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Archiv "Bestens ohne Triagemodelle" (22.04.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 16

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22. April 2011 281

M E D I Z I N

DISKUSSION

Mangel an Ressourcen

Christ et al. begründen die Notwendigkeit der Triage in der Notaufnahme mit den steigenden Patientenzahlen und dem wenig planbaren Aufkommen. In dem Über- sichtsartikel werden Triagesysteme dargestellt, die eine Prozesssteuerung anhand der Behandlungsdringlichkeit ermöglichen. Ein kritischer Punkt dieser Systeme ist die fehlende fachliche Spezifität. Die Triage ergibt theoretisch eine wenig mit Daten unterlegte „schadens- freie“ Wartezeit bis zum Erstkontakt mit irgendeinem Arzt. Wendet man beispielsweise das verbreitete Man- chesterTriageSystem (MTS) beim akuten Schlaganfall an, so erhalten die Patienten leicht die Kategorie 3

„gelb“ mit erlaubter Wartezeit von 30 Minuten. Tat- sächlich wird der akute Schlaganfall aber bestenfalls bereits im Rettungsdienst erkannt (1), vorab angekün- digt und in der Notaufnahme sofort von einem Akut- Team versorgt. Hier ist eine vorgeschaltete MTS nicht nur überflüssig, sondern potenziell gefährlich. Ähnli- ches gilt für Patienten mit Brustbeschwerden, die inner- halb von 10 Minuten eine EKG-Diagnostik benötigen (2) auch wenn sie nur „gelb“ triagiert werden.

Der zweite kritische Aspekt der Triage ist die Tatsa- che, dass sie überhaupt notwendig wird. Dieser Aus- druck des Mangels an Ressourcen in der klinischen Notfallmedizin wird damit nicht gelöst, sondern ledig- lich deutlicher. Darüber hinaus muss die bislang in den Vergütungssystemen nicht kalkulierte Triage zusätzlich zu den übrigen Tätigkeiten geleistet werden. Tatsäch- lich beobachten wir, dass bei sehr starkem Patienten- aufkommen die Triagezeiten der mittleren und niedri- geren Kategorien 3 bis 5 nicht eingehalten werden kön- nen und die Triagekraft in der unmittelbaren Patienten- versorgung fehlt.

Christ et. al. stellen treffend fest, dass zunehmend Patienten den primären Zugang zum Gesundheitswesen über die niederschwellige Notaufnahme wählen. Die Einführung einer regelmäßigen „Triage“ sämtlicher Notfallpatienten ist ein Symptom für das Problem man- gelnder Ressourcen in der Akutmedizin.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0281a

LITERATUR

1. Royl G, Ploner CJ, Möckel M, Leithner C: Neurologische Leitsympto- me in einer Notaufnahme. Nervenarzt 2010; 81: 1226–30.

Bestens ohne Triagemodelle

Die Schlussfolgerungen der Übersichtsarbeit sind für Notfallpatienten nicht hinnehmbar. Sie wollen ihre Krankheitsschwere primär nicht durch pflegende, son- dern durch kompetente Ärzte eingestuft bekommen.

Das gilt auch bei hohem Patientenaufkommen in Not- fallaufnahmen.

In Kriegszeiten und Katastrophensituationen mit vielen Schwerverletzten gleichzeitig mag das anders sein. Selbst dann wird nicht von Triage (Begriff aus der Militärmedizin), sondern Pre-Triage beziehungs- weise besser Bergungssichtung vor Ort mit Richtzei- ten für Untersuchung je Patient von 20 bis 60 Sekun- den (sehen, hören, denken) gesprochen. Diese kurzen Überblickszeiten lassen weder aufwendige Dokumen- tation noch Einstufung nach den skizzierten Triage- modellen zu, die in Friedenszeiten keine Öffentlich- keit hinnimmt. Das gilt erst recht nicht für das aufge- führte Triage-Argument kürzerer Wartezeiten in Not- fallaufnahmen. Dort haben klinisch erfahrene Ärzte zu arbeiten, die in Kürzestzeit mehrere Patienten hin- sichtlich Therapiedringlichkeit einstufen (Patienten anhand von Triage-Scores wegzuschicken ohne vor- herigen Arztkontakt wäre juristisch-forensisch proble- matisch).

