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Archiv "Der eosinophile Granulozyt beim Asthma bronchiale und bei der atopischen Dermatitis" (23.10.1992)

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AKTUELLE MEDIZI

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Der eosinophile Granulozyt beim Asthma bronchiale

und bei der atopischen Dermatitis

Der eosinophile Granulozyt repräsentiert eine potente Effektorzelle, die mittels ihrer einzigartigen Ausstattung an basischen Proteinen sowie der Fähigkeit zur Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies und Entzün- dungsmediatoren in der Lage ist, verschiedene Körpergewebe zu schädigen. Neuere Untersuchungen zeigen, daß diese Eigenschaften für viele der krankheitstypischen Veränderungen bei atopischer Der- matitis und Asthma bronchiale verantwortlich gemacht werden können.

Die pathogenetische Rolle des Eosinophilen im Rahmen dieser Erkran- kungen wird dargestellt. Die möglichen diagnostischen und therapeuti- schen Schlußfolgerungen werden angesprochen.

Gegenwärtiger Wissensstand und

Perspeleiven

Claus Kroegel l Alexander Kapp'

I

m Jahre 1879 entwickelte Paul Ehrlich (16) ein Färbeverfah- ren für eine Untergruppe von Leukozyten, die sich durch ei- ne besondere Avidität gegenüber dem sauren Anilin-Farbstoff, Eosin, auszeichneten. Diese Eigenschaft der Zellen sowie ihre auffallende zy- toplasmatische Granulation bildeten die Grundlage für ihre Benennung als eosinophile Granulozyten, die bis heute beibehalten wurde. Bereits bis Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich weitgehend durchgesetzt, daß der eosinophile Granulozyt vor allem im Rahmen parasitärer Erkrankun- gen, aber auch bei bestimmten Tu- morerkrankungen oder im Rahmen allergischer Reaktionen auftrat. Das wissenschaftliche Interesse an der Zelle blieb jedoch lange Zeit nur ge- ring und damit seine potentielle phy- siologische und pathophysiologische Rolle weitgehend spekulativ. Noch in den 70er Jahren galt der Eosino- phile als die „Morgenröte" der Ent- zündungsreaktion, der den Beginn der Heilungsphase widerspiegelte.

1 Abteilung Pneumologie (Ärztlicher Direk- tor: Prof. Dr. med. Heinrich Matthys), Medi- zinische Kliniken, Albert-Ludwigs-Universi- tät, Freiburg i. Br.

2 Funktionsbereich Allergologie/Immundia- gnostik (Leiter: PD Dr. med. Alexander Kapp), Hautklinik der Albert-Ludwigs-Uni- versität (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med.

Erwin Schöpf), Freiburg i. Br,

Erst vor gut zehn Jahren begann sich diese Auffassung von der Funk- tion des Eosinophilen allmählich zu ändern. Obgleich heute nach wie vor noch einige funktionelle Eigenschaf- ten des Eosinophilen ungeklärt sind, zeigen doch Erkenntnisse der letzten Jahre in zunehmendem Maße, daß es sich beim Eosinophilen um einen aktiven Teilnehmer im Rahmen zahlreicher physiologischer und pa- thophysiologischer Prozesse handelt (24, 26, 50). Auf der einen, positiven, Seite kann der Eosinophile zahlrei- che Helminthen oder andere Wür- mer abtöten und dient somit der Ab- wehr von parasitären Infektionen (26). Auf der anderen, eher nachtei- ligen, Seite scheint der Eosinophile durch die Produktion reaktiver Sau- erstoff-Spezies sowie durch die Frei- setzung verschiedenster Entzün- dungsmediatoren in der Pathogene- se bestimmter pulmonaler, kardialer oder kutaner Erkrankungen beteiligt zu sein. Die vorliegende Ubersicht will nun versuchen, diese neuen Er- kenntnisse über die Funktion des Eosinophilen und deren Bedeutung für die Pathogenese bestimmter Er- krankungen am Beispiel des Asthma bronchiale und der atopischen Der- matitis zusammenzufassen. Dabei sollen ferner die zellbiologischen und immunologischen Eigenschaften des Eosinophilen im Hinblick auf die heute absehbare diagnostische Be-

deutung des Eosinophilen im Rah- men hypereosinophiler Erkrankun- gen diskutiert werden.

