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Kraniosynostosen:Behandlung mit interdisziplinärem KonzeptTU DresdenMedizinische Fakultät

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188 Ärzteblatt Sachsen 5/2003

Einleitung

Prämature Schädelnahtsynostosen gehören zu den seltenen Erkrankungen des Skeletts. Durch eine vorzeitige knöcherne Fusion einzelner, sel- ten aller Schädelnähte wird ein regelrechtes Wachstum der Schädelkalotte behindert und damit die Ausbildung der im und am Schädel lokalisierten Organstrukturen gestört. Daraus re- sultiert eine Entwicklungshemmung der Schä- delkalotte senkrecht zur befallenen Naht, gleich- zeitig aber eine verstärkte Ausdehnung in an- derer Richtung, so dass charakteristische Schä- deldysmorphien entstehen.

Kraniosynostosen werden auf Grund des schnellen Hirnwachstums meist schon in den ersten Lebensjahren symptomatisch. Bereits im dritten Jahr erreicht das Hirn ca. 80% des Erwachsenenvolumens. So entsteht zeitig ein Mißverhältnis zwischen Volumen der Schädel- kapsel und dem wachsenden Gehirn, eine Kra- niostenose, die zur intrakraniellen Drucksteige- rung führt (Mühling, J. 1995; Renier D., Lajeu- nie E., Arnaud E. et al. 2000).

Die Pathogenese der Kraniosynostosen ist noch nicht vollständig geklärt. Virchow ging in seiner klassischen Theorie (1851/52) von einer Erkrankung der Schädelnähte aus, die er als primäre Wachstumszentren der Schädelkalotte sah. Neuere Untersuchungen widersprechen die- ser Auffassung. Als sicher gilt, dass die im Chondrokranium präformierte Schädelbasis das primäre Wachstumszentrum des knöchernen Schädels ist und die knöcherne Vereinigung der Knochenschuppen des kalottenbildenden Desmokraniums erst sekundär nach Abschluß des Schädelbasiswachstums erfolgt (Alden T., Lin K., Jane J. 1999)

Nach heutiger Ansicht beruhen Kraniosynosto- sen auf hereditären Störungen der Chondroblas- tenteilungsfähigkeit in der knorpligen Schädel- basis, die ein ungenügendes Wachstum in die- sem Bereich zur Folge haben und bereits in der siebten bis achten Schwangerschaftswoche beginnen. Aktuellen Untersuchungen zufolge

sind dabei Missense-Mutationen der Gene für die Synthese von drei Fibroblasten-Wachs- tumsfaktor-Rezeptoren (FGFR) und deren Trans- kriptionsfaktoren (TWIST) auf Chromosom 10 (10q26) von Bedeutung, die beim Crouzon- Syndrom, Pfeiffer-Syndrom, Apert-Syndrom und Beare-Stevenson Cutis-gyrata-Syndrom nachgewiesen worden sind. Die veränderte Ex- pression und Rezeptorbindungsaffinität für den Fibroblastenwachstumsfaktor (FGF) beeinflußt dabei die Proliferation der Chondroblasten ne- gativ (Kan,S., Wilkie A. 2002).

Auf Grund des ungenügenden Wachstums des Chondrokraniums nach ventral werden die desmalen Ossifikationszentren im vorderen Kalottenbereich zu langsam voneinander dislo- ziert, so dass die zwischen diesen Wachstums- zentren gelegenen membranösen Suturen vor- zeitig verknöchern. Das betrifft vor allem die Kranznaht und vordere Anteile der Lambda- naht (Mühling, J. 1995).

