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Neue EU-Nachbarn

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von Iris Kempe und Wim van Meurs

N

ach der Aufnahme derjenigen Staaten, die sich gegenwärtig im Prozess der Beitrittsver- handlungen befinden, wird die Euro- päische Union ein Zusammenschluss von 27 Ländern sein. Mit dem Fort- schreiten der Erweiterung und der Einbindung dieses Prozesses in die eu- ropäische Integration wächst die Union immer mehr zu einer gesamt- europäischen Regionalmacht. Die späteren Herausforderungen für die europäische Politik zeichnen sich be- reits heute in den – künftigen – Nach- barschaften der Union ab.

Geographisch gesehen sind drei Regionen von besonderer Bedeutung:

Die aktuelle Lage im Nahen Osten verdeutlicht, dass die EU im Mittel- meer-Raum mit erheblichen Konflik- ten konfrontiert ist. Der israelisch- arabische Konflikt ist eng mit der in- nenpolitischen Dynamik vieler arabi- scher Staaten verknüpft, deren autoritäre Strukturen und ineffizien- ten Wirtschaftssysteme meist nur ge- ringe Legitimität in der Bevölkerung hervorrufen. Auch in Osteuropa wird die Union im Zuge ihrer Erweiterung unmittelbar an die Nachfolgestaaten

der ehemaligen Sowjetunion angren- zen. Insbesondere im Fall Russlands wird die EU einen Nachbarn haben, der einerseits sperriger Akteur in der Transformation, andererseits aber

„global player“ in der Sicherheitspoli- tik ist. Das zur Russischen Föderation gehörende Gebiet Kaliningrad wird dann zu einer Exklave innerhalb der Europäischen Union.

Die Entwicklungen in Südosteuro- pa haben die Union zuerst auf Grund der territorialen Nähe und gewalt- samen Eskalation zum Handeln ge- zwungen. Obwohl in dieser Region eine Beruhigung der Lage eingetreten ist, bergen Entwicklungsdefizite und - disparitäten in diesen meist noch un- genügend konsolidierten Demokra- tien weiteres Konfliktpotenzial.Wich- tigstes Instrument der EU-Außen- steuerung der Reformen ist dabei die langfristige Beitrittsperspektive.

Die Nachbarländer im Osten und Süden Europas sind von der Spezifität der postkommunistischen Transfor- mation geprägt. Die Gleichzeitigkeit von nationalstaatlicher Konsolidie- rung, Schaffung parlamentarischer Demokratien, Marktwirtschaft und Zivilgesellschaften kann erhebliche Probleme verursachen. Migration, Schmuggel, grenzüberschreitende Kriminalität, wirtschaftliche Krisen, gesellschaftliche Konflikte bis hin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen

Neue EU-Nachbarn

Strategien gegenüber Südost- und Osteuropa jenseits der Erweiterung

Dr. Iris Kempe und Dr. Wim van Meurs, Wissenschaftliche Mitarbeiter am Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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stellen eine potenzielle Bedrohung für Sicherheit und Stabilität der EU dar.1

Die Leitlinien der europäischen Po- litik gegenüber Drittstaaten manifes- tieren sich im Rahmen von bi- und multilateralen Abkommen, tech- nischer Hilfe und Handelsbeziehun- gen. Obwohl die Europäische Union mit der Einbindung der Mittelmeer- Anrainer in den Barcelona-Prozess, der Unterzeichnung von Partner- schafts- und Kooperationsabkom- men mit den GUS-Staaten sowie den Stabilitäts- und Assoziierungsabkom- men für die Staaten Südosteuropas Schritte in Richtung einer gesamt- europäischen Politik getan hat, war bisher jenseits der Erweiterungsper- spektive kaum ein klares Bild von neuen Ordnungen und Grenzen zu erkennen. Lange Zeit hat die Europäi- sche Union den Erweiterungsprozess bewusst offen gehalten. Ziel war, auf diesem Wege die Prävention von Kon- flikten sowie eine Entwicklung in Richtung Demokratie, Marktwirt- schaft und Zivilgesellschaft in den Nachbarstaaten zu forcieren.

Es zeigten sich aber auch die Unzu- länglichkeiten dieser Nachbarschafts- politik. Der Einfluss der Europäi- schen Union auf Krisenprävention und Prosperität in ihrer Nachbar- schaft nahm unter zwei Bedingungen zu. Dabei handelt es sich um Höhe und Umfang der Außenunterstüt- zung in Verbindung mit der Konkre- tisierung einer Beitrittsperspektive.

