleichen Testsystem aber negativ bei oraler Aufnahme. In der 14-Tage-Fütterungsstudie bei Mäusen wurde keine erhöhte Rate an Mikrokernen in peripheren Erythrocyten festgestellt [NTP 1998].

In einer 2-Generationen-Studie mit Sprague-Dawley-Ratten wurden den Tieren 0,03 %, 0,065 % und 0,13 % Chlorpropanol im Trinkwasser verabreicht. In diese Studie wurde ein Dominant-Lethal-Test eingeschlossen [NTIS 1990], der keine Mutagenität des technischen Chlorpropanols zeigte. Tiere der F1-Generation derjenigen F0-Tiere, die die höchste Dosis erhalten hatten, wurden verpaart. Bei der F1-Generation kam es in der höchsten Dosisgruppe zur verzögerten Körpergewichtsentwicklung, vergrößerten rechten Hoden und Nebenhoden sowie zu einer erhöhten Zahl abnormer Spermien, jedoch nicht zu einer reduzierten Fertilität.

Der NOAEL beträgt 0,065 % im Trinkwasser (ca. 49 mg/kg KG).

Zur Ableitung einer Richtkonzentration kann man von der Inhalationsstudie ausgehen. Dort wurde bei 14-tägiger Exposition für 6 h/d eine NOAEC von 30 ppm (118 mg/m³) festgestellt.

Eine Konzentration von 100 ppm erzeugte Lungenödeme als lokale Effekte, systemische Wirkungen wurden nicht beschrieben. Wegen des ausschließlich lokalen Effektes ist zu fragen, ob ein Faktor von 10 für die Extrapolation vom Tier auf den Menschen nicht zu hoch ist; da es sich aber nur um eine begrenzte, subakute Studie handelte, wird dieser Faktor beibehalten. Ein weiterer Faktor 10 dient der Extrapolation auf empfindliche Individuen, ein Faktor 5 berücksichtigt die Zeitextrapolation und ein Faktor 2 die erhöhte Atemrate von Kindern. Damit ist

CR = 0,03 ppm = 118 µg/m³.

Ausgehend von den verschiedenen Fütterungsstudien ist der niedrigste NOAEL (oral, Ratte) 34 mg/kg KG. Unter Berücksichtigung der Extrapolation Tier >> Mensch, Mensch >>

empfindlicher Mensch und dem höheren Atemzeitvolumen von Kindern ergibt sich ein NOAEL (oral, Mensch) von 0,17 mg/kg KG. Dieses entspricht bei einem Atemzeitvolumen von 20 m³/d und einem Körpergewicht von 70 kg einer Konzentration von 0,6 mg/m³, vollständige Resorption vorausgesetzt. Eine Zeitextrapolation wurde nicht vorgenommen, da die Versuchstiere täglich exponiert waren. Demnach sind die in den Fütterungsstudien beobachteten Effekte durch die oben formulierte Richtkonzentration von 118 µg/m³ abgedeckt.

3.2.6 Tris(1-chlor-2-propyl)phosphat (TCPP, CAS-Nummer: 13674-84-5)

Tris(1-chlor-2-propyl)phosphat wird als Flammschutzmittel in Kunststoffen eingesetzt. Auf Grund geringerer Flüchtigkeit und weniger kritischer Kennzeichnung hat es das früher

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gebräuchliche strukturanaloge Flammschutzmittel Tris(2-chlorethyl)phosphat (TCEP) weitgehend verdrängt.

Für das TCEP wurde ein Innenraumrichtwert abgeleitet [Sagunski 2002]. In dieser Publikation wurde vorgeschlagen für andere Organophosphate mit weniger umfangreicher Datenbasis – darunter das TCPP – den Richtwert des TCEP zu übernehmen. In der folgenden Tabelle werden die Daten des TCEP denen des TCPP [IUCLID 2001] gegenübergestellt.

Tabelle 2: Gegenüberstellung der toxikologischen Endpunkte von TCEP und TCPP Endpunkt Tris(2-chlorethyl)phosphat Tris(1-chlor-2-propyl)phosphat Verzögerte

Neuropathie

Einmalige Gabe von 14 200 mg/kg KG führte bei weißen Leghornhennen zu einer Depression der Plasma-Cholinesterase und der neurotoxischen Esterase im Gehirn.

