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Archiv "Biopatente: Schürfrechte am menschlichen Erbgut" (27.07.2001)

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arf es Patente auf menschliches Le- ben geben? Die Wirklichkeit hat die ethisch-moralische Diskussion längst überholt. Nach transgenen Bakte- rien und genetisch veränderten Mäusen werden zunehmend auch Gensequenzen des Menschen patentiert. Gegen diese Entwicklung laufen Kirchen, Umwelt- schutz- und Menschenrechtsorganisatio- nen Sturm. Zum ersten Mal seit der Ab- schaffung der Sklaverei würden wieder Eigentumsrechte am Menschen oder an Teilen des Menschen erhoben, lautet ein Vorwurf. Der unveräußerliche Schatz des menschlichen Genoms dürfe aber nicht monopolisiert und kommerziali- siert werden. „No patents on life!“ lautet die idealistische Parole.

Auch der Protest der Bundesärzte- kammer fiel deutlich aus. Vor der ersten Beratung des anhängigen Biopatentge- setzes forderte sie gemeinsam mit Greenpeace den Widerruf eines Patents des Europäischen Patentamts (EPA) auf das Brustkrebsgen BRCA1. „Das Wissen um die menschliche Anatomie und das Genom des Menschen sind All- gemeingut und keine Handelsware“, sagte Kammerpräsident Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe und begründete so die Kritik der Ärzteschaft. In deren Na- men appellierte er, „die in der Richtlinie der Europäischen Union 98/44/EG zum Schutz biotechnologischer Erfindungen vorgesehene Patentierbarkeit von Be- standteilen des menschlichen Körpers einschließlich der Gene nicht in deut- sches Recht zu überführen“. Es sei die Patenterteilung auf das Brustkrebsgen eine „außerordentlich Besorgnis erre- gende Entwicklung“ und „die Patentie- rung von Genen generell zu verbieten“.

„Wahrscheinlich werden durch das Patent die Diagnoseverfahren für Brustkrebs teurer“, vermutet Dr. med.

vet. Christoph Then von Greenpeace.

Das amerikanische Unternehmen My- riad, dem das Patent im Mai erteilt wur-

de, habe damit Verwertungsrechte er- worben, die weit über eine Anwendung zur Brustkrebsdiagnostik hinausgehen.

Das zeige, „wie unsinnig Patente auf Gene auch aus wissenschaftlicher Sicht sind“, betont Then. Denn BRCA1 habe vermutlich ebenso bei Prostata- und Kolonkarzinom eine Funktion, Krank- heiten, die die Firma nie erforscht habe.

Gleichwohl könne Myriad aufgrund des Patents von anderen Forschern jetzt Li- zenzgebühren fordern.

Umfang des Patentschutzes

Die Vergabe von Stoffpatenten auf Ge- ne, wie in der Richtlinie verankert, kri- tisiert auch Prof. Dr. rer. nat. Ernst- Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Wichtige Funktionen und viele zusätz- lich kodierte Proteine eines Gens seien zum Zeitpunkt seiner Patentierung häufig noch nicht erkannt. Marktrechte und Lizenzansprüche des Patentinha- bers könnten die Erforschung neuer Medikamente und Diagnoseverfahren erheblich erschweren. Dafür gibt Win- nacker ein weiteres Beispiel: Bei der Erteilung eines Patents für die Firma HGS auf das Gen des CCR5-Rezeptors sei die Bedeutung des Rezeptors für das Eindringen von HI-Viren in menschli- che Zellen noch nicht bekannt gewesen.

Nun sähen sich Wissenschaftler bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Medikamente gegen Aids auf der Basis dieses Rezeptors mit Lizenzansprüchen von HGS konfrontiert. Auch aus die- sem Grund würde Winnacker weniger weit gehende Verfahrenspatente bevor- zugen (siehe Textkasten).

Indes deuten viele Zeichen darauf hin, dass die EU-Richtlinie wie geplant und weitgehend unverändert in Deutschland übernommen wird. Kla- gen dagegen scheinen wenig erfolgver-

sprechend. Die Niederlande begründen ihre Nichtigkeitsklage am Europäi- schen Gerichtshof unter anderem da- mit, dass die Richtlinie nicht mit EU- Recht vereinbar sei und die ethischen Standards der Gemeinschaft missachte.

