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Die Ausübung des Stimmrechts 2.3.1

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Academic year: 2022

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B e r i c h t e

Der Markt für Stimmrechte als Instrument einer verbesserten Managementkontrolle in Publikumsaktiengesellschaften

von Dipl.-Kfm. Detlef Geldmacher und cand. rer. pol. Kristian Foit1

1. Problemskizze

2. Stimmrecht und Unternehmenskontrolle 2.1. Begriff und Funktionen des Stimmrechts 2.2. Ökonomische Bewertung des Stimmrechts 2.3. Die Ausübung des Stimmrechts

2.3.1. Direkte Kontrolle durch den Aktionär 2.3.2. Stimmrechtsausübung durch Dritte

2.3.3. Stimmrechtsvertretung durch Banken: Das Vollmachtstimmrecht 3. Markt für Stimmrechte

3.1. Konzeptionelle Überlegungen eines Marktes für Stimmrechte 3.1.1. Ausgangssituation

3.1.2. Voraussetzungen für die Marktfähigkeit des Stimmrechts 3.1.2.1. Abspaltung des Stimmrechts

3.1.2.2. Handelbarkeit des Stimmrechts

3.2. Konstituierende Merkmale eines Stimmrechtkontraktes 3.2.1. Das Stimmrecht als Vertragsobjekt

3.2.2. Das vertragsrelevante Ereignis

3.2.3. Das Stimmrecht als risikoreduzierendes Element der Aktie 3.2.4. Der Vertrag als Termingeschäft

3.3. Institutionelle Ausgestaltung eines Stimmrechtmarktes 3.4. Kritische Würdigung

Literaturverzeichnis

1 Überarbeitete und konzentrierte Fassung einer Diplomarbeit.

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1. Problemskizze

In entwickelten Volkswirtschaften hat sich die Aktiengesellschaft2 zur do- minierenden Organisationsform privatwirtschaftlicher Unternehmungen durchgesetzt.

Vor dem Hintergrund ihres konstituierenden Prinzips der Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht an den im Unternehmen gebundenen Ressourcen müssen — den Annahmen der Agency-Theorie folgend — Aktionäre davon ausgehen, dass Manager die durch bestehende Informa- tionsasymmetrien zwischen den Vertragsparteien bedingten diskretionären Handlungsspielräume unter der Prämisse der individuellen Nutzenmaxi- mierung zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen können. Diese Unvollkom- menheiten induzieren demnach spezielle Anreiz- ('moral hazard') und Kontrollprobleme und verursachen unter Beachtung der existierenden Zieldivergenzen3 zwischen dem amtierenden Management und den An- teilseignern zum einen eine interessenkonfliktinduzierte suboptimale Allo- kation der von Kapitalgebern überlassenen Ressourcen und zum anderen Wohlfahrtsverluste durch die mit der Vertreterbeziehung entstehenden 'Agency-Costs'.4 Die aus der Arbeitsteilung und 'Spezialisierung der Ei- gentumsfunktion' sowie der Möglichkeit der Risikodiversifikation und ver- besserten Kapitalaufbringung resultierenden Vorteile der Organisations- form der Aktiengesellschaft müssen vor diesem Hintergrund relativiert werden.

Weil die ökonomische Effizienz einer Volkswirtschaft langfristig nur dann gesichert werden kann, wenn die unternehmensgebundenen Ressourcen in ihre jeweils produktivsten Verwendungsmöglichkeiten gelenkt werden, ergibt sich aus den bisherigen Ausführungen, dass der Kontrolle über die Verfügungsmacht von Ressourcen, in concreto der Managementkontrolle, höchste Priorität eingeräumt werden sollte. Für die Ausgestaltung und Umsetzung dieser Kontrolle kommt insbesondere dem Stimmrecht als Teilrecht der Aktie eine besondere Stellung zu, indem mit ihm eine wirk- same Disziplinierung des Management erfolgen kann.

2 § 1 AktG definiert die Aktiengesellschaft als „Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit“, d. h. als juristische Person mit einem in Aktien zerlegten Grundkapital. Charakteristisch sind die Form der Fremdor- ganschaft und eine gesetzlich geregelte Kompetenzverteilung zwi- schen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Eine Publi- kumsaktiengesellschaft ist typischerweise durch eine breite Streuung der Kapitalanteile gekennzeichnet.

3 Vgl. Byrd, J./Parrino, R./Pritsch, G.: Conflicts, S. 14 ff.; Gottschlich, K.: Eigentümerkontrolle, S. 25 ff.

4 Vgl. Jensen, M./Meckling, W.: Theory, S. 308 ff.

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Die Diskussion um die Effizienz der Publikumsaktiengesellschaft wird mit- hin maßgeblich geprägt von der Problematik einer durch Informationsa- symmetrien gekennzeichneten Delegationsbeziehung von Eigenkapitalge- bern zu einem angestellten Management und der Notwendigkeit dessen Überwachung.5

2. Stimmrecht und Unternehmenskontrolle

2.1. Begriff und Funktionen des Stimmrechts

Unter dem Stimmrecht als Teilrecht der Aktie versteht man das gesetzlich unverzichtbare Recht, „an Beschlüssen der Hauptversammlung mitzuwir- ken“.6 Es wird als das zentrale mitgliedschaftliche Verwaltungsrecht des Aktionärs betrachtet, weil es die Möglichkeit eröffnet, sich im Rahmen der Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung an der Gesellschaft zu beteili- gen und auf ihre ökonomische Entwicklung einzuwirken.7

Jede Aktie gewährt im Grundsatz das Stimmrecht.8 Auch wenn von dieser Regelung Abweichungen existieren, ist generell von der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre durch das Kapitalprinzip auszugehen.9

Die Existenz von Stimmrechten als Kontrollrechte wird durch die vertragli- che Natur des Unternehmens begründet.10 Weil nur der Aktionär als Ei- genkapitalgeber realiter das durch den Abschluss eines unvollständigen Vertrages entstehende Residualrisiko ('residual claimant') trägt, ist gemäß der 'Theorie der Firma' eine Zuordnung des Stimmrechts/(Residual- )Kontrollrechts an ihn effizient.11 Stimmrechte werden dem Aktionär zu- geteilt, weil dieser in der Aktiengesellschaft der Hauptleidtragende einer schlechten Managementleistung ist und somit den größten Anreiz zur

5 Vgl. grundlegend dazu Berle, A./Means, G.: Modern Corporation, S.

70 ff.

6 Zöllner, W. in: Kölner Kommentar, Band 1, S. 99. Alle Paragraphen beziehen sich - soweit nicht anders vermerkt - auf das Aktiengesetz.

7 Vgl. ähnlich Geßler, E. u. a.: Aktiengesetz, Bd.1, § 12.

8 § 12 I, 1.

9 Von diesem Grundsatz kann bspw. durch Schaffung von Vorzugsak- tien abgewichen werden; § 12 I, 2 i. V m. §§ 139 ff. Das Kapitalprin- zip als „Gleichlauf zwischen mitgliedschaftlicher Kapitalbeteiligung und Stimmrecht“ soll zu einer Kongruenz von Einfluss und Risiko füh- ren. Zöllner, W./Noack, U.: One share - one vote, S. 117.

10 Vgl. Fama, E./Jensen, M.: Separation, S. 302; Jensen, M./Meckling, W.: Theory, S. 310.

11 Vgl. Easterbrook, F./Fischel, D.: Voting, S. 401 ff.; Alchian, A./Demsetz, H.: Production, S. 555 ff.

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Kontrolle der Unternehmensführung hat. Im Rahmen nachvertraglicher Verhandlungen sollen Stimmrechte auf dem Abstimmungsweg dafür sor- gen, dass die Aktionärsinteressen gegenüber dem Management gewahrt bleiben. Sie dienen dem Schutz der mit der Aktie verbundenen Vermö- gensrechte und sollen das managementinduzierte Delegationsrisiko des Aktionärs minimieren. Dabei beinhaltet das Recht per Stimme zu ent- scheiden zugleich auch, es an andere Personen delegieren zu können.

Im kontextspezifischen Zusammenhang kommt Stimmrechten besondere Bedeutung zu: Sie beinhalten eine zum Kapitalmarkt komplementäre Kon- trollfunktion und können auch dann ein Disziplinierungspotential ineffi- zienter Manager eröffnen, wenn Primär- und Sekundärmarkt ihre Allokati- ons- und Selektionsfunktion nur eingeschränkt ausüben können.

2.2. Ökonomische Bewertung des Stimmrechts

Stimmrechte erweisen sich als bedeutsame Mitgliedschaftsrechte der Ak- tionäre, weil durch ihre Akkumulation Unternehmenskontrolle erreicht wer- den kann. Für den einzelnen Kleinaktionär ergibt sich indes das Problem, dass durch sein individuelles Stimmrecht in Publikumsaktiengesellschaften keine bedeutende Abstimmungsposition erreicht werden kann.12 Somit ist die Bewertung des Stimmrechts differenziert zu betrachten: Die Bedeu- tung des Kontrollrechts hängt vom jeweiligen Anteil ebenso ab wie von der Eigentümerstruktur und der Akkumulationsmöglichkeit dieser Rechte.

Da eine Stimmrechtsbündelung transaktionskostenintensive Bemühungen voraussetzt, muß die Erlangung der Verfügungsposition in einem Unter- nehmen spezifische Vorteile generieren. Diesbezügliche Überlegungen gehen zurück auf Manne,13 nach dem die Unternehmenskontrolle im Sin- ne der Verfügungsmacht über Ressourcen eines Unternehmens ('corpo- rate control') als eigenständiges Gut mit einem separaten ökonomischen Wert anzusehen ist, weil über ihre Ausübung finanzielle Vorteile erlangt werden können.Mögliche Gründe für die Betrachtung der Stimmrechte als

‚valueable asset‘ sind:14

• Über den Besitz der Unternehmenskontrolle können Monopolgewinne oder Größenvorteile generiert werden.

• Mit der Machtposition kann ein erhöhter Konsum am Arbeitsplatz (con- sumption on the job) einhergehen.

