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Mathematik und
Informatik
Lehrgebiet Stochastik Forschungsbericht
Eugen Grycko, Werner Kirsch, Frank Recker
Über einen statistischen Vergleich
von zwei Gleichspannungsquellen
UBER EINEN STATISTISCHEN VERGLEICH VON ZWEI¨ GLEICHSPANNUNGSQUELLEN
Eugen Grycko1, Werner Kirsch1 und Frank Recker2
1Fakult¨at f¨ur Mathematik und Informatik FernUniversit¨at
Universit¨atsstraße 1 58084 Hagen / GERMANY
2 Fachbereich Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik Technische Hochschule Mittelhessen
Wiesenstraße 14 35390 Gießen / GERMANY
1. Einleitung
Der Beitrag richtet sich in erster Linie an Mathematiker, die sich einen Zu- gang zur mathematischen Beschreibung von ausgew¨ahlten Ph¨anomenen ver- schaffen wollen, die im Zusammenhang mit Elektrizit¨at stehen.
Zun¨achst f¨uhren wir ein vereinfachtes mathematisches Modell einer realen Spannungsquelle ein, dessen Parameter an empirische Daten angepasst wer- den k¨onnen. Dazu schlagen wir ein Regressionsmodell vor, das auf den Kleinst- Quadrate-Sch¨atzer f¨uhrt. Anschließend stellen wir zwei schwache Spannungs- quellen vor, die wir empirisch untersucht haben. Wir berichten exemplarische Messergebnisse und kommentieren statistische Sch¨atzungen der Modellpara- meter.
2. ¨Uber ideale und reale Gleichspannungsquellen
Eine ideale Gleichspannungsquelle ist durch ihre Spannung UQ charakteri- siert. Schließt man an ihren Ausgang einen Ohmschen Widerstand 0 < R <
∞ an, dann fließt durch ihn elektrischer Strom der St¨arke I = UQ
R .
In diesem Kontext bezeichnet man den Widerstand als einen Verbraucher elektrischer Energie.
Fließt w¨ahrend eines Zeitintervalls [0, τ] elektrischer Strom der zeitlich kon- stanten St¨arke I, dann sagt man, dass die elektrische Energie
E(τ) =UQ·I·τ = UQ2 R ·τ
verbraucht wurde. Dies entspricht der elektrischen Leistung P = d
dτE(τ) =UQ·I = UQ2 R , mit der der Verbraucher versorgt wurde.
Viele reale Gleichspannungsquellen (z.B. Akkus, Batterien, Solarzellen, Brenn- stoffzellen) lassen sich durch die Reihenschaltung einer idealen Spannungs- quelle der Charakteristik UQ mit einem Ohmschen Widerstand RQ approxi- mativ modellieren. UQ und RQ heißen in diesem Zusammenhang Ersatzpa- rameter der Modellspannungsquelle.
Schließt man an den Ausgang der Gleichspannungsquelle einen Verbraucher- Widerstand R an, dann fließt durch ihn elektrischer Strom der St¨arke
I(R) = UQ RQ+R,
was aus einem Zusammenspiel des Ohmschen mit dem Kirchhoffschen Gesetz folgt. Man sagt, dass der Verbraucher durch die Spannungsquelle (UQ, RQ) mit der Leistung
P(R) =R·I(R)2 = R·UQ2 (RQ+R)2 versorgt ist.
Offenbar ist
lim
R→0+P(R) = lim
R→∞P(R) = 0
Mit einer Standard-Rechnung ¨uberzeugt man sich davon, dass die eindeutige L¨osung der Gleichung
d
dRP(R) = 0 durch
R =Ropt = RQ
√2
gegeben ist. Also wird durch die WahlRopt des Verbraucher-Widerstands die Leistungsaufnahme an der Spannungsquelle (UQ, RQ) maximiert.
3. Anpassung der Ersatzparameter an empirische Daten Liegt eine reale Spannungsquelle vor, dann liegt es nahe, ihre Ersatzparame- ter UQ und RQ an Messungen anzupassen.