Dies trifft vor allem auf die Staaten Südosteuropas zu, denen die EU 1999 die Perspektive auf eine vollständige Integration in ihre Strukturen eröff- nete. Für die Nachbarschaftsregionen

im Mittelmeer-Raum und in Ost- europa fehlt das strategische Pendant.

Ohne dies explizit zu formulieren, stößt die Union in ihrer derzeitigen Konstruktion einerseits an die Gren- zen ihrer Erweiterungsfähigkeit, kann aber andererseits auch keine Al- ternativen für eine gesamteuropäi- sche Politik anbieten. Dies beinhaltet das Fehlen von Instrumenten, um Konflikte und Transformationspro- zesse in den europäischen Nachbar- schaften zumindest im Sinne der Sta- bilitätssicherung beeinflussen oder gar steuern zu können.

Die Grenzen der Erweiterungs- fähigkeit und der Erweiterungswille der EU (mit der Türkei als Lackmus- test) implizieren die Herausforde- rung, eine Nachbarschaftsstrategie zu entwickeln, die ohne Konditionalität, Attraktivität und die Zielstrebigkeit eines Beitrittsversprechens aus- kommt, dadurch aber nicht zu politi- scher Rhetorik ohne Reformimpuls wird.

Länder- und Regionalstrategien Im Dezember 2001 verabschiedete die Europäische Union Länder- und Regionalstrategien für Staaten, zu denen sie Beziehungen mit substan- zieller Außenunterstützung unterhält – von China bis Marokko, von Mol- dau bis Nordkorea. Dazu gehören auch die Staaten der drei Nachbar- regionen Südosteuropa, Osteuropa und Mittelmeer-Raum. Es stellt sich die Frage, ob und in welcher Form diese Strategien einen Beitrag für den Aufbau einer gesamteuropäischen Ordnung leisten können.

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Was die Reformförderungspolitik der EU für den Balkan von den stärker länderorientierten EU-Strategien und der Unterstützung für die künftigen östlichen Nachbarstaaten unterschei- det, ist der Regionalansatz. Was sie von dem ebenfalls als Kooperations- region aufgefassten Mittelmeer- Raum unterscheidet, ist die Zielstre- bigkeit und -genauigkeit der Pro- gramme in Richtung EU-Besitzstand.

Was sie von beiden anderen Nachbar- regionen unterscheidet, sind der Mit- telaufwand und die strikte Konditio- nalität als Anreiz.

Europäisierung des Balkans

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ie strategische Ausrichtung der EU-Außenunterstützung birgt für Südosteuropa besondere Heraus- forderungen. Im Jahre 1999, noch bevor in Kosovo die Waffen schwie- gen, wurde die Grundsatzentschei- dung getroffen, die Länder des West- balkans als potenzielle EU-Beitritts- kandidaten zu betrachten. Andrer- seits bereitet gerade die seitdem eingetretene „Proliferation“ der Au- ßenunterstützungsstrategien für die- se relativ kompakte Region besondere Schwierigkeiten.

Diese Beitrittsperspektive, im Sta- bilitätspakt von Juni 1999 u.a. auf Grund der Bedenken von Seiten Frankreichs noch mit maximaler Zu- rückhaltung formuliert („Die EU wird die Region enger an die Perspek- tive einer vollständigen Integration dieser Länder in ihre Strukturen he- ranführen“), ist mittlerweile Konsens.

Dementsprechend hieß es beim Euro- päischen Rat in Feira (Juni 2000) kurz und knapp: „Alle Länder [des West- balkans] sind potenzielle Bewerber für den Beitritt zur EU.“2

Nach dem erprobten Modell der Osterweiterung wurde im Mai 1999 der Stabilisierungs- und Assoziie- rungsprozess für Südosteuropa ins Leben gerufen, der neben bilateralen Stabilisierungs- und Assoziierungs- abkommen mit der EU seit Dezember 2000 das Unterstützungsprogramm CARDS umfasst. Die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen erset- zen die Europa-Abkommen der Osterweiterung bis hin zum EU-Bei- tritt, während CARDS das Südost- pendant zu PHARE und TACIS ist.

