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Archiv "Pharmazeutischer Produktschutz: Patente gegen Patienten" (08.08.2005)

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und 10 000 US-Dollar pro Person und Jahr – so viel musste in der Ver- gangenheit für die Behandlung von HIV-Patienten durchschnittlich aufge- bracht werden. Ob der Infizierte in Deutschland oder im afrikanischen Ma- lawi lebte, spielte kaum eine Rolle. Erst durch den Einsatz von Generika konn- te eine dauerhafte Kostenreduzierung erreicht und der Weg zu einer flächen- deckenden Behandlung auch in ärme- ren Staaten geebnet werden. Die Aus- gaben für die Jahresbehandlung eines Betroffenen in einem Entwicklungs- land wurden auf diese Weise mitunter auf nur 140 US-Dollar gesenkt (1).

Doch nach diesen Erfolgen befürch- ten Regierungen und Hilfsorganisatio- nen einen empfindlichen Rückschlag.

Seit dem 1. Januar wurde der Patent- schutz auf Drängen der Welthandelsor- ganisation (WTO) hin fristgerecht auch auf die Pharmabranche in ärmeren Ländern ausgeweitet. Unter ihnen be- finden sich viele Generika produzieren- de Staaten wie Indien. Unter Berufung auf nationales Recht hatten dort ansäs- sige Generikahersteller (2) in der Ver- gangenheit den Bedarf an Aids-Medi- kamenten gerade für Entwicklungs- und Schwellenländer gedeckt. Doch damit könnte nun Schluss sein.

Die Ausweitung des Patentschutzes für Medikamente geht auf das TRIPS- Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) der WTO von 1995 zurück (3). Damals wurde eine 3-Phasen-Regelung zur globalen Im- plementierung des Schutzes von „gei- stigem Eigentum“ festgelegt. In Indu- striestaaten gelten die Richtlinien für die Pharmabranche bereits seit Anfang 2000, in zahlreichen Entwicklungs- und Schwellenstaaten erst seit diesem Jahr.

Nur die ärmsten Staaten haben bis zum Jahr 2016 Zeit, den internationalen Pro-

duktschutz in ihre nationale Gesetzge- bung aufzunehmen.

Zwar gilt der jüngst erweiterte phar- mazeutische Produktschutz nur für Li- zenzen, die ab Beginn dieses Jahres ein- getragen werden. Doch mussten sich eben die WTO-Mitgliedsstaaten, die erst seit Anfang Januar Patentschutz in allen Industriebereichen gewähren, be- reits vor zehn Jahren dazu verpflichten, so genannte elektronische Briefkästen einzurichten. In ihnen konnten Medika- mentenhersteller seither Patentanträge hinterlegen. Über den Schutz dieser zwischen 1995 und 2005 entwickelten Pharmazeutika in den neuen Mitglieds- staaten des TRIPS-Abkommens wird erst noch entschieden. Wird das innova- tive Moment von den Prüfern der WTO aber anerkannt, würden Medikamente auch dann nachträglich einen 20 Jahre gültigen Patentschutz erhalten, wenn sie in Staaten wie Indien, Brasilien oder Südafrika schon seit Jahren als Generi- ka vom Band laufen. Eine solche nega- tive Überraschung blieb bislang aus, doch die Zitterpartie dauert an.

Hohe Hürden für Ausnahmeregelungen

Weil Länder mit einer hohen Prävalenz von HIV und anderen behandlungsauf- wendigen Infektionen eine Kostenexplo- sion befürchteten, hatten sie innerhalb der WTO schon vor der Einführung des pharmazeutischen Patentschutzes in Entwicklungs- und Schwellenländern auf einen Kompromiss gedrängt. Am 30. Au- gust 2004 verabschiedete der Allgemeine Rat der WTO daher eine Ausnahmerege- lung. Sie erlaubt es besonders betroffe- nen Staaten, trotz der neuen Verpflich- tungen Generika von geschützten Ori- ginalpräparaten zu importieren. Aller-

dings stellte der Ratsvorsitzende der Er- klärung damals eine rechtlich bindende Einleitung (4) vor, die viele Sonderrege- lungen wieder einschränkt. So wird ei- nem außerordentlichen Import eines Ge- nerikums nur dann zugestimmt, „wenn die Beteiligten keine industriellen oder kommerziellen Ziele verfolgen“. Eine schwierige Hürde, denn auch Generika- hersteller in der Dritten Welt streben als privatwirtschaftliche Firmen Gewinn an.

Rechtsstreitigkeiten sind programmiert.