Italien und Norwegen haben sich dem angeschlossen. In einer Stellungnahme gab der Generalanwalt beim Europäi- schen Gerichtshof am 14. Juni jedoch ein eindeutiges Votum zugunsten der Richtlinie. Am selben Tag appellierte der Verband Forschender Arzneimit- telhersteller (VFA) an den Bundestag, das Gesetz jetzt zügig zu installieren.

„Wir haben schon wertvolle Zeit ver- streichen lassen. Die Umsetzung der Biopatentrichtlinie ist ein wichtiger Grundstein für die Entwicklung des Biotechnologie-Standortes Deutsch- land und den therapeutischen Fort- schritt für die Patienten“, erklärte VFA-Sprecherin Cornelia Yzer.

„No patents – no cure“ stand auf den Transparenten von Patientenorganisa-

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 30½½½½27. Juli 2001 AA1923

Biopatente

Schürfrechte am menschlichen Erbgut

Trotz massiver Kritik will die Justizministerin an Genpatenten festhalten.

Patente und menschliche Gene

Ein Patent ist ein Ausschließlichkeitsrecht zur ge- werblichen Nutzung einer technischen Erfindung.

Patentschutz kann für neue Stoffe (Stoffschutz, so genanntes Stoffpatent), neue Verfahren (Verfah- rensschutz, Verfahrenspatent) und neue Verwen- dungen (Verwendungsschutz) beantragt werden.

Ein Patent verbietet Dritten die wirtschaftliche Nut- zung der Erfindung für einen Zeitraum von 20 Jah- ren, gerechnet ab dem Anmeldetag.

Artikel 5 der EU-Biopatentrichtlinie empfiehlt, dass DNA-Sequenzen, obwohl per se nicht patent- fähig, dann eine schutzfähige Erfindung darstellen, wenn sie mittels eines technischen Verfahrens zu- gänglich gemacht werden. Die Bundesregierung hält sich in § 1a (2) des Gesetzentwurfs an diese Empfehlung („Ein isolierter Bestandteil des mensch- lichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, kann eine patentierbare Erfindung sein, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem Auf- bau eines natürlichen Bestandteils identisch ist“).

Textkasten

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tionen, als 1998 die EU-Biopatentricht- linie auf den Weg gebracht wurde. Spä- ter wurde die Unabhängigkeit dieser Verbände infrage gestellt, als finanziel- le Zuwendungen durch einen amerika- nischen Pharmakonzern publik wur- den. Aber ihre Unterstützung der Richtlinie wird wohl auch gespeist von der Hoffnung auf besseren Rechts- schutz und materielle Anreize für For- schungsinvestitionen.

Stephan Kruip, Sprecher der Muko- viszidose e. V. und selbst von der Stoff- wechselkrankheit betroffen, bezweifelt solche Wirkungen. Er sorge sich vor al- lem, „dass die Anmeldung von Paten- ten zum Zweck der Aneignung oder

Monopolisierung dazu führen kann, dass dieses Gen für die öffentliche For- schung oder die Entwicklung anderer hilfreicher Therapien oder Produkte wirtschaftlich uninteressant wird“.

Womöglich könnten Patienten mit be- stimmten Erbkrankheiten durch Paten- te von einer einzigen Firma völlig ab- hängig werden.

Forscher als Unternehmer

Befürworter der Richtlinie 98/44/EG weisen darauf hin, dass die Forschung an einer Gensequenz durch deren Pa- tentierung nicht beeinträchtigt werde.

Faktisch scheint die Sequenz aber nach Vergabe der Verwertungsrechte häufig ihren wissenschaftlichen Reiz zu verlie- ren. „Die Forschung ist nur dann ausge-

schlossen, wenn sie ein geschäftliches Ziel verfolgt“, betont George Poste, Vorstandschef der US-Firma Health Technology Networks. Das Problem bestehe eher darin, dass immer mehr Forscher auch Unternehmer seien.

„Der Patentschutz ist für jede Firma von existenzieller Bedeutung“, sagt Pe- ter Stadler, Geschäftsführer des Bio- tech-Unternehmens Artemis. Um Geld von Banken und Venture-Capital-Ge- sellschaften zu bekommen, werde ver- langt, dass das geistige Eigentum durch leistungsfähige Patente abgesichert sei.