Die Vorbedingungen ähneln den Ko- penhagener Kriterien mit regionaler Kooperation sowie Respektierung der Dayton-Abkommen und der Zusam- menarbeit mit dem Kriegsverbrecher- tribunal in Den Haag als regional- spezifischen Ergänzungen. Dement- sprechend sind mit dem EU-Besitz- stand die Zielanforderungen als Messlatte für nationale Reformpro- gramme und Transformationsstrate- gien festgelegt.

„Durchkreuzt“ wird diese bilatera- le Logik von Konditionalität und Kri- terien durch den Regionalansatz des Stabilitätspakts, in dem die EU eben- falls die „führende Rolle“ übernimmt.

Der Pakt ist, abgesehen von einer eher nach dem Helsinki-Prozess als nach den Kopenhagener Kriterien oder gar dem Besitzstand ausgerichteten Basis- konditionalität, auf regionale Koope- ration angelegt. Die laufende Reform des Stabilitätspakts unter dem neuen

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Sonderkoordinator, Erhard Busek, nimmt eine Prüfung der Funktionali- tät und Effizienz von Regionalität in den verschiedenen Politikbereichen (z.B. Energieversorgung, Infrastruk- tur und Handel) vor, strebt aber gleichzeitig eine Verbesserung der Komplementarität von Stabilitätspakt und Stabilisierungs- und Assoziie- rungsprozess an.3

Von Seiten des Stabilitätspakts wurde der Stabilisierungs- und Asso- ziierungsprozess als „wichtiger EU- Beitrag zum Stabilitätspakt“ gewür- digt, während die Kommission den Pakt in ihren Ausführungen zum Westbalkan im jährlichen Fort- schrittsbericht kaum erwähnte und eher als Vorstufe zum Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen be- trachtete. Dies ist nicht nur ein Wort- spiel oder ein Kompetenzkonflikt: Die Prinzipien Regionalität und Kon- ditionalität widersprechen sich: Kon- ditionalität fördert die Fortgeschritte- nen und benachteiligt die Nachzügler.

Die gestaffelte Aufwertung der bilate- ralen Beziehungen zur EU, etwa die Schengen-Grenzen, schaffen Trenn- linien innerhalb der Region, die unter dem Stabilitätspakt zusammenge- führt werden sollten.

Andrerseits zeigen EU und Stabili- tätspakt in ihrer Herangehensweise kaum Sympathie für (sub)regionale Zusammenschlüsse, die auf politi- schem Willen und Funktionalität be- ruhen, dabei aber die Grenzen zwi- schen den EU-Kategorien mit 15 Mit- gliedern, zwölf bzw. 13 Kandidaten, fünf perspektivischen Kandidaten und mindestens vier Nichtkandidaten verwischen. Gerade die Heterogenität

der Balkan-Region macht Regionali- tät zur Zerreißprobe, die sich nur mit besonderen Anreizen etablieren lässt.

Dennoch ist es nahezu unmöglich, Regionalkooperation zur Bedingung der Annäherung an die EU zu ma- chen. Gerade die Erfahrungen in Mit- tel- und Osteuropa zeigen, dass die in- dividuelle Beitrittsperspektive der Re- gionalkooperation abträglich ist.4

Der neue Sonderkoordinator für den Stabilitätspakt hat diese Struktur- probleme erkannt und Reformansätze präsentiert.5Mit dem schleichenden Rückzug der Amerikaner und dem Nahen der ersten großen Runde der Osterweiterung schält sich die EU als zunehmend dominante Regional- macht und alternativlose Zukunfts- perspektive für den Westbalkan he- raus. Somit ist die Konzeption des Sta- bilitätspakts als multiinstitutionelles Unterfangen oft nicht kompatibel mit den EU-Strukturen. Spätestens nach der Erweiterung 2004 wird sich die Frage stellen, ob sich eine Trennung zwischen (nur) Rumänien und Bul- garien als „Kandidaten der zweiten Runde“ einerseits und perspektivi- schen Kandidaten auf dem Westbal- kan aufrecht erhalten lässt, zumal Kroatien dabei ist, diese beiden Kan- didaten bei der Erfüllung der Beitritts- kriterien zu überholen. Andrerseits ist Moldau Mitglied des Stabilitätspakts, hat aber explizit keinen Anspruch auf eine Beitrittsperspektive.

