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Engel, Walther: Profiloberstufe - Fährt der Zug ohne uns ab?

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8 MUSIKDIDAKTISCHES FORUM

- Magazin 12 / 2001

elches Fach könnte bei Lehrer- mangel ohne Not wegfallen?

„Musik!“ schallt es unisono, da ist sich der illustre Chor aus Kultusbürokra- ten, Hochschulrektoren, Stundenplan- machern und öffentlicher Meinung ei- nig. Musik gilt eben im Bewusstsein vieler als das nebensächlichste aller Nebenfächer. Im Gegensatz zu Sport, das seit jeher mit dem Beitrag zur Volksgesundheit begründet wird, fällt vielen Menschen zum Fach Musik nur Anekdotisches aus eigener Schulzeit ein. Da nützt es leider wenig, wenn man auf Ergebnisse von Untersuchun- gen verweist, die – wie etwa die „Ba- stian-Studie“ – zeigen, dass intensiver Musikunterricht in entscheidendem Maße zu Schulerfolg, Entwicklung von Sozialkompetenz, Förderung der In- telligenzentwicklung usw. beitragen kann. Zweifellos ist Musik auch ein Fach mit großen Synergieeffekten in Bezug auf die Kompetenzen, die jüngst in der PISA-Studie eingefordert worden sind.

Der Ruf nach einer Stärkung der soge- nannten Kernfächer ist unüberhörbar.

Dass dieses auf Kosten der ästheti- schen Fächer umgesetzt werden soll, zeigt das Beispiel Hamburg. Hier be- absichtigt die Schulbehörde, Musik an Gymnasien künftig ab der 8. Klasse nur noch als Wahlpflichtfach in Kon- kurrenz zu Kunst oder Darstellendem Spiel anzubieten. Eine von vielen ne- gativen Konsequenzen wird sein, dass der Kreis derjenigen, die Musik in der 11. Klasse anwählen, weiter schrump- fen wird.

Heimlich, still, leise und unbeachtet vom öffentlichen Interesse droht dem Fach Musik aber ein weiterer Schlag, dessen Konsequenzen in ihren Dimen- sionen von vielen KollegInnen noch nicht recht erkannt worden sind. Es geht um die geplanten Veränderun- gen in der gymnasialen Oberstufe.

Neugestaltete Oberstufe und Profiloberstufe

Seit einiger Zeit gibt es Überlegun- gen, durch eine sogenannte Profil- oberstufe die Wahlmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler gravierend

einzuschränken. Die Diskussionen lau- fen bereits auf der Ebene der Kultus- minister-Konferenz (KMK). Bei der Umsetzung sind die einzelnen Bun- desländer unterschiedlich weit. Am Beispiel des Bundeslandes Niedersach- sen sollen die negativen Folgen für das Fach Musik verdeutlicht werden.

Schlechte Chancen für Musik als Leistungsfach Ein von der Kultusministerin Jürgens- Pieper einberufener „Runder Tisch Se- kundarbereich II“ legte im Dezember 2000 einen Abschlussbericht vor. Geht es nach den Empfehlungen dieser Ex- pertenkommisssion, sollen künftig vier bzw. fünf Fächer zu sogenannten Pro- filen zusammengefasst werden. Insge- samt sind fünf Profile angedacht: ein sprachliches, ein mathematisch-natur- wissenschaftliches, ein gesellschafts- wissenschaftliches, ein musisch(!)- künstlerisches und ein Sportprofil. Das Leistungsfach Musik könnte nur noch im Rahmen des musisch-künstlerischen Profils angeboten werden, was aber

Existenz des Faches Musik durch

Pläne zur Profiloberstufe massiv gefährdet

Walther Engel

PROFILOBERSTUFE –

FÄHRT DER ZUG OHNE UNS AB?

W

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9 PROFILOBERSTUFE – FÄHRT DER ZUG OHNE UNS AB?

Arbeitskreis für Schulmusik e.V.

eher eine theoretische Option ist.

Grob gesagt entsprechen die Profile dem, was man in den 60er Jahren, also vor der neugestalteten gymnasialen Oberstufe, als sprachlichen, ma- thematisch-naturwissenschaftli- chen oder musischen Zweig be- zeichnet hat, neu wären die beiden anderen „Zweige“.

Die Profiloberstufe wird u. a.

damit begründet, dass sie das Lernen in Zusammenhängen besser ermögliche. Diese Argu- mentation ist vordergründig: Er- stens bleiben bestimmte Zusam- menhänge durch den Aus- schluss von diversen Fächern ausge- schaltet, zweitens ist ein fächerüber- greifendes Arbeiten auch in einer auf Wahlmöglichkeiten beruhenden Oberstufe möglich.

