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Johannes Fischer

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Anzeigen The Third. Reich at War. A Historical Bib- liography, ed. by Gail Schlachter. Santa Barbara, Cal.: ABC-Clio 1984. XII, 270 S.

This addition to the increasing number of biblio- graphies on World War II consists of abstracts of 1069 journal articles published from 1973 to 1982 and compiled from the data base of ABC- Clio Information Services. Selected from over 2000 journals printed in ninety countries and written in forty-two languages, the abstracts vary in length and quality. Random checking in- dicates, however, that as a rule they accurately describe the contents and the research bases of the pieces they summarize. The compilers' inclu- sion of material from relatively obscure periodi- cals is correspondingly welcome. There seems no question that the most dedicated individual researcher would have difficulty matching this achievement, if only on linguistic grounds.

The abstracts are organized into seven chapters.

Three are general : on wartime Germany, on the Holocaust and resistance, and on commerce and diplomacy. The remaining four are geogra- phically-specific, focussing respectively on the conquest and occupation of Poland, the war in western Europe and North Africa, the war in East and Southeast Europe, and finally the Rus- sian theater.

The structure is questionable. The chapters on Poland and East Europe are so relatively short as to be vestigial; those on Russia and western Europe a jumble of references on unrelated to- pics. The confusion is somewhat mitigated by the inclusion of an excellent index with a large number of access points and cross references.

The strengths of this work indicate its weakness.

It is a compilation and nothing more. It reflects no shaping intelligence. The ten-year limitation is acceptable for articles, which tend to age more rapidly than monographs. Within those parameters, however, no attempt has been made to integrate the material into an interpretive framework, or to indicate differences in per- spective and quality among pieces. Not even the general criteria for selecting articles are present- ed, and these are particularly important in a bib- liography focussing on a single country in the context of a global war. Especially for a period as complex as World War II, the value of such a compendium of discrete sources is limited, no matter how comprehensive it may be.

Dennis E. Showalter M G M / 1 / 8 6

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Michael Grant: The Roman Emperors. A Biographical Guide to the Rulers of Im- perial Rome, 31 BC-AD 476. London:

Weidenfeld & Nicolson 1985. XV, 367 S.

Michael Grant hat in diesem Werk 92 mit Por- träts illustrierte Biographien von Kaisern des Imperium Romanum vorgelegt. Er beginnt seine Prosopographie mit Augustus und beendet sie mit Romulus (»Augustulus«), der als Sohn des Orestes noch im Knabenalter den Purpur trug und nach knapp einjähriger Regentschaft am 4.

September 476 von dem germanischen Heerfüh- rer Odoaker zur Abdankung gezwungen wurde.

Das Jahr 476 markiert nach einer über 200 Jahre dauernden Phase des allmählichen Niedergangs das Ende des weströmischen Reiches.

Auf den ersten Blick mag es etwas ungewöhn- lich erscheinen, wenn ein Autor mehr als 500 Jahre römischer Geschichte allein anhand von Herrscherbiographien darstellen will. Doch Grant ist sich dieser Problematik wohl bewußt und stellt selbst die alte Frage zur Diskussion, ob Männer die Geschichte machen oder ob diese Männer nur die Exponenten der evolutio- nären Kräfte ihrer Zeit waren. Er hält zwar das moderne Interesse der Geschichtswissenschaft für die gesellschaftspolitischen Entwicklungen und Veränderungen, das gleichzeitig mit einer Abneigung gegen jedweden Personenkult ver- bunden ist, für vollkommen berechtigt, zumal frühere Historiker den Herrschern und expo- nierten Personen einer geschichtlichen Epoche ein zu starkes Augenmerk gewidmet hätten, mahnt aber gleichzeitig zur Vorsicht. Denn nicht selten hätten im Gegenteil Herrscherper- sönlichkeiten sehr starken Einfluß auf die sozia- len, ökonomischen, politischen und kulturellen Trends ihrer Zeit Einfluß genommen: »who can believe that the course of history would still have been the same if Augustus, Aurelian, Dio- cletian and Constántine had never existed, or had possessed quite different qualities? Se- condly, any man, whatever his faults or defi- ciencies . . . is an object of legitimate curiosity, and invites further investigation« (S. XIV).