Bereits vor 2004 wird sich die Frage nach dem Mehrwert – und dem Ver- fallsdatum – eines reformierten Stabi- litätspakts im Vergleich zum Stabili- sierungs- und Assoziierungsprozess stellen: Der Regionalansatz wird auf

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einzelne wenige Politikfelder einge- schränkt, und regionale Eigenverant- wortung ist im geberorientierten Sta- bilitätspakt kaum mehr gelungen als im von Brüssel aus diktierten Stabili- sierungs- und Assoziierungsprozess.

Letzterer ist nicht weniger umfassend als der Stabilitätspakt; beide beinhal- ten Reformvorhaben von der Grenz- sicherung bis zum Aufbau der Zivilge- sellschaft. Somit wird der Pakt weiter- hin eine subsidiäre Rolle spielen, wäh- rend die Balkan-Länder in relevanten Bereichen wie Justiz und Inneres oder Umwelt bereits in die EU teilintegriert werden.

Gemäß dem eigenen Regional- ansatz,6 aber ausgeprägter als die grenzüberschreitende Komponente im PHARE-Programm, kennt CARDS fünf Länderstrategien und eine horizontale Regionalstrategie mit entsprechenden Mitteln für län- derübergreifende Projekte. Für die Jahre 2002 bis 2004 sind jedoch für zentral koordinierte CARDS-Projek- te 80 Millionen Euro und für dezen- trales „integriertes Grenzmanage- ment“ 117 Millionen Euro reserviert – jährlich weniger als zehn Prozent des Gesamtbudgets.7

Nachdem die „salonfähigen“ Bal- kan-Staaten anfänglich neben ECHO und Obnova-Nothilfe auch be- schränkten Zugang zu den PHARE- Mitteln erhielten, ist CARDS mit 775 Millionen Euro jährlich (2000 bis 2006) gut ausgestattet, verglichen mit der vorherigen gesamten EU-Unter- stützung für den Westbalkan von durchschnittlich 550 Millionen Euro jährlich (1991 bis 2000). Dafür dient die EU-Hilfe nicht länger vorwiegend

humanitären Zwecken, dem Wieder- aufbau, der Stabilität und der Regio- nalkooperation, sondern soll nur noch die Umsetzung des Stabilisie- rungs- und Assoziierungsprozesses unterstützen. Nahezu jeder Euro fließt in genuine europäische Priori- tätsbereiche (und Interessen): Justiz und Inneres, institutioneller Auf- und Ausbau sowie Investitionsförderung.8 Seit Ende 2001 verfügt CARDS über ein regionales Strategiepapier für die Phase 2002 bis 2006 inklusive eines mehrjährigen Indikativpro- gramms 2002 bis 2004 (MIP), kom- plementär zu den fünf Länderstrate- gieberichten. Die Prozeduren und Kriterien des gesamten Stabilisie- rungs- und Assoziierungsprozesses mit jährlichen Fortschrittsberichten und Aktionsplänen ähneln zuneh- mend in Form und Inhalt der EU- Osterweiterung – nur mit dem Unter- schied, dass für den Westbalkan in Brüssel formal Chris Patten als Kom- missar für Außenbeziehungen zu- ständig ist und – noch – nicht Gün- ther Verheugen.

Die Entscheidung für die EU-Inte- gration der kleinen, umschlossenen Balkan-Region ist aber längst gefällt, und eine weitere, die europäischen Außengrenzen damit festzuschreiben, deutet sich an.

Länderstrategien für Osteuropa

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it Ausnahme Weißrusslands hat die Europäische Union für die westlichen GUS-Staaten Länderstra- tegien verabschiedet.9 Gemäß den

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vorgegebenen Richtlinien entspre- chen sie dem Aufbau der regionalen Einschätzung der Lage, der Auswer- tung der bisherigen Kooperation und der Formulierung künftiger Schwer- punkte, die gleichzeitig die nationalen TACIS-Programme (Technical Assis- tance for the Commonwealth of Inde- pendent States) für die Jahre 2002 bis 2003 enthalten.

