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W Wie ein Johannes einen anderen Johannes bekehrte

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granat apfel 3|2013

ORden & ChRistLiChe WeLt barmherzige brüder

er sich einmal mit dem Leben des Or- densgründers der Barmherzigen Brüder, mit Johannes von Gott, beschäftigt hat, dem ist der neue Kirchenlehrer Juan d’Ávila – oder Johannes von Ávila – kein Unbekannter. Er war es nämlich, der mit seiner Predigt in der Märtyrerkapelle von Granada am 20. Jänner 1539 dem ehemaligen Hirten, Söldner, Gele- genheitsarbeiter und Hausierer namens Juan Ciudad – später Juan de Dios, also Johannes von Gott – derart zu Herzen geredet hatte, dass dieser in einem Anfall von Raserei seinen eben in Granada aufgebauten Verkaufsstand mit diversen Druckschriften – von Heiligenbild- chen bis zu Ritterromanen – niederriss und

„Misericordia, misericordia!“ schreiend durch die Stadt lief. Menschen, denen er schon als Zuhörer in der Kapelle aufgefallen war, brach- ten ihn zum Prediger Juan d’Ávila. Dieser trug dem verstört Stammelnden als Erstes auf, sich

„der Barmherzigkeit Gottes anheimzugeben“

und allen Anweisungen zu gehorchen, die er ihm zukommen lassen werde. Juan Ciudad, noch immer außer sich und nicht zu beruhi- gen, landete schließlich im Königlichen Hos- pital, bei den Irren und Geschlechtskranken.

Man sperrte ihn in jenen Holzverschlag, über dem heute zu lesen ist: „Hier wurde Juan de Dios eingesperrt und ausgepeitscht, ein Buchhändler und Narr Gottes.“ Tiefer kann ein Mensch nicht fallen als in diese Welt der Schreie und des Schreckens, wo brutale Miss- handlungen als Heilmethoden galten.

W

im Oktober 2012 wurde neben der populären Visionärin hildegard von bingen ein hierorts nahezu unbekannter heiliger des 16. Jahrhunderts in den Rang eines Kirchenlehrers erhoben: Johannes von Ávila. eine wichtige Rolle spielte er im Leben des Ordensstifters der barmherzigen brüder Johannes von Gott.

text: hubeRt GAisbAueR

Es war die Wende im Leben des Juan Ciudad, der bald als Juan de Dios – Johannes von Gott – ein Modell von Hospitalität praktizie- ren wird, das in seinen ethischen Grundzügen noch heute weltweit Gültigkeit hat in allen Einrichtungen des Ordens der Barmherzigen Brüder.

Inquisition und Kerker

Der Prediger Johannes von Ávila wurde 1499 oder 1500 südlich von Madrid in die wohl- habende Familie der Ávila, konvertierter Ju- den, geboren. Er studierte zuerst Recht, dann Theologie und wurde als Priester von seinem Bischof mit der Volksmission beauftragt. Dass er sich nicht scheute, auch gegen Missstände in der Seelsorge zu schreiben und zu predi- gen, etwa gegen säumige Bischöfe und faule Pfarrer, trug ihm 1531 eine Anklage vor der Inquisition und zwei Jahre Kerker ein. Sein theologisches Hauptwerk „Audi Filia“, eine Anleitung zum geistlichen Leben, während der Inquisitionshaft verfasst, stand sogar noch lange nach seinem Tod auf dem Index der verbotenen Bücher.

In einer religiös bewegten Zeit – unmittel- bar vor und während des Konzils von Trient – war Johannes von Ávila auch anderen spani- schen Heiligen Anreger und Berater, genannt seien nur Teresa von Ávila oder Ignatius von Loyola. Sein Hauptanliegen war eine glühen- de Seelsorge, in diesem Sinn beriet er auch

Wie ein Johannes einen

anderen Johannes bekehrte

Fotos: Pawolff/barmherzige brüder Wien, KnA-bild

Professor Hubert Gaisbauer arbeitete jahrzehntelang beim ORF-Radiosender Ö1, zuletzt als Leiter der Hauptabteilung Religion. Heute lebt und arbeitet er als Publizist in Krems an der Donau.

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barmherzige brüder

den Erzbischof von Gra- nada, Pedro Guerrero, einen der einflussreichs- ten Theologen des Tri- dentiner Konzils. Da er die Bedeutung der Bil- dung – vor allem des Klerus – erkannt hatte, gründete er 15 Kollegien und Universitäten, darunter die von Granada.

Worüber Johannes von Ávila an jenem 20. Jänner 1539 in Granada gepredigt hatte, ist nicht überliefert. Es war aber sicher weni- ger der Inhalt als vielmehr der aufwühlende Geist der Predigt, der Juan Ciudad ins Herz getroffen hat. „Man muss Gott sehr lieben“, sagt Juan d’Ávila auf die Frage, was denn die beste Voraussetzung für eine wirkungsvolle Predigt wäre.

Geistlicher Ratgeber

Johannes von Ávila bleibt – oft nur brieflich – der geistliche Ratgeber des anderen Johannes.

Der erfahrene und charismatische Seelsorger hatte erkannt, dass dieser einer Führung be- darf und einer Verpflichtung zum Gehorsam.

Von dem Briefwechsel zwischen den beiden Heiligen sind nur drei Briefe des von Ávila er- halten. Darin verblüfft der eindringliche und mitunter sogar harte Ton, mit dem er auf Brie- fe seines geistlichen Schützlings antwortet, in denen dieser – so kann man aus den Antwor- ten schließen – sein Versagen und seine See- lenqualen vor dem Seelenführer ausgebreitet

hatte. „Da Ihr mir keinen Kummer bereiten wollt, so handelt entsprechend“, antwortet Johannes von Ávila, „es genügt, dass der Mensch einmal töricht war, damit er sein ganzes Leben gewitzt ist.“ Dass sich Johan- nes von Gott im Dienst an den Kranken und Armen oft über seine Kräfte einsetzt, findet Johannes von Ávila gar nicht gut: „Achtet da- rauf, damit Ihr nicht, um anderen Gutes zu tun, Euch selbst Böses tut. Was nützt all das Gute, das Ihr anderen tut, wenn Eure Seele hungrig ist und betrübt und es ihr schlecht geht!“ Wenn es der Teufel nicht schafft, dass jemand Böses tut, so verleitet er dazu, „dass man die guten Werke unordentlich tut“. Jo- hannes von Ávila ist also indirekt auch der Urheber eines Grundsatzes, der heute noch in allen Einrichtungen der Barmherzigen Brüder gilt: „Gutes tun, und es gut tun!“

Johannes von Gott stirbt am 8. März 1550, seinem 55. Geburtstag, nachdem er sich eine schwere Erkältung zugezogen hat- te, als er einen Buben aus dem Hochwasser des Flusses Genil vor dem Ertrinken retten wollte. Johannes von Ávila stirbt 1569 nach Jahren quälender Krankheit. In ihrer Unter- schiedlichkeit stellen die beiden Heiligen der reformbedürftigen Kirche – nicht nur ih- rer Zeit – vor Augen, dass der Auftrag Jesu ein heilender Dienst an Seele und Leib der Menschen ist.

«

„Achtet darauf, damit Ihr nicht, um anderen Gutes zu tun, Euch selbst Böses tut.“

Johannes von Ávila

Am Tag seiner Ernen- nung zum Kirchen- lehrer wurde ein rie- siges Bild des heiligen Juan d’Ávila an der Fassade des Petersdoms in Rom angebracht.

Johannes von Gott (Statue im Hof des Wiener Ordenskranken- hauses)

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