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Archiv "Ein staatliches „Millionending“ mit Suchtkranken: Durch freiwillige praktische Helfer ließe sich viel Geld sparen" (18.09.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen FORUM

Unser Staat operiert mit der Vor- spiegelung falscher Tatsachen, in- dem er sich in seinen eigenen psychiatrischen Einrichtungen über die Mindestanforderungen der amt- lichen Kostenträger — Bundesver- sicherungsanstalt für Angestellte und Landesversicherungsanstalten und Krankenkassen — für eine Be- handlungserlaubnis an Suchtkran- ken, wie sie gemeinwirtschaftli- chen und privaten Trägern zur bin- denden Auflage gemacht werden, hinwegsetzt. Das ist ganz simpel das Fazit einer Analyse der durch Personalmangel bedingten Rück- fallquoten von über 90 Pro- zent Suchtkranker in den Landes- krankenhäusern des Rheinlan- des.

Fach-personell ist dort alles noch immer so ausgedünnt, daß ein the- rapeutisches Behandlungsklima mit herkömmlichen Methoden un- erreichbar bleibt. — Trotzdem wer- den immer wieder alte wie neue Patienten nach akutem Auffallen in der Öffentlichkeit zur Behandlung ihrer Alkoholkrankheit von Amts wegen in die Landeskrankenhäuser eingewiesen. Obgleich eine Bür- gerinitiative im Kölner Raum von 1968 bis 1974 dazu immer wieder aus eigener Erfahrung Verbesse- rungsmöglichkeiten aufgezeigt hat- te, war keine dieser Anregungen von den zuständigen Gesundheits- behörden aufgegriffen worden.

Deshalb begann diese Bürgerinitia- tive im Mai 1974 mit Genehmigung des Landschaftsverbandes Rhein- land und der Direktion des Landes- krankenhauses Brauweiler damit, den Beweis für die praktische

Durchführbarkeit ihrer Vorschläge selber vor Ort und auf eigene Ko- sten zu liefern.

Es ging darum, zu beweisen, daß ausgewählte Praktiker der „Anony- men Alkoholiker" als therapeuti- sche Helfer, die in einem Landes- krankenhaus täglich zwei Stunden Gruppentherapie mit Patienten durchführen, damit in einem Jahr 180 Patienten (Alkoholiker), monat- lich also 15 Patienten, zum „Ab- sprung aus der Sucht" anleiten können. Für die Anwendung im Normalfall würden aus einem sol- chen Verfahren folgende Kosten entstehen: Mit einer Wegezeit von zwei Stunden täglich und der sehr hoch eingesetzten Kompensation von 50 DM für jede Stunde Lohn- ausfall der beiden Helfer, wäre ein wöchentlicher Geldaufwand von 2000 DM nötig; also bei 52 Wochen jährlich: 104 000 DM Gesamtko- sten. Man muß — in der Gegen- rechnung — davon ausgehen, daß jeder Patient durch seinen Aufent- halt im Landeskrankenhaus monat- lich mindestens 2000 DM an Ko- sten verursacht. Also entfällt für den zuständigen Kostenträger die- se Zahlung in der Zukunft, wenn und wo es gelingt, einen sucht- kranken Rückfallpatienten so zu motivieren, daß er den „Absprung"

schafft. Bei einer Rehabilitations- quote von 180 Patienten ergäbe sich also die Einsparung von 3 600 000 DM pro Jahr in einem Landeskrankenhaus.

Hier ist also das „Millionending", welches unser Sozialbudget stra- paziert. Eigentlich wäre das nicht

nötig, denn es gibt seit dem 17.

April 1972 ein vom Bundestag ver- abschiedetes Gesetz, durch das Teilzeitarbeit für praktische Helfer in der „Motivationstherapie" schon lange möglich wäre. Wenn sie trotzdem noch immer nicht mög- lich ist, liegt das nur daran, daß das zuständige Bundesarbeitsmini- sterium in Bonn bis heute keine Aus- bzw. Durchführungsbestim- mungen dazu erlassen hat. (Jeden- falls wird das von „subalternen Amtsstellen" so behauptet.) Das ist auch der Grund, weshalb die Bür- gerinitiative ihren Einsatz vor Ort im Landeskrankenhaus Brauweiler bisher aus der eigenen Tasche fi- nanzieren mußte und deshalb nicht an jedem Tag, sondern nur einmal wöchentlich zwei Stunden Motiva- tionstherapie mit den Patienten machen konnte.