Profiloberstufe – ein heimliches Sparkonzept?

Der wahre Grund für die Einführung der Profile wird in dem Papier des

„Runden Tisches“ offen dargelegt:

„Das Verhältnis von Individualisierung und Obligatorik, also von einer in ei- nem vorgegebenen Rahmen zugelas- senen Wahlfreiheit […] wird sich in Verbindung mit den knappen Res- sourcen in den nächsten Jahren not- wendigerweise in Richtung Obligato- rik verschieben“. (S. 23) Die Gleich- schaltung von vier Fächern in einem Profil ermöglicht die Festsetzung von

„Klassen“-Frequenzen, die bei Bedarf unter dem Druck knapper öffentlicher Kassen jederzeit erhöht werden kön- nen.

Man muss kein Prophet sein, um zu er- kennen, dass damit das Leistungsfach Musik in einem musisch-künstleri- schen Profil gestorben ist. Denn es gibt zur Zeit in Niedersachsen wahr- scheinlich keinen einzigen Leistungs- kurs, der die zu erwartende Profilfre- quenz erreicht. An kleinen Oberstufen kommen Musik-Leistungskurse schon jetzt nicht mehr zustande. An ande- ren Schulen laufen Musik-Leistungs- kurse auch mit weniger als der vorge- schriebenen Durchschnittsfrequenz, was durch höhere Teilnehmerzahlen in anderen Kursen aufgefangen wird.

Die Möglichkeit schulübergreifender Musik-Leistungskurse in Kooperation zweier benachbarter Oberstufen wird künftig nicht mehr möglich sein. Auch jahrgangsübergreifende Kurse an ei-

ner Schule, mit denen das Fach Musik niedrige Anwahlen auffängt, fallen dann aus organisatorischen Gründen weg.

Bleibt festzuhalten: Sollte eine Schule ein musisch-künstlerisches Profil an- bieten, dann wird vermutlich eher das Fach Kunst als Leistungsfach überle- ben. Und das mit Sicherheit nur an wenigen großen Oberstufen, denn es ist geplant, dass zumindest das

mathematisch-naturwissenschaftliche Profil (und eventuell auch das sprach- liche) auf jeden Fall angeboten wer- den muss, bevor überhaupt andere Profile eingerichtet werden dürfen.

Sollten sich Schulen für weitere als die obligatorischen Profile entscheiden, dann haben es die künstlerischen Fächer besonders schwer. Schließlich geht es bei den Entscheidungen der Gesamtkonferenzen immer um Mehr- heitsvoten, und Musiklehrer sind fast immer eine Minderheit.

Musik wird es, falls die Pläne umge- setzt werden, auch nicht mehr als 3.

oder 4. Prüfungsfach geben, da es un- ter Beibehaltung der bestehenden Abiturbedingungen in keiner Kombi- nation von Profilfächern mehr auf- taucht.

Fazit

Mit der Einführung der Profiloberstu- fe wird das Fach Musik in der Sekun- darstufe II zu einem Fach degradiert, das nur noch mit Grundkursen zur Ab- deckung der Pflichtauflagen in Er- scheinung tritt.

Ein kleiner Lichtblick ist, dass auf Grund massiver Proteste die Profil- oberstufe in Niedersachsen noch nicht wie ursprünglich geplant im nächsten Schuljahr eingeführt wird. Aus Nord- rhein-Westfalen hört man, dass die Profiloberstufe vor- erst „auf Eis gelegt“ sei. Den- noch sollte man die Gefahren für das Fach Musik nicht un- terschätzen. Hier ist nicht nur die Arbeitsgemeinschaft aus BDK, BAG Darstellendes Spiel, vds und AfS und die Förderati- on musikpädagogischer Ver- bände gefordert, sondern auch jede Kollegin und jeder Kollege. Die negativen Auswirkungen für den gesamten Musikunterricht – auch Rückwirkungen auf die Sekund- arstufe I – sind vorprogrammiert.

Walther Engel leitet an der integrierten Gesamt- schule Linden die mit ca. 450 Schülern größte gymnasiale Oberstufe in Hannover. Zusammen mit Christoph Walther hat er mit den „Anmer- kungen zur Wahlfreiheit…“ ein Diskussionspa- pier vorgelegt, das im Internet unter:

www.h.de./h/igsl/sek2/wahlfreiheit/thesen.htm abgerufen werden kann.

Das Verhältnis von Individuali- sierung und Obligatorik […]

wird sich in Verbindung mit den

knappen Ressourcen in den

nächsten Jahren notwendiger-

weise in Richtung Obligatorik

verschieben.

(aus dem Abschlussbericht der Expertenkommission zur Neugestaltung der Ober- stufe in Niedersachsen 2000)

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