• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Geburt und Sterben in altperuanischer Kunst" (16.07.1982)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Geburt und Sterben in altperuanischer Kunst" (16.07.1982)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

GESCHICHTE DER MEDIZIN

Abbildung 1: Darstellung einer Geburt (Keramik der Moche-Kultur/Peru, ca. 400 bis 800 n. Chr. — Museum für Völkerkunde Berlin-Dahlem V A/47912)

Geburt und Sterben

in altperuanischer Kunst

Jürgen Heck

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Beim alten Peru denkt man unver- meidlich an die Inka. Aber im alten Peru gab es nicht nur die Inka. Die- ses späte Eroberervolk hatte ein kul- turelles Erbe von früheren Völkern übernommen, die bislang kaum in das europäische Bildungsrepertoire eingedrungen sind. Zu diesen Völ- kern gehören die Mochica.

Die Mochica- oder Moche-Kultur blühte rund ein Jahrtausend vor dem Inka-Imperium. Unser Wissen über sie verdanken wir ihren Kerami- ken — oder genauer gesagt einem Realismus figürlicher Darstellungen in ihrer keramischen Kunst, wie er im präkolumbischen Amerika einzig- artig ist. Einstmals als Grabbeigaben in die Erde versenkt, machen diese Plastiken aus gebranntem Ton heute

das Indio-Leben vor anderthalb Jahrtausenden anschaulich wie ein Bilderbuch. Weitgehend naturge- treu sind selbst Krankheiten wieder- gegeben. So gibt es keramische Mo- che-Figuren, an denen man verläß- lich Verruca peruviana oder Leish- maniosis diagnostizieren kann.

Auch wie bei ihnen geboren und ge- storben wurde, haben die Mochica in ihrer Keramik verewigt. Allzu häu- fig sind derartige Darstellungen al- lerdings nicht. Eine schöne Geburts- darstellung besitzt das Museum für Völkerkunde Berlin-Dahlem (Abbil- dung 1). Eine andere befindet sich im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln (2). Beide zeigen ebenso wie eine weitere, die im Nationalmu- seum zu Lima ausgestellt ist, den Gesundheitserziehung

teter Probleme nicht mehr mög- lich

sei. Das Positive der Ersatzbe- friedigung „Essen" für unbewäl- tigte — beispielsweise berufliche — Probleme müsse also erkannt wer- den. Solange das Problem mittels Gespräch oder Therapie nicht an den Wurzeln gepackt werde und vor allem der Mensch nicht in der Lage sei, mit diesen Problemen zu leben, solange dürfe auch nicht die Ersatzbefriedigung beseitigt werden. Ob mit Therapie oder Ge- spräch, hänge vom Einzelfall ab.

Doch bestünde bei der Therapie die Gefahr der Stigmatisierung:

Die Festschreibung des Krank- heitsbegriffes, wodurch der Pa- tient aus der Pflicht genommen werde und die Verantwortlichkeit für das Problem auf den Thera- peuten übergehe.

Die Kooperation zwischen Ärzten, Sozialarbeitern, Pädagogen und Psychologen müsse verbessert werden, forderte nicht nur Krebs, das war der Leitgedanke, der durch alle Referate wie ein roter Faden lief. Nur so könnten die Fachkompetenzen verschiedener Berufe — hier die Therapie, dort das Gespräch — sich zu einer neu- en Qualität der Hilfeleistung er- gänzen. Auch von theologischer oder rein praktischer Hilfe (bei- spielsweise Hilfe bei der Arbeits- suche) war die Rede. Balint- und interdisziplinäre Supervisions- gruppen empfahl Krebs als Vor- bild für die Kooperationsformen.

So rief denn beim Tagungsende die Präsidentin der Bundesvereini- gung, Dr. Hanna Neumeister, MdB, freudig aus: „Hier haben Sie das beste Beispiel; die Koopera- tion hat auf unserer Tagung zwi- schen Medizinern und Nicht-Medi- zinern fabelhaft geklappt." Und wirklich, selten gab es so selbst- kritische Worte (beispielsweise von der Sozialarbeiterin Marga Pflüger bei der Podiumsdiskus- sion: „Wenn die Zusammenarbeit nicht funktioniert, dann liegt das an uns", aber auch von den Medi- zinern Hartung und Krebs), freilich gab es dabei auch kein Dienstver- hältnis zu berücksichtigen. ck

Ausgabe

B DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 28 vom 16. Juli 1982 69

(2)

Abbildung .2: Offen- sichtlich Darstel- lung einer Sterbe- szene (Keramik der Moche-Kultur/Peru, ca. 400 bis 800 n. Chr. - Museum für Völkerkunde Berlin-Dahlem V A/

17619)

Fotos (2): Heck Spektrum der Woche

Aufsätze • Notizen

Alt

-

Peru

Vorgang mit unmißverständlicher Realistik. Stets ist die Szene gleich- artig. In den Mittelpunkt ist die Ge- bärende plaziert. Sie sitzt, mit dem Rücken angelehnt an eine hinter ihr hockende Person, von der sie mit den Armen gehalten wird. Es ist der Moment festgehalten, wo der Kopf des Kindes erscheint. Dieser wird von einer zweiten Hilfsperson ergrif- fen, die vor der Gebärenden hockt und so als Hebamme fungiert. Die Gesichter sind ohne dramatischen Ausdruck. Nur in herber Andeutung treten an der Gebärenden Wehen- schmerz und Erschöpfung hervor.

Sonst wirkt sie eher passiv.

