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Immanuel Kant: Vorrede zur Anthropologie in pragmatischer Hinsicht

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Academic year: 2021

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Immanuel Kant (1724-1804) war ein deutscher Philosoph der Aufklärung.

Kants berühmte Grundfragen der Philosophie „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?“ lassen sich nach Auskunft des Philosophen auf eine vierte Frage beziehen, in der sie gleichsam kulminieren: Was ist der Mensch?

Kant veröffentlichte seine „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht“ im Jahre 1798. Sie ging aus Vorlesungen hervor, die Kant etliche Jahrzehnte an der Universität in Königsberg gehalten hatte.

Immanuel Kant: Vorrede zur Anthropologie in pragmatischer Hinsicht Alle Fortschritte in der Kultur, wodurch der Mensch seine Schule macht, haben das Ziel, diese erworbenen Kenntnisse und Geschicklichkeiten zum Gebrauch für die Welt anzuwenden; aber der wichtigste Gegenstand in derselben, auf den er jene verwenden kann, ist der Mensch: weil er sein eigener letzter Zweck ist. – Ihn also seiner Spezies nach als mit Vernunft begabtes Erdwesen zu erkennen, verdient besonders Weltkenntnis 5

genannt zu werden, ob er gleich nur einen Teil der Erdgeschöpfe ausmacht.

Eine Lehre von der Kenntnis des Menschen, systematisch abgefasst (Anthropologie), kann es entweder in physiologischer oder in pragmatischer Hinsicht sein. – Die physiologische Menschenkenntnis geht auf die Erforschung dessen, was die Natur aus dem Menschen macht, die pragmatische auf das, was er als frei handelndes Wesen aus sich selber macht 10

oder machen kann und soll […].

Zu den Mitteln der Erweiterung der Anthropologie im Umfange gehört das Reisen, sei es auch nur das Lesen von Reisebeschreibungen. Man muss aber doch vorher zu Hause durch Umgang mit seinen Stadt- oder Landgenossen sich Menschenkenntnis erworben haben, wenn man wissen will, wonach man auswärts suchen solle, um sie in größerem 15

Umfange zu erweitern. Ohne einen solchen Plan (der schon Menschenkenntnis voraussetzt) bleibt der Weltbürger in Ansehung seiner Anthropologie immer sehr eingeschränkt […].

Allen Versuchen aber, zu einer solchen Wissenschaft mit Gründlichkeit zu gelangen, stehen erhebliche, der menschlichen Natur selber anhängende Schwierigkeiten entgegen.

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1. Der Mensch, der es bemerkt, dass man ihn beobachtet und zu erforschen sucht, wird entweder verlegen (geniert) erscheinen, und da kann er sich nicht zeigen, wie er ist; oder verstellt sich, und da will er nicht gekannt sein, wie er ist.

2. Will er auch nur sich selbst erforschen, so kommt er, vornehmlich was seinen 25

Zustand im Affekt betrifft, der alsdann gewöhnlich keine Verstellung zulässt, in eine kritische Lage: nämlich dass, wenn die Triebfedern in Aktion sind, er sich nicht beobachtet, und wenn er sich beobachtet, die Triebfedern ruhen.

3. Ort und Zeitumstände bewirken, wenn sie anhaltend sind, Angewöhnungen, die, wie man sagt, eine andere Natur sind und dem Menschen das Urteil über sich 30

selbst erschweren, wofür er sich halten, vielmehr aber noch, was er aus dem

Anderen, mit dem er in Verkehr ist, sich für einen Begriff machen soll; denn die

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Veränderung der Lage, worein der Mensch durch sein Schicksal gesetzt ist, oder in die er sich auch als Abenteurer selbst setzt, erschweren es der Anthropologie sehr, sie zum Rang einer förmlichen Wissenschaft zu erheben.

5

Text: Kant, Immanuel: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. In: Kant’s gesammelte Schriften. Akademie- Ausgabe, Band VII (AA VII:119 ff.). Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der

Wissenschaften. Reimer Verlag, Berlin 1902.

Arbeitsaufträge:

Hinweis: Sämtliche Aufgaben sind schriftlich auf einem anderen Bogen zu bearbeiten.

