Formale Modellierung
Vorlesung 4 vom 04.05.15: Prädikatenlogik erster Stufe
Christoph Lüth Universität Bremen Sommersemester 2015
16:21:34 2015-07-13 1 [16]
Fahrplan
I Teil I: Formale Logik
IEinführung
IAussagenlogik (PL): Syntax und Semantik, Natürliches Schließen
IKonsistenz & Vollständigkeit der Aussagenlogik
IPrädikatenlogik (FOL): Syntax und Semantik
IKonsistenz & Vollständigkeit von FOL
IFOL mit induktiven Datentypen
IFOL mit rekursiven Definitionen
ILogik höherer Stufe (HOL): Syntax und Eigenschaften
IBerechungsmodelle (Models of Computation)
IDie Unvollständigkeitssätze von Gödel I Teil II: Spezifikation und Verifikation
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Das Tagesmenü
I Von Aussagenlogik zur Prädikatenlogik
I Logik mitQuantoren
I Semantikder Prädikatenlogik
I Natürliches Schließenmit Quantoren
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Eine Beispielspezifikation
Das Flugbuchungssystem
DasFlugbuchungssystemsoll eine Menge von Flügen verwalten, Anfragen beantworten und Buchungen vornehmen.
EinFlughat einen Startflughafen und ein Zielflughafen (durch ihr IATA-Kürzel repräsentiert), eine eindeutige Kennung, einen Starttermin, eine Ankunftsermin, sowie eine Anzahl von verfügbaren Plätzen.
EineFlugbuchungfür einen durch die Flugnummer und Starttermin identifizierten Flug soll eine Anzahl von Plätzen auf diesem Flug reservieren. Sind die verfügbaren Plätze für einen Flug erschöpft, können keine weiteren Buchungen vorgenommen werden.
EineAnfragebesteht aus den Daten (Start, Ziel, Datum) für einen Flug, und liefert die Anzahl freier Plätze auf diesem Flug zurück.
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Beschränkungen der Aussagenlogik
I Beschränkungder Aussagenlogik:
I Die Menge unserer Atome istunstrukturiertundflach.
I Wir können nicht zwischenLogik(Meta-Ebene) undObjektunterscheiden.
I Wir können keinestrukturellenEigenschaften beschreiben.
I Wir können keine Aussagen überExistenzvon Objekten machen.
I Ziel: Formalisierung von Aussagen wie
I “Ein Flug hat eineeindeutigeKennung.”
I “AlleMenschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Also ist Sokrates sterblich.”
I “AlleZahlen sind ein Produkt von Primfaktoren.”
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Prädikatenlogik: Erweiterung der Sprache
I Termebeschreiben die zu formalisierenden Objekte.
I Formelnsind logische Aussagen.
I EineSignaturΣ beschreibt Prädikate und Funktionen:
IPrädikatensymbole:P1, . . . ,Pn,= mit˙ Aritätar(Pi)∈N,ar( ˙=) = 2
IFunktionssymbole:f1, . . . ,fmmitAritätar(ti)∈N I MengeXvonVariablen(abzählbar viele)
I Konnektive:∧,−→,⊥,∀,abgeleitet:∨,←→,¬,←→,∃ I DieTrennungzwischenTermenundFormelnist der wesentliche
Abstraktionsschritt in der Prädikatenlogik.