Morphologie des eosinophilen Granulozyten

Der Eosinophile ist mit einem Durchmesser von 12 bis 15 p.m etwas größer als der polymorphkernige neutrophile Granulozyt (PMN). In Ruhe zeigt er im allgemeinen eine runde Form und läßt sich bereits lichtmikroskopisch durch seinen zweigelappten Kern sowie seine gro- ßen rundlich-ovalen, eosinophilen Granula leicht von anderen Leuko- zyten unterscheiden (Abbildung 1).

Drei Typen von Granula lassen sich morphologisch und biochemisch dif- ferenzieren (24, 36, 50): Die sog.

„primären Granula" sind runde und elektronenoptisch uniforme Orga- nellen, die im wesentlichen Lyso- phosphatase enthalten und deren Erscheinen auf das Promyelozyten- Stadium während der Zellreifung zeitlich begrenzt ist. Im reifen Eosi- nophilen findet sich der zweite, als

„kleine Granula" bezeichnete, Typ, der mit der sauren Phosphatase so- wie der Arylsulfatase B ebenfalls

Die Arbeit wurde unterstützt von der DFG (Kr 956/1-1) und (Ka 578/2-3) sowie vom BMFT/DLR (01KC8906/1).

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PAF Sekundäres Granuium (MBP, ECP, EDN, EPO)

Kleine Granula

1gG

Charcot-Leyden Protein (Lysophosphatase)

Abbildung 1: Sche- matische Darstellung des eosinophilen Granulozyten

Tabelle 1: Eigenschaften der wichtigsten granulären Bestandteile des eosinophilen Granulozyten.

Schlüssel: MBP = Major Basic Protein; ECP = Eosinophil-Cationic Protein; EPX = Eosinophil Protein X; EDN = Eosinophil-Derived Neurotoxin; EPO = Eosinophil Peroxidase

Wirkungen

Toxisch für Parasiten, Tumorzellen und andere Säugetierzellen; indu- ziert Histaminfreisetzung durch Basophile und Mastzellen; neutralisiert Heparin

Stark neurotoxisch, to- xisch für Parasiten;

hemmt Lymphozyten- Kulturen; besitzt RNase- Aktivität

basisch

basisch Verkürzt die Gerin- nungszeit und verlängert die Fibrinolyse; helmin- thotoxisch; neurotoxisch;

induziert Histaminfrei- setzung von Mastzellen;

besitzt schwache RNase- Aktivität

In Gegenwart von H202 und einem Halogen to- xisch für Mikroorganis- men, Tumorzellen; indu- ziert Histaminfreisetzung von Mastzellen und inak- tiviert Leukotriene EPO 74,000 Da > 11

* EDN und EPX sind neueren Untersuchungen zufolge identisch

Bezeichnung

MBP

Molekular- Gewicht 14,000 Da

Isoelektri- scher Punkt

> 11 zwei Enzyme enthält. Die sogenann- ten „sekundären" oder „spezifischen Granula" bilden den dritten Typ und sind für die besondere Färbeeigen- schaften des eosinophilen Granulo- zyten verantwortlich. Sie bestehen aus einem elektronen-dichten, kri- stalloiden Zentrum (Core), welches von einer weniger elektronendichten Matrix umgeben ist (Abbildung 1).

Dieser Granula-Typ enthält eine Reihe von Enzymen und nicht-enzy- matischen basischen Proteinen. In der Matrix befinden sich die eosino- phile Peroxidase (EPO), Eosinophil Cationic Protein (ECP), Eosinophil Protein X/Eosinophil-Derived Neu-

rotoxin (EPX/EDN), während das Core aus kristallisiertem Major Basic Protein (MBP) besteht (24). Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, zeigen die ver- schiedenen granulären Proteine des Eosinophilen zahlreiche Wirkungen, die von der Stimulation bis hin zur Zerstörung verschiedener Zellen rei- chen. Der hierbei zugrundeliegende Wirkmechanismus scheint mit toxi- schen Prinzipien aus anderen Berei- chen der Natur verwandt zu sein (23, 35). Als vergleichbare Modelle seien hier nur die Effektormechanismen der zytotoxischen T-Lymphozyten, tierischer Gifte oder bestimmter bakterieller Toxine genannt.