Es wird demonstriert, daß eine schwangere Mochicafrau auf eine Weise niederkam, die in unseren Ta- gen wiederentdeckt wird - nämlich im Sitzen. Ob es berufsmäßige Heb- ammen im alten Peru gegeben hat, ist umstritten (5). Wahrscheinlich waren es einfach ältere und erfahre- ne Frauen, die bei einer Entbindung halfen.

Während Geburtsdarstellungen un- verkennbar sind, ist die Sterbeszene weniger eindeutig. Von dem Arran- gement, welches nach meiner Inter- pretation die Sterbeszene der Mo- che-Keramik ist, besitzt das Museum für Völkerkunde Berlin-Dahlem drei Ausführungen, und von diesen ist

eine in Abbildung 2 wiedergegeben.

Eine weitere befindet sich in der Eth- nographischen Abteilung des Briti- schen Museums (1).

Auch die Sterbeszene präsentiert sich stets gleichartig. Wiederum ist diejenige Person in die Mitte pla- ziert, welcher geholfen wird. Hier ist es ein hinfälliger Mann, der von bei- den Seiten gestützt wird.

Nicht unerwähnt darf bleiben, daß dieses Arrangement auch anders ge- deutet worden ist, nämlich so, daß zwei Mitleidige einen Betrunkenen führen, der zuviel Chicha (Maisbier) zu sich genommen hat (1, 3). Man schaue sich jedoch den ergriffenen Gesichtsausdruck der beiden Helfer an, ihren ernst in die Ferne gerichte- ten Blick, der ein schwerwiegendes Ereignis zu erwarten scheint. Hier kann kein harmloses Genre einge- fangen sein. Ferner ist der Hinfällige entkleidet bis auf den Lenden- schurz, und weiße Flecken auf dem Rumpf deuten stilisiert eine Hautaf- fektion an. Es wird also Krankheit signalisiert. Das Thema dieser Szene lautet nicht Trunkenheit, sondern Sterbenmüssen.

Die Moche-Keramiken sind stumme und dennoch sprechende Zeugen einer schriftlos versunkenen Kultur.

Die Aussagen dieser Zeugen sind

nicht immer eindeutig. Zu Geburt und Sterben bei den Mochica kön- nen sie uns dennoch soviel sagen:

Anfang und Ende eines menschli- chen Lebens wurden „begleitet".

Die Gebärende und das Neugebore- ne wurden ebenso wie der Moribun- de nicht allein gelassen, sondern in den Mittelpunkt einer Umsorgung gestellt.

Vielleicht sagen die stummen Zeu- gen noch mehr aus. Geburt und Sterben erscheinen in der Moche- Kunst wie Szenen, die mit geringen Abwandlungbn einem Schema fol- gen, als ob sich ein Ritual wieder- holt. Tatsächlich müssen Riten im Leben der Mochica eine bestimmen- de Rolle gespielt haben, und nach einer neueren Analyse (4) hat die Moche-Kunst auch dort, wo sie le- bensfrische Genre-Schilderung zu bieten scheint, einen streng rituellen Hintergrund. So können die Darstel- lungen von Geburt und Sterben kaum als freizügige Zurschaustel- lung intimer Vorgänge verstanden werden, sondern sie verdeutlichen, daß den Mochica Anfang wie Ende eines Menschenlebens eine „hua- ca" war - etwas, das mit heiliger Scheu verehrt und rituell begleitet wurde.

Literatur

(1) Bankes, G: Moche Pottery from Peru. (Brit.

Museum Publ., London, 1980) — (2) Bolz, I.:

Sammlung Ludwig — Altamerika (Ethnologica N. F. Band 7). (Verlag Aurel Bongers Reckling- hausen, 1975) — (3) Dietschy, H.: Die Heilkunst im alten Peru. Ciba-Zeitschrift 7 (1957) 2746 — (4) Donnan, Chr. B.: Moche Art of Peru.

(Museum of Cultural History, University of California, Los Angeles, 1978) — (5) Mason, J.

A.: Das alte Peru. (Magnus-Verlag Essen, 1975)

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Jürgen Heck Leitender Arzt

Innere Abteilung

der Verbandskrankenhäuser Schwelm und Gevelsberg 5830 Schwelm

72 Heft 28 vom 16. Juli 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nach Zeiten, in denen sich jeder junge Arzt mit der Gebietsbezeich- nung seiner Wahl schmücken konnte (direkt nach dem Studium konnte er zum Beispiel eine chirurgische

Was er aber vielleicht nicht erwartet ist, dass dieser Roman ihn tief in seinem Herzen berühren wird.. "Solange am Himmel Sterne stehen" ist alles andere als nur

Quelle: DWS Investment GmbH; Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als falsch herausstellen können..

Es gibt heute eine große Aufmerksamkeit für den Anfang des Lebens: für die Geburt und un- sere ersten Wochen und Monate im Leben.. Das Neugeborene wie auch seine Eltern sind im

Wenn allerdings eine hohe Rendite winkt, würde die Nachhaltigkeit in den Hintergrund rücken: 45 Prozent würden zugreifen – ganz gleich, ob das Produkt ethisch und moralisch

→ Die Tarifzone 10 wird in Kombination mit anderen Zonen für die Preisberechnung doppelt gezählt.. → Die Passepartout Abos werden auf dem SwissPass

Mit der teilstationären Behandlung bieten wir Ihnen viele Vorteile, die ein stationärer Klinikaufenthalt bietet, kombiniert mit den Vorzügen einer ambulanten Therapie: Von Montag

Er muss sich bewusst sein, dass trotz der erstaunlichen Einsichten, die uns die Naturwissenschaften über die Welt vermittelt haben und trotz der mächtigen Werkzeuge zur