1. Lesen Sie den Text „Vorrede zur Anthropologie in pragmatischer Hinsicht“ und markieren Sie Textstellen, die Ihnen wichtig erscheinen.

2. Notieren Sie stichpunktartig, welche Arten von Anthropologie Kant unterscheidet.

3. Kant nennt ein „Mittel“ der Anthropologie, ohne im Detail zu erläutern, inwiefern dieses Mittel dazu befähigt, anthropologische Erkenntnisse zu erlangen. Übernehmen Sie diese Aufgabe: Nennen Sie dieses Mittel und erläutern Sie, worin die „Leistung“ dieses von Kant genannten Mittels besteht.

4. Nennen Sie ein weiteres Mittel bzw. eine Möglichkeit, Erkenntnisse über das Wesen des Menschen zu erlangen und erläutern Sie, worin die Leistung wiederum dieses Mittels bzw. dieser Möglichkeit besteht, etwas über den Menschen zu „verraten“.

5. Kant spricht von drei „Schwierigkeiten“. Nennen Sie diese und notieren Sie je ein

Beispiel, das die jeweilige Schwierigkeit anschaulich macht.

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Immanuel Kant: homo noumenon und homo phaenomenon Der nachfolgende Textauszug stammt aus Kants „Metaphysik der Sitten“ (1797/98). Er stellt Kants Moralphilosophie in ihrer Anwendung dar. Kant stellt Pflichten gegen sich selbst und andere dar und begründet diese in grundsätzlichen Argumentationen.

Der Mensch im System der Natur (homo phaenomenon, animal rationale) ist ein Wesen von geringer Bedeutung und hat mit den übrigen Tieren, als Erzeugnissen des Bodens, einen gemeinen Wert (pretium vulgare). Selbst, dass er vor diesen den Verstand voraushat, und sich selbst Zwecke setzen kann, das gibt ihm doch nur einen äußeren Wert seiner Brauchbarkeit (pretium usus), nämlich eines Menschen vor dem anderen, d. i. ein Preis, als 5

einer Ware […].

Allein der Mensch als Person betrachtet, d. i. als Subjekt einer moralisch-praktischen Vernunft, ist über allen Preis erhaben; denn als ein solcher (homo noumenon) ist er nicht bloß als Mittel zu anderer ihren, ja selbst seinen eigenen Zwecken, sondern als Zweck an sich selbst zu schätzen, d. i. er besitzt eine Würde (einen absoluten inneren Wert), 10

wodurch er allen andern vernünftigen Weltwesen Achtung für ihn abnötigt, sich mit jedem anderen dieser Art messen und auf den Fuß der Gleichheit schätzen kann.

Die Menschheit in seiner Person ist das Objekt der Achtung, die er von jedem anderen Menschen fordern kann; deren er aber auch sich nicht verlustig machen muss [= darf]. Er kann und soll sich also, nach einem kleinen sowohl als großen Maßstabe schätzen, 15

nachdem er sich als Sinnenwesen (seiner tierischen Natur nach), oder als intelligibles Wesen (seiner moralischen Anlage nach) betrachtet. Da er sich aber nicht bloß als Person überhaupt, sondern auch als Mensch, d. i. als eine Person, die Pflichten auf sich hat, die ihm seine eigene Vernunft auferlegt, betrachten muss, so kann seine Geringfähigkeit als Tiermensch dem Bewusstsein seiner Würde als Vernunftmensch nicht Abbruch tun, und 20

er soll die moralische Selbstschätzung in Betracht der letzteren nicht verleugnen […] und diese Selbstschätzung ist Pflicht des Menschen gegen sich selbst […].

Mehr oder weniger kann man diese Pflicht, in Beziehung auf die Würde der Menschheit in uns, mithin auch gegen uns selbst, in folgenden Beispielen kennbar machen. Werdet nicht der Menschen Knechte; – lasst euer Recht nicht ungeahndet von anderen mit Füßen 25

treten. – Macht keine Schulden, für die ihr nicht volle Sicherheit leistet. – Nehmt nicht Wohltaten an, die ihr entbehren könnt, und seid nicht Schmarotzer, oder Schmeichler, oder gar (was freilich nur im Grad von dem Vorigen unterschieden ist) Bettler.