Zur Triage-Evidenz (von sieben Studien haben sechs nur 15 bis 30 Probanden) werden keine Absolutzahlen angegeben, beispielsweise Sterblichkeit reduziert und Verlegung auf Intensivstation unnötig.

Die angeführten Triagen durch Nichtärzte in Kanada und Australien (lange Anfahrtswege zum Arzt) sind kaum auf Deutschland übertragbar.

Der Autor mit 35 Jahren Tätigkeit an Universitäts- frauenkliniken mit jeweils 2 400 Geburten jährlich kam bei ungeplanten hohen Patientenaufkommen in Kreis- zu dem Beitrag

Triage in der Notaufnahme – Moderne, evidenzbasierte Ersteinschätzung der Behandlungsdringlichkeit

von Prof. Dr. med. Michael Christ, Florian F. Grossmann MSc, Dipl.-Pflegewirtin Daniela Winter, Prof. Dr. med. Roland Bingisser, Dr. med. Elke Platz in Heft 50/2010

2. Möckel M, Vollert J, Hamm C, AG SOP Kardiologie: „Standard operating procedures“ für den akuten ST-Streckenhebungsinfarkt.

Anwendung prozessbasierter Grundsätze. Kardiologe 2010; 4:

124–34.

3. Christ M, Grossmann F, Winter D, Bingisser R, Platz E: Modern triage in the emergency department. Dtsch Arztebl Int 2010;

107(50): 892–8.

Prof. Dr. med. Martin Möckel, FESC, FAHA Notfallmedizin/Rettungsstellen/CPU CharitéCentrum 13

Augustenburger Platz 1 13353 Berlin

Martin.Möckel@charite.de

Interessenkonflikt

Der Autor erhielt Honorare für eine Beratertätigkeit von Brahms, Bayer Health- care, Securepoint, The Medicines Company. Er erhielt Honorare für klinische Auftragsstudien von Horizons-Ami und Gelder für Forschungsvorhaben von Brahms, Abbott Laboratories und Bayer Healthcare.

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saal und Ambulanz gleichzeitig bestens ohne Triage- modellen zurecht. Wie das funktionierte, ist dem Wis- senschaftsbuch des Jahres 2007 entnehmbar. Die dort skizzierten neurobiologischen Erkenntnisse gelten auch für ärztliches Denken und Handeln (auf der Basis hoher Kompetenz) in Situationen mit sehr vielen Notfallpa- tienten gleichzeitig.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0281b

LITERATUR

1. Gigerenzer G: Bauchentscheidungen – Die Intelligenz des Unbewuss- ten und die Macht der Intuition. Goldmann-Verlag 2008

2. Christ M, Grossmann F, Winter D, Bingisser R, Platz E: Modern triage in the emergency department. Dtsch Arztebl Int 2010;

107(50): 892–8.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. J. M. Wenderlein Prittwitzstraße 41

89075 Ulm wenderlein@gmx.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Kein System bevorzugen

Das Thema Triagesysteme wird im Rahmen der Fort- entwicklung der interdisziplinären Notaufnahmen in Deutschland immer wichtiger. Daher ist den Autoren für diese Übersichtsarbeit sehr zu danken.

Der Leser dieser Arbeit kommt jedoch zu dem Schluss, dass die deutsche Version der ESI-Triage als Triageinstrument für deutschsprachige Notaufnahmen empfohlen wird. Begründet wird dies auch mit einer Arbeit, die erst im Jahr 2010 online veröffentlicht wur- de (1). Allerdings wurde der vorliegende Übersichtsar- tikel aufgrund einer Literaturrecherche Anfang 2009 durchgeführt. Seitdem gibt es aus dem Jahr 2009 (on- line 2008) außer der oben erwähnten mindestens zwei weitere wichtige Arbeiten zu Triagesystemen in der Notaufnahme:

Eine portugiesische Arbeit zum MTS mit > 300 000 Patienten hat signifikante Ergebnisse bzgl. Triage- kategorie und Überleben beziehungsweise stationä- rer Aufnahmequote erbracht (2).