12 § 133; In der Regel erfordern Hauptversammlungsbeschlüsse das Vorliegen einer einfachen Mehrheit. Einschränkend wirkt die Vor- schrift, dass nur die Mehrheit der abgegebenen Stimmrechte benötigt wird, so dass zur Ausübung der Unternehmenskontrolle eine Kapi- talmehrheit nicht erforderlich ist.

13 Vgl. Manne, H.: Share Voting, S. 536 ff.; Ders.: Mergers, S. 112 ff.

14 Manne, H.: Share Voting, S. 536.

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• Durch ein neues Management können unternehmensgebundene Res- sourcen einen effizienteren Einsatz finden.

Der Kapitalmarkt als Bewertungsinstrument folgt der theoretischen Be- gründung und misst dem Stimmrecht einen positiven Wert bei. Dies zeigt sich an der unterschiedlichen Bewertung von Stamm- und Vorzugsakti- en.15So kann der Abschlag von Vorzugsaktien gegenüber Stammpapieren durch die dominante Stellung des Stammaktionärs gegenüber einem Vor- zugsaktionär erklärt werden.16 Stammaktionäre können größere Kursge- winnpotentiale als Vorzugsaktionäre bei Übernahmen realisieren, weil nur Stimmrechte Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftspolitik bieten, mithin Übernehmer lediglich am Erwerb von Stammaktien interessiert sind.17 Ebenso wird der Wert des Stimmrechts bei Paketzuschlägen deutlich. Da diese Form des Kontrollerwerbs außerbörslich stattfindet, „verhandeln Parteien unter bewußter Berücksichtigung der Tatsache, daß mit dem Ak- tienpaket die Verfügung über das Unternehmen im ganzen übergeht“.18 Somit sind die Erwerber bereit, eine Kontrollprämie zu zahlen, die sich in einem Zuschlag auf den börsenmäßigen Wert des Paketes manifestiert.19 Darüber hinaus reagiert der Markt mit Kursabschlägen, wenn stimm- rechtstangierende Satzungsänderungen bekannt werden.20

2.3. Die Ausübung des Stimmrechts

Nach § 118 üben die Aktionäre ihre Mitspracherechte in der Hauptver- sammlung aus. In concreto bestimmen sie jedoch nicht über alle unter- nehmenspolitischen Bereiche, sondern nur über die gesetzlich festgeleg- ten, die sich aus der Aufgabenteilung von Vorstand (§§ 76 ff.), Aufsichtsrat (§§ 90 ff.) und Hauptversammlung (§§ 118 ff.) ergeben. Dabei ist zu be- achten, dass die durch Stimmrechte induzierte Managementkontrolle von den Wirkungsvoraussetzungen der Anreizkompatibilität zur Ausübung, Kompetenz und Möglichkeit der Mehrheitsbeschaffung von Kontrollrechten determiniert wird.21

15 Vgl. Reckinger, G.: Vorzugsaktien, S. 221 f.; Klein, G.: Vorzugsakti- en, S. 165.

16 Vgl. Hartmann-Wendels, Th./v. Hinten, P.: Marktwert, S. 263 ff.

17 Kritisch hierzu Weber, M./Berg, E./Kruse, H.: Kurs- und Renditever- gleich, S. 554 ff.; Dies.: Kursunterschied, S. 27 ff.; Rothauge, F./Menkhoff, L./Krahnen, J.: Übernahmespekulationen, S. 239.

18 Röhrich, M.: Übernahmeangebote, S. 28.

19 Vgl. Flassak, H.: Markt, S. 153.

20 Vgl. Hahn, D.: Übernahme, S. 18.

21 Vgl. Knobling, P.: Interdependenz, S. 58 ff.

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2.3.1. Direkte Kontrolle durch den Aktionär

In Publikumsgesellschaften üben Kleinaktionäre realiter das Stimmrecht größtenteils nicht selbst aus; sie nehmen die 'Voice-Option' als direkte Form der Kontrolle nicht wahr. Als Erklärung für diese in praxi vorherr- schende Passivität kann zum einen ausgeführt werden, dass die Aktien- anlage weniger aus Mitbestimmungs- und Kontrollrechtsgründen denn aus Kapitalinteressen gewählt wird.22 Aufgrund fachlicher Unkenntnis und zeit- licher Restriktionen kommt es zu einem aus Desinteresse begründeten Motivationsproblem bei der Ausübung des Stimmrechts.23

Überdies richtet sich die Entscheidung bezüglich der Kontrollaktivitäten nach einem individuellen Kosten-Nutzen-Kalkül. Kontrollaufwendungen sind gegen Kontrollerträge abzuwägen. Der Aktionär ist dann bereit Kon- trolle auszuüben, wenn die damit verbundenen erwarteten finanziellen Vorteile größer als die aufzuwendenden Kosten sind.24

Bei Publikumsaktiengesellschaften ist typischerweise nicht mit einer Ei- gentümerkontrolle zu rechnen, da aufgrund des fragmentierten Anteilsbe- sitzes die aufzuwendenden Kosten die aus einer verbesserten Kontrolle resultierenden Gewinne überkompensieren würden. Neben Informations- beschaffungskosten im Vorfeld fallen Koordinationskosten für eine zielge- richtete Abstimmung an, die bei der Vielzahl von Aktionären prohibitiv hoch wären. In der Gewissheit, infolge des kleinen individuellen Anteils keine ergebnisbeeinflussende Rolle zu spielen, findet die Kontrolle durch den Aktionär nicht statt.25

Darüber hinaus induzieren Kontrollanstrengungen externe Effekte. Der Nutzen der Managementkontrolle stellt ein öffentliches Gut dar, weil auch die Aktionäre, die keine Überwachungsanstrengungen vornehmen, von dem Ergebnis nicht ausgeschlossen werden können. Ein aktiver Kon- trolleur kann nur einen Bruchteil seiner Anstrengungen internalisieren. Es ist ersichtlich, dass von dieser Struktur keine Anreizkompatibilität zuguns- ten der Überwachung ausgeht. Aus rationalen Verhaltensgründen nutzt der Aktionär seine Free-rider-Position, um bei der Managementkontrolle untätig zu bleiben.26

Diese 'Collective-action'-Probleme27 erklären demnach die Aktionärspas- sivität auf der Basis von auftretenden Friktionen bei der gemeinsamen

22 Vgl. Großfeld, B.: Stellung, S. 1 ff.

23 Vgl. o. V.: Macht, S. 73.

24 Vgl. Picot, A./Michaelis, E.: Verteilung, S. 258 ff.

25 Vgl. Easterbrook, F./Fischel, D.: Voting, S. 401 ff.

26 Vgl. Easterbrook, F./Fischel, D.: Voting, S. 402; Grossman, S./Hart, O.: Takeover bids, S. 42 f.

27 Vgl. Olson, M.: Logik, S. 21 ff.

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Stimmrechtsausübung als 'rationale Apathie', die dem Aktionär „letztend- lich ökonomische Vorteile bringt“.28 Die Folge ist ein Absinken der Haupt- versammlungspräsenzen sowie die Tatsache, dass sich dem Management unkontrollierte Spielräume zur Ausnutzung eigener Interessen eröffnen.

Bei einer Unzufriedenheit mit dem amtierenden Management verbleibt dem Aktionär nur die 'Exit'- statt der 'Voice'-Option.29 Er verkauft seine Ak- tien über den Kapitalmarkt.

2.3.2. Stimmrechtsausübung durch Dritte

Als Lösung der aufgezeigten einzelwirtschaftlichen Koordinationsprobleme bieten sich im Hinblick auf die Managementkontrolle Allokationsverfahren der Stimmrechte an. Dabei wird im Folgenden unter einer effizienten Stimmrechtsallokation verstanden, dass das Stimmrecht an denjenigen übergehen soll, der durch eine effiziente Kontrolle eine Managementdis- ziplinierung bewirkt, die unternehmensgebundenen Ressourcen in ihre produktivsten Verwendungsmöglichkeiten lenkt und damit das Delegati- onsrisiko respektive Vermögensrisiko des Aktionärs minimiert.

Bei den heutigen Allokationsmodellen von Stimmrechten können diese durch externe Dritte gebündelt werden, die infolge einer (feindlichen) Ü- bernahme ein ineffizientes Management durch eine Auswechslung diszip- linieren.30 Zum anderen kann der Aktionär sein Stimmrecht durch einen Stimmrechtsvertreter31 ausüben lassen, der infolge einer Bündelung die Möglichkeit der Managementkontrolle erhält.

28 v. Rosen, R.: Repräsentanz, S. 293; Vgl. Köndgen, J.: Duties, S. 531 ff.

29 Vgl. zur Unterscheidung von 'exit' und 'voice' als Kontrollform Hirschmann, A.: Abwanderung, S. 3 ff.

30 Übernahmen erfolgen durch Interaktionen auf dem ‚market for corpo- rate control‘ über den massenweisen Erwerb von Beteiligungstiteln der betreffenden Zielgesellschaft mit dem Ziel, die Unternehmens- kontrolle zu erwerben. Gegen die Zahlung eines Kaufpreises wird der Übernehmer Aktionär der Unternehmung und kann als Resultat der Transaktion selbst das neue Management stellen.

31 Unter einem Stimmrechtsvertreter wird eine Person verstanden, die im Auftrag des Aktionärs die Stimmrechtswahrnehmung für ihn als Bevollmächtigter in der Hauptversammlung der Gesellschaft als Dienstleistung gegen ein Entgelt ausübt. Der Stimmrechtsvertreter muss selbst keine Anteile des Unternehmens halten. Er erhält die Ausübungsobjekte vom Aktionär für nur eine begrenzte Zeit, welches impliziert, dass er die Kontrollrechte nicht kauft. Charakteristisch für die Position des Stimmrechtsvertreters ist, dass dieser als reiner Vertreter arbeitet, er also nur die Überwachungs-, nicht aber die Lei- tungskompetenz über unternehmensgebundene Ressourcen besitzt.

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In Deutschland ist die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute im Rahmen des sog. Vollmacht- oder Depotstimmrechts institutionalisiert (§§

128, 135). Die Überlassung des Stimmrechts an die Verwaltung ist dem- gegenüber nicht zulässig (§§ 71 b, d).