Einmalige Gabe von 13 200 mg/kg KG bei weißen Leghornhennen zeigte keine Depression der Plasma- Cholinesterase oder der neurotoxischen Esterase im Gehirn.

Subakute Toxizität Bei einer Gavage-Studie über 14 d wurde ein NOAEL von 88 mg/kg KG festgestellt. Höhere Dosierungen verursachten erhöhte Nieren- und Lebergewichte sowie eine Reduktion der Plasma- Cholinesteraseaktivität bei F344/N- Ratten.

In einer Fütterungsstudie an Wistar- Ratten über 28 Tage wurde ein NOAEL von 100 mg/kg KG festgestellt. Höhere Dosierungen verursachten erhöhte Lebergewichte und periportale Schwellungen in der

Leber. Klinisch-chemische Parameter waren nicht verändert.

Subchronische Toxizität

Bei einer Fütterungsstudie über 112- 126 Tage (5 d/w) an F344/N-Ratten wurde ein NOAEL von 22 mg/kg KG ermittelt. Bei höheren Dosierungen traten erhöhte Leber- und Nierengewichte auf.

Histologisch waren Nekrosen von Pyramidenzellen im Hippocampus ab 175 mg/kg KG beobachtbar; bei dieser Dosis war auch die Plasma- Cholinesteraseaktivität reduziert.

Bei einer 90-Tage-Fütterungsstudie mit Sprague-Dawley-Ratten wurde ein NOAEL von 800 ppm festgestellt, was in etwa einer Dosis von 32 mg/kg KG entspricht. Bei höheren Dosierungen (bis 20 000 ppm) zeigten sich erhöhte Nieren- und Lebergewichte sowie histologisch periportale Schwellungen in der Leber.

Klinisch-chemische Parameter waren im Vergleich zur Kontrolle nicht signifikant verändert.

Chronische Toxizität, Kanzerogenität

Bei chronischen Fütterungs- und Gavage-Studien an Ratten zeigten sich ab 44 mg/kg KG Tubulus- adenome, Nierenkarzinome und Schilddrüsenkarzinome. Bei dem eher selten eingesetzten Mäusestamm SC1:ddY wurden signifikant erhöhte Inzidenzen von Nierenkarzinomen,

Leberzelladenomen und Leukämien festgestellt, bei B6C3F1-Mäusen zeigten sich keine signifikant erhöhten Tumorinzidenzen.

TCEP war in vivo auf der Mäusehaut weder Tumor-initiierend noch Tumor-promovierend.

keine Daten vorhanden.

in-vitro-Mutagenität In 6 von 7 Mutagenitätsprüfungen mit Salmonella typhimurium war TCEP negativ.

In 5 von 6 Mutagenitätsprüfungen mit Salmonella typhimurium war TCPP negativ (negativ in allen

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Im Maus-Lymphomtest war TCEP negativ.

Bei Untersuchungen zur Cytogenetik mit CHO-Zellen war TCEP negativ (Chromosomen- aberration) bzw. uneindeutig (SCE).

Im HPRT-Test mit V 79-Zellen war TCEP negativ.

TCEP bildete keine DNA-Addukte.

Im Zelltransformationstest war TCEP positiv.

jüngeren und GLP- Untersuchungen). Im Maus- Lymphomtest war TCPP negativ oder uneindeutig (hoher Hintergrund in der Kontrolle, keine Dosis-Wirkungs-Beziehung).

Prüfungen auf UDS waren negativ oder uneindeutig.

Ein DNA-Reparaturtest war negativ.

Im Zelltransformationstest war TCPP positiv, zeigte aber keine Dosis-Wirkungsbeziehung.

in-vivo-Mutagenität Im Mikrokerntest am Hamster war TCEP negativ bzw. fraglich positiv.

Beim geschlechtsgebunden rezessiven Letaltest an Drosophila

melanogaster war TCEP negativ.

Im Mikrokerntest an Ratten und Mäusen war TCPP negativ.

Reproduktionstoxizität An Mäusen und Ratten beeinträchtigt TCEP die Fruchtbarkeit sowie die Überlebensrate der Jungtiere. Der NOAEL liegt bei Mäusen bei 175, bei Ratten bei 100 mg/kg KG.