Die Kinder fallen oft bereits zeitig durch funk- tionelle Störungen auf, die eine klar altersab- hängige Dynamik zeigen. Nach Frühsymptomen wie Kopfschmerz, Unruhe, Schlafstörungen, häufigem Weinen, Erbrechen und Trinkschwä- che treten mit fortlaufendem Wachstum gele- gentlich zerebrale Anfälle auf. Abhängig vom Ausbildungsgrad der Kraniostenose können sich mit zunehmender Behinderung des Hirn- wachstums bereits in den ersten Lebensjahren Wachstumsretardierungen, Visusverluste durch Optikusatrophie, Hörverluste, Herniationen von Hirngewebe durch Lücken in der Kalotte, Liquorzirkulationsstörungen mit Erweiterung der Ventrikelräume und Ausbildung eines Hy- drozephalus sowie zerebrale Durchblutungsstö- rungen mit umschriebenen Hirninfarkten ent- wickeln. Auf Grund der Mittelgesichtshypo- plasie tritt häufig eine starke Einengung des Nasen-Rachen-Raumes auf. Rezidivierende Paukenergüsse und Mittelohrentzündungen M. Nitsche1, Th. Pinzer2, D. Roesner3, U. Eckelt1

Kraniosynostosen: Behandlung mit

interdisziplinärem Konzept Medizinische Fakultät TU Dresden

1Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie 2Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie 3Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie

Zusammenfassung:

Kraniosynostosen sind seltene Schädelfehlbildungen, die auf vorzei- tiger Verknöcherung einzelner oder mehrerer Schädelnähte beruhen und häufig mit ausgeprägten Einschränkungen des skelettalen Schä- delwachstums einhergehen. Sie werden aufgrund des schnellen Hirn- wachstums schon in den ersten Lebensjahren symptomatisch. Meist führt die permanente intrakranielle Drucksteigerung bereits frühzeitig

zu irreversiblen Hirnschäden. Die Sterblichkeit dieser Kinder ist erhöht.

Im interdisziplinären Behandlungszentrum des Universitätsklinikums Dresden werden diese Fehlbildungen seit 1995 erfolgreich operativ behandelt. Das standardisierte frontoorbitale Advancement ist bei fast allen Kraniosynostoseformen Operationsmethode der Wahl.

Schlüsselwörter:

Kraniosynostose, Kraniostenose, frontoorbitales Advancement

Abb. 1: Formen der Kraniosynostosen; A) Skaphozephalus; B) Brachyzephalus; C) Oxyzephalus;

D) Plagiozephalus; E) Trigonozephalus

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bar, werden diese Fehlbildungen oft als Ge- burtstraumata fehlgedeutet. Nicht selten ist die Dysmorphie so schwach ausgebildet, dass die Diagnose Kraniosynostose erst spät gestellt wird, wenn bereits irreparable Schäden einge- treten sind. Die frühe Diagnose ist allerdings erforderlich, um zum günstigen Zeitpunkt mit der Therapie beginnen zu können. Bei positiver Familienanmnese und Verdacht auf eine Kranio- synostose sollte gezielt nach hirndruckverdäch- tigen Symptomen gesucht werden. Gleichzeitig hilft das Erkennen assoziierter Fehlbildungen die Zuordnung der Schädelfehlbildung zu be- kannten klinischen Syndromen. Hilfreich ist die Berechnung des Schädelindex (SI=(Schädelbrei- te x 100)/Schädellänge)). Normal ist ein Wert zwischen 70 und 80, ein Wert über 80 spricht beispielsweise für einen Brachyzephalus.

Eine große Bedeutung hat die ophthalmologi- sche Untersuchung. Wesentlich ist die Fundus- kopie zur Erkennung eines Papillenödems als Frühzeichen erhöhten intrakraniellen Drucks.

Visus und Gesichtsfeld geben Aufschluss über das Ausmaß be-

reits eingetrete- ner Schädigun- gen. Störungen des binokularen Sehens durch einen Hyperte- lorismus sollten e b e n s o w i e Hornhautschä- den infolge ei- nes insuffizie n - ten Lidschlus- ses bei Protrusio bulbi rechtzeitig

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auf dem Boden einer behinderten Mittelohrbe- lüftung sowie rezidivierende bronchopulmonale Infekte, Zahnkaries und Gingivitiden durch die chronische Mundatmung sind weitere mögli- che Folgen dieser Dysmorphie. Eine Progres- sion dieser Symptome ist hauptsächlich bis zum 6. Lebensjahr zu erwarten. Die Kindersterb- lichkeit ist in den ersten Lebensjahren erhöht.