2.3.3. Stimmrechtsvertretung durch Banken: Das Vollmachtstimm- recht

Unter dem Depotstimmrecht versteht man ein institutionalisiertes Verfah- ren, das es Banken erlaubt, aufgrund einer Vollmacht das Stimmrecht von Kunden für die bei der Bank in einem Depot hinterlegten Aktien auf der Hauptversammlung zu vertreten.32 Das Verfahren ist umfassend normiert, um den Aktionär vor einem Missbrauch zu schützen.33 Auch wenn durch dieses Verfahren de jure das Stimmrecht im Verfügungsbereich der Aktio- näre verbleibt, kommt die Praxis des Vollmachtstimmrechts einer fakti- schen Abspaltung des Stimmrechts vom Vermögensrecht gleich.

Seit seiner Einführung 1937 im Aktiengesetzist die Institution der Stimm- rechtsvertretung durch Banken Mittelpunkt kontroverser Diskussionen: Die Befürworter der Stimmrechtsvertretung durch Banken als eines der

„tradierten Elemente des deutschen Systems der Unternehmensfinanzie- rung und -kontrolle“34 verweisen darauf, das Depotstimmrecht organisiere Massenstimmen, gewährleiste hohe Hauptversammlungspräsenzen und garantiere durch die stabilisierende Mehrheiten eine kontinuierliche Unter- nehmenspolitik, die im Sinne aller Beteiligten liege.35 Weil realiter die Möglichkeit der Einzelweisung kaum genutzt wird,36 ist das Aktionärsver- halten als stillschweigende Zustimmung und als Vertrauensbeweis für die Banken zu interpretieren.37 Demnach haben Aktionäre selbst ein Interesse an einer kompetenten Vertretung durch Banken, die aufgrund ihres wirt- schaftlichen Sachverstandes, des bestehenden Informationsvorsprungs

32 Vgl. Körber, U.: Stimmrechtsvertretung, S. 17.

33 Vgl. Böhm, J.: Einfluß, S. 55 f.

34 Mülbert, P.: Gutachten, E. 43.

35 Vgl. Körber, U.: Stimmrechtsvertretung, S. 29 ff.; Schmidt, M.:

Stimmrechtsvertretung, S. 17 f.; Püttner, G.: Depotstimmrecht, S. 24 u. 114 f., Kübler, F.: Referat, These 16; Semler, J.: Referat, These 5;

Hopt, K.: Universalbanken, S. 243 ff., Westermann, H. P.: Vollmacht- stimmrecht, S. 264 ff., Böhm, J.: Einfluß, S. 60.

36 Vgl. Gottschalk, A.: Stimmrechtseinfluß, S. 296.

37 Vgl. Schmidt, M.: Stimmrechtsvertretung, S. 18; Vallenthin, W.: Aus- übung, S. 204 f.; Herrhausen, A.: Großbanken, S. 120 ff., Peltzer, M.:

Vertretung, S. 29.

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und der Vertrauensstellung gegenüber dem Depotkunden als besonders geeignete Vertreter erscheinen.38

Demgegenüber betonen Kritiker, dass Banken durch das Depotstimmrecht die Möglichkeit erhalten, einen starken Einfluss auf Unternehmen auszu- üben.39 Insbesondere werden in einer auf den Aktionär bezogenen Betrachtungweise die entstehenden Interessenkollisionen, denen Banken bei der Stimmrechtsausübung unterliegen, problematisiert. In concreto lautet der Vorwurf, dass Banken in einem Universalbankensystem40 in ih- rer komplexen, mehrdimensionalen Stellung die Interessen der Aktionäre zugunsten ihrer eigenen (Geschäfts-) Interessen vernachlässigen41 und bei Hauptversammlungs-abstimmungen mit der amtierenden Unterneh- mensführung koalieren.42

Banken bieten die Stimmrechtsvertretung kostenlos an. Vor dem Hinter- grund, dass diese Dienstleistung kostenintensive Aufwendungen verur- sacht, fokussieren Beweggründe, warum diese trotzdem eine Stimm- rechtsvertretung kostenlos anbieten auf die Annahme, dass sie für die Ausübung der Stimmrechte eine „implizite Vergütung“43 in Form der 'Un- ternehmenskontrolle' erhalten und somit auf ein explizites Entgelt ver- zichten.44 Die mangelhafte Zahlungsbereitschaft der Aktionäre sichert Banken gegenüber Aktionärsvereinigungen einen komparativen Vorteil bei

38 Vgl. Schmidt, M.: Stimmrechtsvertretung, S. 19 f.; Körber, U.: Stimm- rechtsvertretung, S. 34 ff. Infolge dieser Tatsachen sprechen Banken deshalb auch vom 'Auftragsstimmrecht‘ um den freiwilligen Charakter der Übertragung zu betonen.

39 Dabei stellt das Depotstimmrecht als 'Bindeglied' nur einen Teil der vielfältigen Einflussmöglichkeiten durch Banken dar. Überlicherweise werden im Rahmen der Kumulationsthese als weitere Faktoren der Beteiligungsbesitz, die Aufsichtsratspräsenz und die Kreditgeber- funktion genannt. Vgl. Mülbert, P.: Gutachten, E. 22 ff.

40 Vgl. Büschgen, H.-E.: Bankbetriebslehre, S. 69; Ders.: Universalban- kensystem, S. 68 ff.; Börner, C.: Entstehung, S. 34 ff.

41 Vgl. Mülbert, P.: Gutachten, E. 22 ff.; BSK: Grundsatzfragen, TZ.

351.

42 Vgl. Wenger, E.: Universalbankensystem, S. 81; BSK: Grundsatzfra- gen, TZ 343 f.; Seger,F.: Banken, S. 136. Aufgrund der Gläubigerpo- sition ergibt sich aus risikopolitischer Perspektive eine quasi- natürliche Koinzidenz der Interessen von Banken und risikoaversem Management.

43 Baums, Th.: Vollmachtstimmrecht, S. 13.

44 Vgl. Adams, M.: Bankenmacht, S. 1593; Roggenbruck, H.: Begren- zung, S. 353.

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der Stimmrechtssammlung,45 welcher dazu führt, dass Kreditinstitute bei Hauptversammlungsabstimmungen überwältigende Mehrheiten erlan- gen.46 Diese Blockbildung wird wegen ihrer verhaltensrestringierenden Wirkung auf aktive Investoren kritisiert.47 Selbst Aktionäre, die aufgrund der Größe ihres Aktienpaketes einen individuellen Kontrollanreiz haben, werden in der Erwartung, vom Depotstimmrecht überstimmt zu werden, auf die Kontrollaktivitäten verzichten, so dass die Existenz einer Aktio- närsopposition unter diesen Umständen unwahrscheinlich erscheint und darüber hinaus ex-ante viele potentielle Investoren abgeschreckt wer- den.48

Als weitere beeinträchtigende Auswirkung des Depotstimmrechts werden Kapitalmarktstörungen angeführt. Zum einen wird die Existenz eines funk- tionierenden Unternehmenskontrollmarktes angloamerikanischen Musters verhindert.49 Darüber hinaus wird kritisiert, dass Banken vor dem Hinter- grund des Universalbankensystems eine für das Unternehmen nachteilige Unternehmensfinanzierungsform wählen könnten, um ihre Geschäftsinte- ressen durchzusetzen.50 Resultierend aus ihrer Präferenz zugunsten der Kreditfinanzierung und Gewinneinhaltung gegenüber der Aktienemission51 werde der Aktienmarkt in quantitativer und qualitativer Hinsicht ge-

45 Im Gegensatz dazu verlangen Aktionärsvereinigungen einen Betrag für die informierte Stimmrechtsabgabe. Folglich erhalten sie in der Hauptversammlung regelmäßig weniger als ein Prozent der abgege- benen Stimmen und stellen somit keine Konkurrenz für Banken dar.

46 Vgl. zur quantitativen Analyse des Einflusses des Depostimmrechts Baums, Th./Fraune, C.: Institutionelle Anleger, S. 97 ff.; Böhm, J.:

Einfluß, S. 66 ff.; Gottschalk, A.: Stimmrechtseinfluß, S. 297 f.

47 Vgl. Wenger, E.: Industriefinanzierung, S. 164.

48 Vgl. Baums, Th.: Vollmachtstimmrecht, S. 17 f. Diese verhaltensprä- gende Wirkung des Depotstimmrechts nimmt Wenger, E.: Industriefi- nanzierung, S. 164, zum Anlass, die Abschaffung der Stimmrechts- vertretung vorzuschlagen.

49 Vgl. Mülbert, P.: Gutachten, E. 60 ff.; Adams, M.: Unternehmenskon- trolle, S. 335; Ders.: Bankenmacht, S. 1596; Wenger, E.: Universal- bankensystem, S. 98 f.

50 Vgl. Mülbert, P.: Gutachten, E. 24 f.

51 Böhm, J.: Einfluß, S. 150; Zur Emission inländischer Aktiengesell- schaften an heimischen Börsen, vgl. Deutsche Bundesbank: Aktie, S.

28; Schwiete, M./Weigand, J.: Verschuldungsverhalten, S. 1 ff.

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schwächt, so dass dieser seine Allokationsfunktion nur noch begrenzt wahrnehmen könne.52

Auch werden die institutionellen Rahmenbedingungen des Depotstimm- rechts bemängelt, infolge dessen kein Wettbewerb um Stimmrechtsvoll- machten entstehen kann.53

Vor diesem Hintergrund ist mit dem „Gesetz zur Kontrolle und Transpa- renz im Unternehmensbereich 1998“ (‘KonTraG’)54eine gesetzliche Ände- rung des Depotstimmrechts verabschiedet worden.55 Obwohl das Prinzip der Vertretung durch Banken mangels Alternativen grundsätzlich beibe- halten wird, erfolgen Änderungen im Bereich der Organisations-, Doku- mentations-, Überwachungs- und Hinweispflichten.56 Schließlich wird als einschneidende Neuerung eine mögliche Beschränkung der Stimm- rechtsausübung durch Banken vorgeschrieben (§ 135 I,3). Insgesamt scheinen die Änderungen weniger konzeptioneller Art zu sein. Vielmehr betreffen sie Regelungen en detail, so dass grundsätzlich weiterhin von einem umfangreichen Bankeneinfluss auf den Hauptversammlungen aus- zugehen ist.