Daher seid wirtschaftlich, damit ihr nicht bettelarm werdet. – Das Klagen und Winseln, selbst das bloße Schreien bei einem körperlichen Schmerz ist euer schon unwert, am 30

meisten, wenn ihr euch bewusst seid, ihn selbst verschuldet zu haben: daher die Veredlung (Abwendung der Schmach) des Todes eines Delinquenten durch die Standhaftigkeit, mit der er stirbt. – Das Hinknien oder Hinwerfen zur Erde, selbst um die Verehrung himmlischer Gegenstände sich dadurch zu versinnlichen, ist der Menschenwürde zuwider, so wie die Anrufung derselben in gegenwärtigen Bildern.

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Text: Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten. In: Kant’s gesammelte Schriften. Akademie-Ausgabe, Band VI (AA VI:434–436). Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Reimer Verlag, Berlin 1902.

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Arbeitsaufträge:

Hinweis: Sämtliche Aufgaben sind schriftlich auf einem anderen Bogen zu bearbeiten.

1. Lesen Sie den Text „homo noumenon und homo phaenomenon“ und markieren Sie Textstellen, die Ihnen wichtig erscheinen.

2. Beantworten Sie die nachfolgenden Leitfragen zum Text in Stichpunkten.

a) Wie charakterisiert Kant den homo phaenomenon?

b) Inwiefern ist der Mensch eine Ware und hat einen Preis?

c) Wie charakterisiert Kant den homo noumenon?

d) Was bedeutet es, jemanden oder sich selbst „als bloßes Mittel“ zu gebrauchen?

e) Worin besteht die menschliche Würde und was folgt aus ihr?

f) Nennen Sie Beispiele aus dem Text, bei denen die Würde verfehlt wird.

g) Wie sollte das Verhältnis zwischen Tiermensch und Vernunftmensch sein?

h) Welche Pflicht hat der Mensch gegen sich selbst?

i) Was bedeutet Selbstschätzung? Was genau soll geschätzt werden?

j) Wie soll der Mensch nach Kant auf körperlichen Schmerz reagieren?

3. Ausgehend von dem obigen Textausschnitt: Verfassen Sie einen kurzen Text aus Sicht Kants, indem Sie die Frage „Ist es angemessen, prominenten Personen große Aufmerksamkeit

zukommen zu lassen? Oder etwas salopp ausgedrückt: Darf man prominente Personen

anhimmeln?“ mit Entschlossenheit beantworten. Verweisen Sie auf die entscheidende Textstelle,

aus der Sie die Sicht Kants ableiten können.

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Immanuel Kant: Von der ursprünglichen Anlage zum Guten

In seiner Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ (1792/93) legt Kant seine Gedanken zu einer auf Moral basierenden Religion bzw. Moraltheologie dar. Dabei kommt er auch auf bestimmte anthropologische Bestimmungen zu sprechen.

Wir können sie, in Beziehung auf ihren Zweck, füglich auf drei Klassen, als Elemente der Bestimmung des Menschen, bringen:

1. Die Anlage für die Tierheit des Menschen, als eines lebenden;

2. Für die Menschheit desselben, als eines lebenden und zugleich vernünftigen;

3. Für seine Persönlichkeit, als eines vernünftigen und zugleich der Zurechnung fähigen 5

Wesens.

1. Die Anlage für die Tierheit im Menschen kann man unter den allgemeinen Titel der physischen und bloß mechanischen Selbstliebe, d.i. einer solchen bringen, wozu nicht Vernunft erfordert wird. Sie ist dreifach: erstlich zur Erhaltung seiner selbst; zweitens zur Fortpflanzung seiner Art, durch den Trieb zum Geschlecht und zur Erhaltung dessen, was durch Vermischung 10

mit demselben erzeugt wird; drittens zur Gemeinschaft mit andern Menschen, d.i. der Trieb zur Gesellschaft. – Auf sie können allerlei Laster gepfropft werden […]. Sie können Laster der Rohigkeit der Natur heißen und werden in ihrer höchsten Abweichung vom Naturzwecke viehische Laster der Völlerei, der Wollust und der wilden Gesetzlosigkeit (im Verhältnisse zu andern Menschen) genannt.

