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Archiv "Lymphogranulomatose: Tumor oder Entzündung - Mögliche Hinweise auf die Natur und Herkunft der Hodgkin- und Sternberg-Reed-Zellen" (03.09.1982)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

EDITORIAL

Lymphogranulomatose:

Tumor oder Entzündung

Mögliche Hinweise

auf die Natur und Herkunft der Hodgkin- und

Sternberg-Reed-Zellen

Seit mehr als 150 Jahren wird die Natur der Hodgkirlschen Lymphome (Lymphogranulomatose) von Patho- logen, Klinikern und Zellbiologen in- tensiv diskutiert. Ätiologie und Pa- thogenese sind bisher ungeklärt.

Unbeantwortet ist auch die Frage, ob es sich bei dieser Erkrankung um eine chronisch-immunologische Re- aktion, einen granulomatösen Pro- zeß oder eine echte maligne Neopla- sie handelt, oder ob alle drei Phäno- mene simultan oder chronologisch nacheinander im gleichen Patienten ablaufen können (1). Die Klärung der Frage, welcher Natur die Tumorzel- len der Hodgkinlymphome, nämlich die Hodgkin(H)- und Sternberg- Reed(SR)-Zellen, sind, wurde da- durch erschwert, daß diese Zellen in der primären Biopsie nur spärlich vorhanden sind und die Trennung dieser Tumorzellen vom übrigen re- aktiven Gewebe des Lymphknotens bisher nicht möglich war.

Durch die ln-vitro-Langzeitkultivie- rung von H- und SR-Zellen in unse- rem Labor über nunmehr 36 Monate konnte in Zusammenarbeit mit an- deren Gruppen (Stein, Ziegler, Heit) Zellmaterial reproduzierbar einer Reihe von Testen unterworfen wer- den. Aus diesen Untersuchungen ließen sich neue Erkenntnisse über Herkunft und Natur der H- und SR- Zellen sowie über klinisch-biologi- sche Phänomene der Hodgkinlym- phome gewinnen (2). In den letzten drei Jahren gelang es in unserem Labor, fünf von Hodgkin-Tumorma- terial abstammende Zellkulturen in vitro zu etablieren. Von diesen Kul- turen wachsen vier permanent in vi- tro weiter, eine Kultur starb nach

sieben Monaten ab. Im folgenden werden einige Befunde dargestellt und daraus resultierend mögliche Folgerungen für Pathogenese und Klinik gezogen: Die in vitro kultivier- ten Zellen zeigen folgende Charak- teristika:

0 Identität mit H- und SR-Zellen aus HD-Biopsien:

Morphologische, zytochemische, immunologische, funktionelle und zytogenetische Untersuchungen ha- ben gezeigt, daß die In-vitro-Kultur- zellen von den als Tumorzellen cha- rakterisierten H- und SR-Zellen aus Biopsien oder anderen Tumormate- rialien abstammen. Die In-vitro-Zel- len und ihre In-vivo-Vorläuferzellen tragen keine Marker, die reife Lym- phozyten (B oder T) oder reife Ma- krophagen charakterisieren, d. h. sie produzieren weder Immunglobuline, noch tragen sie Immunglobulinre- zeptoren auf der Oberfläche, sie phagozytieren nicht und produzie- ren keine Lysozyme. Heterologe Ka- ninchen- und monoklonale Maus- Antikörper, die gegen eine der Zelli- nien (L 428) produziert werden, identifizieren hodgkinassoziierte Antigene, die von der Mehrzahl (60 bis 90 Prozent) der Kulturzellen ge- tragen werden, und färben auf Ge- frierschnitten von HD-Biopsien mit einer speziellen Färbemethode se- lektiv H- und SR-Zellen, jedoch nicht reaktives Biopsiegewebe (3). Für Pa- thologen und Kliniker bedeutet die- se Methode vielleicht einen Schritt in die Richtung eines spezifischen diagnostischen Tumortests.