3. Markt für Stimmrechte

Wie gezeigt, stellt das Stimmrecht hinsichtlich der impliziten Verfügungs- macht über Ressourcen ein eigenständiges ökonomisches Gut dar.

Es gilt zu fragen, welchen Beitrag eine getrennte Handelbarkeit des Stimmrechts vom Vermögensrecht bezüglich einer effizienten Stimm- rechtsallokation als Vorstufe einer effizienten Ressourcenverwendung in Unternehmen leisten kann. Im Folgenden werden zu diesem Zweck Kos-

52 In diesem Zusammenhang sei auf die empirische Beobachtung der schwachen Informationseffizienz des deutschen Kapitalmarktes so- wie der geringen Börsenkapitalisierung (27% des BIP) verwiesen.

Vgl. Münchow, M.: Bankenmacht, S. 34 ff.; Deutsche Bundesbank:

Aktie, S. 28.

53 Vgl. Kallfass, H.: Kapitalmarktkoordination, S. 255 ff.; Ders.: Auf- sichtsräte, S. 170 ff.; Baums, Th./v. Randow, P.: Markt, S. 145 ff.;

Dies.: Shareholder Voting, S. 435 ff.; BSK: Grundsatzfragen, TZ.

368. In diesem Zusammenhang lässt sich der Zahlungsmodus der Stimmrechtsvergabe kritisieren, denn Banken müssen für die Aus- übung der Stimmrechte keinen Preis zahlen. Vgl. Adams, M.: Ban- kenmacht, S. 1590 ff.

54 Vgl. Bundesratsdrucksache 203/98 vom 6.3.1998.

55 Vgl. Claussen, C.: KonTraG, S. 177; Hartenfels, H.: Aktiengesell- schaften, S. 182 ff.; Lingemann, S./Wasmann, D.: Kontrolle, S. 853 ff.

56 Vgl. §§ 125 I; 128 I, II; 135 I,II.

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ten und Nutzen eines zu institutionalisierenden 'Marktes für Stimmrechte'57 im Hinblick auf eine verbesserte Managementkontrolle analysiert.

Unter Berücksichtigung seiner Lenkungs- und Koordinationsfunktion soll als Ergebnis eines marktlichen Prozesses das Stimmrecht gegen die Zahlung des Höchstpreises idealtypischerweise temporär an denjenigen übergehen, der glaubhaft signalisiert, die unternehmensgebundenen Res- sourcen in ihre produktivsten Verwendungsmöglichkeiten zu leiten. Der angestrebten Allokation ist inhärent, dass der Aktionär sich mit Hilfe des Stimmrechts gegen ein managementinduziertes Vermögensrisiko absi- chern kann.

Mit der Implementierung eines 'reinen' Kontrollrechtsmarktes wird dem Anliegen Rechnung getragen, dem Stimmrecht im Rahmen der Schutz- funktion für den Aktionär den ihm eigenen ökonomischen und normativen Wert zukommen zu lassen.

3.1. Konzeptionelle Grundlagen eines Marktes für Stimm- rechte

3.1.1. Ausgangssituation

Der Aktionär tritt durch den Aktienkauf in die Aktiengesellschaft ein und delegiert die Unternehmensleitung und das Koordinationsrecht über im Unternehmen befindliche Ressourcenbündel an das Management. Aktien werden als vollständige Wertpapiere ausgegeben, d. h. jeder Aktionär er- hält das Stimm- und Vermögensrecht. Es gilt der Grundsatz 'one share — one vote'.58 Im Gegensatz zur heutigen Situation ist das Stimmrecht im Modell vom Vermögensrecht abspalt- und getrennt handelbar.59 Dies be- inhaltet die Möglichkeit einer separaten ökonomischen Nutzbarmachung des Stimmrechts.

Es ist davon auszugehen, dass die Beteiligten die individuelle Nutzenma- ximierung anstreben. Diese Annahme bildet die Grundlage für die entste- henden Zieldivergenzen und Interessenkonflikte zwischen dem Aktionär und dem Management bei der Umsetzung unternehmenspolitischer Rich- tungsentscheide. Der Aktionär unterliegt einem Delegationsrisiko. Die auf- tretenden 'Agency-Costs' bedeuten Wohlfahrtsverluste und begründen den Aktionärswunsch nach einer Managementkontrolle.

57 Vgl. Schüller, A.: Eigentumsrechte, S. 334 ff.; Elschen, R.: Handel- barkeit, S. 1009 ff.; Easterbrook, F./Fischel, D.: Voting, S. 410 ff.;

Clark, R.: Vote Buying, S: 776 ff.; Manne, H.: Share Voting, S. 534 ff.; Fehl, U./Oberender, P.: Unternehmensverfassung, S. 140 ff.;

Köndgen, J.: Duties, S. 542 ff.

58 Vgl. Grossman, S./Hart, O.: One Share-One Vote, S. 175 ff.

59 Es wird hier abstrahiert von Stimmrechtdifferenzierungen wie Höchst- und Mehrstimmrechtaktien oder Vorzugsaktien.

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Im Rahmen der weiteren Überlegungen wird davon ausgegangen, dass der Aktionär sich für die Aktie als Kapitalanlageform in der Erwartung ent- schieden hat, eine — gegenüber alternativen Investments — höhere Ren- dite zu erzielen. Demnach präferiert er als finanziell motivierter Anleger eine Marktwertmaximierung seines eingesetzten Kapitals. In dem Modell bietet das individuelle Stimmrecht einen Schutz des investierten Kapitals.

In concreto ist der Aktionär bemüht, das Kontrollrecht dem 'besten Wirt' zu übergeben, der durch den Einsatz finanzieller Mittel eine bessere Verwen- dungsmöglichkeit der Ressourcen als das amtierende Management signa- lisiert.

Die Umsetzung der Managementkontrolle in Aktiengesellschaften stellt sich somit als trilaterale Beziehung zwischen dem Management, dem Ak- tionär und einem Kontrolleur dar. Die Notwendigkeit ergibt sich, weil der Aktionär infolge der 'Collective-action'-Probleme und seiner 'Free-rider'- Position keine direkte Kontrolle ausübt, sondern sich einen kompetenten Dritten sucht, der für ihn die Managementüberwachung durchführt und der hieran selbst ein ökonomisches Interesse hat.

Diese Aufgabe übernehmen Kontrolleure, die sich um Kontrollrechte in der Absicht bemühen, die Unternehmenskontrolle zu erlangen.60 Diese Kon- trolleure sind dauerhaft am Markt präsent. Als Kontrolleure sind neben Pensionsfonds auch institutionelle Anleger, spezialisierte Banken mit do- minierendem Wertpapiergeschäft, sonstige Finanzdienstleister oder sich hierauf spezialisierende Institutionen denkbar, die bereit sind, auch lang- fristig einer Aktiengesellschaft vorzustehen.

Im Gegensatz zum Übernehmer61 entfällt für den Kontrolleur der Kauf der gesamten Aktie, er übernimmt gegen die Zahlung einer Gebühr allein das Stimmrecht für eine begrenzte Zeit. Im Unterschied zum Stimmrechtsver- treter62 fungiert er nicht als Bevollmächtigter des Aktionärs und ist nicht an Weisungen gebunden, vielmehr handelt er eigenverantwortlich auf eigene Rechnung.

Demnach stellt er sich in dieser Funktion als eine Synthese der derzeit praktizierten Stimmrechtsallokationsverfahren dar.

3.1.2. Voraussetzungen für die Marktfähigkeit des Stimmrechts 3.1.2.1. Abspaltung des Stimmrechts

60 Vgl. zu den vielfältigen Übernahme- und Prämienzahlungsgründen Röhrich, M.: Übernahmeangebote, S. 42 ff.; Flassak, H.: Markt, S.

148 ff.

61 Vgl. FN 31.

62 Vgl. FN 32.

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Eine Stimmrechtsallokation mit dem Resultat der verbesserten Manage- mentkontrolle setzt die temporäre Abspaltung und getrennte Handelbarkeit des Stimmrechts voraus.

Diese Annahme basiert auf verfügungsrechtstheoretischen Grundlagen und hat zum Ziel, dass dem Aktionär das Stimmrecht als wertdeterminie- rendes Property-Right der Aktie bewusst und er zur effizienten Nutzung motiviert wird. Die infolge ihrer Anreiz- und Sanktionswirkung resultieren- den Allokationswirkungen von Verfügungsrechten lassen sich für effizienz- steigernde Änderungen bestehender institutioneller Regelungen nutzen.

In der „Property-Rights“63-Theorie wird eine Ressource als Bündel von Verfügungsrechten64 interpretiert, durch deren Ausgestaltung seine Nut- zungspotentiale und folglich sein Wert determiniert werden. Der Umgang von Gütern und somit auch die resultierenden Ergebnisse werden auf- grund der „verhaltensprägende(n) Wirkung“65 der Rechte in vorhersehba- rer Weise beeinflusst.66

Die Aktie lässt sich gemäß einer 'Property-Rights'-theoretischen Betrach- tungsweise unter Vernachlässigung des gesamten Rechtebündels in Ein- zelrechte aufsplitten, wobei

• das Vermögensrecht mit dem Recht auf Nutzung bzw. den Ertrag des Gutes,

• das Stimmrecht aufgrund seiner Einflussmöglichkeit mit dem Recht auf formale und materielle Änderung des Gutes und

• das Liquidationserlösrecht mit dem Recht auf Veräußerung des Gutes an Dritte korrespondiert.67

Unter den heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen ist aufgrund des Ab- spaltungsverbots68 eine isolierte ökonomische Nutzbarmachung einzelner Rechte nicht möglich. Dies entspricht einer zwangsweisen Koppelung der Rechte aneinander, welche sich aus Sicht der Property-Rights-Theorie

63 Vgl. Demsetz, H.: Property-Right, S. 23 ff.

64 Dabei werden die Rechte in 4 Einzelrechte untergliedert: 1. Das Recht zur Nutzung des Gutes (usus), 2. Das Recht zur Aneignung der Gewinne oder Verluste aus der Nutzung des Gutes (usus fruc- tus), 3. Das Recht auf Veränderung der Form und Substanz des Gutes (abusus) und 4. Das Recht auf die Veräußerung des Gutes an andere. Vgl. Furubotn, E./Pejovich, S.: Economics, S. 3 ff.