Das Ergebnis dieses Einsatzes sieht nach einem Jahr so aus: Mit einem Fünftel an Zeit- und Perso- neneinsatz wurden 36 Patienten (darunter 17 Frauen) zu bisher rückfallfreier Abstinenz gebracht.

Außerdem wurden 16 weitere Pa- tienten so gebessert, daß für sie bisher keine Neueinweisung in ein Landeskrankenhaus nötig wurde.

Unter den durch diese Zusammen- arbeit zwischen Bürgerinitiative und Leitung des Landeskranken- hauses Brauweiler abstinent ge- wordenen ehemaligen Rückfallpa- tienten befinden sich einige mit mehr als zehn Aufenthalten im Lan- deskrankenhaus. Einer davon war sogar 46mal eingewiesen und frü- her nie länger als drei Tage nach seiner Entlassung „trocken" ge- blieben. Inzwischen ist er über fünf Monate abstinent und besucht — ebenso, wie die anderen Rehabili- tanden — kontinuierlich die Selbst- erfahrungsgruppen der „Anony- men Alkoholiker" im Großraum Köln.

Unterstellt man, daß das Fehlen der Ausführungsbestimmungen zum „Gesetz zur Förderung sozia- ler Hilfsdienste" eine Ausdehnung dieser mit dem Modellversuch in Brauweiler praktisch bewiesenen Rehabilitationsmöglichkeit für an-

Ein staatliches „Millionending"

mit Suchtkranken

Durch freiwillige praktische Helfer ließe sich viel Geld sparen

Rudolf A. Zierholz

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 38 vom 18. September 1975 2635

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Rehabilitation von Alkoholikern

geblich unheilbar suchtkranke Al- koholiker auf alle (76) Landeskran- kenhäuser in der Bundesrepublik bisher verhinderte, so entstand auf das Bundesgebiet „hochgerech- net" dadurch allein in einem Jahr folgender Verlust, für den die Ko- stenträger — BfA, LVA, Kranken- kassen, Sozialämter usw. — direkt oder indirekt aufkommen mußten:

13 600 Suchtkranke konnten nicht rehablitiert werden, weil keine für die „Motivationstherapie" geeigne- ten Teilzeitkräfte außer der priva- ten Bürgerinitiative eingesetzt wur- den. In harter Währung ausge- drückt, entspricht das einem „ge- wollten" betriebswirtschaftlichen Verlust von 326 Millionen DM in ei- nem Jahr; aber einem vielfach hö- heren „humanitären Manko", weil das Gesetz schon fast vier Jahre ungenutzt in der Schublade liegt.

Rudolf A. Zierholz 5 Köln 60

Heinrich-Hoerle-Str. 21

ZITAT

Motivation

„Die Errichtung eines ,Zen- trums für Selbstrehabilita- tion', in dem bisher als unheil- bar alkoholkrank geltende Patienten aus Landeskran- kenhäusern — sogenannte ,Drehtürfälle`, weil sie immer wieder eingeliefert werden — mit Hilfe einer Motivations- therapie zur Abstinenz und zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft geführt wer- den sollen, ist in Köln ge- plant. Das berichtete das Ge- sundheitsmagazin der deut- schen Ärzteschaft ,Medizin heute'. Die Motivationsthera- pie wurde bereits im Rahmen eines Versuchsmodells, das seit Mai 1974 im Rheinischen Landeskrankenhaus Köln- Brauweiler läuft, erfolgreich erprobt." (Kölnische Rund- schau, 3. September 1975)

BRIEFE AN DIE REDAKTION

KRITIK AN DER KRITIK

Zu dem Beitrag von Günther Wind- schild: „Zerstört Kritik Vertrauen" im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 12/

1975:

Unzulässige Verallgemeinerungen

Ich verstehe nicht, daß Sie den Ar- tikel ... abdrucken. Nur weil er vom Westdeutschen Rundfunk kommt? ... Als ob man nicht durch eine Vielzahl anderer Fälle das Gegenteil beweisen könnte!