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Terme
I MengeTermΣderTerme(zur Signatur Σ) gegeben durch:
I Variablen:X⊆ TermΣ
I Funktionssymbolf∈Σ mitar(f) =nundt1, . . . ,tn∈ TermΣ, dann f(t1, . . . ,tn)∈ TermΣ
I Sonderfall:n= 0, dann istf eineKonstante,f∈ TermΣ
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Formeln
I MengeFormΣderFormeln(zur Signatur Σ) gegeben durch:
I⊥ ∈ FormΣ
IWennφ∈ FormΣ, dann¬φ∈ FormΣ
IWennφ, ψ∈ FormΣ, dann φ∧ψ∈ FormΣ, φ∨ψ∈ FormΣ, φ−→ψ∈ FormΣ, φ←→ψ∈ FormΣ
IWennφ∈ FormΣ,x∈X, dann∀x.φ∈ FormΣ,∃x.φ∈ FormΣ IPrädikatensymbolp∈Σ mitar(p) =mundt1, . . . ,tm∈ TermΣ, dann
p(t1, . . . ,tm)∈ FormΣ
ISonderfall:t1,t2∈ TermΣ, dannt1=˙t2∈ FormΣ
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Freie und gebundene Variable
Definition (Freie und gebundene Variablen)
Variablen int∈ Term,p∈ Formsindfrei,gebunden, oderbindend:
(i) xbindendin∀x.φ,∃x.ψ
(ii) Für∀x.φund∃x.φistxin Teilformelφgebunden (iii) Ansonsten istxfrei
I FV(φ): Menge derfreienVariablen inφ I Beispiel:
(q(x)∨ ∃x.∀y.p(f(x),z)∧q(a))∨ ∀r(x,z,g(x)) I Formel (Term)sgeschlossen, wennFV(s) =∅
I Abschlusseiner Formel:Cl(φ) =∀z1. . .zk.φfürFV(φ) ={z1, . . . ,zk}
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Semantik: Strukturen
Definition (StrukturAzur Signatur Σ) A= (A,f,P) mit
(i) Anicht-leere Menge (Universum)
(ii)fürf ∈Σ mitar(f) =n,n-stelligeFunktionfA:An→A (iii) fürP∈Σ mitar(P) =n,n-stelligeRelationPA⊆An
I Füra∈A, Konstantea∈ TermΣ
I Damit Auswertung vongeschlossenenTermen: [[·]]A:TermΣ→A [[a]]A=a
[[f(t1, . . . ,tn]]A=fA([[t1]]A, . . . ,[[tn]]A)
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Semantische Gültigkeit
I Auswertung vonFormeln: [[·]]A:FormΣ→ {0,1}
[[⊥]]A = 0 [[¬φ]]A = 1−[[φ]]A
[[φ∧ψ]]A = min([[φ]]A,[[ψ]]A) [[φ∨ψ]]A = max([[φ]]A,[[ψ]]A) [[φ−→ψ]]A = max(1−[[φ]]A,[[ψ]]A)
[[φ←→ψ]]A = 1− |[[φ]]A−[[ψ]]A| [[P(t1, . . . ,tn)]]A =
(1 h[[t1]]A, . . . ,[[tn]]Ai ∈PA 0 sonst
[[t1=˙t2]]A =
(1 [[t1]]A= [[t2]]A 0 sonst [[∀x.φ]]A = min({[[φa
x
]]A|a∈A}) [[∃x.φ]]A = max({[[φa
x
]]A|a∈A})
I Damitsemantische Gültigkeit(Wahrheit):
A|=φgdw. [[Cl(φ)]]A= 1,|=φgdw.A|=φfür alleA
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Syntaktische Gültigkeit: Natürliches Schließen
I Die alten Regeln blieben (−→I,−→E,∧I,∧EL,∧ER,raa,⊥, . . . )
IMutatis mutandis:FormΣstattProp
I Dazu benötigen wir Regeln für die Quantoren.
I Zu behandelndeProbleme:
ISubstitution
IBindung
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Substitution
I ts x
istErsetzungvonxdurchsint I Definiert durch strukturelleInduktion:
ys x
def
= (
s x=y y x6=y f(t1, . . . ,tn)s
x def
= f(t1 s
x , . . . ,tn
s x )
⊥s x
def
= ⊥
(φ∧ψ)s x
def
= φs x
∧ψs x (φ−→ψ)s
x def
= φs x
−→ψs x P(t1, . . . ,tn)s
x def
= P(t1s x
, . . . ,tns x )
(∀y.φ)s x
def
=
∀y.φ x=y
∀y.(φs x
) x6=y,y6∈FV(s)
∀z.((φz y
)s x
) x6=y,y∈FV(s) mitz6∈FV(s)∪FV(φ) (zfrisch)
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Natürliches Schließen mit Quantoren
φ
∀x.φ∀I (∗) ∀x.φ φt
x ∀E (†)
I (*)Eigenvariablenbedingung:
xnichtfreiin offenen Vorbedingungen vonφ(xbeliebig)
I (†) Ggf.Umbenennungdurch Substitution
I Gegenbeispielefür verletzte Seitenbedingungen
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Der Existenzquantor
∃x.φdef=¬∀x.¬φ
φt x
∃x.φ∃I (†) ∃x.φ [φ]
... ψ
ψ ∃E (∗)
I (*)Eigenvariablenbedingung:
xnicht frei inψ, oder einer offenenen Vorbedingung außerφ I (†) Ggf.Umbenennungdurch Substitution
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Zusammenfassung
I Prädikatenlogik: Erweiterung der Aussagenlogik um
IKonstanten- und Prädikatensymbole
IGleichheit
IQuantoren
I Semantik der Prädikatenlogik:Strukturen
IBildenOperationenundPrädikateder Logik ab I Dasnatürliche Schließenmit Quantoren
IVariablenbindungen— Umbenennungen bei Substitution
IEigenvariablenbedingung
I Das nächste Mal: FOL at work, FOL in Isabelle I Nächste VL:Vollständigkeit
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