In einer schlecht dokumentierten Inhalationsstudie über 4 Wochen mit Ratten verursachte TCPP bei einer Konzentration von 2 mg/m³ Schäden am Hodenepithel sowie Degeneration der Sertolizellen; bei 0,58 mg/m³ wurden die Effekte nicht beobachtet.

In einer Teratogenitätsstudie mit Wistar-Ratten wurde TCPP über das Futter während der Trächtigkeits- tage 0 bis 20 verabreicht. Ein Teil der Muttertiere wurde am Tag 20 getötet und die Feten wurden untersucht, bei einem anderen Teil beobachtete man Mutter- und Jungtiere bis 3 Wochen nach dem Werfen. Selbst bei der höchsten Dosis von 1 % (ca. 100 mg/kg KG) wurden keine negativen Effekte beobachtet.

Die Gegenüberstellung der toxikologischen Daten von TCEP und TCPP lässt den Schluss zu, dass der für TCEP empfohlene Innenraumrichtwert auch für TCPP angemessen ist. Zwar zeigt hinsichtlich der Neurotoxizität, der subakuten und der subchronischen Wirkung das TCPP eine geringere Toxizität als das TCEP, doch sind bei letzterem die beobachteten Hodenschäden bei der – wenn auch schlecht dokumentierten – Inhalationsstudie zu berücksichtigen. Zwar wurden Hodenschäden bei der subchronischen Studie mit TCPP nicht beschrieben, doch lag mit der oralen Applikation ein anderer Expositionspfad vor.

Aus dem Analogieschluss zum TCEP ist der Richtwert II für TCEP die Richtkonzentration für TCPP

CR = 50 µg / m³.

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3.2.7 Diethanolamin (CAS-Nummer: 111-42-2)

Diethanolamin kann bei direktem Kontakt zu Reizungen an Haut und Schleimhäuten führen [Ellenhorn 1988]. Es wird bei Ratten in der Synthese von Phospholipiden in der Leber umgesetzt [Snyder 1990].

Im Rahmen des National Toxicology Program der US-EPA wurde Diethanolamin hinsichtlich seiner subakuten, subchronischen, mutagenen, kanzerogenen, reproduktionstoxischen und immuntoxischen Eigenschaften untersucht [NTP 1999, NTP 1992a].

F344/N-Ratten und B6C3F1-Mäuse erhielten Diethanolamin im Trinkwasser über 14 und 90 Tage sowie dermal in Ethanol appliziert. Die Ratten reagierten mit reduzierter Körpergewichtsentwicklung, erhöhten Nierengewichten, Tubuluszellnekrosen, verminderter Nierenfunktion sowie zusätzlich in der 90-Tage-Studie mit Degeneration der Samenbläschen, verminderter Spermienzahl und Spermienmobilität. Ferner wurde bei höheren Dosierungen eine Demyelinierung der Nervenfasern in Hirn und Rückenmark festgestellt.

Die Mäuse zeigten in der 14-Tage-Studie erhöhte Lebergewichte und Leberzellnekrosen. In der 90-Tage-Studie zeigten sich zusätzlich Nephropathien, Tubuluszellnekrosen sowie Degeneration der Myocyten des Herzens.

Ein NOAEL konnte in keinem Fall ermittelt werden. Der LOAEL lag bei oraler Applikation bei 12 (Ratten) bzw. 126 mg/kg KG (Mäuse). Bei dermaler Applikation war der LOAEL 32 (Ratten) bzw. 80 (Mäuse) mg/kg KG.

F344/N-Ratten erhielten über 2 Jahre 0, 8, 16, 32 und 64 mg/kg KG Diethanolamin in Ethanol dermal appliziert. Es wurden leichte, nicht-neoplastische Hautläsionen beobachtet sowie bei weiblichen Ratten bei der höchsten Dosierung Nephropathien.

B6C3F1-Mäusen wurden dermal über 2 Jahre 0, 40, 80 und 160 mg/kg KG Diethanolamin in Ethanol appliziert. In allen Dosisgruppen fanden sich hepatozelluläre Adenome und Karzinome, deren Inzidenz ab 80 mg/kg KG signifikant erhöht war. Ferner waren bei höheren Dosierungen dosisabhängig Nierenadenome und Follikelzellhyperplasien in der Schilddrüse beobachtbar.