Böse Fälle gibt es in allen Berufen!

Fall 1: Der junge Internist, der nicht mit sich über das Honorar handeln läßt. Warum geht der Pa- tient nicht zu einem anderen Arzt seines Vertrauens? Noch hat ihm der Staat die Wahlfreiheit gelassen.

Fall 2: Der HNO-Arzt, der nach Vor- haltung seine Rechnung multipli- ziert. Laut Gerichtsurteil darf er nur ÜGO dreifach berechnen, einen höheren Satz muß er ausführlich begründen, und das fällt schwer.

Fall 3: Der Augenarzt, der einen Patienten bestraft, indem er der Frau einen Zahlungsbefehl schickt.

Bekanntlich kann er das nur, wenn Rechnungsmahnungen fruchtlos blieben. Und auch dann kostet der Patientin der Zahlungsbefehl nichts, wenn sie innerhalb der drei Tage zahlt. Was soll's. Alle Schlüs- se, die der Autor aus diesen Fällen zieht, sind herbeigezogen, unklar und politisch gesucht.

Dr. med. Gerd Höfling

Facharzt für Augenkrankheiten 5603 Wülfrath

Beethovenstraße 5

II.

Im Verhältnis Patient—Arzt gibt es einen Bereich, der Dritten ver- schlossen bleiben muß. Ich nehme an, daß Herr Windschild der glei- chen Meinung ist, auch wenn er sagt, daß die Dimensionen der Ge- sundheitssicherung über das Arzt- Patient-Verhältnis hinausreichen.

Denn der Patient käme zwar als Hilfesuchender, aber gleichzeitig

auch als Mitglied einer Versicher- tengemeinschaft, für die er mitver- antwortlich sei. Und in der Tat weiß die große Mehrzahl der Versi- cherten um diese Verpflichtung.

Ausnahmen gibt es immer. Auch der Arzt stehe nach Herrn Wind- schilds Auffassung nicht allein. Er sei eingespannt in die Verpflich- tung der Kassenärztlichen Vereini- gungen mit den Krankenkassen.

Auch das ist richtig. Verletzt der Arzt diese Verpflichtungen, wird er disziplinarisch bestraft. Auch unter den Ärzten sind es Ausnahmen, die glauben, sich dieser Pflichten ent- ziehen zu können. Als Mitglied des Disziplinarausschusses einer Kas- senärztlichen Vereinigung kann ich hier aus jahrelanger Erfahrung sprechen. Aus 29jähriger kassen- ärztlicher Tätigkeit weiß ich per- sönlich um diese verpflichtenden Bindungen, in die Patient und Arzt eingebettet sind, ist mir auch be- kannt, daß alle Kassenärzte darum wissen, da sie in diesem Span- nungsfeld Tag für Tag arbeiten müssen. Also was sollen diese Hin- weise auf sozialbezogene Dimen- sionen des Arzt-Patient-Verhältnis- ses durch Herrn Windschild?

Glaubt Herr Windschild wirklich, uns mit diesen Belehrungen neue Erkenntnisse zu vermitteln? Kurz- um: hier hat er Eulen nach Athen getragen.

Ich bin mit Herrn Windschild einer Auffassung über ärztliches Fehlver-

halten, wie er es an drei Beispielen aufgezeigt hat. Ich hätte es bei der Bekundung übereinstimmender Verhaltensbewertung belassen, wenn Herr Windschild diese drei Beispiele nicht als Beleg für man- gelnde Einsicht in größere Zusam- menhänge gewertet hätte, eine Einsicht, die „nicht überall in der Ärzteschaft anzutreffen" sei.

Ich meinerseits würde mich nicht dazu bereit finden, aus dem Fehl- verhalten von drei Journalisten ei- nem größeren Teil dieses Berufs- standes mangelnde Einsicht in grö- ßere Zusammenhänge zu unter- stellen, wohlwissend, daß schon we- nige Fälle fehlerhaften Verhaltens sich stets auffällig vom Normver- halten der Mehrheit abheben. l>

2636 Heft 38 vom 18. September 1975 DEUTSCHES ARZTEBLArr

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