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Archiv "Armut ist ungesund" (25.05.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 21⏐⏐25. Mai 2007 A1451

1 1 0 . D E U T S C H E R Ä R Z T E T A G

kaler sozialer Frühwarnsysteme“ in Nordrhein-Westfalen (NRW) von 2001 bis 2004 entwickelt und wis- senschaftlich untersucht wurden.

Sie werden alle fortgesetzt, mehr noch: Mittlerweile haben sich in NRW mehr als 40 soziale Frühwarn- systeme in Kommunen etabliert.

Die Stadt Münster baut derzeit ein FWS auf. Einige sind über das Bun- desland hinaus bekannt geworden, beispielsweise das Präventionspro- jekt „Zukunft für Kinder in Düssel- dorf“. Dort haben Geburtshilfeklini- ken, Kinderschutzambulanz, Kin- der- und Jugendärzte sowie Gesund- heits- und Jugendamt sich eng ver- netzt, um Risikofamilien zu erken- nen und ihnen zu helfen.

Das Institut für soziale Arbeit (ISA) in Münster hat die Modellpro- jekte von Anfang an wissenschaft- lich begleitet. Mittlerweile ist es von der Landesregierung beauftragt worden, interessierte Kommunen beim Aufbau sozialer Frühwarnsys- teme zu unterstützen. Annerieke Diepholz und Janine to Roxel, beim ISA zuständig für das FWS-Projekt, verweisen darauf, dass es vielerorts zwar Präventionsangebote gebe.

„Man muss sie aber besser vernet- zen“, betont Diepholz. Wirksame Hilfsangebote brauchten mehr als nur „Telefonlisten-Prävention“.

Meist fehlen in einer Kommune abgestimmte institutionelle Verfah- ren und klar vereinbarte Handlungs- schritte. Diepholz und to Roxel wissen, dass sich oft Einzelne ver- netzen. Man kenne sich, schätze sich, tausche sich bei Bedarf aus. Doch wenn sich ein Mitglied solcher in- formeller Zirkel beruflich verändere oder in Rente gehe, breche oft das ganze System zusammen.

Ein funktionierendes soziales Frühwarnsystem ist hingegen eine in sich geschlossene Reaktionskette, wie das Beispiel von Susanne Meyer zeigt. Es besteht aus drei Elementen:

Wahrnehmen, Warnen, Handeln.

Zunächst müssen dafür alle Beteilig- ten klären, aufgrund welcher Beob- achtungen sie überhaupt ein Pro- blem vermuten. „Riskante Entwick- lungen ist ein weiter Begriff, der sich auf sehr Unterschiedliches beziehen kann“, sagt Diepholz. „Ein Kinder- arzt mag ganz andere Maßstäbe an-

legen, wenn er kindliche Verhaltens- auffälligkeiten einschätzt, als viel- leicht eine Erzieherin.“ Erst wenn al- le sich verständigt haben, wann sie Handlungsbedarf erkennen, können sie festlegen, wer wen warnen soll und welche Schritte sich anschlie- ßen müssen.

Anfangs: Vorbehalte

Diepholz und to Roxel ist noch et- was wichtig. Besonders Risikofami- lien mit sehr kleinen Kindern fallen am ehesten im Gesundheitswesen auf, also in der Praxis oder im Kran- kenhaus. Doch nicht alle Ärzte wis- sen, welche Unterstützungsmög- lichkeiten ihre Kommune bietet.

Dazu kommen Vorbehalte gegen an- dere Berufsgruppen und Institutio- nen sowie Sorgen, die ärztliche Schweigepflicht zu verletzen.