Kraniosynostosen gehen gelegentlich mit mul- tiplen Fehlbildungen einher und werden meist innerhalb klinischer Syndrome beschrieben.

Am bekanntesten und häufigsten ist dabei das Crouzon-Syndrom (Dysostosis craniofazialis), ein charakteristisches Turmschädelsyndrom.

Es tritt bei etwa 1:25.000 Geburten auf und entspricht einem auf den Schädel begrenzten genetisch bedingten Fehlbildungssyndrom mit autosomal-dominantem Erbgang, einhundert- prozentiger Penetranz und wechselnder Stärke der Expressivität. Im Unterschied dazu ist das ebenfalls autosomal-dominant mit einer Häu- figkeit von etwa 1:100.000 auftretende Apert- Syndrom (Akrozephalosyndaktylie-Syndrom 1b) nicht auf den Schädel beschränkt. Neben einem Akrozephalus variabler Ausprägung be- stimmen hier auch Syndaktylien mit dysmor- phen, verkürzten, meist knöchern fusionierten 2. – 4. Finger (Löffelhände) und kutanen Syn- daktylien der Zehen, ferner Anomalien von Halswirbelsäule, Hirn, Herz, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt das klinische Bild. Darüber hinaus weisen auch die Syndrome nach Pfeiffer, Opitz (Trigonozephalus), Carpenter und Saethre- Chotzen sowie das Kleeblatt-Schädel-Syn- drom frühkindliche Kraniosynostosen auf, die in unterschiedlicher Ausprägung zu Schädeldys- morphien mit den oben beschriebenen funktio- nellen Folgen führen (Mühling, J. 1995).

Klassifikation:

Virchow differenzierte neun Schädeldeformi- täten, die er auf den vorzeitigen Nahtverschluss zurückführte (Mühling, J. 1995). Für die ope- rative Therapie werden nach Marchac und Renier (5) nur fünf Schädeldeformitäten unter- schieden: Trigonozephalus (Dreiecksschädel), Plagiozephalus (Schiefschädel), Oxyzephalus (Turmschädel), Brachyzephalus (Kurzschädel), Skaphozephalus (Kahnschädel), (Abbildung 1 und Abbildung 2).

Diagnostik

Die komplexe Symptomatik der Kraniosynos- tosen erfordert eine enge interdisziplinäre Zu- sammenarbeit in Diagnostik und Therapie.

Obwohl häufig bereits nach der Geburt erkenn-

erkannt und behandelt werden. Bei HNO-ärzt- lichen Untersuchungen können Atemwegsbe- hinderungen sowie Paukenbelüftungsstörungen diagnostiziert werden.

Die klinische und röntgenographische Diagnos- tik von mund-kiefer-gesichtschirurgischer Seite beurteilt Ausmaß und Folgen der Faziostenose und ermittelt begleitende Fehlbildungen wie Gaumenspalten.

Von neurologisch-pädiatrischer bzw. neurochi- rurgischer Seite kann der intrakranielle Druck indirekt durch Fontanometrie beim Kleinkind sowie auch direkt durch epidurale oder intra- parenchymatöse Druckmessung festgestellt werden. Die transkranielle Dopplersonogra- phie ermöglicht eine Beurteilung der zere- bralen Durchblutung (Govender P., Nadvi S., Madaree A. 1999).