Die Membran enthält eine Rei- he von Rezeptorproteinen, zu denen Rezeptoren für das Immunglobulin G und A, für Komplement-Spaltpro- dukte (C5a, C3b, C4) sowie für die Lipidmediatoren Leukotrien B4 und den Platelet Activating Factor (PAF) gehören (40, 54). Darüber hinaus ex- primieren Eosinophile bestimmte Oberflächenproteine, mit deren Hil- fe Leukozyten an vaskuläres Endo- thel adhärieren können, um somit ins Gewebe zu migrieren. Hierzu ge- hören zum Beispiel der Mac-1-Re- zeptor, der aus zwei Proteinunter- einheiten, dem CD11b und CD18 Epitop, besteht. Die Membran, schließlich, enthält das sogenannte Charcot-Leyden-Kristallprotein. Das Charcot-Leyden-Kristall wurden be- reits vor mehr als hundert Jahren von den beiden Ärzten Jean Ch.

Charcot (1825-1893) in der Milz ei- nes Patienten mit Leukämie (1853) und von Ernst von Leyden Dt. Ärztebl. 89, Heft 43, 23. Oktober 1992 (73) A1-3577

(3)

LTC4 Endothel

Mastzelle

0 0 Histamin

cg 0 0

0 CZCI)

Asthma bronchiale

Zytokine Histamin LTB4

MBP ECP EPO PAF

Zytokine Immunglobuline Lymphozyt Degranulation

Blut

PAF Zytokine

Makrop hagen

Chemotaxis Lipidmediatoren

Degranulation

.02 -Spezies

Parasit

Zytokine

PAF Atopische

Dermatitis Komplement-Fragmente

Abbildung 2: Pathogenetische Interaktionen von Entzündungszellen beim Asthma bronchi ale und der atopischen Dermatitis

(1832-1910) im Sputum von Asthma- tikern (1872) beschrieben (10, 45) und galt lange Zeit als ein für Eosi- nophile spezifisches Produkt. Heute ist jedoch bekannt, daß diese kristal- lisierte Lysophosphatase auch aus basophilen Granulozyten freigesetzt werden kann. Dagegen bleibt nach wie vor umstritten, ob Eosinophile den niedrig-affinen IgE-Rezeptor (Fc5RII) (CD23) sowie Rezeptoren für die Tetrapeptide ECF-A auf ih- rer Oberfläche exprimieren (8).

Zellfunktionen des eosinophilen Granulozyten

Als Leukozyt zeigt der eosino- phile Granulozyt eine Reihe be- stimmter Eigenschaften, mit Hilfe derer er seine spezifischen Funktio- nen im immunologischen Geschehen wahrnimmt Hierzu zählen Chemo- taxis, Adhärenz, Phagozytose, De- granulation sowie die Bildung und Freisetzung von Lipidmediatoren und reaktiven Sauerstoff-Spezies (22, 24, 26, 31, 37, 38, 50, 55) (Tabelle 2). Nach Adhärenz am Gefäßendo- thel erfolgt zunächst die Diapedese des Eosinophilen durch das Endo- thel und die Migration durch die an- liegende Adventitia ins Parenchym.

Diese Wanderung erfolgt entlang ei- nes chemotaktischen Konzentrati- ons-Gradienten, wobei jedoch über die in vivo wirksamen physiologi- schen Faktoren bislang nur speku- liert werden kann. Es finden sich Hinweise, daß der Plättchen-aktivie- rende Faktor (PAF), Hydroxy-Eiko- satetraen-Säuren (HETEs), Leuko- trien B4 (LTB4), das Komplement- Spaltprodukt C5a (11, 24, 40, 55) da- bei beteiligt sein könnten. Daneben scheinen auch interagierende Hel- fer-T-Lymphozyten und Makropha- gen Eosinophilen-chemotaktische Faktoren freizusetzen (57). Schließ- lich wurde kürzlich von einem neuen potenten Eosinophilen-chemotakti- schen Lipid (ECL) berichtet, das von Eosinophilen selbst produziert wird und sich von PAF und LTB 4 unter- scheidet (46).

