A1018 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 21⏐⏐22. Mai 2009
P O L I T I K
setzlich Krankenversicherter über private Abrechnungsstellen unzu- lässig ist. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts zumindest, solange es dafür keine gesonderte Regelung im SGB V gibt. Die Entscheidung des Gerichts bezog sich auf die Daten- weitergabe im Fall von Abrechnun- gen nach ambulanten Notfallbe- handlungen im Krankenhaus. Nach Auffassung der KBV-Rechtsexper- ten besteht im Fall von Selektivver- trägen allerdings eine vergleichbare Situation. Deshalb sei die Daten- weiterleitung im Rahmen der HÄV- Verträge so wie bisher praktiziert rechtswidrig.
„Ist das den Versicherten in sol- chen Verträgen bewusst? Mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht“, befand Köhler. „Würde es bei der Ent- scheidung für oder gegen den Bei- tritt zu einem solchen Vertrag eine Rolle spielen? Ich weiß es nicht, aber für mich würde es ganz sicher eine Rolle spielen“, ergänzte er.
Dem Vorhaben, im Rahmen der an- stehenden Novellierung des Arznei- mittelgesetzes noch rasch eine klar- stellende Passage zu § 73 b einzufü- gen, erteilte Köhler eine Absage:
Damit sei das spezielle Schutz- niveau wie bei Krankenkassen und KVen als Körperschaften des öf-
fentlichen Rechts nicht zu gewähr- leisten.
Genau diesen Vorschlag hatte al- lerdings der Hausärzteverband un- terbreitet. Dessen Bundesvorsitzen- der, Ulrich Weigeldt, hatte vorge- schlagen, das Gesetz zu ergänzen und privatwirtschaftliche Abrech- nungswege auf Basis einer schriftli- chen Einwilligung der Patienten zu ermöglichen. Am Rande der Vertre- terversammlung kritisierte er erneut die ablehnende Haltung der KBV dazu: „Die Datensicherheit wird be- nutzt, um unliebsame Verträge zu diskreditieren.“ Ein hohes Daten- schutzniveau sei eine Selbstver- ständlichkeit, stellte Weigeldt klar:
„Gehen Sie davon aus, dass wir nicht so dumm sind, ungesicherte Daten zu verschicken.“
KBV-Chef Köhler wies vor den Delegierten darauf hin, dass es beim Thema Daten noch in ande- rer Hinsicht Nachbesserungsbedarf gebe. „Ein modernes Gesundheits- system braucht Steuerungsdaten, Versorgungsforschung, Qualitäts- darlegung, und es muss mögliche Versorgungsdefizite aufspüren und Evaluationen von besonderen Ver- sorgungsformen vornehmen kön- nen. Wer die Versorgung an der Morbidität ausrichten will, muss wissen, wie diese regional verteilt ist“, betonte er. Das KV-System könne hier Verantwortung über- nehmen, nur: „Wir müssen die dafür notwendigen EDV-Plattfor- men schaffen beziehungsweise be- stehende weiterentwickeln.“ Denn, so fügte er hinzu: „Als Versorgungs- gestalter müssen wir uns positio- nieren und nicht als ewig gestrige Streiter um Honorar und Vertei- lung.“
Die aktuelle Honorarreform und notwendige Veränderungen an der Vergütungssystematik waren denn auch ein wichtiges, aber nicht das beherrschende Thema der Vertre- terversammlung. Köhler wies un- missverständlich darauf hin, dass die Politik endlich erkennen müsse, dass begrenzte Mittel für die ambu- lante Versorgung und ein im Prin- zip unbegrenztes Leistungsver- sprechen nicht zueinanderpassten.
Vom vorgesehenen Leistungsum- fang hänge ab, „welche Vergü- Beifall für den Vor-
stand: Das Strate- gie- und Forde- rungspapier stieß auf große Zustim- mung.
KOSTENERSTATTUNG IST UNBELIEBT
Wer über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) abgesichert ist, sollte nach den Vorstellun- gen der KBV einen Kostenerstattungstarif wählen können. Bei den GKV-Versicherten ist das Interes- se daran allerdings bislang gering. Das hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen kürzlich mitgeteilt. Derzeit haben sich weniger als 0,2 Prozent aller Versicherten dafür entschieden, das heißt: gerade einmal 132 000 von mehr als 70 Millionen.
Bis April 2007 konnten GKV-Versicherte aus- schließlich für alle Leistungsbereiche die Kosten- erstattung wählen. Nur für freiwillig Versicherte galten Ausnahmen. Diese Auflage schrecke viele ab, monierten Kritiker damals. Als wenig förder- lich wurde seinerzeit auch die Pflichtberatung von GKV-Versicherten zur Kostenerstattung durch ihre Kasse angesehen.
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) wurde den Versicherten dann einge- räumt, sich lediglich in einzelnen Bereichen für die Kostenerstattung zu entscheiden, also diese beispielsweise auf die ambulante ärztliche Ver- sorgung zu beschränken.
An der Nachfrage hat dies kaum etwas geän- dert: Wählten vor dem GKV-WSG 0,17 Prozent der Versicherten die Option Kostenerstattung, waren es danach 0,19 Prozent. Die meisten Wechsler waren bei den Ersatzkassen (0,34 Prozent) bezie- hungsweise bei den Betriebskrankenkassen (0,30 Prozent) versichert. Dabei überwiegt die Gruppe der über 60-Jährigen. Als Grund vermuten die Kassen, dass Ältere ihrer Gesundheitsversorgung eine höhere Präferenz einräumen und, sofern sie finanziell gut gestellt sind, eher bereit zu Zuzah- lungen sind als jüngere GKV-Versicherte. Rie