65 Schenk, K. E.: Property Rights, S. 226.

66 Vgl. Furubotn, E./Pejovich, S.: Property Rights, S. 55 f.

67 Vgl. Köbler, M.: Aktienrechten, S. 22 f.

68 Vgl. dazu Schmidt, K.: Gesellschaftsrecht, § 19, S. 455 ff.

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dann als verbesserungswürdige Regelung darstellt,69 wenn hierdurch eine effiziente Allokation dieser Rechte auf kompetente Wirtschaftssubjekte nicht realisiert werden kann.

Bedingt durch diese Maßnahme wird es dem Aktionär verwehrt, eine frei- willige Abspaltung von Rechten vorzunehmen, so dass es zu einer Be- schneidung der Entscheidungsfreiheit und zu keinen im gegenseitigen In- teresse der Vertragspartner vorteilhaften kontraktuellen Abschlüssen kommen kann. Die von der Aktie vermittelten Eigentumsrechte bieten so- mit nicht „jenen Anreiz zur Suche und zur Nutzung der jeweils günstigs- ten“70 Verwendungsmöglichkeit. Die Allokation von Ressourcen wird durch die Beeinträchtigung des Verfügungsrechts auf Form und Substanz sowie des Rechts auf Veräußerung verschlechtert.71

Als Konsequenz dieser Erkenntnis resultiert die Forderung, die mit der Aktie verbundenen Rechte für den Aktionär frei transferierbar zu machen, denn nur dann, „wenn alle Teilungen des Eigentums freiwillig eingegangen und wieder gelöst werden können, sind Wahl und Kontrolle der günstigs- ten Verwendungsart auf dem Kapitalmarkt möglich“.72

Infolge der Abspaltung erhöht sich durch eine nutzenmaximierende Wir- kung die Anreizkompatibilität für den Stimmrechtseinsatz. Der Beitrag des Aktionärs zu einer Stimmrechtsallokation besteht somit darin, nach der effizientesten Verwendungsmöglichkeit seines Stimmrechts zu suchen.

Das Stimmrecht wandert als eigenständiges Gut gegen die Zahlung des Höchstpreises zum besten Kontrolleur, der das Delegationsrisiko des Akti- onärs minimiert.

3.1.2.2. Handelbarkeit des Stimmrechts

Die Zulassung der getrennten Handelbarkeit des Stimmrechts setzt die Einrichtung einer Marktorganisation voraus. Es sind zunächst ein perma- nenter Stimmrechtshandel — in Anlehnung an eine Vermögensrechtsbör- se — oder an eine eingeschränkte Handelbarkeit auf einem außerbörsli- chen Stimmrechtsmarkt denkbar.

Dabei ist zu konstatieren, dass das Stimmrecht — im Gegensatz zum täg- lich an einer Börse gehandelten Vermögensrecht — aufgrund seiner spe- zifischen Eigenschaften bezüglich der Marktgängigkeit nur eingeschränkt handelbar ist.

69 Vgl. hierzu und im Folgenden: Elschen, R.: Handelbarkeit, S 1013 ff.;

Schüller, A.: Eigentumsrechte, S. 329 ff.

70 Schüller, A.: Eigentumsrechte, S. 329.

71 Vgl. Elschen, R.: Handelbarkeit, S. 1013.

72 Schüller, A.: Eigentumsrechte, S. 330.

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So verbrieft es als Vehikel der Unternehmenskontrolle neben materiellen auch ideelle Werte und ist „als solches recht komplex und sein Nutzen schwer definierbar“.73 Im Folgenden wird deshalb unter einem Stimm- rechtsmarkt ein institutioneller und gesetzlicher Rahmen verstanden, auf dem sich Stimmrechtsangebot und -nachfrage zu transaktionskostenmini- malen Bedingungen treffen können.74 Die eingeschränkte Handelbarkeit erklärt sich aus mehreren Überlegungen:

• Weil die Ausübung des Stimmrechts regelmäßig an die Hauptver- sammlung geknüpft ist, kann es konkrete Wirkung (finanzielle, organi- satorische und personelle) nur zu diesen Anlässen entfalten und hat einen teilsaisonalen Charakter.

• Die Personengruppe der Stimmrechtsnachfrager ist begrenzt, da ein Stimmrechtseinsatz Fachkompetenz und Bündelungsmöglichkeit, ver- bunden mit einem positiven Resultat eines Vorteilhaftigkeitskalküls voraussetzt. Demnach ist nicht zu erwarten, dass jedermann als Stimmrechtsnachfrager handeln kann und Stimmrechte in dem benö- tigten Umfang innerhalb kürzerer Zeit umgesetzt werden. Die notwen- dige Liquidität einer Börse wird u. U. nicht erreicht.

• Infolge der Tatsache, dass der Aktionär trotz der Stimmrechtsabspal- tung weiterhin in der Aktiengesellschaft verbleibt, ist sein Interesse, ei- nen kompetenten Kontrolleur zu unterstützen, der mögliche Effizienz- steigerungen durch Verbesserungen in der Geschäftspolitik initiiert.75 Er partizipiert weiterhin an den erbrachten Ergebnissen des neuen Kontrolleurs. Resultierend aus einem permanenten Stimmrechtsbör- senhandel könnten zwischenzeitlich auch andere als die originären Vertragspartner das Stimmrecht erhalten und somit die Unterneh- menskontrolle erlangen. Es wäre möglich, dass das Stimmrecht von dem originären Kontrolleur zu 'schlechteren', mit Reputations- oder Bonitätsdefiziten verbundenen Kontrolleuren wandert, was nicht im In- teresse des Aktionärs liegt.76

Neben der eingeschränkten Handelbarkeit sind Stimmrechte auch nur temporär an Dritte übertragbar und müssen nach einer befristeten Verga- be wieder zum Aktionär zurückgeführt werden. Grundlage dieser Überle- gung sind die Aussagen der Theorie der Firma. Diese implizieren, dass das Stimmrecht in seiner originären Funktion ausschließlich dem Aktionär zugeteilt wird.

73 Röhrich, M.: Übernahmeangebote, S. 51.

74 Vgl. Hirt, D.: Beteiligungshandel, S. 22.

75 Vgl. Elschen, R.: Handelbarkeit, S. 1020.

76 Vgl. hierzu die Problematik der Plünderungsmöglichkeit durch den Kontrolleur in Kap. 3.2.4 und 3.4.

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Eine Stimmrechtsbörse könnte eine dauerhafte Trennung des Stimm- rechts vom Residualaneignungsrecht bedeuten, wenn der Aktionär aus Desinteresse an der Mitbestimmung im Unternehmen sein Stimmrecht an einen Dritten verkauft. In dieser Situation käme das aktionärseigene Stimmrecht als Individualrecht für ihn nicht mehr zum Zuge, die norma- tive Schutzfunktion wäre nicht gewahrt. Durch den einmaligen Verkauf können darüberhinaus — in Anlehnung an Vermögensrechtsbeteili- gungen — Stimmrechtsblöcke entstehen, die den Markt für Kontroll- rechte in seiner Funktion der Managementkontrolle blockieren.

Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass das Stimmrecht nicht per- manent handelbar ist und in den Verfügungsbereich des Aktionärs zurück- kehren muß. Dies ergibt sich zum einen aus den Stimmrechtsspezifika, zum anderen, weil die normative Schutzfunktion des Stimmrechts für den Aktionär gewahrt bleiben muss. Es gilt bei der Institutionalisierung eines Marktes für Stimmrechte, diese Besonderheiten zu beachten.

3.2. Konstituierende Merkmale eines Stimmrechtkontraktes

Zwischen dem Aktionär als Anbieter und dem Kontrolleur als Nachfrager ergeben sich Interaktionen auf dem Markt für Stimmrechte, in deren Folge separate Stimmrechtsverträge zustande kommen. In diesen werden Leis- tung und Gegenleistung für die Stimmrechtsübergabe fixiert.

Der Stimmrechtsvertrag sieht folgende Schwerpunkte vor:

• Das Stimmrecht als Vertragsobjekt

• Das vertragsrelevante Ereignis

• Das Stimmrecht als risikoreduzierendes Element der Aktie

• Der Vertrag als Termingeschäft

3.2.1. Das Stimmrecht als Vertragsobjekt

Der Vertrag sieht vor, dass sich die Vertragspartner verpflichten, zu einem festgelegten Termin im Falle eines vertraglich definierten Ereignisses ihre Vereinbarungen zu erfüllen. Der Kontrolleur als temporärer (Delegations-) Risikoerwerber verpflichtet sich, das Stimmrecht zu übernehmen und ei- nen vereinbarten Preis (Stimmrechtspreis) an den Aktionär zu leisten. Der Aktionär als temporärer (Delegations-) Risikoverkäufer ist verpflichtet, dem Kontrolleur sein zugesichertes Stimmrecht zu übergeben. Dabei bezieht sich das Event auf die am Aktienkurs gemessene erbrachte Leistung des amtierenden Management im Verhältnis zu einer Referenzgröße.

Mit dem Vertrag wird eine isolierte Übertragung des Managementrisikos an einen Dritten ermöglicht, der durch seine Kompetenz und seine ver- besserte Anreizkompatibilität bei der Managementüberwachung gegen- über dem Aktionär einen komparativen Vorteil besitzt. Dies entspricht ei- ner verbesserten Risikoallokation, weil derjenige das Stimmrecht erhält,

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der es am besten tragen kann und Möglichkeiten besitzt, das Risikopoten- tial durch Einflussnahme auf das Management zu steuern.

3.2.2. Das vertragsrelevante Ereignis

Im Rahmen des separaten Stimmrechtsvertrags wird ein Event definiert, welches den Übergang des Stimmrechts vom Aktionär an den Kontrolleur festschreibt. Dieses Ereignis muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass der Aktionär sich gegen einen mit einem Missmanagement inhärent verbundenen Vermögensschaden absichern will. Der Kontrolleur möchte infolge der Ausübung der Unternehmenskontrolle Gewinne erzielen. Diese resultieren aus einer aktienwertabhängigen Entlohnungsfunktion bspw. in Form einer überproportionalen Partizipation an Kurssteigerungen bei gleichzeitiger Berücksichtigung eines vom Aktionär definierten Mindestan- spruchsniveaus.