Viele Forscher versuchen offenbar, ihren Untersuchungsgegenstand vor der Konkurrenz geheim zu halten be- ziehungsweise so schnell wie möglich ein Patent zu beantragen. Steven Ro- senberg vom Nationalen Krebsinstitut der USA be- merkt dazu: „Die Zurück- haltung von Informatio- nen, um zukünftige Pa- tentrechte zu schützen, wird oft als Grundlage dafür angesehen, dass die industriellen Investoren den Finanzhahn nicht zu- drehen.“ Auch die For- schung an den Hochschu- len sei von dieser Behinde- rung im Wissensaustausch zunehmend betroffen.

Als Zeichen wirtschaft- licher Interessenskonflikte wertet der Münchner Patentanwalt Joa- chim Feldges den Anstieg patentrechtli- cher Auseinandersetzungen. Das Un- ternehmen Amgen, das mit Erythro- poetin jährlich fast drei Milliarden DM umsetzte, habe in den 90er-Jahren die Behring-Werke mit einem Patentverlet- zungsstreit aus dem deutschen Markt vertrieben. In diesem Verdrängungs- wettbewerb spielten Stoffpatente eine entscheidende Rolle. „Wer die Angelru- te verkauft, versucht, damit auch noch das Recht auf die Fische zu haben“, cha- rakterisiert Feldges die Situation.

Wettbewerbsverzerrungen durch Global- und Netzpatente, die mehr mit Marktstrategie als mit Innovation zu tun haben, befürchten die meisten Mitglieder der Enquete-Kommission

„Recht und Ethik der modernen Medi- zin“. An dem Gesetzentwurf der Bun-

desregierung lassen sie kein gutes Haar.

„Das Stoffpatent ist kein adäquates In- strument zum Schutz geistigen Eigen- tums bei lebenden Systemen“, heißt es in einer Stellungnahme. „Zwar ist sich die Kommission bewusst, dass die Pa- tentierung einer Erfindung nicht mit ei- ner öffentlichen Erlaubnis gleichgesetzt werden kann, sie anzuwenden und zu vermarkten. Die Sorge erscheint jedoch nicht unbegründet, aus einer erfolgten Patentierung könne sich Druck ent- wickeln, das Patentierte zuzulassen.

Zudem zeigen die immer wieder auftre- tenden Fälle von weit greifenden und ethisch bedenklichen Patentanträgen die Schwierigkeiten, dieses Feld wirk- sam und umfassend zu kontrollieren.“

Eine Anerkennung von Stoffpaten- ten sei nach Ansicht der Enquete-Kom- mission besonders deshalb verfehlt, weil die Funktion von Genen sich ganz wesentlich erst aus der Beziehung zwi- schen Stofflichkeit, Information und Struktur erschließe, zum Beispiel aus der Position der DNA-Sequenz inner- halb der Architektur des Genoms, so- wie aus der Interaktion innerhalb der Zelle beziehungsweise zwischen dem Organismus und der Umwelt. Während die Bedeutung von Genen sich auf ihre Information und Funktion erstrecke, diene aber ihre Stofflichkeit als Legiti- mationsgrund für weitgehende Patent- ansprüche. So werde das klassische Pa- radigma des Stoffpatents ausgehöhlt.

Das technische Verfahren einer Isolie- rung von etwas, was schon vorher da war, könne wohl kaum als eine echte Erfindung bezeichnet werden.

Ein alternatives Votum von einer Min- derheit innerhalb der Enquete-Kommis- sion geht auf die Problematik der Stoff- patente nicht weiter ein. Hier werden vielmehr Vorzüge der Richtlinie hervor- gehoben, zum Beispiel, dass Patentan- meldungen künftig mit einer Funktions- erklärung für eine gewerbliche Anwen- dung ausgestattet sein müssen. Auch sei zu begrüßen, dass die Biopatentrichtlinie auf europäischer Ebene erste Erfolge beim Setzen ethischer Grenzen erreiche.