Bemerkenswert ist zunächst die Einschätzung der jeweiligen nationa- len Problemspezifika.Als die Europäi- sche Union zu Beginn der neunziger Jahre die Transformation in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion durch Hilfsprogramme und Bera- tungsleistung zu unterstützen be- gann, griff sie auf die Grundgedanken des Konsenses zwischen den interna- tionalen Finanzorganisationen zu- rück. Demnach galten Liberalisierung und Privatisierung als Motoren der Systemtransformation. Zehn Jahre Erfahrungen mit den postsozialisti- schen Transformationen Osteuropas unterstreichen die Bedeutung institu- tioneller Faktoren. Die Weiterent- wicklung der TACIS-Bestimmungen spiegelt dieses veränderte Verständnis der Transformation wider. 1991 be- stand das Hauptziel in der Transfor- mation zur Marktwirtschaft, 1993 wurde dies um die Stärkung der De- mokratie ergänzt, und seit 2000 sind der Übergang zur Marktwirtschaft sowie die Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat formulierte Ziele.10

Die Länderstrategien für die Jahre 2002 bis 2006 setzen die differenzierte Einschätzung der Lage fort. Moldau wird als zukünftiger Nachbarstaat der Europäischen Union verstanden.

Angesichts der künftigen direkten Grenzbeziehungen drohen wirt- schaftliche Instabilitäten, das Armuts- problem sowie der Dnjestr-Konflikt die Europäische Union unmittelbar zu belasten. Trotz einiger Reformfort- schritte im Jahr 2000 stellt die Länder- strategie der EU Probleme bei den in- stitutionellen Reformen, der Schaf- fung eines Privatsektors sowie der Umsetzung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit der EU in den Vordergrund.

Ein weiteres Hauptthema des EU- Interesses ist der Aufbau von moder- nen und leistungsfähigen Grenzüber- gängen. Hiermit werden erneut die Folgefragen der EU-Osterweiterung angeschnitten. Russlands wirtschaft- liche Leistungsfähigkeit sowie die Be- ziehungen zur EU beruhen ganz we- sentlich auf dem Export von Rohstof- fen nach Europa. Darüber hinaus zeigt die Union Interesse an Russland als verlässlichem Partner in der Außen- und Sicherheitspolitik und als Abnehmer europäischer Exporte.

Ähnlich wie in der bisherigen euro- päischen Politik existiert keine Län- derstrategie für Weißrussland. Damit wird zu Recht die europäische Kritik am Regime von Alexander Lukaschen- ko zum Ausdruck gebracht, gleichzei- tig beraubt sich die Union aber auch ihrer Einflussmöglichkeiten für die Stärkung demokratischer und markt- wirtschaftlicher Reformen jenseits des offiziellen Weißrusslands.

Bei der Umsetzung in Politikemp- fehlungen und Unterstützungspro- gramme zeigen alle drei Länderstrate- gien ähnliche Schwerpunkte. Im Zeit- raum von 2002 bis 2003 verfolgt die

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Europäische Union das Ziel, die Re- form von Rechtsstaat und Verwaltung zu unterstützen, die wirtschaftlichen Bedingungen und das Investitionskli- ma zu verbessern und die gesellschaft- lichen Reformen zu forcieren. In der Ukraine soll zusätzlich noch der Auf- bau von Grenzanlagen unterstützt werden. Die Projekte sind für das Jahr 2003 mit 94 Millionen Euro für Russ- land, 48 Millionen Euro für die Ukrai- ne und 20 Millionen Euro für Moldau budgetiert. Im Vergleichszeitraum veranschlagt die Union 775 Millionen Euro für die Unterstützung des Bal- kans. Diese Budgetverteilung ver- deutlicht die Schwerpunktsetzung der europäischen Nachbarschaftspolitik, deren Priorität auf dem Balkan liegt.

Auf der analytischen und program- matischen Ebene beinhalten die Pro- gramme Fortschritte im Vergleich zur bisherigen Politik der EU gegenüber ihren künftigen Nachbarstaaten.

Nach wie vor bleibt aber das Bild einer gesamteuropäischen Politik ver- schwommen – es gibt keine Perspekti- ve für eine künftige Mitgliedschaft in der EU. Demzufolge wird auch der Mechanismus von mit Annäherung an die EU konditionalisierten Refor- men entfallen. Die Europäische Union verfügt über begrenzte Mecha- nismen, um ihre Interessen für Si- cherheit und Stabilität in ihren künf- tigen Nachbarstaaten umsetzen zu können. Wie die Folgewirkungen des 11. September 2001 zeigen, stellen die Nachbarstaaten im Osten der Euro- päischen Union, allen voran Russ- land, nicht nur ein Risiko, sondern zu- gleich auch Partner bei der Bewälti- gung internationaler Herausforde-

rungen dar.11Vorausgesetzt, Wladi- mir Putins Solidaritätsbekundungen mit dem Westen sind nachhaltig, würde dies das Ende der euroasiati- schen Modernisierungsdebatte be- deuten – Russland müsste als Teil des Westens seine Entwicklung an euro- päischen Maßstäben orientieren. Die EU ist dazu aufgefordert, jenseits ihrer Erweiterungspolitik Konzepte für eine gesamteuropäische Ordnung zu entwickeln.