Das vertragsrelevante Ereignis ergibt sich aus der Bewertung der Durch- schnittsleistung des amtierenden Management im Verhältnis zu einer defi- nierten Benchmark. Das Stimmrecht geht dann an den Kontrolleur über, wenn die Managementleistung dauerhaft unter einem Branchenindex als Vergleichsmaßstab liegt.

Die Bewertung der Qualität des Management erfolgt über den öffentlich zu beobachtenden Vermögensrechtskurs der Unternehmung. Dies setzt eine hohe positive Korrelation zwischen der Managementleistung und dem Börsenkurs voraus.77 Infolgedessen kann bei der externen Beobachtung des Vermögensrechts durch Dritte von dessen Höhe auf die Manage- mentqualität geschlossen werden, denn „je besser die etablierte Unter- nehmensleitung arbeitet, desto vollständiger werden die möglichen Erhö- hungen des Vermögenswertes ... realisiert“.78 Der Aktienkurs wird dem- nach als derivativer, quantitätsorientierter Kennzahlenwert für die Bewer- tung des Management verwendet. Insbesondere wenn angenommen wird, dass sich der Aktionär gegen sämtliche Branchenrisiken über derivative Instrumente absichert, verbleiben die Handlungsweisen der Unterneh- menslenker als zentrale Risikokomponente.79

Die Managementqualität wird nicht anhand der absoluten Höhe des Ver- mögensrechts, sondern in Abhängigkeit einer Referenzgröße bewertet.

77 Vgl. Manne, H.: Mergers, S. 112 ff.

78 Schüller, A.: Eigentumsrechte, S. 335.

79 Der Markt für Unternehmenskontrolle, auf dem die Übernahmewahr- scheinlichkeit mit der Zielsetzung der Substitution eines ineffizienten Management zunimmt, wenn der Aktienkurs sinkt, geht von der glei- chen Prämisse aus und abstrahiert von Zufallseinflüssen und sonsti- gen nicht vom Management zu verantwortenden Einflußfaktoren.

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Diese Notwendigkeit entsteht aus Gründen der Leistungsobjektivierbarkeit, durch die eine Vergleichbarkeit der Manager zueinander ermöglicht wer- den soll. Unter Zugrundelegung des Opportunitätsprinzips als Bewer- tungsgrundlage des Investments ist davon auszugehen, dass der Aktionär zumindest die marktübliche Verzinsung erreichen möchte, was durch ei- nen Index ausgedrückt werden kann. Deshalb wird die Managementleis- tung in Abhängigkeit zu einem Index gemessen, welcher, um eine mög- lichst objektive Bewertung zu gewährleisten, als Branchenindex gewählt wird. Diese relative Bewertungsform hat den Vorteil, dass die Einflüsse exogener Faktoren, die auf die gesamte Branche einwirken, mit erfasst werden. Somit wird ein Vergleichsmaßstab erreicht, der die Management- ergebnisse, bzw. die erwarteten Ergebnisse zu den in der Branche tätigen Konkurrenten ins Verhältnis setzt.

Für den Stimmrechtsmarkt bedeuten diese Ausführungen in concreto:

Der Beobachtungszeitraum des amtierenden Management erstreckt sich über den Zeitraum zwischen den Hauptversammlungen. An einem ver- traglich fixierten Stichtag, dem Ausübungszeitpunkt, erfolgt die Bewertung des Management. Dies geschieht durch einen Ergebnisvergleich zwischen erbrachter Managementleistung und der Leistungskurve der konkurrieren- den Managementteams derselben Branche — ausgedrückt durch einen Branchenindex — im betrachteten Zeitraum.

Das Ereignis tritt ein, wenn am Stichtag — z. B. kurz vor dem Hauptver- sammlungstermin — der die durchschnittliche Managementleistung doku- mentierende Börsenkurs unter dem Branchenindex liegt.

• Für den Aktionär bedeutet dieses Event, dass er eine unterdurch- schnittliche Rendite erwirtschaftet und somit einen managementindu- zierten Vermögensverlust erleidet.80

• Im Fall, dass die Managementleistung den Branchenindex schlägt bzw.

oberhalb verläuft, tritt das Event nicht ein, folglich wird auch der Ver- trag nicht schlagend. Dies impliziert, dass das amtierende Manage- ment nicht ausgewechselt werden soll und somit kein Kontrolleur an die Stimmrechte gelangt.

Für das erste Szenario kann sich der Aktionär mit Hilfe seines Stimm- rechts finanziell absichern. Dabei kommt der Wertentwicklung des Stimm- rechts zum Vermögensrecht besondere Bedeutung zu.

3.2.3. Das Stimmrecht als risikoreduzierendes Element der Aktie

80 In diesem Fall ist der Verlustbegriff eng auszulegen: demnach er- langt der Aktionär nicht erst einen Vermögensverlust, wenn er eine absolut negative Rendite erfährt, sondern auch schon dann, wenn er eine unter dem Marktindex liegende Rendite erwirtschaftet.

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Die Aktie ist konstituiert aus zwei wertbestimmenden Elementen, dem Stimm- und Vermögensrecht, die zueinander in komplexer Beziehung ste- hen.81 Der Stimmrechtspreis stellt einen derivativen Wert des Vermögens- rechts dar, dessen Verlauf von der Entwicklung des Vermögensrechts- wertes determiniert wird. Er korreliert negativ mit dem Vermögensrechts- wert, d. h. es liegt eine inverse Beziehung bei der Wertentwicklung beider Rechte vor.82

Wesentlich ist, dass der aus dem Vermögensrechtswert abgeleitete Stimmrechtswert tendenziell den momentanen Umgang mit unterneh- mensgebundenen Ressourcen anzeigt und von den individuellen Erwar- tungen der Beteiligten bestimmt wird. Je besser die Ressourcenallokation der Manager ist, desto höher liegt der Aktienkurs und desto geringer ist die Notwendigkeit, Änderungen einzuleiten. Mithin konvergiert in solchen Fäl- len der Wert des Stimmrechts gegen Null. Es lässt sich feststellen, „daß der Preis des Stimmrechts größtenteils von der Einschätzung des Spiel- raums für weitere Vermögenswert- oder Dividendensteigerungen ab- hängt“83 und somit die „Preisentwicklung für Stimmrechte (darüber) infor- miert ..., in welchem Umfang vermutlich Spielräume für eine bessere Nut- zung des X-Effizienz-Faktors bestehen.“84

Für den Aktionär bedeutet diese inverse Wertentwicklung, dass er im Falle eines Vermögensverlusts durch einen sinkenden Vermögensrechtswert diese negative Entwicklung durch eine Vergabe des Stimmrechts teilweise kompensieren kann. Auf diese Weise kann er sich gegen fallende Vermö- gensrechtskurse absichern.

Im Umkehrschluss ist aus diesen Ausführungen zu entnehmen, dass bei einer Interessenkonvergenz von Aktionär und amtierendem Management der Kontrollrechtswert gegen Null tendiert.85 Für den Aktionär besteht kei- ne Veranlassung, eine Managementdisziplinierung durch Überlassung seines Stimmrechts vorzunehmen. Für potentielle Übernehmer ist das In- teresse an der Übernahme der Unternehmenskontrolle ebenfalls nicht vorhanden, weil unter einem neuen Management kaum Verbesserungen durch eine veränderte Geschäftspolitik erreicht werden können.

3.2.4. Der Vertrag als Termingeschäft

Der oben beschriebene Vertrag stellt typischerweise ein Termingeschäft dar. Unter diesem versteht man ein Geschäft, bei dem der Abschluss und

81 Vgl. dazu im Folgenden Manne, H.: Share Voting, S. 536 ff.

82 ebd., S. 537.

83 Schüller, A.: Eigentumsrechte, S. 335.

84 ebd.

85 Vgl. Manne, H.: Share Voting, S. 537.

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die Erfüllung zeitlich auseinanderfallen.86 Demnach sind die Fixierung so- wie die Erbringung der vereinbarten Leistung und Gegenleistung temporär getrennt; Die Geschäfte verfügen über ein in die Zukunft gerichtetes Ver- tragselement.

Termingeschäfte lassen sich unterscheiden in bedingte und unbedingte Kontrakte.87 Bei bedingten Termingeschäften ist die konkrete Verpflich- tung des Stillhalters abhängig vom Wahlrecht des Optionskäufers. Dem- entsprechend verlangt der Stillhalter eine Prämie für die Übernahme des Risikos.

Dagegen sind unter den unbedingten Termingeschäften solche Geschäfte zu verstehen, bei denen die künftige Erfüllung unbedingter Kontraktbe- standteil ist. Beide Vertragspartner verpflichten sich, ihre Leistung im späteren Zeitpunkt zu erbringen. Eine zu zahlende Prämie entfällt.

Bezogen auf den Stimmrechtsmarkt erhält der Aktionär durch das Termin- geschäft die Möglichkeit, den Stimmrechtsvertrag mit einem Kontrolleur bereits frühzeitig, bspw. schon kurz nach der letzten Hauptversammlung, abzuschließen und sich das Anrecht auf die vom Kontrolleur zu zahlende Stimmrechtsgebühr in einem späteren Zeitpunkt zu sichern.

Da der separate Stimmrechtsvertrag erst dann schlagend wird, wenn das amtierende Management schlechtere Ergebnisse als die alternativen Ma- nagementteams erbringt, bedeutet dieser Vertrag eine finanzielle Absiche- rung des Aktionärs und bildet die Grundlage für die Institutionalisierung des unbedingten Stimmrechtstermingeschäfts.88

Aus der rein finanziell motivierten Kapitalanlage ist zu entnehmen, dass der Aktionär an einer Kompensation der entstehenden Vermögensverluste interessiert ist. Weil der Vertrag genau für diese Situation die Stimm- rechtsübergabe verbunden mit der Ausgleichszahlung vorsieht, ist davon auszugehen, dass der Aktionär das Stimmrecht auf jeden Fall übergibt.