Auch der Erlass von Zwangslizenzen (5) ist für betroffene Staaten schwierig durchzusetzen. So schreiben die Richtli- nien der WTO fest, dass Generika

„hauptsächlich für den einheimischen Markt“ produziert (6) und nur zu maxi- mal 49 Prozent exportiert werden dürfen.

Den Regierungen ärmerer Länder dürf- te also künftig – wenn sie die Behand- lung der eigenen Bevölkerung gewähr- leisten wollen – nur der Weg direkter Preisverhandlungen mit den Herstellern der Originalpräparate bleiben. Dass die- se sich oft als hartnäckig erweisen, belegt ein Rechtsstreit der Pharmafirmen Boehringer Ingelheim und GlaxoSmith- Kline mit der südafrikanischen Gruppe Treatment Action Campaign. Erst nach langem Ringen und unter Druck medizi- nischer Hilfsorganisationen gaben die beiden Konzerne im Dezember 2003 die Lizenzen für drei Aids-Medikamente frei.

Klar ist, dass allein Medikamente aus der Zeit vor 1995 weiter als Generika zur Verfügung stehen werden.Wird aber ein Präparat der antiretroviralen Thera- pie unter Patentschutz gestellt, kann es in keinem generisch hergestellten Kom- binationspräparat mehr verwendet wer- den. Gerade diese sind aber zum Bei- spiel für die medizinische Versorgung in vielen Regionen des Südens unverzicht- bar. „Mittel- und langfristig“, sagt To- bias Luppe (7) von der Organisation Ärzte ohne Grenzen, „werden aber im- mer mehr Präparate unter Patentschutz stehen, weil sie neueren Generationen angehören“. Spätestens in der zweiten und dritten Therapielinie drohe eine flächendeckende Behandlung für Ent- wicklungs- und Schwellenländer uner- schwinglich zu werden. Harald Neuber P O L I T I K

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A2144 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 31–32⏐⏐8. August 2005

Pharmazeutischer Produktschutz

Patente gegen Patienten

Ärmere Staaten wie Indien haben den Patentschutz für Medikamente eingeführt. Dies könnte zu Preiserhöhungen führen und den Zugang zu Arzneimitteln weiter erschweren.

Das Literaturverzeichnis ist im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3105 abrufbar.

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Literatur

1. In Ruanda und Mosambik sind Medikamente für die- sen Preis erhältlich. Ausgehandelt hatte ihn die Bill- Clinton-Stiftung im Oktober 2003. Informationen un- ter: Médecins Sans Frontières, „Untangling the Web of Price Reductions – A Pricing Guide for the Purchase of ARVs for Developing Countries“. 6. Edition, Genf, April 2004. URL: http://www.accessmedmsf.org/docu- ments/untanglingtheweb6.pdf (03.01.2005).

2. Zu nennen sind hier die drei Marktführer Cipla, Auro- bindo und Hetero.

3. Im Internet: www.wto.org/english/docs_e/legal_e/27- trips_04_e.htm#art31.

4. World Trade Organization: „General Council Chairper- son’s Statement – Excerpt from the Minutes of the Ge- neral Council Meeting“, 20. August 2003 (Paragraph n°29)“, WT/GC/M/82, 13. November 2003. URL:

http://www.wto.org/english/tratop_e/trips_e/gc_stat _30aug03_e.htm (03.01.2005).

5. Zwangslizenzen können auf gerichtlichen Weg auf der Basis der WTO-Richtlinien erwirkt werden, um das Pa- tentmonopol des Produzenten eines Originalpräpara- tes unter Verweis auf eine akute Bedarfslage (Staats- notstand) zu brechen.

6. Artikel 31f des TRIPS beschränkt die Generikaproduk- tion unter einer Zwangslizenz „predominantly for the supply of the domestic market of the Member authori- zing such use“.

7. Eine Studie Luppes befasst sich eingehender mit den Auswirkungen der neuen WTO-Richtlinien. Der Bericht mit dem Titel „Die Zukunft des Medikamentenzu- gangs in ärmeren Ländern“ ist im Internet einsehbar:

www.aerzte-ohne-grenzen.de/_admin/msf_downlo- ad_pdf.php?id=2004&filename=Studie-Medikamen- tenzugang-2004.pdf (03.01.2005).

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 31–32⏐⏐8. August 2005 AA1

Literaturverzeichnis zu Heft 31–32/2005 Pharmazeutischer Produktschutz

Patente gegen Patienten

Ärmere Staaten wie Indien haben den Patentschutz für Medi-

kamente eingeführt. Dies könnte zu Preiserhöhungen führen

und den Zugang zu Arzneimitteln weiter erschweren.

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