In einer Vergleichsstudie zur Reliabilität von MTS versus ESI zeigten sich für das MTS höhere Kappa-Werte (0,76 versus 0,46) (3).

Die aktuelle Literaturlage erlaubt daher meiner An- sicht nach keine eindeutige Empfehlung für die Bevor- zugung eines der beiden Systeme.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0282

LITERATUR

1. Grossmann FF, Nickel CH, Christ M, Schneider K, Spirig R, Bingisser R: Transporting clinical tools to new settings: cultural adaptation and validation of the Emergency Severity Index in German. Ann Emerg Med 2010; epub, ahead of print.

Schlusswort

Wir danken den Kollegen für ihre Kommentare und Ergänzungen. Die von Kollegen Wasser zitierten Ar- beiten zum Manchester Triage System (MTS) wurden leider erst nach dem genannten Zeitpunkt der Litera- tursuche publiziert. Sie weisen zudem relevante me- thodische Probleme auf (Martins et al.: 91,7 % Selbst- vorstellungen, Patienten mit Einweisungen wurden ausgeschlossen; Storm-Versloot et al.: Ausschluss von perakuten und leichten Fällen). Die Güte und Zuver- lässigkeit der genannten Instrumente ist von der Präva- lenz der Erkrankungen sowie von der verwendeten Sprache und Kultur abhängig. Dies bedeutet, dass eine Verwendung ohne Anpassung an das eigene System (sprachliche und kulturelle Adaptation) und anschlie- ßender wissenschaftlicher Validierung problematisch ist. Das MTS wurde zu einem Zeitpunkt entwickelt, in dem vor allem traumatologische Patienten in Notauf- nahmen behandelt wurden. In Großbritannien wird zwischenzeitlich das MTS in modifizierter Form ver- wendet, da sich die Patientenkollektive deutlich ge- wandelt haben und das MTS in ihrer ursprünglichen Form relevante Schwächen insbesondere bei älteren Patienten beziehungsweise Patienten mit Komorbiditä- ten aufweist. Deshalb erscheint es uns notwendig, neu einzuführende Instrumente nach objektivierbaren Kri- terien zu überprüfen. Dies erfolgte mit der deutschen Übersetzung und Validierung des „Emergency Severi- ty Index“ (1).

Vergleiche mit eigenem, subjektiven Erleben in der Geburtshilfe anzustellen ist wenig hilfreich, da hierbei das Objektivierbare fehlt und die Breite der möglichen Erkrankungen/Verletzungen und die kurzen Intervalle der Eintritte (häufig minütlich in unseren Institutionen) unberücksichtigt bleiben. Das Spektrum der klinischen Notfallmedizin erstreckt sich von hausärztlicher ambu- lanter Versorgung bis zur komplexen Versorgung eines Schwerverletzten und Reanimation. Deshalb kann eine exzellente klinische Notfallmedizin nur durch arbeits- teiliges, interprofessionelles Arbeiten erreicht werden.

2. Martins HM, Cuna LM, Freitas P: Is Manchester (MTS) more than a triage system? A study of its association with mortality and admis- sion to a large Portuguese hospital. Emerg Med J 2009; 26:

183–6.

3. Storm-Versloot MN, Ubbink DT, Chin a Choi V, Luitse JS: Observer agreement of the Manchester Triage System and the Emergency Se- verity Index: a simulation study. Emerg Med J 2009; 26: 556–60.

4. Christ M, Grossmann F, Winter D, Bingisser R, Platz E: Modern triage in the emergency department. Dtsch Arztebl Int 2010;

107(50): 892–8.

Dr. med. Christoph Wasser Auerbachstraße 110 70376 Stuttgart christoph.wasser@rbk.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Referenzen

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