A2958 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 44⏐⏐3. November 2006
M E D I Z I N
REFERIERT
Krankheitsgen für Diabetes mellitus Typ 2
In einer Region auf dem langen Arm von Chromosom 10 gelang die Identifikation eines Krankheitsgens für den Diabetes mellitus Typ 2.
Auf Veränderungen in diesem Gen sind bis zu ein Fünftel aller Erkran- kungsfälle zurückzuführen.
Die Gruppe um Grant et al. untersuchte genetische Varianten im TCF7L2-Gen (Transcription-Factor-7-Like-2-Gen) an einem Fall-Kon- troll-Kollektiv aus 1 185 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und 931 Kontrollen isländischer Herkunft. Bestimmte Allele eines Längen- polymorphismus innerhalb des TCF7L2-Gens waren hochsignifikant mit der Krankheit assoziiert. Die gleichen Allele waren in einem Kol- lektiv dänischer Abstammung (228 Patienten und 539 gesunde Indi- viduen) sowie in einer US-amerikanischen Fall-Kontroll-Gruppe (361 Patienten und 530 Kontrollen) mit Diabetes mellitus Typ 2 assoziiert.
Die gemeinsame Auswertung aller drei Kollektive ergab, dass Anla- geträger mit einer Risikovariante (Heterozygote) ein relatives Risiko von 1,45 und Personen mit Risiko-Varianten auf beiden Chromoso- men (Homozygote) ein relatives Risiko von 2,41 haben. Wegen der Häufigkeit der Risikovariante in der Allgemeinbevölkerung (38 Pro- zent Heterozygote und 7 Prozent Homozygote) sind 21 Prozent aller Erkrankungsfälle auf die Genveränderung zurückzuführen – ein für die Analyse komplex-genetischer Erkrankungen außergewöhnlicher Befund.
Das TCF7L2-Gen scheint an zellbiologischen Prozessen mitzuwir- ken, die unter anderem an der Bereitstellung von Proglucagon durch Zellen der intestinalen Mukosa beteiligt sind. Ob der Befund einen An- satzpunkt für die Entwicklung neuer Medikamente darstellt, müssen
zukünftige Untersuchungen zeigen. shm
Grant SFA, Thorleifsson G, Reynisdottir I et al.: Variant of transcription factor 7-like 2 (TCF7L2) gene confers risk of type 2 diabetes. Nat Genet 2006; 38: 320–3. E-Mail: kstefans@decode.is
Vitamincocktail zur Senkung von Homocystein sinnvoll?
Hohe Homocystein-Spiegel gehen mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einher. Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 können den Homocystein-Spiegel senken. In zwei prospektiven Therapiestudien (HOPE-2 und NORVIT) ließ sich jedoch kein Effekt einer Therapie mit Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 auf Herzin- farkt und Schlaganfall nachweisen.
An der HOPE-Studie nahmen 5 522 Patienten mit Gefäßkrankhei- ten oder Diabetes mellitus teil, die 2,5 mg Folsäure, 50 mg Vitamin B6 und 1 mg Vitamin B12 täglich oder Placebo über fünf Jahre erhielten (1). In der Verumgruppe sank der Homocystein-Spiegel um durch- schnittlich 2,4 mmol/L, in der Placebogruppe stieg er um 0,8 mmol/L an. Einen tödlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten 18,8 Prozent der aktiv behandelten Patienten und 19,8 Prozent der Placebobehan- delten, der Unterschied war nicht signifikant.
In der NORVIT-Studie wurden insgesamt 3 749 Patienten mit ei- nem akuten Myokardinfarkt innerhalb von sieben Tagen nach dem Er- eignis in vier Gruppen randomisiert (2).
Die Gruppe 1 erhielt 0,8 mg Folsäure, 0,4 mg Vitamin B12 und 40 mg Vitamin B6 viermal täglich für 40 Monate, wohingegen die zweite Gruppe 0,8 mg Folsäure und 0,4 mg Vitamin B12 erhielt.
Den Probanden der Gruppe 3 wurde lediglich 40 mg Vitamin B6 verabreicht und die Gruppe 4 wurde mit einem Placebo behandelt.
Studienendpunkt war ein Infarktrezidiv, ein Schlaganfall oder ein aku- ter Herztod.
Zwar kam es zu einem Abfall des Homocystein-Spiegels um 27 Prozent unter einer Kombinationsbehandlung von Folsäure und B12, doch hatte dies keinen Einfluss auf das Risiko kardiovaskulärer Ereig- nisse. Im Gegenteil, die Kombination von Folsäure, Vitamin B6 und Vi- tamin B12 ließ einen Trend zu einem erhöhten Risiko erkennen, so- dass vor dieser Kombination ausdrücklich gewarnt wurde. w 1. The Heart Outcome Prevention Evaluation (HOPE)-2 Investigators: Homocysteine lowering with folic acid and B vitamins in vascular disease. N Engl J med 2006; 354: 1567–77.
E-Mail: Ionnem@mcmaster.ca
2. Bdnaa KH, Njdstda I, Ueland PM et al.: Homocysteine lowering and cardiovascular events after acute myocardial infarction. E-Mail: kaare.bonaa@stolav.no
Zoledronsäure verhindert Osteoporose nach Lebertransplantation
Eine häufige Komplikation nach einer Lebertransplantation stellt die Demineralisation der Knochenmatrix besonders in den ersten drei bis sechs Monaten dar. Durch eine Biphosphonat-Therapie lässt sich die Osteoporose weitgehend verhindern wie australische Autoren in einer placebokontrollierten prospektiven, Studie nachwiesen.
62 Patienten erhielten erstmals sieben Tage nach der Lebertrans- plantation 4 mg Zeledronsäure oder Kochsalz intravenös, zusätzlich zu einer oralen Dauermedikation von 600 mg Calciumkarbonat plus
1 000 IU Ergocalciferol täglich. Die Gabe von Zeledronsäure wurde nach einem, drei, sechs und neun Monaten wiederholt. Nach drei Monaten hatten Patienten der Verumgruppe eine signifikant höhere Knochendichte als die Placebopatienten. Gegen Studienende war der Unterschied in der Knochenmasse zwischen beiden Gruppen nicht mehr signifikant, weil Patienten in der Placebogruppe wieder mehr Knochen gebildet hatten. Unter der Biphosphonat-Therapie kam es häufiger zu einer vorübergehenden Hypokalzämie infolge sekundärem Hyperparathyreoidismus. Die Studie war nicht darauf ausgelegt, Unterschiede in der Häufigkeit von Knochenbrüchen nachzuweisen. w Crawford BAL, Kam C, Pavlovic J et al.: Zoledronic acid prevents bone loss after liver transplantation. Ann Intern Med 2006; 144: 239–248. E-Mail: mccaughan@centenary.usyd.edu.au