Der Gesetzentwurf habe „in einer Reihe von Punkten noch keine endgül- tigen Antworten auf die Herausforde- rungen des neuen Technologiebereichs gefunden“, urteilt der Bundesrat in sei- ner Stellungnahme. Noch viele – auch Titelthema des Deutschen Ärzteblattes, Heft 16/2000

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ie ordnungspolitischen Rahmen- bedingungen zur Einführung des flächendeckenden diagnosebezo- genen Vergütungssystems (auf der Ba- sis der australischen Diagnosis Related Groups) gewinnen immer mehr an Konturen. Beim jüngsten Bundeskon- gress des Bundesverbandes Deutscher Privatkrankenanstalten e.V. (BDPK) in Köln und bei der 200. Fachtagung des Arbeitskreises „Krankenhausökonomie“

des Lehrstuhls für Allgemeine Be- triebswirtschaftslehre und für Prü- fungswesen der Universität zu Köln am 28./29. Juni in Köln wurden aus erster Hand von der politischen Führungsebe- ne des Bundesgesundheitsministeriums auf der Basis des Arbeitsentwurfs für ein neues Krankenhausentgeltsystem die Eckpunkte und Zielrichtung des Gesetzgebungsverfahrens erläutert. Ex- perten der Arbeitsgruppe Kranken- hausökonomie diskutierten das Pro und Kontra des neuen Entgeltsystems.

Eine Kehrtwende?

Gudrun Schaich-Walch, die Parlamen- tarische Staatsekretärin im Bundesge- sundheitsministerium, SPD-MdB aus Frankfurt/Main, bezeichnete die Ein- führung des neuen Fallpauschalsystems als eine Kehrtwende in der Kranken- hauspolitik. Nach Jahrzehnten einer

„einfallslosen Kostendämpfung mit star- ker fiskalischer Orientierung“ und mit der Grundlohnanpassung als zentralem Maßstab und gedeckelten Budgets werde jetzt eine Umorientierung einge- leitet. Im Krankenhaussektor würden die Weichen auf mehr Wettbewerb, Transparenz, Steuerungseffizienz und Wirtschaftlichkeit gestellt. Allerdings müssten geänderte Versorgungsstruk-

turen und das neue Entgeltsystem An- reize einbauen, die auch die Finan- zierungsaspekte berücksichtigen, ohne dass dabei medizinische Notwendigkei- ten, Versorgungsbedürfnisse und das Vertrauensverhältnis von Arzt und Pa- tient zu kurz kommen. Wenn vorschnell Krankenhausmanager meinten, es sei die pure Marktwirtschaft eingeläutet und es käme mehr Geld ins System, so sei dies eine Illusion. Tatsächlich würde die Selbstverwaltung bei der Kostendämp- fung in die Pflicht genommen – auch bei der Vorbereitung, Ausfüllung und Um- setzung des neuen Entgeltsystems. Künf- tig sollen die Krankenhausleistungen kostengerecht in „Pauschalpreisen“ ab- gebildet werden. In der letzten Ausbau- stufe sollen Festpreise für gleiche Lei- stungen bundesweit zum Zuge kom- men. Mithin soll die bisherige Entkop- pelung von erbrachter Leistung und Vergütung passé sein. Der 1988 in Lahn- stein begonnene Weg der Abkehr von der reinen Selbstkostendeckung hin zu Leistungsentgelten soll auf der Basis des DRG-Abrechnungssystems konsequent fortgesetzt werden. Die Devise: Das Geld soll künftig der Leistung folgen.

Qualitätssicherung und Mengensteue- rung sind umso mehr erforderlich, als das neue Entgeltsystem die Spezialisie- rung der Krankenhausmedizin begün- stigt, die akutstationäre Phase tenden- ziell verkürzt und ein Suchprozess zur Optimierung des vorgehaltenen Lei- stungsspektrums ausgelöst wird.

Die Experten waren sich einig dar- über, dass es Leistungsverschiebungen zwischen den einzelnen Sektoren und einer Konzentration auf die tatsächlich stationär zu versorgenden Krankheits- fälle geben wird – mit der Folge, dass ein Druck auf den Sektor der ambulan- ten ärztlichen Versorgung, die Rehabi- A

A1926 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 30½½½½27. Juli 2001

ethische – Fragen seien offen. Auf eu- ropäischer Ebene müsse neu verhan- delt werden, insbesondere über Voraus- setzungen und Reichweite des Stoffpa- tents. Lediglich erfundene Veränderun- gen am „biologischen Material“ sollten für die Patentierung zugelassen wer- den, und ein Patentschutz ausschließ- lich in der Trias Gen, Funktion und ge- werblicher Anwendung gelten. Die bis- herige EU-Richtlinie und mit ihr der deutsche Gesetzentwurf würden we- sentlichen Grundsätzen nicht ausrei- chend gerecht.