Belastet man die Spannungsquelle nacheinander mit den externen Widerst¨anden Rj, an denen die SpannungenUj gemessen werden,j = 1, . . . , n, dann impli- ziert die Kombination des Ohmschen und des Kirchhoffschen Gesetzes, dass die Gleichungen
(3.1) UQ
RQ+Rj ·Rj =Uj (j = 1, . . . , n), approximativ erf¨ullt sind, was ¨aquivalent mit
(3.2) UQ·Rj =Uj ·RQ+Uj ·Rj (j = 1, . . . , n)
ist. (3.1) und damit auch (3.2) sind erf¨ullt, falls die Spannungsquelle sich exakt mit dem Ersatzmodell beschreiben l¨asst und falls keine Messfehler auftreten. Unter realistischen Annahmen bietet es sich an, das lineare Re- gressionsmodell
(3.3) Uj·Rj =Rj ·UQ−Uj ·RQ+εj (j = 1, . . . , n)
mit den zuf¨alligen St¨orgr¨oßen εj anzusetzen. In diesem Modell sind UQ und RQ die zu sch¨atzenden Parameter der Gleichspannungsquelle.
Zum vorliegenden Datensatz (Rj, Uj)nj=1betrachten wir die quadratische Ziel- funktion (vgl. (3.3))
Ψ(UQ.RQ) :=
n
X
j=1
(UQ·Rj −RQ·Uj−Uj ·Rj)2.
Da Ψ strikt konvex ist, ist das eindeutige Minimum durch die Gleichungen
∂Ψ
∂UQ(UQ, RQ) = 0 und ∂Ψ
∂RQ(UQ, RQ) = 0
bestimmt. Der Kleinst-Quadrate-Sch¨atzer (UbQ,RbQ) f¨ur (UQ, RQ) ist also im- plizit durch die zwei linearen Gleichungen
(3.4)
n
X
j=1
(UbQ·Rj −RbQ·Uj−Uj ·Rj)·Rj = 0 und
(3.5)
n
X
j=0
(UbQ·Rj −RbQ·Uj −Uj·Rj)·Uj = 0 gegeben.
4. Eine Drahtspule plus ein Gleichrichter ergibt eine Gleichspannungsquelle
Aus theoretischen ¨Uberlegungen und auf Grund von empirischen Messungen ist bekannt, dass zwischen den Enden eines langen, d¨unnen isolierten Me- talldrahts ein Wechselspannungssignal spontan induziert wird, und es gibt theoretische und experimentelle Schwierigkeiten, seine spektrale Zusammen- setzung zu bestimmen.
Wir betrachten eine Spule S, auf der ein lackisolierter Kupferdraht der L¨ange 5.4·104m und vom Durchmesser 5·10−5m aufgewickelt ist. Der Ausgang der Spule ist an den Eingang eines Gleichrichters G mit der Grenzfrequenz 6 GHz angeschlussen. Zur Gl¨attung des gleichgerichteten Signals wird am Ausgang
des Gleichrichters ein Kondensator der Kapazit¨at C = 0.47µF kontaktiert.
Dieser Schaltkreis l¨asst sich als eine Gleichspannungsquelle interpretieren und wird schematisch in Fig. 1 dargestellt.
In einer empirischen Untersuchung wurden an die in Rede stehende Span- nungsquelle Widerst¨andeRj angeschlossen und die SpannungenUj gemessen, j = 1, . . . ,15. Die erzielten Messergebnisse sind in Tabelle 1 wiedergegeben, wo auch die elektrischen Leisungen
Pj = Uj2
Rj (j = 1, . . . ,15).
aufgef¨uhrt sind. Es sei darauf hingewiesen, dass die berichteten Messwerte exemplarisch sind und dass ihre Reproduzierbarkeit nicht selbstverst¨andlich ist. Die in Tabelle 1 aufgef¨uhrten Werte f¨uhren gem¨aß Abschnitt 3 auf die Sch¨atzungen
(4.1) UbQ = 4.4·10−2V und RbQ = 5.5·107Ω
der Ersatzparameter UQundRQ, was die Plausibilit¨at des Ersatzmodells un- terstreicht.
