Fleckenminiermotte in der Zentralschweiz – ein fast vergessener Schädling
Die Fleckenminiermotte hat lokal in der Zentralschweiz seit 2013 vermehrt zu Schäden in Apfelanlagen geführt. Trotz wiederholter gezielter Bekämpfung im Jahr 2015 konnten auf Einzelparzellen grosse Schäden bis hin zu Totalausfällen nicht verhindert werden.
In Zusammenarbeit zwischen dem Kanton Luzern und Agroscope wurde 2016 erstmals der Flug- und Befallsverlauf in der betroffenen Region aufgezeichnet. Zudem konnte der Befall durch das Insektizid Alanto, einem Neonicotinoid, deutlich reduziert werden. Alanto hat 2017 eine Bewilligungserweiterung zur Bekämpfung von Miniermotten erhalten.
Di a na Zwa hlen, Agroscope, und M a rk us Hunk eler, Berufsbildungszentrum Natur und Ernä hrung (BBZN) Hohenr a in
diana.zwahlen@agroscope.admin.ch
Die Fleckenminiermotte (Lepidoptera malifoliella Costa, im Folgenden FMM genannt, Abb. 1) ist eine in der Schweiz einheimische Kleinschmetterlingsart, die
normalerweise keine Probleme im Obstbau bereitet.
Ihr breites Wirtsspektrum umfasst neben verschiede- nen Wildbaumarten auch Kulturbäume wie Apfel, Birne und Kirsche, wobei die grösste Präferenz beim Apfel liegt.
Der Schaden an befallenen Bäumen wird durch die in den Blättern minierenden Larven (Abb. 2) ver- ursacht. Nach dem Schlupf aus den Eiern, die auf der Blattunterseite abgelegt werden, bohren sich die
Larven direkt ins Blattgewebe und ernähren sich an- schliessend von diesem. Die dabei entstehenden run- den, blasenartigen Minen (Abb. 3) können das Blatt- werk stark beschädigen und die Fotosyntheseleistung der Bäume deutlich reduzieren. Im schlimmsten Fall führt dies zu frühzeitigem Welken und Abstossen der Blätter (sogenannter «Frühzeitiger Herbst»), was das Ausreifen der Früchte verunmöglicht. Ausserdem kön- nen die sich gerne in den Kelch- oder Stiel gruben ver- puppenden Larven auch bei geringerem Befall zu Ver- schmutzungen führen und die Qualität der Früchte vermindern.
Die FMM war für lange Zeit aus dem Fokus des Pfl anzenschutzes gerückt und hat als Nebenschädling nur vereinzelt zu vernachlässigbaren Schäden geführt.
Seit 2013 ist in der Region um Aesch im Kanton Luzern allerdings wieder ein stärkeres Auftreten der FMM zu verzeichnen. War 2013 lediglich ein Betrieb betroffen, waren es 2016 bereits 30 Betriebe. Auch in Deutschland wird der Schädling seit einigen Jahren wieder ver- mehrt beobachtet (Benduhn et al. 2007, Steinle und Zebitz 2015). Aufgrund des zunehmenden Befalls in der Region Aesch ging man 2015 zum ersten Mal ge- zielt gegen die FMM vor. Trotz wiederholter Insektizid- Applikationen liessen sich Schäden auf einigen Parzel- len nicht verhindern. Um dieser Beobachtung auf den Grund zu gehen und eine Strategie zur Bekämpfung der FMM zu entwickeln, wurden 2016 zwei Versuche gemeinsam von Agroscope und dem Sachbereich Spe- zialkulturen und Pfl anzenschutz des Kantons Luzern durchgeführt. Es wurde eine Flug- und Befallsüberwa- chung in der Region etabliert, um den optimalen Be- handlungszeitpunkt genauer bestimmen zu können, und es wurden fünf Insektizide auf ihre Wirksamkeit gegen die FMM getestet.
Überwachung und Versuch in der Zentral- schweiz
Für die Flugüberwachung wurden 64 Pheromonfallen (Andermatt Biocontrol AG, erstmaliger Einsatz in der Schweiz) auf 19 Betrieben der Region in Apfel-, Birnen- und Kirschenanlagen aufgehängt und von April bis September wöchentlich kontrolliert. Zwischen dem 19. April und 17. Mai wurde die Anzahl Kontrollen auf zwei pro Woche erhöht. Die Dispenser wurden am 15. Juli für den zweiten Flug ausgewechselt. Zwei der Fallen wurden in einer Versuchsparzelle aufgehängt, in der die Befallsüberwachung und der Tastversuch zur Wirkung der Insektizide durchgeführt wurden. In dieser Parzelle wurde zusätzlich der Apfelwickler-Flug mit zwei Pheromonfallen überwacht.