Gemeinsam, das belegen die Pro- jekte, findet man aber Lösungen. So

koordinieren beispielsweise im Kreis Mettmann Mitarbeiterinnen der sozialpädagogischen Beratung im Gesundheitsamt frühe Hilfen für Kinder. „Sie kennen alle Hilfsange- bote und Akteure in- und auswen- dig“, erzählt Diepholz. Wer auch immer von den ins FWS eingebun- denen Fachleuten glaubt, dass ein Kind Hilfe braucht, kann die Eltern über Angebote informieren. Mit ih- rer Unterschrift auf einem Informa- tionsblatt stimmen sie zu, dass zum Wohl des Kindes andere Experten einbezogen werden dürfen.

Wenn ein Frühwarnsystem funk- tioniert, nutzt das in erster Linie Kindern aus Risikofamilien. Doch auch die professionellen Helfer pro- fitieren, weiß Diepholz: „Sie haben dann nicht mehr diffuse Gefühle der Sorge, sondern das sichere Gefühl, dass etwas passiert.“ I Sabine Rieser

ARMUT IST UNGESUND

Wie es Mädchen und Jungen bis 17 Jahre geht – dazu liegen mit dem jüngsten Kinder- und Ju- gendgesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts (RKI) aussagekräftige Daten vor.„Die am schwers- ten wiegende Erkenntnis ist, dass Kinder aus so- zial benachteiligten Familien nicht nur in einzel- nen Bereichen von Gesundheit und Lebensqua- lität schlechtere Ergebnisse aufweisen, sondern in durchweg allen“, schreibt das RKI. Auffällig ist zu- dem eine Verschiebung von akuten zu chroni- schen Krankheiten und von somatischen zu psy- chischen Störungen. Im Einzelnen bedeutet das:

>Jugendliche aus Familien mit niedrigem Sozi- alstatus rauchen häufiger als andere.

>Etwa drei Viertel der Mädchen und Jungen zwischen drei und zehn sind mindestens einmal pro Woche sportlich aktiv, mehr als ein Drittel dreimal oder häufiger. Auch im Jugendalter sind Sport und Bewegung verbreitet. Kinder, die unre- gelmäßig Sport treiben, stammen überproportio- nal häufig aus Familien mit niedrigem Sozialsta- tus, Migrationshintergrund und aus den neuen Bundesländern.

>15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von drei bis 17 werden als übergewichtig eingestuft, darunter rund sechs Prozent als adipös. Ein er- höhtes Risiko tragen Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus, mit Migrationshintergrund und mit übergewichtigen Müttern.

>Zu den häufigsten psychischen Problemen zählen Verhaltensprobleme, emotionale Probleme

und Hyperaktivitätsprobleme. Hinweise darauf fand man in Familien mit niedrigem sozioöko- nomischen Status dreimal so häufig wie in Famili- en mit hohem sozioökonomischen Status. Das RKI fordert deshalb, frühzeitig auf beginnende psychi- sche Probleme zu achten und gerade schwer er- reichbare Gruppen bei präventiven Angeboten zu berücksichtigen.

>Essstörungen zählen zu den häufigsten chronischen Gesundheitsproblemen. Auch in die- sem Bereich sind Mädchen und Jungen aus Fa- milien mit niedrigem sozioökonomischem Status häufiger betroffen, nämlich fast doppelt so oft wie solche aus Familien mit höherem Status.

>Was Gewalterfahrungen anbelangt, so ver- neinten rund 82 Prozent der Mädchen und 67 Prozent der Jungen diese für die zurückliegenden zwölf Monate. Haupt- und Gesamtschüler sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund sind aber häufiger als andere Täter und haben permissivere Einstellungen zu Gewalt als andere.

Für den Survey wurden von Mai 2003 bis Mai 2006 mehr als 17 500 Mädchen und Jungen un- tersucht und befragt. Angaben der Eltern ergänzten die der Kinder. Die Teilnahmequote lag bei zwei Dritteln. Der Survey wurde erweitert durch Studien zur psychischen Gesundheit, Umweltbelastungen in den Haushalten, motorischer Leistungsfähigkeit und Ernährung. Erstmals wurden auch Kinder mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung einbezogen. Rie

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