In vitro besitzen von den heute bekannten chemotaktischen Fakto- ren C5a und vor allem PAF die

stärkste Eosinophilen-chemotakti- sehe Aktivität (55). Für PAF wird das durch auch an zahlreichen In-vi- vo-Experimenten im Tiermodell oder nach Injektion in die Haut von allergischen Patienten belegt (11, 27, 32, 44). Schließlich zeigt sich bei Pa- tienten mit atopischer Dermatitis und anderen entzündlichen Hauter- krankungen eine gesteigerte chemo- taktische Antwort gegenüber PAF (47). Im Gegensatz zur bisherigen Auffassung besitzen Histamin und die beiden Eosinophilen-chemotak- tischen Peptide (ECF-A) jedoch kei- ne signifikante chemotaktische Akti- vität für Eosinophile (8).

Viele der oben genannten che- motaktischen Faktoren führen gleichzeitig auch zur Aktivierung der Zelle mit Freisetzung von granulären Proteinen, Lipidmediatoren oder to- xischen Sauerstoffradikalen. Das gilt vor allem für PAF oder C5a. Davon abgesehen scheinen aber auch nicht- chemotaktischen Substanzen, wie zum Beispiel dem IgA und vor allem dem dimeren oder sekretorischen IgA stark sekretorische Eigenschaf- ten zuzukommen (1). Die wichtig- sten chemotaktischen und den Eosi- nophilen aktivierende Faktoren sind in Tabelle 3 zusammengestellt.

Von den oben genannten Me- diatoren abgesehen, kann der Eosi- nophile durch immunmodulierende Zytokine direkt oder indirekt stimu-

liert werden (6, 20, 31, 51). An erster Stelle steht hier das Eosinophilen-se- lektive Interleukin-5 (31). Andere Faktoren schließen das Interleukin-3 und den Granulozyten/Makropha- gen-koloniestimulierenden Faktor (GM-CSF) sowie den Tumor-Nekro- se-Faktor-a (TNF-a) ein. Zytokine können im Rahmen bestimmter Ent- zündungsreaktionen von Monozyten, Lymphozyten und Gefäßendothel- zellen freigesetzt werden und die Reagibilität des Eosinophilen gegen- über Entzündungsmediatoren am Ort des Antigenkontaktes direkt mo- dulieren. Tatsächlich konnte bei ver- schiedenen Erkrankungen des atopi- schen Formenkreises, wie dem Asth- ma bronchiale oder der atopischen Dermatitis, eine Präaktivierung der Eosinophilen nachgewiesen werden, die vermutlich durch den Einfluß dieser Zytokine zu erklären ist. In vitro führen Interleukin-3 (IL-3), IL-5 sowie GM-CSF zur Potenzie- rung eosinophiler Effektorfunktio- nen, die sich beispielsweise in einer Erhöhung der Zytotoxizität gegen- über Würmern, einer Vermehrung der Leukotrien-Freisetzung (31, 40, 51) oder einer Steigerung der Degra- nulation äußern (20). Andererseits scheint bei diesen Erkrankungen die Empfindlichkeit des Eosinophilen gegenüber den Zytokinen selbst ge- steigert zu sein. So konnte in vitro an isolierten Granulozyten eine signifi-

(4)

zytotoxisch zyto- und neurotoxisch neurotoxisch N. Kationische Proteine

Major Basic Protein

Eosinophil Cationic Protein Eosinophil Protein X

MBP ECP EPX O. Sauerstoff-Metabolite

Superoxid

Hydroxyl-Radikal Wasserstoff-Peroxid

«02 - 'OH- H202

zytotoxisch zytotoxisch zytotoxisch

PAF LTB4 TXA2

proinflammatorisch proinflammatorisch broncho-

konstriktorisch chemotaktisch ECL

D. Lipidmediatoren

Platelet Activating Factor Leukotrien C4

Thromboxan A2

Eosinophil-Chemotactic Lipid

Eosinophile Produkte A. Enzyme

Eosinophile Peroxidase Kollagenase

Kurzform Wirkung

EPO zytotoxisch;

Col solubilisiert Kollagen Typ I und III

Tabelle 2: Eosinophile Effektor-Mechanismen und -Produkte kant gesteigerte Produktion von Sau-

erstoffradikalen auf Stimulation ins- besondere mit IL-5 nachgewiesen werden (29, 31). Allerdings bedarf das offenbar sehr komplexe Zusam- menspiel der verschiedenen Media- toren in vivo noch weiterführender Untersuchungen.