Unerläßlich für die präoperative Diagnostik der Kraniosynostose und -stenose ist die radio- logische Diagnostik. Im nativen Röntgenbild fallen neben den pathologischen Verknöche- rungen und Dysmorphien mit zunehmendem Alter auch hirndruckbedingte Verstärkungen der physiologischen Wolkenzeichnungen der Schä- delkalotte, Impressiones digitatae, und erwei- terte Foraminae von Emissarien auf. Die 3-D- Computertomographie des knöchernen Schä- dels, von manchen Autoren generell gefordert, sowie die Stereolithographie, sind sicherlich nur bei Vorliegen von Pansynostosen oder Fehlbil- dungssyndromen, die auch den Gesichtsschä- del einbeziehen, gerechtfertigt. Die Magnetre- sonanztomographie ermöglicht darüber hinaus Aussagen über zerebrale Fehlbildungen, Li- quorzirkulationsstörungen und Parenchymlä- sionen infolge hirndruckbedingter ischämi- scher Ereignisse.

Abb. 2: Oxyzephalus

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Therapie

Das rasche Wachstum im ersten Lebensjahr er- fordert eine frühzeitige chirurgische Interven- tion bereits in den ersten Lebensmonaten auch bei Fehlen einer klinischen Symptomatik. Un- seren bisherigen Erfahrungen zufolge ist die Durchführung des Eingriffes um den zwölften Lebensmonat anzustreben, da sich die Kompli- kationsrate mit zunehmendem Alter erhöht.

Ursachen dafür liegen in der Verlängerung der Operationsdauer durch die mit dem Lebensal- ter zunehmende Stärke und Mineralisation der Schädelknochen, die eine schlechtere Formbar- keit und abnehmende Reossifikationspotenz zur Folge haben. Weiterhin erschwert die Aus- bildung der Sinus frontales die Operations- technik.

Im interdisziplinären Behandlungszentrum des Universitätsklinikums Dresden erfolgt durch die Fachgebiete der Kinderchirurgie, Neuro- chirurgie und Mund-Kiefer-Gesichts-Chirur- gie die Korrektur der knöchernen Schädelfehl- bildungen. Das standardisierte frontoorbitale Advancement (Abbildung 3) ist ausschließlich des Skaphozephalus Operationsmethode der Wahl. Operativer Zugangsweg ist der Bügel- schnitt, der die Darstellung des knöchernen Schädels im frontalen, temporalen und supra-

orbitalen Bereich ermöglicht. Nach Bildung eines frontalen Knochendeckels, der unterhalb der Stirnwölbung beginnend die knöcherne Stirnstruktur bis zur Kranznaht in gesamter Breite umfasst, wird die intra-extrakranielle Prä- paration eines horizontal verlaufenden streifen- förmigen supraorbitalen Knochensegmentes möglich. Das frontoorbitale Knochensegment wird in einer zweiten Phase der Operation ent- sprechend der Fehlbildung ausgeformt und mit einem Advancement wieder eingelagert. Das Ausmaß der Vorverlagerung richtet sich nach der Stärke der Wachstumshemmung und dem individuellen Erscheinungsbild. In Hinblick auf das zu erwartende Wachstum wird eine Über- korrektur vorgenommen. Anschließend erfolgt die Modellation des frontalen Knochendeckels zur Anpassung an das ausgeformte und vorver- lagerte frontoorbitale Segment. Die Knochen- fragmente werden in der korrigierten Lage fi- xiert. Dabei kommen im frontalen Bereich vor- rangig resorbierbare Osteosynthesematerialien zum Einsatz. Der Kranznahtbereich bleibt aus Stabilitätsgründen Titan-Mikroplatten vorbehal- ten. Abschließend wird der operative Zugang verschlossen. Nicht resorbierbare Osteosynthe- sematerialien sollten nach drei bis sechs Mo- naten entfernt werden, da das appositionelle

Knochenwachstum eine Verlagerung der Titan- mikroplatten nach intrakraniell verursachen kann. Durch Verwendung resorbierbarer Mate- rialien im frontoorbitalen Bereich bleibt dieser Zweiteingriff auf die Kranznaht beschränkt.