Die Versuchsparzelle war eine Apfel-Mostanlage in Aesch. Die Parzelle umfasste die Sorten Procats 2, Procats 3 und Procats 5 mit Reihenabstand 3.8 m und Pfl anzabstand 0.5 m. Zur Befallsüberwachung wurde Anfang Mai die Eiablage und ab Mitte Juni der Minen- befall wöchentlich kontrolliert. Dazu wurden je 100 zufällig ausgewählte Blätter auf Arbeitshöhe in zwei Teilen der Parzelle ohne gezielte Bekämpfung der FMM und des Apfelwicklers (Nullparzelle) untersucht.
Im Tastversuch wurden fünf verschiedene Insekti- zide in jeweils vier Wiederholungen auf ihre Wirksam-
Abb. 1: Adulte Fleckenminiermotte.(Foto: Stefan Kuske, Agroscope)
Abb. 2: Larve der Fleckenminiermotte.
Abb. 3: Durch die Fleckenminiermotte verursachte Blattschäden.
keit gegen die FMM getestet (Tab.). Eine Wiederholung bestand aus einem Block von 11.4 m × 10 m. Der Befall wurde wie oben beschrieben mit Eiablage- und Minen- bonituren ermittelt und mit einer Kontrolle (Apfel- wickler-Behandlung, aber keine FMM-Behandlung;
ebenfalls vier Wiederholungen) und der oben genann- ten Nullparzelle (weder Apfelwickler- noch FMM-Be- handlungen) verglichen. Die erste Behandlung wurde am 24. Mai durchgeführt. Da im Juli kein deutlicher Ef- fekt der Behandlungen sichtbar war, wurde auch die zweite Generation mit je einer Behandlung am 29. Juli und 11. August bekämpft. Die Apfelwickler-Bekämp- fung wurde in allen Wiederholungen ausser der Null- parzelle nach betriebsüblichem IP-Standard durchge- führt (3 kg/ha Affi rm am 20. Juni und 19. Juli).
Früher aktiv als Apfelwickler
Die Flugüberwachung mit den Dispensern hat gut funktioniert. Die ersten Falter wurden am 19. April gefangen und der Flugverlauf deutet auf drei FMM- Generationen hin (Abb. 4). Dabei war der Flug der ersten Generation in der Versuchsparzelle deutlich
ausgeprägter als im Mittel der gesamten Region. Allge- mein wurden in den Kirschenanlagen weniger Falter gefangen als bei Apfel und Birne.
Die erste Eiablage wurde am 6. Mai in der Versuchs- parzelle gefunden (Abb.5), die ersten Minen Ende Mai (vorerst nur in den Baumkronen). Der Anteil mit Mi- nen befallener Blätter nahm bis zur Ernte auf rund 30% zu. Es konnten Sortenunterschiede bezüglich der Anfälligkeit beobachtet werden (nicht dargestellt), für die auch die Grössenunterschiede der Bäume verant- wortlich sein könnten (Beginn der Eiablage in der Baumkrone).
Im Vergleich mit dem Apfelwickler setzten der Flug und die Eiablage der FMM deutlich früher ein (Abb. 6).
Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die FMM durch die Apfelwickler-Bekämpfung auto matisch miterfasst wird. In Jahren mit ausgepräg- ter FMM-Epidemie dürfte eine spezifi sche Bekämp- fung der ersten Generation entscheidend sein. Dies er- klärt auch die ungenügende Wirkung bei der Bekämp- fung der FMM auf einigen Betrieben im Jahr 2015:
Die spezifi schen FMM-Behandlungen wurden erst bei Sichtbarwerden grösserer Minen mit der Apfelwickler- Bekämpfung kombiniert und somit zu spät durchge- führt. Erkenntnisse aus anderen europäischen Län- dern bestätigen, dass ältere Larvenstadien kaum be- kämpft werden können und dass die Bekämpfung der Sommer- und Herbstgeneration generell weniger Er- folg zeigt.
Alanto zeigt gute Wirkung
Die im Tastversuch getesteten Insektizide wirken alle- samt auf junge Larvenstadien und sollten daher beim Schlupf der Larven appliziert werden. Dieser Zeit- punkt ist bei der FMM sehr schwierig abzuschätzen, da dann noch keine Minen auf den Blättern zu erkennen sind. 2016 erschwerte zudem eine Regenperiode kurz nach dem Start des Flugs die Beurteilung die Flug- aktivität der Falter und die Entwicklungsgeschwindig- keit der Eier.