Bei Mutagenitätsuntersuchungen konnte in vitro im Ames-Test an Salmonella typhimurium, im L5178Y-Maus-Lymphomtest sowie im CHO-Chromosomenaberrations- und SCE-Test keine Mutagenität nachgewiesen werden. Auch in vivo war eine signifikante Zunahme an Mikrokernen in norchromatischen Erythrozyten bei Mäusen, denen dermal 80 bzw.

1 250 mg/kg KG Diethanolamin appliziert wurden, nicht feststellbar. Diethanolamin scheint damit nicht mutagen zu sein und die in der chronischen Studie festgestellte Kanzerogenität scheint auf einem – bisher allerdings nicht geklärten – epigenetischem Mechanismus zu basieren.

Weibliche, trächtige Sprague-Dawley-Ratten erhielten per Gavage 0, 50, 125, 200, 250 und 300 mg/kg KG Diethanolamin während der Gestationstage 6-19. Ein Teil der Tiere wurde am Gestationstag 20 getötet und untersucht, ein anderer Teil wurde bis 3 Wochen nach Geburt beobachtet. Missbildungen waren bei den Nachkommen nicht feststellbar. Ab 125 mg/kg KG waren aber eine reduzierte Futter- und Wasseraufnahme der Muttertiere sowie postimplantative Verluste beobachtbar. Der NOAEL lag bei 50 mg/kg KG.

In einer weiteren Studie wurde die Entwicklungstoxizität von Diethanolamin an Weißen- Neuseeländer-Kaninchen und CD-Ratten getestet, denen über die Gestationstage 6-18 bzw. 6- 15 Diethanolamin dermal verabreicht wurde. Der NOEL lag in diesen Versuchen bei 350 mg/kg KG (höchste geprüfte Dosis) für Ratten und Kaninchen [Marty 1999]. Die

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Verwendbarkeit dieser Daten ist fraglich, da Diethanolamin ohne Vehikel kaum die Haut penetriert [Sun 1996].

Im National Toxicology Program der US-EPA wurde ferner die Immuntoxizität des Diethanolamins an weiblichen B6C3F1-Mäusen untersucht, die 14 Tage lang 0, 100, 300 und 600 mg/kg KG Diethanolamin über das Trinkwasser bekamen. Thymus, Milz und Niere zeigten histologisch keine Veränderungen, die Leber war allerdings dosisabhängig vergrößert.

Bereits 100 mg/kg KG verursachten eine signifikante Abnahme der CD+ - T- Lymphozyten, begleitet von einer verminderten Widerstandskraft gegen Streptococcus pneumoniae und implantierten B16F10-Melanomzellen. Da bei 100 mg/kg KG bei B6C3F1-Mäusen bereits deutliche Leberschäden auftreten, ist nicht klar, inwieweit diese mit der Immunsuppression interagieren. Hängt auch die Bildung und Reifung der CD+ - T – Lymphozyten nicht direkt mit der Leberfunktion zusammen, kann deren Einschränkung generell wichtige Körperfunktionen dämpfen.

Die Ableitung einer Richtkonzentration ist in diesem Fall kritisch, da kein NOAEL in den subakuten, subchronischen und chronischen Studien für die jeweils empfindlichste Spezies feststellbar ist. Vor dem Hintergrund Kanzerogenität könnte bei der empfindlichsten Spezies – weiblichen B6C3F1-Mäusen – im Hinblick auf offenbar fehlende Mutagenität die niedrigste Dosis als NOAEL diskutiert werden, da bei dieser keine signifikante Zunahme an Lebertumoren zu beobachten ist. In dieser Arbeit soll ein anderer Weg gewählt werden.

Crump stellte 1984 das Benchmark-Dosis-Konzept als Alternative zu den NOAEL- Ableitungen zur Berechnung von ADI- bzw. TDI-Werten vor [Crump 1984]. Dieses Konzept hat den Vorteil, dass auch beim Fehlen von NOAEL-Werten bei vorhandenen Dosis- Wirkungskurven sogenannte „sichere“ Dosierungen berechnet werden können. An die Stelle des NOAEL rückt die Benchmark-Dosis, bei der rechnerisch eine 10 % höhere Inzidenz bzgl.