Bei Pansynostosen ist zusätzlich zum frontoor- bitalen Advancement eine lineare Kraniekto- mie erforderlich, um eine Remodellation bei gleichzeitiger intrakranieller Drucksenkung zu erreichen. Dabei werden beidseits parallel zur Sagittalnaht ca. 1cm breite Knochenstreifen re- seziert. Diese Kraniektomien setzen sich beid- seitig bogenförmig entlang der Lambdanaht so- wie der Sutura squamosa fort und nähern sich der Koronarnaht bis auf etwa 2cm, so dass ein stabilisierender Knochensteg verbleibt. Über der hinteren Fontanelle wird die Kraniektomie über die Mittellinie hinaus ausgedehnt und mit der Gegenseite verbunden. Über dem Sinus sagittalis superior verbleibt ein schützender Kno- chenstreifen. Der Schädel kann der Ausbrei- tung des Hirns somit in allen Richtungen nach- geben. (Abbildung 4).

In seltenen extremen Fällen (frühe Pansynosto- sen) kann eine Kombination des frontoorbita- len Advancements mit einer totalen Kraniekto- mie im Hinterhauptsbereich kombiniert werden.

Eine weitere Möglichkeit der Vergrößerung Abb. 3: frontoorbitales Advancement;

A) Osteotomielinien, B) Advancement nach Fixation

Abb. 5: Osteotomie und Mittelgesichtsvor- verlagerung in der Le-Fort-III-Ebene A) präoperativ, B) postoperativ Abb.4: frontoorbitales Advancement mit linearer

Kraniektomie; A) Schädelaufsicht, B) nach Fixation

Abb. 6: Patientin mit Oxyzephalus präoperativ, nach Entfernung des Osteosynthesematerials und im Alter von drei Jahren (von links nach rechts)

Abb. 7: Plagiocephalus; präoperativ (3. Lebensjahr) und postoperativ (5. Lebensjahr)

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des Schädelvolumens im Hinterhauptsbereich ist das okzipitale Advancement.

Diese Eingriffe sollten vor Abschluss des ers- ten Lebensjahres erfolgen. Danach nimmt die Reossifikationspotenz deutlich ab und es be- steht die Gefahr inkompletter Schädelverknö- cherungen.

Kraniosynostosen mit ausgeprägter Mittelge- sichtshypoplasie sowie Protrusio bulbi erfordern eine Operationserweiterung im Sinne einer Mit- telgesichtsvorverlagerung. Nach realisiertem frontoorbitalen Advancement wird der gesamte Gesichtsschädel in der Le-Fort-III-Ebene über Bügelschnitt- und oralen Zugang gelöst und entsprechend der Fehlbildung vorverlagert und in korrigierter Position fixiert (Abbildungen 5).

Diese Eingriffe erfolgen bei älteren Kindern und Erwachsenen einzeitig. Einem zweizeiti- gen Vorgehen wird aber besonders bei Klein- kindern wegen des deutlich niedrigeren Opera- tionsrisikos der Vorrang gegeben. Abhängig vom Ausmaß der Mittelgesichtsfehlbildung erfolgt die Mittelgesichtsverlagerung entweder bereits nach zwei bis vier Monaten oder erst nach weitgehend abgeschlossenem Schädelwachstum (ab vollendetem zehnten Lebensjahr).

Komplikationsmöglichkeiten bestehen in Du- raverletzungen, aufsteigenden Infektionen aus dem Respirationstrakt sowie Blutungen aus dem besonders bei stark erhöhtem intrakraniellen Druck gestauten Sinus sagittalis superior und Emissarien. Sie sind durch Duraplastiken, prin- zipielle perioperative Breitspektrumantibiotika- prophylaxe, Deckung und Deepithelialisierung eröffneter Stirnhöhlen sowie rechtzeitige Blut- substitution kalkulierbar und kontrollierbar.