Drei Wochen nach der Behandlung der ersten Gene- ration am 15. Juli war zunächst noch kein Unterschied zwischen den verschiedenen Verfahren erkennbar (Abb. 7). Nach fünf Wochen deutete sich eine Wirkung von Alanto (Wirkstoff: Thiacloprid) und NeemAzal- T/S (Wirkstoff: Azadirachtin) an, während bei den anderen Verfahren kein Unterschied zu Kontrolle und
Übersicht über die fünf im Tastversuch getesteten Insektizide inkl. Aufwandmenge und Konzentration. Alle fünf Insektizide wurden dreimal appliziert: am 24. Mai, 29. Juli und 11. August. Es wurden 400 L Spritzbrühe pro ha ausgebracht (d.h. 4-fache Konzentration gegenüber der Standardbrühemenge von 1600 L für 10’000 m3Baumvolumen pro ha).
Wirkstoff Produktname
Produktions- typ
In CH zugelassen gegen Minier- motten im Obstbau
Aufwandmenge (Handelsprodukt)
pro ha (kg, L)
Konzentra- tion (Handels-
produkt) in % Bemerkung
Azadirachtin NeemAzal-T/S Bio nein 4.80 1.20 Teilwirkung bekannt aus dem Ausland
Novaluron Rimon IP ja 0.96 0.24 Aufbrauchfrist 1.1.2018
Difl ubenzuron Dimilin IP ja 0.32 0.08 Aufbrauchfrist Sommer 2017
Thiacloprid Alanto IP seit 2017 0.40 0.10 Wirkung bekannt aus dem Ausland
Emamectinbenzoat Affi rm IP nein 3.20 0.80 Wirkung anzunehmen;
bisher keine Erfahrungen
Falter/Falle/Tag
30
25
20
15
10
5
0
April Mai Juni Juli August September
Apfel (n = 42) Birne (n = 13) Kirsche (n = 9) alle Kulturen (n = 64)
Abb. 4: Flugverlauf der Fleckenminiermotte im Befallsgebiet (Mittelwerte für n Fallen).
Nullparzelle ausgemacht werden konnte. Das gleiche Bild zeigte sich auch nach der Behandlung der zweiten Generation: Bei der Schlussbonitur wurde nur bei Alanto und NeemAzal-T/S eine signifi kante Wirkung respektive eine gewisse Teilwirkung ermittelt (Abb. 8).
Da NeemAzal-T/S gegen andere Indikationen im Obstbau bereits eine Zulassung hat und auch im bio- logischen Anbau eingesetzt werden darf, könnte mit dem Produkt gegebenenfalls eine Bekämpfungsstra- tegie für den biologischen Anbau abgeleitet werden.
Im Ausland konnte bereits eine gute Wirkung von NeemAzal-T/S beobachtet werden (Steinle und Zebitz 2015). Alanto hat 2017 eine Bewilligungserweiterung für die Bekämpfung der FMM erhalten.
Erfolgreiche Sanierungsmassnahme
Um die Populationsgrösse in der Region auf ein mög- lichst tiefes Niveau zu bringen, wurde zusätzlich zu den Versuchen eine Sanierungsmassnahme durchge- führt. Kurz nach dem ersten Fund einer Eiablage wurde die Empfehlung an die Praxis herausgegeben, mit Fenoxycarb (z.B. Insegar, Aufbrauchfrist Oktober 2016) zu behandeln. Zur Überprüfung wurde Ende der Saison auf zehn Praxisbetrieben eine Abschlusskont- rolle des Minenbefalls durchgeführt. Der Befall lag deutlich unter dem der Versuchsparzelle (durch- schnittlich ca. 13% vs. ca. 30%, nicht dargestellt). Dies deutet darauf hin, dass die durchgeführte Sanierungs- massnahme erfolgreich war. Ferner zeigte die Ab-
% befallene Blätter mit Minen
50
40
30
20
10
0
Juni Juli August September
Kontrolle NeemAzal-T/S Rimon Alanto Affirm Dimilin Nullparzelle
Abb. 7: Verlauf des Minenbefalls in Versuchsverfahren mit unterschiedlichen Insektiziden. Fehlerbalken repräsentieren den Standardfehler aus vier Wiederholungen.
Falter / Falle / Tag % befallene Blätter mit Eiern resp. Minen
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
40 35 30 25 20 15 10 5 0
April Mai Juni Juli Aug. Sept.
Falter Eier Minen
Abb. 5: Flug- und Befallsverlauf im unbehandelten Teil der Versuchsparzelle in Aesch (LU).
FMM / Falle / Tag
30
25
20
15
10
5
0
Fleckenminiermotte Apfelwickler
Abb. 6: Flugverlauf der Fleckenminiermotte und des Apfel- wicklers in der Versuchsparzelle und entsprechende Behandlungstermine in der Versuchsparzelle in Aesch (LU).