Folglich wird er auch im Vorfeld bei dem Vertragsabschluss einem unbe- dingten Kontrakt zustimmen.

Für den Kontrolleur bedeutet der Terminvertrag, dass er sich im Gegen- satz zur Übernahme schon frühzeitig Stimmrechte sichern kann, die zu günstigeren Konditionen erworben — wenn das Recht noch relativ niedrig bepreist wird — werden können. Durch eine entsprechende Bündelung kann der Kontrolleur demnach frühzeitig eine synthetische Übernahmepo-

86 Vgl. Bitz, M.: Finanzdienstleistungen, S. 265.

87 Vgl. ebd.

88 Die zu zahlende Prämie des Aktionärs für den Abschluß einen be- dingten Termingeschäfts könnte seine Partizipationsbereitschaft auf diesem Markt schwächen. Zudem wird er die hierdurch gegebenen größeren Entscheidungsfreiheiten ex definitione nicht nutzen, da er als rational apathischer Teilhaber relativ uninformiert ist und kaum Informationen für sachgerechte Entscheidungen verarbeiten wird.

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sition aufbauen. Der Kontrolleur in seiner Funktion als Stimmrechtsüber- nehmer ist an einer unbedingten Stimmrechtsübergabe interessiert, da er Effizienzspielräume durch eine Reallokation der Ressourcen bei der Aus- übung der Stimmrechte erwartet.

Weil keine liquide Stimmrechtsbörse zu erwarten ist, werden die Stimm- rechtsverträge als Individualverträge abgeschlossen (‘OTC-Kontrakt’). Die Vertragsinhalte werden individuell und jedesmal neu bestimmt.

Generell ist jedoch in allen Verträgen die Laufzeit standardisiert, die bis zur nächsten Hauptversammlung begrenzt ist. Entsprechend geht das Stimmrecht kostenlos wieder an den Aktionär über. Damit wird dem Tat- bestand Rechnung getragen, dass das Stimmrecht das originäre Recht des Aktionärs ist und bei ihm verbleiben muss.

Der Vertrag sieht bei der Überlassung des Stimmrechts die Zahlung eines Stimmrechtspreises vor, dessen Gestaltung zwischen Kontrolleur und Stimmrechtsverleiher frei aushandelbar ist. Dieser Stimmrechtspreis wird im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses fixiert.

Als Determinanten der Preisgestaltung lassen sich neben dem Aktienkurs die Erwartungen, die Risikopräferenz und -tragfähigkeit der Beteiligten sowie der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Laufzeiteffekt) feststellen.

Darüberhinaus werden die Konditionen von dem notwendigen Umfang des Stimmrechtspakets bestimmt, so dass gleichermaßen die Eigentümer- struktur den zu erzielenden Stimmrechtspreis beeinflusst.

Bezüglich der Zahlungsmodalität sind mehrere Varianten denkbar:

• Fixgeschäft: Bei Vertragsabschluss wird ein vom Kontrolleur zu zah- lender Fixpreis vereinbart. Dieser ist unabhängig von der im Stichtag angezeigten Abweichung der Managementleistung vom Branchenin- dex.

• Differenzgeschäft: Der Aktionär und der Kontrolleur vereinbaren bei Vertragsabschluss eine Stimmrechtsprämie pro Differenzpunkt der Managementleistung vom Branchenindex. Im Vorfeld wird somit nicht der im Ausübungszeitpunkt zu zahlende Preis definitiv festgelegt, die- ser bestimmt sich vielmehr aus der entstandenen Abweichung der Ma- nagementleistung zum Index. Demnach erhält der Aktionär immer eine Mindestrendite in Höhe des Branchenindex, weil der Kontrolleur die- sem den entstandenen Vermögensverlust durch ein angemessenes Stimmrechtsentgelt ausgleicht.

Für den Kontrolleur hat dies den Vorteil, dass er nur dann für das Stimmrecht einen hohen Preis zahlen muss, wenn er durch die schlechte Vorgängerleistung bedingt hohe Effizienzspielräume erkennt und durch die Übernahme finanzielle Vorteile durch die Entlohnung er- wartet.

• 'Bereinigtes' Differenzgeschäft: Für jeden Differenzpunkt unterhalb ei- ner Toleranzmarke wird ein zu zahlender Stimmrechtspreis vereinbart.

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Dieses Verfahren hat sowohl für den Aktionär als auch für den Kon- trolleur wesentliche Vorteile. Im Fall, dass die Managementleistungs- kurve sich nur knapp unterhalb des Branchenindex bewegt — dem- nach das amtierende Management nur geringfügig schlechter als die Konkurrenz dieser Branche arbeitet — bedeutet diese Situation für den Aktionär, dass er kaum einen Grund besitzt, das Risiko eines neuen Management in Betracht zu ziehen.

Für den Kontrolleur hat diese Toleranzmarge noch größere Auswirkun- gen. Aus den Verlaufskurven lässt sich entnehmen, dass er nur wenig Spielraum für zukünftige Effizienzverbesserungen erkennt. Er wird die Kontrolle nicht anstreben. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der entstehenden Transaktionskosten zu sehen, die mit einer Über- nahme verbunden sind.89 Somit ist denkbar, dass diese Kosten die möglichen Effizienzgewinne aufzehren und mithin Transaktionskosten als positive Marktzutrittsschranke zu interpretieren sind. In diesem Ver- halten offenbart sich gleichfalls die 'Seriosität' des Kontrolleurs, da er nicht die Kontrollmacht 'um jeden Preis' an sich reißt. Er gibt damit ein glaubhaftes Signal, ausschließlich an Effizienzsteigerungen, nicht aber an Plünderungen90 interessiert zu sein.

3.3. Institutionelle Ausgestaltung eines Stimmrechtmarktes

Für die marktliche Realisierung spezifischer Stimmrechtskontrakte bedarf es der Einrichtung sowohl eines Stimmrechtstermin- als auch eines Stimmrechtskassamarktes.

Auf dem Terminmarkt erhält der Aktionär die Möglichkeit, sein Stimmrecht zu jedem beliebigen Zeitpunkt je nach Risikoaversion dahingehend zu nutzen, sich gegen das amtierende Management abzusichern.91

Um die entstehende Prinzipal-Agenten-Beziehung und die Kosten der Vertragsbeziehung zu minimieren, unterliegen die Kontrolleure einer ob- jektiven Bonitäts- und Haftungsprüfung.

Die zeitliche Absicherungsvarianz bedingt die Preisgestaltung. Unmittelbar nach der Hauptversammlung sollte der Wert des Stimmrechts sehr gering sein, da entweder das amtierende Management bestätigt wurde, was auf eine Unternehmenspolitik im Interesse der Aktionäre schließen lässt, oder ein neues Management gewählt wurde, welches glaubhaft signalisieren konnte, Unternehmenswertsteigerungen anzustreben. Auch hat einen Ein-

89 Vgl. Jensen, M.: Active Investors, S. 39.

90 Vgl. Easterbrook, F./Fischel, D.: Voting, S. 410 ff.; Clark, R.: Vote Buying, S. 793 ff.

91 Vor dem Hintergrund der vielfältigen Übernahmegründe bietet dies insbesondere für Klein- und Minderheitenaktionäre eine Chance der Absicherung gegen ein opportunistisches Management.

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fluss, dass Stimmrechte ihr größtes Wirkungspotential erst auf der nächs- ten Hauptversammlung entfalten können, diese aber noch nahezu ein volles Geschäftsjahr entfernt liegt.92 Für den Kontrolleur bedeutet der Ab- schluss eines Kontraktes zu früher Zeit, dass er günstig an Stimmrechte gelangt. Je näher man zur nächsten Hauptversammlung kommt, desto mehr Informationen liegen über die Managementleistung vor, die wieder- um den Preis des Stimmrechts determinieren.

Mit dem Stichtag des Terminvertrages wird der Terminmarkt gegebenen- falls durch einen Kassamarkt, auf dem Vertragsabschluss und -ausübung zusammenfallen, ergänzt. Zu diesem Zeitpunkt ist dem Kontrolleur be- kannt, wieviele Terminverträge schlagend werden und wieviele Stimm- rechte an ihn sicher übergehen. Auf dem Kassamarkt erhält der Kontrol- leur im Falle eines Missmanagement die Möglichkeit, noch fehlende Stimmrechte für eine potentielle Übernahme dazu zu erwerben. Diese werden c. p. umso höher bepreist sein, je niedriger der Aktienkurs ist. Ist eine kontrolleursseitige Nachfrage nicht vorhanden, können die Aktionäre indes die Stimmrechte mangels Liquidität nicht „verpachten“.93 Somit er- gibt sich für den Aktionär die Möglichkeit, gemäß der individuellen Risiko- präferenz und Erwartungsbildung eine Entscheidung bezüglich des Zeit- punktes seiner Absicherung zu treffen.

3.4. Kritische Würdigung

Die eingangs gestellte Frage nach einer Verbesserung der Stimmrechts- allokation durch eine getrennte Handelbarkeit von Stimmrechten kann da- hingehend beantwortet werden, dass eine überwiegend positive Tendenz für diese Überlegungen zu konstatieren ist.

Ausgehend vom Aktionär ist festzuhalten, dass er sein Stimmrecht und damit sein Managementrisiko isoliert einem kompetenten Dritten übertra- gen kann, der sich um dieses Kontrollgut bewirbt. Er kann durch diese Möglichkeit 'beruhigt' in die Aktie investieren, denn seine Vermögensposi- tion unterliegt in geringerem Ausmaße den Auswirkungen eines opportu- nistisch handelnden Management. Die Betonung des Individualcharakters der Absicherung durch Stimmrechte versetzt ihn in die Lage, sich selbst aktiv den besten Kontrolleur zu suchen. Somit entgeht er dem 'collective-

92 Abstrahiert wird hier von außerordentlichen Hauptversammlungen.

93 Nun kann man argumentieren, daß ein Kontrolleur bereits dann ein nahezu wertloses Stimmrecht erhält, wenn er einen Preis hierfür an die Aktionäre zu zahlen bereit ist. Da aber die Aussicht auf eine noch ausgeprägtere Aktienkurssteigerung gering ist, werden die Aktionäre vor dem Hintergrund des Risikos einer Verschlechterung der Wert- entwicklung kaum bereit sein, daß Stimmrecht temporär an den riva- lisierenden Kontrolleur zu veräußern. Rationale Anleger werden un- ter diesen Umständen einen aus Sicht des Kontrolleurs prohibitiv ho- hen Stimmrechtspreis fordern.