15

2. Die Anlagen für die Menschheit können auf den allgemeinen Titel der zwar physischen, aber doch vergleichenden Selbstliebe (wozu Vernunft erfordert wird) gebracht werden: sich nämlich nur in Vergleichung mit andern als glücklich oder unglücklich zu beurteilen. Von ihr rührt die Neigung her, sich in der Meinung anderer einen Wert zu verschaffen; und zwar ursprünglich bloß den der Gleichheit: keinem über sich Überlegenheit zu verstatten, mit einer beständigen 20

Besorgnis verbunden, dass andere danach streben möchten; woraus nachgerade eine ungerechte Begierde entspringt, sie sich über andere zu erwerben […]. Die Laster, die auf diese Neigung gepfropft werden, können daher auch Laster der Kultur heißen; und werden im höchsten Grade ihrer Bösartigkeit […], z.B. im Neide, in der Undankbarkeit, der Schadenfreude, usw., teuflische Laster genannt.

25

3. Die Anlage für die Persönlichkeit ist die Empfänglichkeit der Achtung für das moralische Gesetz, als einer für sich hinreichenden Triebfeder der Willkür. Die Empfänglichkeit der bloßen Achtung für das moralische Gesetz in uns wäre das moralische Gefühl, welches für sich noch nicht einen Zweck der Naturanlage ausmacht, sondern nur, sofern es Triebfeder der Willkür ist […], worauf schlechterdings nichts Böses gepfropft werden kann […].

30

Text: Kant, Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. In: Kant’s gesammelte Schriften.

Akademie-Ausgabe, Band VI (AA VI:26–28). Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Reimer Verlag, Berlin 1902.

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Arbeitsaufträge:

1. Lesen Sie den Text „Von der ursprünglichen Anlage zum Guten“ und markieren Sie Textstellen, die Ihnen wichtig erscheinen.

2. Benennen und erläutern Sie die drei Anlagen im Menschen und die aus ihnen resultierenden Laster. Verdeutlichen Sie dabei auch, inwiefern es sich um Anlagen zum Guten handelt.

3. Zeigen Sie anhand von Beispielen auf, worin der Zweck der jeweiligen Anlagen besteht und wie dieser durch die genannten Laster verfehlt werden kann.

4. Kant schreibt: „Von ihr rührt die Neigung her, sich in der Meinung anderer einen Wert zu

verschaffen, […]“. Verfassen Sie eine kurze (5-7 Sätze) philosophische Reflexion zu diesem

Phänomen. Als mögliche Schwerpunkte wären denkbar: Nutzen/Vorteile dieses

Phänomens; Gefahren/Nachteile dieses Phänomens; Ursachen dieses Phänomens, etc.

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Immanuel Kant: Der Mensch ist von Natur aus böse

In seiner Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ (1792/93) legt Kant seine Gedanken zu einer auf Moral basierenden Religion bzw. Moraltheologie dar. Im Zuge dessen entwickelt er auch seine These vom radikal Bösen in der menschlichen Natur.

Der Satz: Der Mensch ist böse, kann […] nichts anders sagen wollen als: Er ist sich des moralischen Gesetzes bewusst und hat doch die (gelegentliche) Abweichung von demselben in seine Maxime aufgenommen. Er ist von Natur böse, heißt so viel als: Dieses gilt von ihm in seiner Gattung betrachtet; nicht als ob solche Qualität aus seinem Gattungsbegriffe (dem eines Menschen überhaupt) könne gefolgert werden (denn alsdann wäre sie notwendig), sondern er 5

kann nach dem, wie man ihn durch Erfahrung kennt, nicht anders beurteilt werden, oder man kann es als subjektiv notwendig in jedem, auch dem besten Menschen voraussetzen.

Da dieser Hang nun selbst als moralisch böse, mithin nicht als Naturanlage, sondern als etwas, was dem Menschen zugerechnet werden kann, betrachtet werden kann […], so werden wir diesen einen natürlichen Hang zum Bösen, und da er doch immer selbstverschuldet sein muss, 10

ihn selbst ein radikales, angeborenes, (nichtsdestoweniger aber uns von uns selbst zugezogenes) Böse in der menschlichen Natur nennen können.