Spätestens nach dem Tode Severus Alexanders (235) bis zum Regierungsantritt Diokletians (284) befand sich das Imperium Romanum in ei- ner tiefen Krise, deren Hauptursache die per- manenten Kriege im Norden an Rhein und Do- nau und im Osten gegen die Neuperser am Euphrat waren (sehr gut veranschaulicht auf Karte 7: »The Barbarian Invasions of the Se- cond and Third Centuries AD«, S. 166 f.)1. Aus dieser Zeit sind keine bedeutsamen geisti-

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gen Zeugnisse — mit Ausnahme der Schriften des Neuplatonikers Plotinos (204—270) — überliefert. So ist es f ü r den Verfasser 2000 bis 1500 Jahre später eine schwer zu lösende Auf- gabe, ein einigermaßen zutreffendes Bild der von ihm beschriebenen Kaiser zu geben. Die Re- konstruktion der Karrieren dieser o f t ambiva- lenten, manchmal auch herausragenden H e r r - scherpersönlichkeiten ist aufgrund des spärli- chen Quellenmaterials außerordentlich schwie- rig zu bewältigen. Besonders die Historia Augu- sta, eine Sammlung von Biographien von römi- schen Kaisern und Usurpatoren aus der Zeit von 117—284 (die Jahre 244 — 59 fehlen) erweist sich als eine außerordentlich problematische Quelle. Es ist sogar die Auffassung vorherr- schend, daß einige Kaiser und Usurpatoren zu- sätzlich erfunden worden sind, während andere Darstellungen als annähernd authentisch aner- kannt werden. So behaupten die Autoren der Historia Augusta, allein unter dem Kaiser Gal- lienus (253—68) habe es 30 Usurpatoren gege- ben.

Damit wird verständlich, vor welchen Proble- men Grant gestanden hat. Es war ihm deshalb unmöglich, auch jene Persönlichkeiten in seine Biographiensammlung aufzunehmen, die f ü r sich den Purpur beanspruchten, aber deren re- gionaler Herrschaftsbereich zu unbedeutend war, um als Kaiser jemals Anerkennung zu fin- den. Die Usurpatoren werden aber meist er- wähnt, sofern sie namentlich bekannt sind.

D e r Autor nimmt f ü r sich in Anspruch, alle ver- fügbaren lateinischen und griechischen Quellen ausgewertet zu haben; ihre Angaben hat er hauptsächlich aufgrund von Inschriften auf M ü n z e n , die Rückschlüsse auf die Absichten der Kaiser zulassen und o f t im scharfen Kontrast zu der Feindseligkeit der antiken Schriftsteller ste- hen, korrigiert. Als ehemaliger Präsident der Royal Numismatic Society verfügt Grant über hervorragende Kenntnisse auf dem Gebiet der Numismatik, die f ü r die Erforschung der Alten Geschichte eine wichtige Hilfswissenschaft dar- stellt. Darüber hinaus hat der Verfasser sonstige Inschriften und andere archäologische Befunde sowie künstlerische Zeugnisse der jeweiligen Zeit ausgewertet. Das Gesamtwerk ist deshalb von solider Kompetenz und nicht zuletzt auch eine Fundgrube f ü r Sozialaspekte der Spätan- tike. Leider hat der Verfasser keinerlei Sekun- därliteratur angegeben.

D e r Band ist mit sieben genealogischen Stamm- tafeln und elf anschaulichen Karten ausgestattet, die Aufschluß über die Expansion des römischen 226 und den Zusammenbruch des weströmischen

Reiches geben. Im Anhang befindet sich eine Li- ste von erläuterten lateinischen Termini sowie eine kommentierte Bibliographie der antiken rö- mischen und griechischen Quellen.

