Deutsches Ärzteblatt
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8. März 2013 A 421P O L I T I K
WEITERBILDUNG FÜR DIE GENERATION Y
Sie fordern, was alle immer wollten
Angesichts des drohenden Ärztemangels kann es sich der Nachwuchs leisten, Ansprüche zu stellen – auch an die Weiterbildung. Planbarkeit, Struktur und regelmäßiges Feed-back stehen auf der Wunschliste ganz oben.
W
as erwarten junge Ärztinnen und Ärzte von ihrem Beruf, was fordern sie für ihre Weiterbil- dung? Ein eigenes Symposium zu diesem Thema hätte es vor zehn, 15 Jahren nicht gegeben. Damals herrschte „Ärzteschwemme“, und die Generation X konnte froh sein, wenn sie überhaupt einen Job ergat- terte. Inzwischen fällt es den Kran- kenhäusern zunehmend schwer, of- fene Stellen zu besetzen. Auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte finden nicht mehr automa- tisch einen Nachfolger für ihre Pra- xen. Und nun betritt eine Genera - tion die Bühne, „die die Macht der Demografie hinter sich weiß“, wie„Spiegel online“ schreibt (7. Juni 2011).
Die Generation Y ist, glaubt man dem Magazin, qualifiziert, selbst- bewusst, extrem anspruchsvoll und fordert klare Ansagen über Karrie- rewege und die eigene Leistung.
Die in den 1980er und 1990er Jah- ren Geborenen könnten es sich leis- ten, Ansprüche zu stellen, der Kar- riere nicht alles unterzuordnen und eine Balance zwischen Beruf, Fa- milie und Freizeit einzufordern.
Übertragen auf die ärztliche Wei- terbildung heißt das, die Genera - tion Y will Verbindlichkeit, Struk- tur, Anleitung und ein regelmäßiges Feed-back über das eigene Fort- kommen. Oder, wie Dr. med. Hans- Albert Gehle es formulierte: „Die jungen Ärztinnen und Ärzte wollen das, was wir alle schon immer woll- ten.“ Der Anästhesist ist Vorsitzen- der des Arbeitskreises Fort- und Weiterbildung des Marburger Bun- des (MB), der dem Thema „Weiter- bildung für die Generation Y“ am
23. Februar in Berlin ein eigenes Symposium widmete.
„Eine gute Weiterbildung sollte nicht als Druckmittel im ärztlichen Arbeitsalltag fungieren oder einem Assistenzarzt wie eine Mohrrübe vor die Nase gehalten werden“, for- dert beispielsweise Dr. med. Hen- ning Meyer, angehender Radiologe an der Charité − Universitätsmedizin Berlin in einem Video, dass der MB zum Symposium auf seine Website gestellt hat (www.marburger-bund.
de). Auch wenn im Alltag häufig Routinejobs erledigt werden müss- ten, sei es wichtig, immer wieder auf die Weiterbildung zurückzu- kommen.
Seine Kollegin aus der Chirur- gie, Claudia Friedrich, fordert eine besser strukturierte Weiterbildung beispielsweise durch Kooperatio- nen oder Rotationen. „Auch an ei- ner Uniklinik sollte die chirurgische Facharztweiterbildung nicht sieben Jahre dauern müssen“, meint sie.
Ihr Vorbild sind die USA. „Da weiß man genau, wann man anfängt, wann man fertig sein wird und sei- nen OP-Katalog abgeleistet hat.“
Außerdem sollte nach Ansicht von
Foto: dapd
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hat im Vorfeld zu dem Symposium „Weiterbildung für die Generation Y“
Weiterzubildende und Weiterbilder zu ihren Anforderungen an eine gute Weiterbildung befragt. Die wichtigsten Forde- rungen:
Weiterbildung ist kein Selbstläufer. Sie muss eingebettet sein in Rotationen und Kooperationen. Weiterbildung darf nicht von Sympathie und Wohlwollen des Chefs abhängig sein. Sie braucht Struktur und verbindliche Pläne. Die Ärz- tinnen und Ärzte in Weiterbildung benötigen Feed-back, Anleitung und Handlungshilfen. Die Weiterbildungsordnung muss gut umgesetzt und regelmäßig angepasst werden.
GUTE WEITERBILDUNG
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8. März 2013 Friedrich die Forschung stärker indie Weiterbildung integriert wer- den. Die gegenwärtige Feierabend- forschung könne nicht den ge- wünschten Effekt erzielen.
Das schlechte Image der Weiter- bildung beklagt Dr. med. Diane Bit- zinger im Gespräch mit dem Deut- schen Ärzte blatt. Sie befindet sich im dritten Weiterbildungsjahr in der Klinik für Anästhesiologie an der Uniklinik Regensburg. „Zuneh- mende Arbeitsverdichtung, hoher ökonomischer und zeitlicher Druck führen dazu, dass Weiterbildung im derzeitigen System eine Belastung darstellt und oft als solche empfun- den wird.“ Deshalb hofft Bitzinger, dass es irgendwann gelingt, über ei- ne gesonderte Finanzierung der Weiterbildung die notwendigen Freiräume zu schaffen. „Weiterbil- dung sollte keine Belastung sein, sondern durch zeitgemäße Weiter- bildungskonzepte wieder zu einem integralen Bestandteil unseres ärzt- lichen Berufsalltags werden“, meint die 28-Jährige.