Strategische

Patentanmeldungen

Selbst am Europäischen Patentamt in München wird die Vergabe von Stoffpa- tenten offenbar kritisch gesehen. Ulrich Schatz, Hauptdirektor für internationale Rechtsangelegenheiten, glaubt eher,

„dass es dem Patentschutz entspricht, nur genau den spezifischen technischen Beitrag zu schützen, den der Erfinder er- bracht hat“. Allerdings würden immer wieder weitgehende strategische Patent- anmeldungen eingebracht, „eine sehr gefährliche Tendenz“. Der Verdacht lie- ge nah, dass viele Patentanmelder weni- ger im Sinn hätten, neue Therapien oder Diagnoseverfahren zu entwickeln und das Produkt eigener Forschungstätigkeit vor fremdem Zugriff zu schützen, als vielmehr, Claims abzustecken. „Jeder weiß, wo die Mine ist, läuft da rein und holt sich das Seine raus. So etwas halte ich persönlich nicht für besonders krea- tiv oder erfinderisch“, bekennt Schatz.

Trotzdem ist es nach Auffassung von Bundesjustizministerin Herta Däubler- Gmelin richtig, für menschliche Gene auch weiterhin Stoffpatente zu verge- ben. In einem Interview mit der Süd- deutschen Zeitung bekräftigte sie, es ent- spreche der Grundidee des Patentrechts, dass Forscher und Erfinder von der ge- werblichen Verwertung ihrer Erfindung profitieren sollen. Dies stelle einen An- reiz für die Forschung dar. Die europäi- sche Biopatentrichtlinie sei zu begrüßen, weil sie Rechtssicherheit schaffe, ein Verbot von in ethischer Hinsicht un- zulässigen Patenten formuliere und durch das Veröffentlichungsgebot für Transparenz sorge. Dr. med. Peter Bartmann

Krankenhäuser

Mehr Wirtschaftlichkeit durch Festpreise

Experten-Konferenzen diskutierten die Auswirkungen

des DRG-bezogenen Entgeltsystems.

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litation und die Pflege erfolgt. Das Ganze dürfe aber nicht dazu verleiten, dass im Sinne eines Null-Summen- Spiels volkswirtschaftlich nichts gewon- nen wird und zehn Jahre nach kräfte- zehrender Umstellung und Einführung des neuen DRG-Systems festgestellt werden muss, dass sich im Prinzip nichts geändert hat. Dann hätte man sich von vornherein den gesamten Kraftakt und die Umstellungstechnologie sparen können, so Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl W. Lauterbach, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klini- sche Epidemiologie der Universität zu Köln, Mitglied des Sachverständigenra- tes für die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen, vor dem Kölner Kran- kenhaus-Ökonomie-Symposion unter Leitung von Prof. Dr. rer. pol. Günter Sieben, ehemaligem Ordinarius für All- gemeine Betriebswirtschaftlehre und früherem Direktor des Treuhandinsti- tuts der Kölner Universität.

Das Bundesgesundheitsministerium ist davon überzeugt: In der Kranken- hauswirtschaft (Gesamtumsatz: mehr als 110 Milliarden DM jährlich) sind auch mit Hilfe des Finanzierungssy- stems noch Rationalisierungsreserven zu mobilisieren. Es sei aber absehbar, dass die jetzt schon wirtschaftlich arbei- tenden, in ihrer Kostenstruktur auf das DRG-System ausgerichteten Kranken- häuser am Markt weiter Boden gutma- chen, wohingegen die schlechter struk- turierten Krankenhäuser und nicht be- darfsnotwendigen Kliniken aus dem Markt ausscheiden und dadurch die flächendeckende, vom Staat zu garan- tierende stationäre Versorgung gefähr- det werden könnte.

Das Bundesgesundheitsministerium will an dem festgelegten Zeit- und Stu- fenplan festhalten. Allerdings könne die budgetneutrale Einführung auf zwei Jahre (2003/2004) ausgedehnt werden.

Das Ende der Konvergenzphase, Ende 2006, soll indes unverändert bleiben.