Apfelwickler/ Falle/ Tag
4.0 3.5 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0
April Mai Juni Juli Aug. Sept.
FMM 1: 24.05. FMM 2: 29.07. FMM 3: 09.08.
AWi 2: 19.07.
AWi 1: 20.06.
schlusskontrolle einen deutlich stärkeren Befall von Apfelbäumen im Vergleich zu Birn- und Kirschbäu- men.
Behandlung erfolgreich, aber nur falls unabhängig vom Apfelwickler
Die Flugüberwachung der FMM mit Pheromonfallen funktioniert verlässlich und bietet eine gute Hilfestel- lung für das Abschätzen des optimalen Behandlungs- zeitpunkts. Dabei ist entscheidend, dass die FMM aufgrund der frühen Aktivität unabhängig vom Apfel- wickler bekämpft wird. Die Apfelwickler-Behandlun- gen erfolgen in der Regel zu spät und sind auf die zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschrittenen Larven- stadien der FMM nicht mehr oder zu wenig wirksam.
Im Tastversuch haben Alanto und NeemAzal-T/S trotz Schwierigkeiten bezüglich des optimalen Be- handlungszeitpunkts eine deutliche Wirkung respek- tive Teilwirkung gegen die FMM gezeigt. Da Alanto seit diesem Jahr auch gegen Miniermotten im Kernobst eingesetzt werden kann, empfi ehlt sich bei starkem Vorjahresbefall eine gezielte Behandlung der ersten Generation der FMM mit diesem Produkt. Dabei sollte es beim Schlupf der Larven, das heisst etwa einen Mo- nat nach Auftreten der ersten Falter (bei einer Durch- schnittstemperatur von ca. 10 °C in dieser Zeit) ausge- bracht werden.
Ein möglicher Grund für die ausgebliebene Wir- kung der restlichen drei der fünf getesteten Insektizide könnte darin bestehen, dass die Behandlung der ers- ten Generation allenfalls etwas zu spät erfolgte. Bei ei- ner früheren Applikation wäre möglicherweise eine bessere Wirkung erzielt worden. Dies sollte in weiter- führenden Versuchen überprüft werden.
Dank
Unser herzlicher Dank gilt allen beteiligten Betriebs- leitern und insbesondere der Familie Stadelmann da- für, dass wir ihre Obstanlage für die Versuche nutzen konnten, sowie auch Carol Federer für ihre tatkräftige Mitarbeit bei den Erhebungen im Feld. Q
La mineuse cerclée en Suisse centrale – R É S U M É
un ravageur que l’on avait presque oublié
La mineuse cerclée est une espèce de petit papillon indigènes qui ne pose normalement pas de pro- blèmes dans l’agriculture. Mais depuis 2013, les dé- gâts lui imputables se multiplient en Suisse centrale et même les applications d’insecticides ciblées n’ont pas porté remède. Afi n de mettre au point une straté- gie de lutte, Agroscope et le domaine spécialisé Cultures spéciales et Protection phytosanitaire du Canton de Lucerne ont institué une surveillance du vol et de l’infestation dans la région touchée, de même qu’ils ont testé l’effi cacité de cinq insecticides
contre la mineuse cerclée. Il a été possible de démon- trer que la mineuse cerclée devient active beaucoup plus tôt que le carpocapse et nécessite de ce fait une stratégie de lutte individuelle. Il est également ap- paru que les traitements à l’insecticide Alanto per- mettaient de réduire les dégâts signifi cativement et qu’un effet partiel était obtenu avec NeemAzal-T/S.
Depuis cette année, Alanto est également admis pour la lutte contre la mineuse cerclée sur les fruits à pépins.
Literatur
Benduhn B., Heyne P., Fieger-Metag N. und Maxin P.:
Regulierung der Pfennigminiermotte (Leucoptera scitella) in Norddeutschland. Zwischen Tradition und Globalisierung – 9. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Universität Hohenheim, Stuttgart, Deutschland, 2007.
Steinle D. und Zebitz C.: Die Pfennigminiermotte.
Öko-Obstbau 3, 10–11, 2015.
% befallene Blätter (Minen)
70
60
50
40
30
20
10
0
Kontrolle NeemAzal- T/S
Rimon Alanto Affi rm Dimilin Null- parzelle Abb. 8: Minenbefall in % bei der Schlussbonitur am 27. September.
Fehlerbalken repräsentieren den Standardfehler. Unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifi kante Unterschiede (Dunn-Test bei p) 0.05).
A AB
AB
A
AB
AB A