Heterogenität eosino- philer Granulozyten Mehrere Untersuchungen in den letzten Jahren deuten darauf hin, daß eosinophile Granulozyten eine heterogene Population von Zellen repräsentieren. So werden zum Bei- spiel Zellen mit „normaler" Dichte („normodens"; definiert als Dichte von 90 Prozent der Zellen aus gesun- den, nicht hypereosinophilen Perso- nen) und sogenannte „hypodense"

Zellen mit niedriger Dichte beob- achtet. Im Blut von Asthmatikern ist der Anteil an hypodensen Eosino- philen im Vergleich zu Eosinophilen aus dem Blut von normalen Perso- nen vermehrt (21, 34, 59). Aber auch in der BAL von Allergen-provozier- ten Asthmatikern (18, 41) oder von Patienten mit exazerbierter chro- nisch-eosinophiler Pneumonie (39), im Pleuraexsudat (48) sowie im Blut von Patienten mit HES (24) findet sich ihr Anteil erhöht.

Asthma bronchiale

Histopathologie: Die Lunge des Asthmatikers ist durch eine Reihe charakteristischer histopathologi- scher Veränderungen gekennzeich- net. An erster Stelle steht hier die Infiltration von Bronchialgewebe durch Entzündungszellen und vor al- lem eosinophile Granulozyten. In ge- ringerem Umfang kommt es aber auch zu einer Zunahme von Lym- phozyten und Makrophagen im Bronchialgewebe (19, 25). Diese In- filtrate erstrecken sich über die ge- samte Bronchialschleimhaut, das un- mittelbar anliegende Lungengewebe und reichen bis hin ins Bronchiallu- men (14). Die Funktion des Flim- merepithel ist gehemmt oder aufge- hoben (Ziliostasis). Das Bronchial-

epithel ist streckenweise zerstört und von den unterliegenden Basalschich- ten abgelöst. Im Bronchiallumen fin- den sich von den Basalschichten ab- gehobene und losgelöste Epithelzel- len, einzeln oder in Agglomeraten (Creola-Körperchen). Ferner lassen sich Curschmann-Spiralen sowie vom eosinophilen Granulozyten ab- stammende Produkte wie das Char- cot-Leyden-Kristall (kistallisierte Ly- sophosphatase) oder basische Pro- teine (12-15, 17, 19, 25) nachweisen.

Blut-, Sputum- und Bronchial- eosinophilie: Der Nachweis einer pe- ripheren Blut-Eosinophilie beim Asthma bronchiale ist inkonsistent und schwächer ausgeprägt als in an- deren Eosinophilen-assoziierten Er- krankungen (5). Es besteht jedoch ein Zusammenhang zwischen der Blut-Eosinophilenzahl und dem Ausmaß der bronchialen Hyperrea- gibilität (15, 52) beziehungsweise dem Atemwegswiderstand (5). Im Sputum von Asthmatikern kann die Anzahl von Eosinophilen als Aus- druck abgehusteter bronchialer Zel- len deutlicher ausgeprägt sein. Die tägliche Bestimmung ihrer Zahl als Verlaufsparameter bei der Beurtei-

lung einer Kortikosteroid-Behand- lung ist in der Zwischenzeit jedoch überholt (3). Heute ist eine noch ex- aktere Beurteilung durch die Be- stimmung eosinophiler Produkte wie dem MBP oder ECP möglich (19).

Aus diagnostischer Sicht gilt darüber hinaus der Nachweis von MBP im Sputum von Asthmatikern sogar als derart spezifisch, daß hiermit die Diagnose eines Asthma bronchiale gesichert werden kann (19, 24).

Erhöhte Eosinophilen-Anteile finden sich ferner in der bronchoal- veolären Lavage (BAL) von Patien- ten mit Asthma (12, 13, 33, 34, 41, 56). Obwohl ihre relative und abso- lute Zahl nicht exzessiv erhöht ist, korreliert jedoch auch hier der rela- tive Anteil der Eosinophilen mit der Lungenfunktion (33, 56). Noch deut- licher wird der Nachweis von Eosi- nophilen oder deren Produkten beim Asthma durch die histologische Un- tersuchung des Bronchialgewebes, selbst bei milden Erkrankungsfor- men. Dabei besteht ein Zusammen- hang zwischen dem Auftreten von Eosinophilen mit der klinischen Aus- prägung des Asthmas (5). Hierdurch wird deutlich, daß sich die Beteili- Dt. Ärztebl. 89, Heft 43, 23. Oktober 1992 (77) A1-3581