des jeweils gewählten toxikologischen Endpunktes auftritt. Dieses Konzept garantiert nur scheinbar eine geringere Sicherheit als das NOAEL-Konzept, denn bei vielen chronischen Studien würde eine 10 % erhöhte Inzidenz (u. U. sogar eine 20 % erhöhte Inzidenz) nicht beobachtbar sein. In Anlehnung an dieses Benchmark-Dosis-Konzept werden die Daten desjenigen chronischen Versuches, der die höchste Tumorinzidenz zeigte, mathematisch modelliert. Für weibliche B6C3F1-Mäuse fand man

Tabelle 3: Tumorinzidenz weibl. B6C3F1-Mäuse

Dosis x (mg/kg KG) 0 40 80 160

Tumorinzidenz P 5 / 50 19 / 50 38 / 50 42 / 50

Die Dosis-Wirkungsbeziehung wurde mit dem bei Crump beschriebenen quantal linear regression model (QLR) angepasst ( Berechnungen mit dem Programm Origin 6.0 von Microcal):

P(x) = y = c + (1 – c) * {1 – exp[- (a * (x – b)]}.

Die graphische Darstellung zeigt Bild 1. Hierbei ist gemäß dem Benchmark-Konzept b die Schwellendosis, bis zu welcher noch kein Effekt beobachtet wird (hier: b = 0), und c ist die Hintergrundwahrscheinlichkeit für die jeweilige Erkrankung (hier: c = 0,1). Nach Crump berechnet sich eine substanzbedingte, um 10 % erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit gemäß

P(d) – P(0) / (1 – P(0)) = 0,1.

(24)

Dabei ist P(0) die Hintergrundwahrscheinlichkeit der Erkrankung, und P(d) die Erkrankungs- wahrscheinlickeit nach Gabe der Benchmark-Dosis; in diesem Fall ist P(d) = 0,19.

Bild 1: Nicht-lineare Anpassung der Dosis-Wirkungsbeziehung für Diethanolamin bezüglich hepatozellulären Karzinomen in weiblichen B6C3F1-Mäusen

-20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9

Data: Diethanolamin, w. B6C3F1-Mäuse Model: P=c+(1-c)*(1-exp(-a*(x-b))) Chi^2 = 0.00508

R^2 = 0.95716

a 0.01253 ±0.00182

b 0 ±0

c 0.1 ±0

Inzidenz P Lebertumoren

mg/kg KG Diethanolamin

P wird maximal, wenn für den Parameter a dessen obere 95 %-Vertrauensgrenze eingesetzt wird. Mit 95 %-KI(a) = a +/- 1,96 * {Var(a)}0,5 , ist für die ober 95 % - Vertrauensgrenze von a der Wert 0,016 einzusetzen. Man erhält:

P = 0,19 = 0,1 + 0,9 * (1 – exp[ - 0,016 * x]) =>

x = 6,6 mg/kg KG/d.

Nach einem anderen Ansatz, wie er im Lehrbuch von Zöfel für Konfidenzintervalle für prozentuale Häufigkeiten beschrieben ist, ist bei einer Dosis von 3 mg/kg KG die obere 95 %- Vertrauensgrenze der Tumorwahrscheinlichkeit 0,19 [Zöfel 1992].

Auf dem gleichen Weg errechnet sich im Hinblick auf die hepatozellulären Karzinome an männlichen Mäusen eine Benchmark-Dosis von 10 mg/kg KG/d, hinsichtlich der Nierentumoren an männlichen Mäusen eine Benchmark-Dosis von 24,3 mg/kg KG/d (im letzteren Fall mit P = a + (1-a) * (1-exp[-b * x^c])).

Mit der Benchmark-Dosis von 6,6 mg/kg KG/d sollte auch ein hinreichender Sicherheits- abstand bzgl. der reproduktionstoxischen Effekte gewährleistet sein. Inwieweit immun- toxische Effekte bei dieser Dosis ausgeschlossen werden können, bleibt unklar.

Durch Anwendung der Extrapolationsfaktoren Tier >> Mensch, Mensch >> empfindlicher Mensch, Erwachsener >> Kind (insgesamt 200) errechnet sich ein NOAEL für den Menschen von 33 µg/kg KG/d. Bei einer mittleren Atemrate von 20 m³/d und einem Körpergewicht von 70 kg errechnet sich die Richtkonzentration

CR = 116 µg/m³.

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