Die endgültigen ordnungspolitischen Eckpunkte ab dem Jahr 2007 sollen in einem späteren Gesetzgebungsverfah- ren unter Einbeziehung der inzwischen gewonnenen Erfahrungen festgelegt werden. Die unterschiedlichen Kran- kenhausbudgets sollen in drei Stufen an das landeseinheitliche DRG-Preisni- veau jeweils zum 1. Januar der Jahre

2005, 2006 und 2007 angeglichen wer- den. Der Anpassungsprozess soll sich im Rahmen einheitlicher Preise vollzie- hen, auf den das Krankenhaus An- spruch hat. Die Preise können jedoch durch freiwillige Vereinbarung zwischen einem Krankenhaus und den Kranken- kassen unterschritten werden.

2003, also im ersten Jahr des budget- neutralen Umstiegs, sollen die Budgets der Krankenhäuser nach den gleichen Prinzipien wie im Jahr 2002 verhandelt werden. Das sieht der seit 18. Juli vorlie- gende Referentenentwurf des Bundes- gesundheitsministeriums vor. Damit soll gewährleistet werden, dass in Kranken- häusern noch ein angemessener Zeit- raum für notwendige Anpassungsmaß- nahmen bleibt. Bei den Budgetverhand- lungen werden wie bisher die Vorgaben der Bundespflegesatzverordnung zu berücksichtigen sein, also beispielsweise Vorgaben für Änderungen der medizi- nischen Leistungsstruktur und der Fall- zahlen, aber auch der strikte Grundsatz der Beitragssatzstabilität.

Direkte Anknüpfungspunkte im neu- en System sind die jährlichen Preisver- handlungen und die ständige Anpas-

sung der Bewertungsrelationen der ein- zelnen kodierten Abrechnungskomple- xe. Die Vertragsparteien auf Landes- ebene müssen die Basisfallwerte unter Beachtung des Grundsatzes der Bei- tragssatzstabilität prospektiv vereinba- ren. Zusätzlich sind die allgemeinen Kostenentwicklungen, die Verweildau- erverkürzung und die Möglichkeiten, Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöp- fen, zu berücksichtigen.

Leistungsbezug

Mit der Auflage, den Basisfallwert für zusätzliche Fälle zu senken, soll sicher- gestellt werden, dass bei steigenden Fall- zahlen lediglich die variablen Kostenbe- standteile bei der Vergütung berücksich- tigt werden. Mithin – so die Konzeption des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) – soll es keine automatische Me- chanik mit floatenden Punktwerten wie beispielsweise im ambulanten ver- tragsärztlichen Sektor geben (wiewohl der Verband der leitenden Kranken- hausärzte Deutschlands solche Wirkun- gen prophezeit).

Der für Krankenhausfra- gen zuständige Referatsleiter im Bundesgesundheitsmini- sterium, Ministerialrat Karl- Heinz Tuschen, sagte vor dem Krankenhaus-Ökonomie- Symposion der Universität zu Köln, es sei gerade ein Kenn- zeichen des neuen Entgeltsy- stems, dass ein Leistungsbe- zug hergestellt wird und durch Änderungen der Bewertungs- relationen das Vergütungsge- füge insgesamt auch unter dem Gebot der Beitragssatz- stabilität im Lot bleibt.

Eine weitere Vorgabe des BMG: Die Vereinbarung der Basisfallwerte auf Landes- ebene muss die Investitionsfi- nanzierung der Länder be- rücksichtigen. In Berlin wird zum Beispiel ein höheres Preis- niveau als in Schleswig-Hol- stein gelten. Damit wird auch auf die Ausgaben der regiona- len Krankenkassen Rücksicht genommen. Sie würden bei bundeseinheitlichen Preisen

Krankenhäuser

Höhere Leistungsdichte

Ergebnisse der amtlichen Statistik

Ende 1999 waren 1 114 000 Personen in den deutschen Kran- kenhäusern hauptamtlich beschäftigt. Dies entspricht einem Personalbestand von 843 500 Vollkräften. Das ist die geringste Zahl der Krankenhausmitarbeiter seit 1991 (1 119 000), dem er- sten Erhebungsjahr der Krankenhausstatistik im vereinten Deutschland. Da verstärkt Teilzeitstellen geschaffen und besetzt wurden, ist die Zahl der Vollkräfte seit 1991 mit minus 3,7 Pro- zent im Vergleich zu den reinen Beschäftigungszahlen (minus 0,5 Prozent) stärker rückläufig. Der größte Anteil des Personals entfiel auf den Pflegedienst (41,1 Prozent), darunter 325 539 Krankenpfleger und -schwestern, 40 514 Kinderkrankenpfleger und -schwestern sowie 24 500 Krankenpflegehelfer und -innen.