(5)

Tabelle 3: Effektormechanismen der Eosinophilen und die korrespon- dierenden Eosinophilen-aktivierenden Faktoren

6 Arachidonsäure- etabolismus PAF, LTB4, fMLP, C5a, lonophor A23187

Funktionen Stimuli

PAF, LTB4, ECL, C5a, IL-3, IL-5, GM-CSF

1 Chemotaxis

PAF, IgG-Fc, C3b, C5a 2 Adhärenz

Opsonisierte Partikel 3 Phagozytose

PAF,LTB4, fMLP, C5a,

opsonisierte Partikel, Substanz P, lonophor A23187

4 Degranulation

5 Oxidativer Metabolismus PAF, fMLP, LTB4, PMA, C5a, GM-CSF, IL-3, IL-5, TNF-a gung von eosinophilen Granulozyten

beim Asthma in erster Linie durch eine Infiltration des Bronchialgewe- bes ausdrückt und nur in zweiter Li- nie durch eine Eosinophilie im Blut dieser Patienten. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Auffas- sung, daß es sich beim eosinophilen Granulozyten um eine Gewebszelle handelt, bei der einer Zelle im peri- pheren Blut etwa 100 Eosinophile im Gewebe gegenüberstehen.

Pathogenetische Effekte der Eo- sinophilen: Vom Eosinophilen ab- stammende Proteine finden sich vor- wiegend im Bereich geschädigter Epithelabschnitte (17, 19). Untersu- chungen mit gereinigten eosinophi- len Proteinen haben deutlich ge- macht, daß diese Proteine tatsäch- lich eine wichtige Rolle bei der Zer- störung der Bronchialschleimhaut spielen (23, 25). Sie führen in Ab- hängigkeit von ihrer Konzentration nicht nur zur Hemmung der mukozi- liären Clearance, sondern auch zur Heraus- und Ablösung des bronchi- alen Oberflächenepithels (25). Auch intakte und mit PAF stimulierte Eo- sinophile führen in vitro zu einer Zerstörung des respiratorischen Epi- thels (60).

Es finden sich Hinweise, daß die Pathogenese der bronchialen Hyperreagibilität (BHR) mit der entzündlichen Zellinfiltration wäh- rend der Spätreaktion in Zusam- menhang zu bringen ist (2, 9). Es ließe sich spekulieren, daß die durch Eosinophile verursachte Epithel- schädigung einerseits eine Erhö- hung der Schleimhautpermeabilität und andererseits eine Veränderung der Osmolarität an der Schleimhaut- oberfläche zur Folge hat (28). Expo- nierte afferente Nervenendigungen (Irritant-Rezeptoren, C-Faser-Ner- venendigungen) könnten ferner über Reflexmechanismen zur Freisetzung von bronchokonstriktorischen Neu- ropeptiden, wie zum Beispiel Sub- stance P, führen (4). Schließlich sprechen Untersuchungen dafür, daß es durch die Zerstörung des Bronchi- alepithels zu einem Verlust des

„Epithelium-Derived Relaxing Fac- tor(s)" kommt, wodurch sich seiner- seits eine Hyperreaktivität der glat- ten Bronchialmuskulatur erklären ließe (25).

Atopische Dermatitis Die atopische Dermatitis (AD) ist eine familiäre Dispositionskrank- heit mit steigender Inzidenz in der Bevölkerung. Obwohl die Erkran- kung seit Jahrzehnten beschrieben ist, wurde erst in jüngster Zeit mehr über ihre Pathogenese bekannt.

Neuere Befunde weisen, wie beim Asthma bronchiale, auf eine immu- nologische Grundlage des Krank- heitsbildes hin. So scheint eine „Stö- rung" der T-Lymphozytenfunktion in enger Verbindung mit einer patho- genetischen Rolle eosinophiler Gra- nulozyten im Vordergrund der Er- krankungen zu stehen (7, 29, 31, 49).

Schon früh war eine Assoziation zwi- schen AD und der Vermehrung von Eosinophilen im peripheren Blut be- kannt (49), wobei selbst heute noch über die diagnostische Wertigkeit dieses Befundes spekuliert wird (53).