H- und SR-Zellen sind maligne Zellen:

Zytogenetische Untersuchungen (2) zeigen, daß die Hodgkin-in-vitro-Zel-

len Marker tragen, wie sie sonst nur maligne, neoplastische Zellen auf- weisen: Aneuploidie, strukturelle und numerische chromosomale Aberrationen. Darüber hinaus de- monstrieren diese Studien einen weiteren wichtigen Beweis für die

Malignität dieser Zellen: Alle gete- steten Metaphasen zeigen identi- sche Marker, d. h. sie stammen von einer Mutterzelle ab und sind somit monoklonal. Ein wichtiges Indiz für maligne Zellen ist ihre Fähigkeit, Tu- moren in empfänglichen Wirtstieren zu produzieren. Erstaunlicherweise wird dieses Kriterium von den Hodg- kin-Zellen nicht erfüllt, da diese nur in Ausnahmen Tumoren produzier- ten, sich in bezug auf ihre onkogene Potenz generell aber eher „unterpri- viligiert" zeigten. Dieser Befund, un- terstützt durch das Faktum, daß Hodgkin-Zellen auch in vitro außer- ordentlich fragil sind und nur selten auswachsen (5 Lymphomlinien von über 270 Versuchen!), weist eine Analogie zur klinischen Situation des Morbus Hodgkin auf.

0

H- und SR-Zellen können auf dem Wege ihrer Differenzierung auf der Stufe einer Vorläuferzelle der mye- lo[-monozytär]-(B)-Iymphozytären Entwicklungsreihe eingefroren sein:

Ein breites Spektrum von monoklo- nalen Antikörpern, das gegen Diffe- renzierungsantigene menschlicher hämatopoetischer Zellen gerichtet ist (4) wurde auf den in vitro kulti- vierten Hodgkin-Zellen ausgetestet.

Das Ergebnis zeigte, daß die Hodg- kin-Zellen myeloischen (granulozy- täre) Marker tragen, jedoch auch Antigenverwandtschaft haben mit B-lymphozytären Zellen.

CO

Die In-vitro-HD-Zellen produzie- ren Mediatoren, die Zeltwachstum und Zell-Interaktionen regulieren:

Alle bisher getesteten Hodgkin-Zell- linien produzieren einen die Myelo- poese stimulierenden Faktor (G- CSF), der hauptsächlich neutrophile Granulozyten ausreifen läßt. Der Überstand der Zellinien vermag dar- über hinaus die durch T-Lymphozy- ten ausgeübte Abtötungsreaktion auf Hodgkin-Tumorzellen zu brem- sen. Gleichzeitig bewirkt dieser Kul- turüberstand, daß Epstein-Barr-Vi- rus(EBV)-infizierte Zellen in vitro

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Heft 35 vom 3. September 1982 79. Jahrgang

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ausgabe B

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

EDITORIAL

vierfach häufiger zu unsterblichen Kulturen auswachsen als im sponta- nen Kulturversuch ohne Überstand.

Eine Synopsis der genannten Befun- de mit dem Versuch eines mögli- chen Bezuges zur Pathogenese und Klinik des Morbus Hodgkin wird im folgenden aufgezeigt:

Eine hämatopoetische Vorläuferzel- le wird durch ein transformierendes Agens oder eine bisher unbekannte Kette von Ereignissen maligne ver- ändert. Klinische und pathologische Befunde deuten darauf hin, daß die- ser Prozeß höchstwahrscheinlich im Lymphknoten und nicht im Kno- chenmark abläuft. Die Prolifera- tionstendenz dieser unreifen Zelle ist jedoch gering und scheint abhän- gig zu sein vom „Nährmilieu" sekun- därer lymphatischer Organe wie Lymphknoten und Milz. Da die Lymphknoten des Halses und der Supraklavikularregion primär am häufigsten befallen sind, geschieht die hypothetische Infektion mögli- cherweise über den Oropharynx.

Die fragilen Tumorzellen (Hodgkin- Sternberg-Reed-Zellen) sind zu die- sem Zeitpunkt nur außerordentlich schwer oder gar nicht in experimen- tellen Kultursystemen zu züchten.

Im Patienten selbst gedeiht diese

„wachstumsschwache" Zelle nur im

„Nährmilieu" des Lymphknotens, das sie sich durch die eigene biolo- gische Aktivität (CSF, Selbststimula- tion, Interleukin-1-Produktion [präli- minäre Daten]) vorbereitet. Anderer- seits bewirkt die Produktion der ge- nannten, das Wachstum und die Zell- interaktionen regulierenden Fakto- ren das charakteristische Hodgkin- Biopsiegewebe: H- und SR-Zellen werden umgeben von eosinophilen und neutrophilen Granulozyten, Epi- theloidzellen und B-T-Zellen. Das Hodgkin-Lymphom wäre somit das Reaktionsprodukt, induziert durch Mediatoren, welche die biologisch aktive Tumorzelle produziert.