Seit 2009 erheben die Ärztekam- mern systematisch, wo Weiterbilder und Weiterzubildende der Schuh drückt. „Seither bewegt sich was“, sagt MB-Vorstand Gehle. Einige Landesärztekammern hätten in Ab- teilungen, die bei der Bewertung schlecht abgeschnitten haben, Ge- spräche geführt. Und Radiologieas- sistent Meyer kennt viele Kollegen, die neue Jobs aufgrund der Evalua-
tionsergebnisse ausgesucht haben.
„Dieser Trend wird sich verstärken und zu besserer Weiterbildung füh- ren“, ist er überzeugt.
Auch Bitzinger nimmt Verände- rungen wahr: „Ich finde es gut, dass viele Weiterbilder zunehmend ihrer Verpflichtung nachkommen und Weiterbildungsgespräche führen.“
Positiv sei auch, dass zahlreiche Fachgesellschaften inzwischen offi- zielle Vertreter der jungen Generati- on in ihre Weiterbildungsgremien berufen hätten, um die Anliegen der Weiterbildungsassistenten besser berücksichtigen zu können. Bitzin- ger selbst repräsentiert seit Anfang des Jahres die Junge Anästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anäs- thesiologie und Intensivmedizin.
„Vielleicht kann man durch eine Vernetzung dieser ,Jungen Foren’
eine Plattform schaffen, die sich in die Diskussionen über die Weiter- bildung einbringt.“ Diskussionen, die bislang eher von denen geprägt werden, die die Weiterbildung längst hinter sich haben.
Zurzeit sind Fachgesellschaften und Berufsverbände aufgerufen, sich über eine elektronische Platt- form (Wiki-BÄK) an einer grundle- genden Reform der Weiterbildungs- ordnung zu beteiligen (siehe auch DÄ, Heft 50/2012). Der wissen- schaftlich-technische Fortschritt, eine sich wandelnde Versorgungs- landschaft, aber auch die Ergebnis- se aus den Umfragen zur Zufrieden-
heit mit der Weiterbildung machten Änderungen notwendig, erklärte der Vorsitzende der Weiterbildungs- gremien der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. med. Franz Bartmann, in Berlin. Er legte auch dar, wohin die Reise gehen soll:
Die Weiterbildungsordnung soll künftig anhand von Kompetenzen strukturiert und vorrangig über In- halte definiert werden. Berufs- und sozialrechtliche Vorgaben sollen in Einklang gebracht, die ambulante Weiterbildung gestärkt und Mög- lichkeiten der berufsbegleitenden Weiterbildung geschaffen werden.
Dabei, so betonte Bartmann, bleibe aber die Grundstruktur der Weiter- bildungsordnung – Gebiets-, Fach- arzt-, Zusatzbezeichnungen und Mindestweiterbildungszeiten – er- halten. Beispiel Richtzahlen: Hier seien die Anforderungen zum Teil derart hochgeschraubt, dass sie in der Kürze der Weiterbildungszeit nicht leistbar seien, meinte Bart- mann. In Zukunft sollten sich diese Vorgaben an den didaktischen An- forderungen, der Versorgungsreali- tät und der Umsetzbarkeit orientie- ren. Die Fachgesellschaften und Berufsverbände können noch bis zum 30. April ihre Vorstellungen einbringen. 2014 oder 2015 soll dann der Deutsche Ärztetag die neue Weiterbildungsordnung be- schließen.
Dass bei der Weiterbildung künf- tig Inhalte im Vordergrund stehen statt Zeiten und Zahlen, findet Wei- terbildungsassistentin Bitzinger prinzipiell sinnvoll. Aber bis zur Umsetzung der Novelle wird noch viel Zeit vergehen. Deshalb fordert sie zunächst einmal mehr Transpa- renz über die vorhandenen Struktu- ren für die Berufsanfänger. Wer nicht wisse, dass es Logbücher für den Nachweis von Kompetenzen gebe oder verpflichtende Evaluati- onsgespräche, könne sie auch nicht einfordern. Hier seien auch die Ärz- tekammern und Verbände in der Pflicht. BÄK-Vorstand Bartmann verspricht Rückendeckung: „Assis- tenten, die nicht auf die geforderten Bedingungen stoßen, haben die Pflicht, sich an ihre Kammer zu
wenden.“
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Heike Korzilius
„ Weiterbildung sollte nicht als Druckmittel im ärztlichen Arbeitsalltag fungieren.
“
Henning Meyer, Assistenzarzt in der Radiologie an der Charité − Universitätsmedizin Berlin
„ Auch an einer Uniklinik darf die chirurgische Weiterbildung nicht sieben Jahre dauern.
“
Claudia Friedrich, Assistenzärztin in der Chirurgie an der Charité − Universitätsmedizin Berlin
Das Video zum Symposium des Marburger Bundes findet man unter www.marburger- bund.de. Es enthält auch die Forderungen der Generation Y an eine gute Weiter- bildung.
Fotos: Marburger Bund