Obwohl die Messergebnisse etwas ¨uberraschend sind, muss einger¨aumt wer- den, dass die betrachtete Gleichspannungsquelle schwach ist und dass es un- klar bleibt, ob die erzielten elektrischen Leistungen zur menschlichen Wahr- nehmung gebracht werden k¨onnen.
Fig. 1: Eine Gleichspannungsquelle
j Rj/Ω Uj/V Leistung/W 1 106 10−4 1.0·10−14 2 2·106 4·10−4 8.0·10−14 3 3·106 1.9·10−3 1.2·10−12 4 4·106 2.5·10−3 1.6·10−12 5 5·106 2.9·10−3 1.7·10−12 6 8·106 5.0·10−3 3.1·10−12 7 9·106 5.4·10−3 3.2·10−12 8 107 6.1·10−3 3.7·10−12 9 2·107 11.4·10−3 6.4·10−12 10 3·107 12.8·10−3 5.4·10−12 11 4·107 17.2·10−3 7.4·10−12 12 5·107 22.9·10−3 1.0·10−11 13 8·107 23.2·10−3 6.7·10−12 14 9·107 27.4·10−3 8.3·10−12 15 108 31.7·10−3 9.9·10−12 Tabelle 1: Spule + Gleichrichter + Kondensator
5. Eine biotechnische Gleichspannungsquelle
Wir betrachten zwei Kupferelektroden, die an einem menschlichen Handge- lenk fixiert sind. Die Elektroden werden mit dem Eingang eines Gleichrichters elektrisch kontaktiert. Am Ausgang des Gleichrichters werden Widerst¨ande Rj nacheinander angeschlossenen und die entsprechenden Gleichspannungen Uj gemessen, j = 1, . . . ,15. Diese empirischen Werte sind in Tabelle 2 wie- dergegeben, wo auch die zugeh¨origen elektrischen Leistungen
Pj = Uj2
Rj (j = 1, . . . ,!5) aufgelistet sind.
j Rj/Ω Uj/V Leistung/W 1 106 1.1·10−3 1.2·10−12 2 2·106 3.1·10−3 4.8·10−12 3 3·106 4.5·10−3 6.8·10−12 4 4·106 4.3·10−3 4.6·10−12 5 5·106 6.8·10−3 9.2·10−12 6 8·106 12.2·10−3 1.9·10−11 7 9·106 12.8·10−3 1.8·10−11 8 107 14.2·10−3 2.0·10−11 9 2·107 36.4·10−3 6.6·10−11 10 3·107 62.5·10−3 1.3·10−10 11 4·107 71.0·10−3 1.3·10−10 12 5·107 96.5·10−3 1.9·10−10 13 8·107 134·10−3 2.2·10−10 14 9·107 160·10−3 2.8·10−10 15 108 184·10−3 3.4·10−10 Tabelle 2: Biotechnische Spannungsquelle Die Werte in Tabelle 2 f¨uhren auf die Sch¨atzungen
(5.1) UbQ = 0.132V und RbQ =−8.3·106Ω
der Ersatzparameter der betrachteten Gleichspannungsquelle. Der negative Sch¨atzwert des Parameters RQ deutet darauf hin, dass das angesetzte Er- satzmodell nicht in der Lage ist, die Messwerte zu erkl¨aren, was damit zu- sammenh¨angen mag, dass die betrachtete Spannungsquelle aus physikalischer Sicht sehr komplex ist. Der Vergleich der Tabellen 1 und 2 suggeriert aller- dings, dass die biotechnische Spannungsquelle eine h¨ohere elektrische Leis- tung liefern kann als die in Abschnitt 4 vorgestellte.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass eine zeitgem¨aße Quarzuhr
mit einer Leistung von 10−6 W versorgt wird, und es stellt sich die Frage, ob eine signifikant sparsamere Uhr entwickelt werden kann.
Danksagung
Wir bedanken uns bei Herrn Wilfried Arends f¨ur seine technische Unterst¨utzung und f¨ur wertvolle Kommentare zum first draft des vorliegenden Beitrags.