Diskussion

In unserem Behandlungszentrum wurden bisher 10 Patienten mit dieser sehr seltenen Erkrankung operativ versorgt. Das Patientengut setzte sich aus vier Patienten mit Trigonocephalus sowie je zwei Patienten mit Plagio-, Oxy- und Skapho- cephalus zusammen. Die Operation erfolgte in sechs der Fälle nach Abschluss des ersten Lebens- jahres, in drei Fällen bis zum fünften Lebensjahr sowie in einem Fall im dreizehnten Lebensjahr.

Dabei beobachteten wir keine schwerwiegen- den Komplikationen. Vereinzelt auftretende lo- kale Wundheilungsstörungen und postoperative Krampfanfälle konnten gut beherrscht werden.

Retrospektive Studien verschiedener interna- tionaler Behandlungszentren, die zum Teil meh- rere hundert craniofaziale chirurgische Ein- griffe umfassen, beschreiben eine generelle Komplikationsrate von maximal 22% bei einer

Gesamtmortalität von bis zu 1,6% (Whitaker L., Munro I., Salyer K. et al. 1979; Poole M.

1988). Der Anteil schwerwiegender bzw. lebens- bedrohlicher Zwischenfälle liegt diesen Unter- suchungen zufolge bei etwa zehn Prozent und steht in Verbindung mit postoperativen Infek- tionen, Hirnödem, Blutungen sowie vasovaga- lem Schock (Jones B., Jani P., Bingham R. 1992;

Poole M. 1988).

Unter allen Komplikationen nehmen postope- rative Infektionen den größten Stellenwert ein und treten in bis zu 15% der Fälle auf. Es han- delt sich dabei vorrangig um lokale Wundin- fektionen. Epidurale sowie frontale Abszesse, Meningitiden und Osteomyelitiden werden nur in Einzelfällen beschrieben (Whitaker L., Mun- ro I., Salyer K. et al. 1979). Übereinstimmend wird festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit entzündlicher Ereignisse mit dem Alter der Pa- tienten und der Operationszeit zunimmt (Siegel J., Israele V. 1989; David D., Cooter R. 1987).

Zu den primär nicht entzündlichen postoperati- ven Komplikationen zählen Liquorfisteln, ve- nöse Luftembolien, lokale Flüssigkeitsan- sammlungen, Krampfanfälle, Visusveränderun- gen im Sinne von passagerer und permanenter Erblindung sowie Schädigungen des Nervus facialis. Selten werden Fälle von Diabetes insi- pidus als Folge eines SIADH (syndrome of in- appropriate secretation of antidiuretic hormone) beobachtet (Matthews D. 1979, Faberowski L., Black S., Mickle J. 2000). Diese Komplikatio- nen treten in jeweils weniger als einem Prozent der untersuchten Fälle auf. Direkte Hirnverlet- zungen werden nicht beschrieben.

Diese Daten verdeutlichen das kalkulierbare und kontrollierbare Risiko kraniofazialer chirur- gischer Eingriffe zur Korrektur von Schädel- deformitäten bei prämaturen Schädelnahtsynos- tosen. Das Ausmaß der zu erwartenden irre- versiblen Schädigungen infolge einer Kranios- tenose und nicht zuletzt auch die psychosoziale Beeinträchtigung der fehlgebildeten Patienten rechtfertigen den operativen Eingriff in nahezu allen Fällen (Abbildungen 6, 7)(Wolfe S., Mor- rison G., Page L. 1993).

Literatur beim Verfasser Anschrift des Verfassers:

Dr. Matthias Nitsche Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum „C. G. Carus“ der TU Dresden Fetscherstraße 74, 01309 Dresden Graphiken in Anlehnung an:

Mühling J: Kraniofaziale Chirurgie. aus:

Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie/ hrsg.

von J.-E. Hausamen, bearb. v. J. Bier-3.

völlig neubearb. Aufl.; Springer-Verlag, 12:403-26

Ärzteblatt Sachsen

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