Interessanterweise fand sich jedoch in Biopsien der ekzematös veränder- ten Haut der Patienten selten eine Akkumulation von Eosinophilen. Al- lerdings wurden in der befallenen Haut der Patienten, vergleichbar zu Hautveränderungen bei Onchocer- ciasis, deutliche Ablagerungen von MBP und EDN/EPX nachgewiesen, was für eine Degranulation der Eosi- nophilen am Entzündungsort spricht (42, 43). Aufgrund dieser Befunde ist darüber hinaus eine Korrelation zwischen Krankheitsaktivität und

Ablagerung von Granulainhalt der Eosinophilen in der Haut wahr- scheinlich. Vergleichbare Befunde können auch bei der sogenannten

„late phase reaction" (LPR) erhoben werden (43). Allerdings ist hier das Ablagerungsmuster der granulären Proteinmediatoren des Eosinophilen nicht identisch mit der atopischen Dermatitis und ähnelt eher Krank- heitsbildern der Urtikariagruppe (zum Beispiel der Druckurtikaria).

In der experimentell erzeugten LPR findet man aber Erklärungsmöglich- keiten für pathogenetische Prinzipi- en, die bei der AD relevant sein könnten. So findet man innerhalb von sechs bis acht Stunden nach lo- kaler Allergenprovokation typischer- weise eine signifikante Immigration von Basophilen und vor allem Eosi- nophilen in der Haut, wobei erst nach 24 Stunden ein mononukleäres Zell- infiltrat dominiert. Nach dieser Zeit sind auch die meisten Eosinophilen degranuliert und „zerstört" (43).

In jüngster Zeit mehren sich die Befunde, die vermuten lassen, daß eine AD auch durch lokalen Anti- genkontakt ausgelöst werden kann (29, 32). So konnte in einem Modell- system gezeigt werden, daß eine epi- kutane Applikation von Umweltall- ergenen (Hausstaubmilben, Gräser- pollen) im Pflastertest eine Ekzem- reaktion an der Haut von Patienten mit AD hervorruft (7) Ähnlich wie bei der LPR findet man hier auch in- A1-3582 (78) Dt. Ärztebl. 89, Heft 43, 23. Oktober 1992

(6)

nerhalb von zwei bis sechs Stunden eine signifikante Immigration von Eosinophilen in die Haut. Mit Hilfe monoklonaler Antikörper gegen Granulabestandteile konnte gezeigt werden, daß diese Eosinophile prä- aktiviert waren und einen Teil ihres Granulainhalts in das umgebende Gewebe abgegeben hatten. Nach 24 Stunden waren Eosinophile sogar in der Epidermis anzutreffen. Es liegt auf der Hand, daß Eosinophile mög- licherweise eine entscheidende Rolle bei der Pathogenese dieser Reaktio- nen spielen. Hierbei haben die frei- gesetzten granulären Proteinmedia- toren wahrscheinlich eine wesentli- che Aufgabe bei der Propagation der Entzündungsreaktion. Die Vermu- tung einer aktiven Beteiligung von Eosinophilen bei der AD wird noch durch einen weiteren Befund unter- stützt: Im Serum der Patienten fin- den sich signifikant erhöhte Konzen- trationen von ECP, einem Bestand- teil der Granulamatrix der Eosino- philien (30). Die Serumwerte dieses Proteins korrelieren signifikant mit der Krankheitsaktivität. Darüber hinaus ist eine klinische Besserung mit einem Abfall der Serum-ECP- Werte assoziiert. Die bislang vorlie- genden Befunde sprechen klar für eine Beteiligung von aktivierten Eo- sinophilen in der Pathogenese der atopischen Dermatitis. Die Klärung der hierbei ablaufenden pathophy- siologischen Mechanismen ist Ge- genstand aktueller Forschung. Gene- rell könnte sich die pharmakologi- sche Beeinflussung der eosinophilen Effektorfunktionen als ein neues zu- kunftsweisendes Prinzip in der The- rapie der AD erweisen.

Schlußbemerkung und Perspektiven

In den vergangenen Jahren wur- de zunehmend deutlich, daß der eo- sinophile Granulozyt die Funktion einer potenten Effektorzelle im Rah- men der Pathogenese der allergi- schen Entzündungsreaktion spielt.