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action'-Problem. Durch die Internalisierungsmöglichkeit der Stimmrechts- prämie ergibt sich eine erhöhte Anreizkompatibilität des Stimmrechtsein- satzes für den Aktionär. Auf der allokativen Leistungsfähigkeit der Eigen- tumsrechte basierend, wird durch die Anreiz- und Sanktionsfähigkeit des Stimmrechts auf einer einzelwirtschaftlichen Ebene eine gesamtwirtschaft- liche Effizienzsteigerung erreicht.

Mit der freiwilligen Übergabe des Stimmrechts geht eng die Möglichkeit der Absicherung des Aktionärs gegen ein managementinduziertes Vermö- gensrisiko einher. Dadurch kann er sein Portfolio in noch stärkerem Maße diversifizieren.

Nur bei einer schlechten Managementleistung wechselt das Stimmrecht als Kontrollrecht gegen eine Zahlung zum 'besten Wirt'. Hier werden zwei positive Aspekte als zentrale Intentionsrichtungen des Konzepts schla- gend: Es erfolgt eine Absicherung und eine gleichzeitige, den Vermögens- verlust kompensierende Vergütung für den Aktionär. Der Kontrolleur erhält den Anreiz, über eine verbesserte Geschäftspolitik eine an der Unterneh- menswertentwicklung gekoppelte Entlohnung internalisieren zu können.

Durch die temporäre Handelbarkeit ist es dem Aktionär überlassen, je nach Risikoaversion seine Absicherung früher oder später zu treffen.

Solch eine Entscheidung ist nur auf marktlichem Wege denkbar. Dieser Marktmechanismus ist transaktionskostenmindernd, beinhaltet indes auch, dass wegen seiner marktlichen Bedingungen dem Grundsatz des Gleich- behandlungsprinzips nicht voll Rechnung getragen werden kann. Aktionä- re mit hoher Risikopräferenz laufen Gefahr, nicht auf dem Absicherungs- markt bedient zu werden, wenn ein Kontrolleur die für ihn relevante Stimmrechtsbündelung erreicht hat.94

Der Kontrolleur befindet sich im Gegensatz zu heutigen Unternehmens- übernahmen in der verbesserten Position, schon frühzeitig Kontrollrechte akkumulieren zu können und, analog der frühzeitigen Absicherung des Aktionärs, an das Kontrollrecht zu einem günstigen Preis zu gelangen. Er bezahlt nur noch für das abgespaltete Stimmrecht, nicht mehr für die volle Aktie.

Dieser, eine Unternehmensübernahme begünstigende Umstand, lässt er- warten, dass vermehrt Kontrolleure auf dem Markt für Stimmrechte auf- treten. Der Aktionär wird in die Lage versetzt, sich denjenigen aus den im Wettbewerb stehenden Konkurrenten zu wählen, der ihm das beste Ange- bot unterbreitet. Ex–ante wird hierdurch ein Druck auf das amtierende Ma- nagement zu unternehmenswertsteigerndem Verhalten induziert.

Dieser Argumentation folgend können allein aus Kostengründen Über- nahmen wesentlich erleichtert werden. Neben dem günstigen Kontroll- rechtspreis müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch geringere Über-

94 Das Problem der Aktionäsgleichbehandlung kann durch die Pflicht zu einem 'pro-rata'-Angebot durch den Übernehmer gelöst werden.

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nahmeprämien gezahlt werden, da der Aktionär in der Unternehmung ver- bleibt und weiterhin an den Gewinnen partizipiert.95

Auf der anderen Seite impliziert dies gleichzeitig eine hohe Gefahr der Plünderung durch einen Kontrolleur. Dies wird durch die Verdünnung der Verfügungsrechte bewirkt.96 Da nur noch die Stimmrechte für eine Über- nahme gekauft werden müssen, partizipiert das neue Management infolge dessen an seinen unternehmensinternen Verbesserungen durch Um- strukturierungen nur noch zu einem geringen Teil.97

Es entsteht somit ein Missverhältnis zwischen Aufwendungen und Erträ- gen, die nur durch 'sonstige Vorteile' ('perk consumption') aufgefangen werden können. Das kann dazu führen, „daß beim Stimmrechtserwerb nicht derjenige zum Zuge kommt, der den Gegenwartswert im Interesse aller Kapitaleigner maximieren will, sondern derjenige, der bereit ist, für die 'sonstigen Vorteile' den höchsten Preis zu zahlen.“98 Diese Problematik ist allerdings schon unter der heutigen Form der Stimmrechtsvertretung so- wie bei Übernahmen nicht ausgeschlossen.99 Überdies kann relativierend eingebracht werden, dass für solche Unternehmen, deren Marktwert ganz erheblich unter Plünderungen des Management zu leiden hat, eine natürli- che Grenze erreicht wird. Eine weitere Plünderung ist ohne vollständigen Rückzug der Aktionäre dann nicht möglich. Durch einen funktionierenden Stimmrechtmarkt können diese Unternehmen entgegen bisheriger Rege- lungen aber einem neuen Kontrolleur übergeben werden.

Zudem wird die Schädigungsintention eines Übernehmers durch die nur temporäre Abspaltung des Stimmrechts abgeschwächt.100 Das Stimmrecht muss nach der Hauptversammlung an den Aktionär zurückgegeben wer- den, so dass sich der Kontrolleur immer wieder neu um die Stimmrecht- serlangung bewerben muss und keine dauerhaften Stimmrechtblöcke ent- stehen. Der Aktionär wird bei einer alleinigen Stimmrechtvergabe bemüht sein, gerade nicht an einen Plünderer zu geraten, weil er weiterhin an Kurssteigerungen partizipiert. Auch die institutionellen Vorkehrungen einer Bonitäts- und Haftungsprüfung der Kontrolleure können eine Eindämmung des Problems bedeuten.

95 Vor dem Hintergrund der Aktionärsgleichbehandlung kann dieser kostenreduzierende Umstand dahingehend genutzt werden, dass der Übernehmer ein Vollangebot unterbreiten muss.

96 Vgl. Grossman, S./Hart, O.: One Share - One Vote, S.175 ff.

97 Vgl. Easterbrook, F./Fischel, D.: Voting, S. 410 f.

98 Elschen, R.: Handelbarkeit, S. 1019.

99 Empirische Untersuchungen belegen den negativen Einfluss des Depotstimmrechts auf die Unternehmensperformance. Vgl. Perlitz, M./Seger, F.: Role, S. 49 ff.; Gordon, G./Schmid, F.: Performance, S.

18 ff.; Nibler, M.: Bank Control, S. 15 ff.; Für Übernahmen vgl. FN 60.

100 Vgl. Fehl, U./Oberender, P.: Unternehmensverfassung, S. 141.

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Plünderungen sind jedoch nicht nur bei einem zukünftigen Management vorstellbar, auch das amtierende Management kann dieser Versuchung unterliegen. Wenn dieses durch die geforderte Offenlegung der ange- sammelten Stimmrechtsanteile erkennt, dass sich bereits eine Bündelung von Stimmrechten anbahnt, kann es sich einerseits motiviert fühlen, seine Auswechslung dadurch zu verhindern, indem es sich in der Restzeit um effizientes Arbeiten bemüht, andererseits kann dieser Tatbestand bewir- ken, dass das amtierende Management die ihm verbleibende Zeit dahin- gehend ausnützt, größere Vorteile durch Plünderung des Unternehmens für sich zu generieren und somit die Aktionäre durch einen sinkenden Vermögenswert zu schädigen. Dieser Entwicklung wird durch die Markt- einschätzung entgegengewirkt, weil durch die Erwartung eines neuen Ma- nagement der Vermögensrechtskurs stagnieren wird. Zudem kann über die Einleitung einer außerordentlichen Hauptversammlung durch einen Kontrolleur, der bereits ausreichend Stimmrechte gepachtet hat, Abhilfe geschaffen werden.

In den dargelegten Überlegungen für eine effiziente Allokation der Stimm- rechte ist eine Verstärkung der heute schon bestehenden Kurzfristorientie- rung im Rahmen der Geschäftspolitik als problematisch einzustufen. Ma- nager erhalten aufgrund einer erhöhten Auswechslungsbedrohung kaum Gelegenheit, Investitionen mit positivem Barwert durchzuführen, die indes erst in ferner Zukunft Zahlungsströme generieren. Vielmehr ist es möglich, dass sie schon im Laufe ihrer ersten Amtsperiode durch den Abschluss von Terminverträgen einem erhöhten Auswechslungsrisiko unterliegen.

Aus diesem Grund ist zu überlegen, die Zeiträume zwischen den Haupt- versammlungen zu verlängern, so dass eine Mittelfristigkeit entsteht. An- gesichts der aktiven und permanenten Einflussmöglichkeit der Aktionäre über den Markt für Stimmrechte erscheint diese institutionelle Reform ge- rechtfertigt.

Den angesprochenen sich dem Management bietenden Missbrauchsmög- lichkeiten für Plünderungen und der als problematisch angesehenen Kurzfristorientierung steht eine Vielzahl von Aspekten entgegen, die einer Stärkung und Weiterentwicklung eines Marktes für Unternehmenskontrolle förderlich sind.

Sowohl für den Aktionär als auch für den Kontrolleur eröffnen sich Per- spektiven, die eine Belebung und Ausweitung des Aktienmarktes verspre- chen:

Die separate Handelbarkeit des Stimmrechts, die Absicherung des Aktio- närs, die günstige Erwerbsmöglichkeit des Stimmrechts für den Kontrolleur sowie die Erleichterung von Disziplinierungsmaßnahmen eines Manage- ment lassen vor dem Hintergrund der ökonomischen Werterkennung des Stimmrechts auf der Basis eines einzelwirtschaftlichen Optimierungskal- küls eine gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtssteigerung durchaus realistisch erscheinen.

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