Diese Zelle selbst ist nur in ver- schwindend kleiner Zahl (1 bis 3

Prozent) im primären Lymphknoten anzutreffen und umgibt sich häufig mit T-Helferzellen, die auf der Ober- fläche rosettieren und kann so nur unter optimalen „Fütter"-(Schutz)- Bedingungen existieren. Wird der Patient behandelt, d. h. einer Radio- und/oder Chemotherapie zugeführt, scheint der gute therapeutische Ef- fekt bei Hodgkin-Patienten -- selbst mit wenig aggressiven Behand- lungsmethoden —sich aus der Fragi- lität der Hodgkin-Tumorzellen und der hohen zytotoxischen Sensibilität des reaktiven Begleitgewebes (Gra- nulom) erklären zu lassen. Es ist be- kannt, daß etwa 60 bis 70 Prozent der Hodgkin-Patienten geheilt wer- den. Von den restlichen 30 bis 40 Prozent werden durch eine nachfol- gende, eingreifendere Therapie wei- tere 10 bis 20 Prozent in komplette Remission gebracht. Die verbleiben- den 15 bis 20 Prozent —zumindest der Erwachsenen — erliegen ihrer Er- krankung. Häufig geschieht dies un- ter dem histologisch-zytologischen Bild der Proliferation einer sehr malignen, therapierefraktären Tu- morzellpopulation.

Unsere In-vitro- und ln-vivo-Nackt- Maus-Experimente zeigen deutlich eine hohe genetische Instabilität der Hodgkin-Zellen, die gepaart ist mit einer zunehmenden Malignisierung, dargestellt durch eine während der In-vitro-Kultivierung erlangten Fä- higkeit nach subkutaner Transplan- tation der Zellen in Nacktmäusen Tumoren zu bilden. Diese den Hodg- kin-Tumorzellen eigene genetische Instabilität führte zu genotypisch und phänotypisch veränderten Sub- linien mit gesteigerter Malignität und Reduktion oder Verlust spezifi- scher Marker. In vivo mag dieses ge- netische Verhalten der Hodgkin-Zel- len Voraussetzung dafür sein, daß sich in bestimmten „hohen Risiko"- Gruppen von Hodgkin-Patienten un- ter endogenen und/oder exogenen Einflüssen (Alter, Chemo-Radiothe- rapie) zunehmend wachstumsag- gressivere und therapieresistentere Subklone von Zellen bilden, die kli-

nisch das Bild der fortgeschrittenen Stadien mit Tumorausbreitung in Organe wie Leber, Knochen, Kno- chenmark und Lunge darstellen. Hi- stologisch können sich in diesen Hodgkin-lnfiltraten zunehmend grö- ßere Areale mit Hodgkin-Tumorzel- len, d. h. dem Bild des Hodgkin-

„Sarkoms”, zeigen.

Ein beunruhigendes und in seiner letzten Konsequenz noch nicht ab- zusehendes Problem bedeuten die hämatologischen Zweitneoplasien im Verlaufe der Hodgkin'schen Er- krankung. Für einen Hodgkin-Pa- tienten ist die Wahrscheinlichkeit, an einer akuten myeloischen, akuten myelo-monozytären oder undiffe- renzierten Leukämie zu erkranken, 133fach höher als bei einem norma- len Individuum. Auch wenn man dies auf die Einwirkung von Radio- und/

oder Chemotherapie zurückführen möchte, so bleibt doch die Bevorzu- gung dieses hämatopoetischen Dif- ferenzierungszweiges auffällig. Tritt als Zweitneoplasie ein Non-Hodg- kin-Lymphom auf, so ist es vom B- Zell-Typ oder undifferenzierter Art, niemals vom T-Zell-Typ. Bisher läßt sich nur spekulativ annehmen, daß sich auch diese Zweittumoren von der ursprünglichen Hodgkin-Tu- morzelle durch bestimmte Selek- tionsmechanismen unter endoge- nem (genetische Instabilität) oder exogenem (Immunregulation, The- rapie) Druck ableiten könnten. Die Etablierung von in vitro wachsenden Hodgkin-Tumorlinien ermöglicht so- mit ein neues Spektrum von experi- mentellen Ansätzen, um die Ätiolo- gie, die Pathogenese und die in ihrer Vielfalt noch unverstandene klini- sche Symptomatik dieser Erkran- kung zu untersuchen.

Literatur beim Verfasser Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med. Volker Diehl Abteilung Hämatologie/Onkologie Medizinische Hochschule Hannover 3000 Hannover 61

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 35 vom 3. September 1982 39

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