Der ärztliche Dienst stellte Ende 1999 mit umgerechnet 108 000 Vollkräften knapp 11 Prozent des Personals (1991: 10 Prozent).

Der Personalbestand der Kinderkrankenpfleger und -schwe- stern hat gegenüber 1991 leicht zugenommen (1999 zu 1991:

+ 2,1 Prozent). Bei den Krankenpflegehelfern und -innen hin- gegen gingen die Mitarbeiterzahlen um 24,2 Prozent zurück.

Bei den qualifizierten Krankenpflegern und Krankenschwe- stern gab es ein Plus von 15 Prozent.

Im Jahr 1999 wurden 16,3 Millionen Patienten in Kranken- häusern behandelt, 17 Prozent mehr als 1991. Die durch- schnittliche Verweildauer nahm von 14,6 Tagen auf 10,4 Ta-

ge (minus 29 Prozent) ab.

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ohne Anpassungsmöglichkeit in den kostengünstigeren Regionen mit höhe- ren Ausgaben belastet. Langfristig sol- len aber möglichst bundeseinheitliche Preise erzielt werden. Dies fordert auch der Privatkrankenanstalten-Bundes- verband. Die Selbstverwaltung wird ge- setzlich verpflichtet, bei Fallpauschalen mit einer auffälligen Mengenentwick- lung die Bewertungsrelationen zu sen- ken. Zwischen Krankenhaus und Kran- kenkassen wird weiterhin ein Erlösbud- get (Mengenvolumen) vereinbart. Da- bei wird die gegenüber dem Vorjah- resbudget zusätzlich vereinbarte Lei- stungsmenge über den Angleichungs- mechanismus im Jahr 2005 nur zu einem Drittel des landesweiten Preises und im Jahr 2006 lediglich zur Hälfte des lan- desweiten Preises berücksichtigt.

Über das vereinbarte Erlösvolumen hinaus erzielte Mehrerlöse werden im Jahr 2004 nur mit 25 Prozent vergü- tet, im Jahr 2005 lediglich in Höhe der zusätzlich angefallenen Sachkosten (Mehrerlös-Ausgleichsregelung). Um einer zu erwartenden vermehrten Ab- rechnung höherwertiger Fallpauscha- len durch veränderte Kodierung vorzu- beugen (Upgrading-Effekte), wird ge- setzlich vorgeschrieben, solche Effekte bei der jährlichen Anpassung des Ba- sisfallwertes gezielt zu berücksichtigen (§ 10 Abs. 1 Krankenhausentgeltver- ordnung – E) sowie über die vorgesehe- ne Überprüfung der Kodierung von Dia- gnosen und Prozeduren (§ 17 c Kran- kenhausfinanzierungsgesetz).

Mengensteuerung und Qualität

Darüber hinaus ist es erforderlich, nicht notwendige Leistungen durch gezielte Qualitätssicherungsmaßnahmen (medi- zinische Leitlinien) bei mengenanfäl- ligen Leistungen sowie durch konse- quente Fallbelegungskontrollen durch den Medizinischen Dienst der Kran- kenkassen (MDK) – einschließlich fi- nanzieller Sanktionen bei festgestellten Verstößen – zu vermeiden. Kranken- kassen beziehungsweise der MDK sol- len Kodierungen und Rechnungen schnell kontrollieren dürfen. Für auf- wendige Leistungen ist außerdem vor- gesehen, dass diese nur erbracht wer-

den können, wenn eine Mindestanzahl an Eingriffen nachgewiesen wird, um so einen Mindeststandard an Qualität und Routine zu garantieren. Die Kranken- häuser sollen verpflichtet werden, strukturierte Qualitätsberichte regel- mäßig zu veröffentlichen und diese auch Versicherten auf Anfrage zugäng- lich zu machen, so Staatssekretärin Schaich-Walch vor dem BDPK-Bun- deskongress.