Dass nun ein solcher verderbter Hang im Menschen gewurzelt sein müsse, darüber können wir uns bei der Menge schreiender Beispiele, welche uns die Erfahrung an den Taten der Menschen vor Augen stellt, den förmlichen Beweis ersparen […].

15

Der Mensch (selbst der ärgste) tut, in welchen Maximen es auch sei, auf das moralische Gesetz nicht gleichsam rebellischerweise (mit Aufkündigung des Gehorsams) Verzicht. Dieses dringt sich ihm vielmehr kraft seiner moralischen Anlage unwiderstehlich auf; und wenn keine andere Triebfeder dagegen wirkte, so würde er es auch als hinreichenden Bestimmungsgrund der Willkür in seine oberste Maxime aufnehmen, d.i. er würde moralisch gut sein. Er hängt aber 20

doch auch vermöge seiner gleichfalls schuldlosen Naturanlage an den Triebfedern der Sinnlichkeit und nimmt sie (nach dem subjektiven Prinzip der Selbstliebe) auch in seine Maxime auf. Wenn er diese aber, als für sich allein hinreichend zur Bestimmung der Willkür, in seine Maxime aufnähme, ohne sich ans moralische Gesetz (welches er doch in sich hat) zu kehren, so würde er moralisch böse sein.

25

Da er nun natürlicherweise beide in dieselbe aufnimmt, da er auch jede für sich, wenn sie allein wäre, zur Willensbestimmung hinreichend finden würde: so würde er, wenn der Unterschied der Maximen bloß auf den Unterschied der Triebfedern (der Materie der Maximen), nämlich ob das Gesetz, oder der Sinnenantrieb eine solche abgeben, ankäme, moralisch gut und böse zugleich sein; welches sich […] widerspricht. Also muss der Unterschied, ob der Mensch gut 30

oder böse sei, nicht in dem Unterschiede der Triebfedern, die er in seine Maxime aufnimmt (nicht in dieser ihrer Materie), sondern in der Unterordnung (der Form derselben) liegen:

welche von beiden er zur Bedingung der andern macht.

Folglich ist der Mensch (auch der beste) nur dadurch böse, dass er die sittliche Ordnung der Triebfedern in der Aufnehmung derselben in seine Maximen umkehrt: das moralische Gesetz 35

zwar neben dem der Selbstliebe in dieselbe aufnimmt, da er aber innewird, dass eines neben

dem andern nicht bestehen kann, sondern eines dem andern als seiner obersten Bedingung

untergeordnet werden müsse, er die Triebfeder der Selbstliebe und ihre Neigungen zur

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Bedingung der Befolgung des moralischen Gesetzes macht, da das Letztere vielmehr als die oberste Bedingung der Befriedigung der Ersteren in die allgemeine Maxime der Willkür als alleinige Tribfeder aufgenommen werden sollte.

Text: Kant, Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. In: Kant’s gesammelte Schriften.

Akademie-Ausgabe, Band VI (AA VI:32–33 und 36). Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Reimer Verlag, Berlin 1902.

Arbeitsaufträge:

1. Lesen Sie den Text „Der Mensch ist von Natur aus böse“ und markieren Sie Textstellen, die Ihnen wichtig erscheinen.

2. Geben Sie Kants These, der Mensch sei von Natur aus radikal böse, in eigenen Worten wieder.

3. Erläutern Sie das Zustandekommen des Bösen in der menschlichen Natur.

4. Fertigen Sie zu den Texten „Von der ursprünglichen Anlage zum Guten“ und „Der Mensch ist von Natur aus böse“ eine Strukturskizze an.

Methodenkarte: Wie erstellt man eine Strukturskizze?

Schritt 1: Markieren Sie Schlüsselbegriffe im Text.

Schritt 2: Stellen Sie Beziehungen zwischen Begriffen mithilfe von Symbolen (Pfeilen) dar.

Schritt 3: Fassen Sie die so entstandenen Begriffsnetze zu einer größeren Übersicht zusammen, die den

Gedankengang des Textes widerspiegelt.

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