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Warten auf den nächsten Knall

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54 IP Januar / Februar 2015 Wachstumsschmerzen

Die kurzfristigen Probleme der Wäh- rungsunion scheinen behoben, die mit- tel- und langfristigen bleiben bestehen.

Auch in den kommenden Jahren wird die Wirtschaft der Euro-Zone nur schleppend wachsen und mit anderen entwickelten Volkswirtschaften kaum Schritt halten. Der EU droht ein ver- lorenes Jahrzehnt, in dem einige Mit- gliedstaaten weiterhin mit Rekordar- beitslosigkeit und erdrückend hohen öffentlichen Schulden kämpfen wer- den. Damit wachsen die politischen Risiken und die sozialen Spannungen erheblich. Sichtbares Anzeichen ist das Erstarken populistischer Parteien, die die Errungenschaften der Integration infrage stellen. Längst schränken sie den Handlungsspielraum der Regie- rungen ein – etwa bei notwendigen Reformvorhaben in Griechenland oder Frankreich. Sie könnten eine erneute Eskalation der Krise provozieren.

In dieser politischen Gemengelage ist es schwierig, der Wachstums- und Beschäftigungskrise ein Ende zu be-

reiten und gleichzeitig die Euro-Zone krisenfester zu machen. Dabei müss- ten mehrere Dinge parallel erreicht werden: Wachstum und Investitionen müssen angekurbelt, die öffentlichen Schulden reduziert, Strukturreformen und Marktintegration beschleunigt werden – und gleichzeitig braucht die Euro-Zone institutionelle Reformen, über die derzeit kaum ein Entschei- dungsträger reden mag.

Dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi zufolge braucht die Euro-Zone eine Trias aus geldpolitischem Stimulus, fiskalpoliti- scher Flexibilität und weiteren Struk- turreformen. Geldpolitisch hat die EZB bereits einiges versucht, um etwa die Kreditklemme zu beheben, die Un- ternehmen von Investitionen abhält.

Eine weitere geldpolitische Lockerung dürfte nötig sein. Das würde allerdings in Deutschland Kontroversen provo- zieren und Euroskeptiker stärken.

Derweil ist der haushaltspolitische Handlungsspielraum vieler Mitglied- Daniela Schwarzer | Die schlimmsten Krisenszenarien sind verblasst, seit EZB- Präsident Mario Draghi im Sommer 2012 versprach, nötigenfalls unbegrenzt Staatsanleihen an den Sekundärmärkten aufzukaufen. Dank Maßnahmen wie Europäischem Stabilitätsmechanismus oder Bankenunion haben sich einige Länder erholt. Doch neue Spannungen belasten die Euro-Zone.

Warten auf den nächsten Knall

Ohne institutionelle Reformen der Euro-Zone droht ein verlorenes Jahrzehnt

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IP Januar / Februar 2015 55 Warten auf den nächsten Knall

Europas politische, ökonomische und soziale Stabilität erodiert

staaten eingeschränkt, sei es durch hohe öffentliche Schulden oder das dichte Regelwerk zur haushaltspoliti- schen Koordinierung in der Euro- Zone. Die Euro-Zone könnte wegen einer insgesamt zu restriktiven Fiskal- politik in die Rezession rutschen, auch wenn Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit seinem 300 Milliarden Euro starken Investitions- paket versucht, die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Ber- lin wird für die schlechte Wirtschafts- entwicklung von Kritikern mitverant- wortlich gemacht, weil es einige Staa- ten zu politisch kaum durchhaltbarer Austerität zwinge.

Bereits jetzt sind einige Regierun- gen in der Euro-Zone unter der Last hoher Arbeitslosenraten, jahrelanger Einschnitte bei den Staatsausgaben, wachsender Ungleichheit und politi- scher Polarisierung reformmüde. Das erschwert eine weitere Flexibilisie- rung der Volkswirtschaften und eine Vollendung des Binnenmarkts. Beides aber braucht die Euro-Zone, damit Divergenzen schwinden, die gemein- same Geldpolitik besser funktioniert und die Wettbewerbsfähigkeit wächst.

Darüber hinaus muss weiter an der Architektur der Währungsunion gear- beitet werden. Hierzu hatte der „Be- richt der vier Präsidenten“ (des Euro- päischen Rates, der EZB, der Europäi- schen Kommission und der Eurogrup- pe) im Jahr 2012 einen wertvollen Beitrag geleistet, der jedoch in den Schubladen verschwand, als sich die Märkte beruhigten.  Zu den Maßnah- men, die wieder auf die politische Agenda gehören, zählt die Vollendung der Bankenunion, ein Mechanismus zum Ausgleich zyklischer Divergen- zen, eine Weiterentwicklung des ESM

zu einem Europäischen Währungs- fonds und eine Stärkung der demokra- tischen Legitimation von Euro-Zonen- relevanten Entscheidungen.

Fast fünf Jahre nach Ausbruch der Schuldenkrise mangelt es keineswegs an Ideen für eine Weiterentwicklung der Euro-Zone. Was fehlt, ist politi- scher Führungs-

wille und die Vor- stellungskraft, wie ein Kompromiss zwischen nach wie vor sehr unter-

schiedlichen nationalen Narrativen zu Krisenursachen und „richtiger“

Politik aussehen kann.

Deutschland hat mit der neuen Schwäche Frankreichs relativ weiter an Gewicht gewonnen. Was ihm fehlt, ist ein starker Partner, der alternative Sichtweisen einbringt, Kompromisse mit gestaltet und hilft, Unterstützung zu mobilisieren. Es scheint, als warte Europa auf den nächsten Knall, um zu Reform-Sinnen zu kommen und den nächsten, wichtigen Integrations- schritt zu gehen. Die schleichende Erosion der politischen, ökonomi- schen und sozialen Stabilität ist beun- ruhigend, weil sie die Erneuerungs- fähigkeit der EU weiter untergräbt.

Mehr denn je sind daher von allen, die Europa stärken wollen, rascher Handlungswille, Weitsicht und Kom- promissfähigkeit gefragt.

Dr. Daniela Schwarzer ist Forschungsdirektorin des German Marshall Fund und leitet zudem das Europaprogramm des GMF.

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