An die Adresse der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft e.V. (DKG) richte- te die Staatssekretärin die Warnung:

„Wer bremst, bremst sich selbst aus.“

Der Weg der Leistungsorientierung und Transparenz sei unumkehrbar. Wer jetzt auf Zeit spiele und Bearbeitungs- termine auf Selbstverwaltungsebene ver- schleppe, setze sich selbst ins Unrecht und rationalisiere mit eigenem Zutun versorgungsnotwendige Krankenhäuser und Arbeitsplätze weg.

Der Hauptgeschäftsführer der DKG, Jörg Robbers, betonte vor dem Kran- kenhaussymposion, dass sich ein konse- quent auf marktwirtschaftliche Struk- turen ausgerichtetes Festpreissystem nicht vereinbaren ließe mit den gelten- den Rahmenbedingungen einer sekto- ralen Budgetdeckelung bei strikter Be- achtung des Postulats der Beitragssatz- stabilität, der Letztentscheidung und Aufsicht der Länder und einer mehr oder weniger straffen Krankenhaus- Standortplanung.

Eine weitere einmütig erhobene For- derung: Das DRG-System aus Australi- en müsse zunächst unter geschützten Bedingungen eingeführt und getestet werden, mit der Möglichkeit zu korri- gieren und nachzujustieren. Eine zen- trale Frage sei die Ausformung der Qualitätssicherung und anderer Regu- lative.

Die entscheidende Weichenstellung erwarten die Krankenhausträger spä- testens für das Jahr 2007, zu einem Zeitpunkt, zu dem frühestens nach Schätzungen der DKG die DRG-ba- sierten Fallpauschalen im Routine-Ein- satz sind und die Grundsatzentschei- dung für die Umstellung auf Monistik in der Klinikfinanzierung gestellt wer- den müsse.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt po- chen die Länder noch auf dualistische Finanzierung, die angestammten Kom-

petenzen bei der Aufsicht über die Krankenhäuser und die Letztverant- wortung bei der Klinikfinanzierung.

Ein wesentliches Problem bei der Re- formumstellung ist es, so die Prognosen von Lauterbach, die Mengen prospek- tiv zu steuern und zu vereinbaren.

Als Mindeststandards und Beispiele für Strukturvorgaben empfahl der Köl- ner Wissenschaftler: Orientierung der Behandlung an wissenschaftlicher Evi- denz (medizinische Leitlinien) und eine regelmäßige Weiter- und Fortbildung für Ärzte.

Integration notwendig

Ein entscheidender Unterschied bei der Implementierung des DRG-Systems in den USA ab 1983 und dem deutschen Krankenhauswesen: In den USA wur- de das DRG-System sektorenübergrei- fend angewendet, das deutsche System dagegen durch eine relativ starre Ab- schottung des ambulanten vom sta- tionären Sektor gekennzeichnet. Die- ser Nachteil ist auch durch die mit der Gesundheitsreform 2000 verankerte In- tegrationsversorgung bisher nicht be- seitigt worden.

Lauterbach sagte vor dem Symposi- um der Universität zu Köln, das lei- stungsbezogene Vergütungssystem im Krankenhaus könne nicht funktionie- ren, wenn auch vor- und nachgelagerte Systeme (ambulante Versorgung/Reha- bilitation und Pflege) nicht einbezogen würden. Die für das Jahr 2003 avisierte Gesundheitsreform müsse deshalb die Verzahnung und Integration in den Mit- telpunkt stellen. Dabei müssten sek- torenübergreifende Vergütungssysteme zum Zuge kommen, zumindest müssten die Vergütungssysteme ambulant/statio- när harmonisiert werden. Auch könn- ten die Krankenhäuser für die ambu- lante personenbezogene Versorgung ge- öffnet werden. Dies gelte insbesondere für den Sektor der Subspezialisierung und bestimmte Indikationsgebiete, wo es einen Versorgungsmangel gibt. Um- gekehrt könnten niedergelassene Fach- ärzte im Krankenhaus berufstätig wer- den und die dortige vorgehaltene Infra- struktur gegen entsprechende Kosten- erstattung zu marktgerechten Preisen nutzen. Dr. rer. pol. Harald Clade

A

A1928 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 30½½½½27. Juli 2001

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