Grenzen gesamt- europäischer Politik

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ie EU gestaltet die Beziehungen zu den Nachbarstaaten nach dem bisherigen Erfolgsrezept der Osterweiterung. Die klare Perspektive auf den Beitritt, verbunden mit den Vorgaben des Besitzstands, legen die Leitlinien fest für die Stabilisierung und Westorientierung in den Staaten Mittel- und Osteuropas. Diese Strate- gie schreibt die EU auf dem Balkan fort, indem sie umfangreiche finan- zielle Außenunterstützung mit der Aussicht auf die Heranführung an eu- ropäische Institutionen verbindet. In der Ende 2001 verabschiedeten Regio- nalstrategie für den Balkan wird die Beitrittsperspektive immer mehr zur Strategie gegenüber den Nachbarn in Südosteuropa.

In Osteuropa greift diese Strategie nicht. Es fehlt an institutionellen Vor- gaben für die Zusammenarbeit, an umfangreichen Plänen zur Unterstüt- zung der betroffenen Staaten durch die EU ebenso wie an den entspre- chenden Anreizen. Verglichen mit

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dem Balkan erhalten die GUS-Staaten nur minimale finanzielle Mittel. In der euro-mediterranen Partnerschaft setzt sich dieses Problem fort. Die von der EU angestrebte Transformation des Mittelmeer-Raums lässt sich nicht ohne die EU-Beitrittsperspektive als wirksamstes Instrument europäischer Politik erreichen.

Ohne dasss dies an irgendeiner Stelle explizit formuliert worden wäre, deuten alle Anzeichen darauf

hin, dass die Erweiterung um Südost- europa beschlossene Sache ist, diese Erweiterung vorläufig aber einen Schlussstrich unter diese Politik im Verhältnis zu den Transformations- staaten in der europäischen Nachbar- schaft darstellt. Als Alternative und Ergänzung der Erweiterungspolitik verfügt die Europäische Union bisher nicht über tragfähige Konzepte und Kapazitäten zur Gestaltung einer ge- samteuropäischen Politik.

Anmerkungen

1 Vgl. Werner Weidenfeld (Hrsg.), Jenseits der EU-Erweiterung. Strategiepapier, Güters- loh 2001, S. 11–19.

2 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Feira am 19.–20. Juni 2000, abgedruckt in: Internationale Politik, 8/2000, S. 115 ff., hier S. 119.

3 Vgl. Stability Pact Policy Outline 2002 pre- sented to EU-General Affairs Council by Special Coordinator Erhard Busek, 11.3.

2002; vgl. auch den Beitrag auf S. 25–26.

4 Andreas Wittkowsky, Stability through Inte- gration? South Eastern Europe as a Challen- ge for the European Union, Eurokolleg 43;

Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.), Bonn 2000; Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) The Balkans and New European Responsibili- ties, Gütersloh 2000, passim.

5 Stability Pact Policy Outline 2002, a.a.O., (Anm. 3).

6 Vgl. dazu Franz-Lothar Altmann, Die Bal-

kanpolitik der EU – Regionalansatz und Prinzip der Konditionalität, in: Südosteuro- pa, Nr. 10–11/1998, S. 503–515.

7 EC External Relations DG, CARDS Assis- tance Programme to the Western Balkans, Regional Strategy Paper 2002–2006.

8 EC, CARDS Programme. Guidelines 2002–2006.

9 Country Strategy Paper 2002–2006, Natio- nal Indicative Programme Ukraine, Molda- via, Russia.

10An Evaluation of the TACIS Country Pro- gramme in Russia, Final Syntheses Report, Development Researchers’ Network – Lin- den Consulting Partnership (Hrsg.), Januar 2000, S. 15 f.

11Vgl. Dmitri Trenin, Vladimir Putin’s Au- tumn Marathon: Towards the Birth of a Russian Foreign Policy Strategy, in: Briefing Moskovskogo Centra Karnegi, Nr. 11, No- vember 2001.

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