Auslöser dieser eosinophilen Reakti- on beim Asthma bronchiale und der atopischen Dermatitis ist möglicher- weise ein exogener immunogener Reiz, der offenbar bei prädisponier-

ten Personen zu einer Immunreakti- on führt. Als deren direkte Folge kommt es sowohl zur Bildung und Ausschleusung von Eosinophilen aus dem Knochenmark als auch zur ge- zielten Einwanderung von Eosino- philen in das vom Antigen betroffe- ne Gewebe (26). Hierbei durchläuft die Zelle eine Reihe von zellbiologi- schen und funktionellen Änderun- gen, zu denen unter anderem eine Abnahme der Dichte, die Änderung der In-vitro-Reagibilität gegenüber physiologischen und nicht-physiolo- gischen Stimulatoren als auch die Expression verschiedener Rezepto- ren auf der Oberfläche der Zellen gehören. Im weiteren Verlaufe kommt es zu einer Aktivierung des Eosinophilen mit Freisetzung von basischen Proteinen sowie reaktiven Sauerstoffprodukten, die in der Lage sind, umliegendes Gewebe zu zerstö- ren. In Abbildung 2 sind die mögli- chen Vorgänge und Interaktionen schematisch zusammengefaßt.

Trotz der raschen Zunahme von Erkenntnissen über den Eosinophi- len in den vergangenen zehn Jahren bleiben noch viele Fragen unbeant- wortet. Hierzu gehören in erster Li- nie die Identifizierung der relevan- ten physiologischen Faktoren und der detaillierte Mechanismus der Zellaktivierung des eosinophilen Granulozyten. Die Beantwortung dieser und anderer Fragen wird in den nächsten Jahren neue wichtige pathophysiologische Erkenntnisse zum Verständnis der mit Eosinophi- len assoziierten Erkrankungen füh- ren. Das dringlichste hiermit im Zu- sammenhang stehendste Problem ist die Entwicklung neuer therapeu- tischer Möglichkeiten, mit denen die Effektorfunktionen des Eosinophi- len selektiv ausgeschaltet werden können. Erste Versuche mit PAF- Antagonisten werden derzeit unter- nommen Andere Aufgaben umfas- sen die weitere Charakterisierung der oben beschriebenen zellulären Veränderungen des Eosinophilen sowie Untersuchungen an hypoden- sen Zellen. Bereits heute läßt sich je- doch die Möglichkeit absehen, den Eosinophilen und seine Produkte als diagnostische Parameter im Rahmen eosinophiler Erkrankungen heranzu- ziehen. Umgekehrt könnten diese

Zellparameter als Indikator bei der Beurteilung der Krankheitsaktivität oder des Behandlungserfolges die- nen.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -35744585 [Heft 43]

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordem über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

PD Dr. med. Alexander Kapp Leiter des Funktionsbereiches Allergologie und Immundiagnostik Universitäts-Hautklinik

der Albert-Ludwigs-Universität Hauptstraße 7 • W-7800 Freiburg

FÜR SIE REFERIERT

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An einem niederen Blutdruck stirbt man nicht, im Gegensatz zur Hypertonie, die unbehandelt zum Tode führen kann. Die Autoren un- tersuchten an einem Kollektiv von 10 314 Angestellten und Beamten im Alter zwischen 35 und 55 Jahren die Auswirkungen eines niedrigen Blut- drucks (unter 110 mmHg systolisch bei Frauen, unter 115 mmHg bei Männern) auf Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Schwindel, Kopf- schmerzen, Angst und Depressio- nen. Schwindel und unerklärliche Müdigkeit waren eindeutig mit ei- nem niederen systolischen Blutdruck korreliert. Die Ergebnisse unterstüt- zen die Existenz eines Hypotoniesyn- droms. Die Assoziation eines niedri- gen Blutdrucks mit einer Beeinträch- tigung des Allgemeinbefindens, ins- besondere auch einer Konzentrati- onsschwäche rechtfertigt therapeuti- sche Maßnahmen.

Pilgrim, J. A., S. Stansfeld, M. Marmot:

Low blood pressure, low mood? Brit. Med.

J. 304: 75-78, 1992.

Dep. of Epidemiology and Population Science, London School of Hygiene and Tropical Medicine, London MC1E 7HT.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 43, 23. Oktober 1992 (81) A1-3585

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