Hans-Martin Ottmer

1 Siehe auch H. Bengtson: Grundriß der römischen Geschichte mit Quellenkunde. Bd 1 : Republik und Kaiserzeit bis 284 n. Chr. München 1970 ( = Handbuch der Altertumswissenschaft. III. 5, 1.), S. 380.

Andreas Kraus: G r u n d z ü g e der Ge- schichte Bayerns. D a r m s t a d t : Wissen- schaftliche Buchgesellschaft 1984. VI, 297 S. ( = Grundzüge. Bd 54.)

D e r Verfasser legt mit diesen »Grundzügen«

eine gegenüber seiner 1983 erschienenen »Ge- schichte Bayerns« stark komprimierte Darstel- lung bayerischer Geschichte vor. Im Gegensatz zu dem 1967 bis 1975 von M a x Spindler in vier Bänden herausgegebenen »Handbuch der baye- rischen Geschichte« wenden sich die offensicht- lich aus dem Lehrbetrieb hervorgegangenen

»Grundzüge« an einen breiteren Leserkreis.

Nach seiner Vita und seinem umfangreichen wissenschaftlichen Œuvre w a r der Verfasser f ü r diese Aufgabe geradezu prädestiniert. Als pro- fundem und subtilem Kenner bayerischer Lan- desgeschichte gelingt es ihm trotz der im V o r - wort geäußerten Bedenken, auf nur knapp 300 Seiten beispielhaft eine gedrängte, dabei jeder- zeit präzise und zudem noch lesenswerte D a r - stellung zu entwerfen. Jeder landesgeschichtlich Interessierte wird dies zu würdigen wissen.

»Bayerische Geschichte« wird vom Verfasser an einigen Punkten durchaus auch in größerem, d . h . europäischem Rahmen gesehen (z.B.

S. 100 ff.). Gleichwohl steht die ungebrochene Behauptung der Eigenart einerseits und der staatlichen Identität andererseits — ein durch die gesamte abendländische Geschichte bis zur Gegenwart kenn- und zugleich auszeichnender Zug — in den vom U m f a n g her wohldosierten Kapiteln stets im Vordergrund. Dies zeigt sich sowohl im Vergleich zu den unzähligen staatli- chen Gebilden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als auch zu den übrigen Bun- desländern der Bundesrepublik Deutschland.

Verschiedentlich drohen die »Grundzüge« zu einer auch in der Landesgeschichte überholten

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Form von Dynastengeschichte zu werden (z.B.

S. 171 f.). Die Gegenüberstellungen der o f t überraschend ähnlich strukturierten Regenten- persönlichkeiten sind dabei durchaus reizvoll.

T r o t z d e m steht der Staat eindeutig im Mittel- p u n k t der Darstellung, mit allen Wandlungen, die vor allem an der Peripherie deutlich fühlbar wurden — Verluste im Süden und Osten, Zu- wachs der schwäbischen und fränkischen Landes- teile. Den Ubergangsepochen wird dabei be- sondere Aufmerksamkeit gewidmet.

D e m Verfasser gelingt es immer wieder, exem- plarische Aspekte der bayerischen Geschichte herauszuarbeiten und zwar besonders im Blick auf die Verfassungs- und Verwaltungsentwick- lung, aber auch im Blick auf kulturelle sowie so- zial- und wirtschaftsgeschichtliche T e n d e n z e n . Für eine Darstellung dieses Umfangs ist dies ganz erstaunlich. Auch kleine Facetten in der Geschichte werden berücksichtigt wie z.B. der Schritt des Landesherrn zur Kirchenherrschaft (S. 73).

Es ist gleichfalls zu betonen und zu würdigen, daß immer wieder konkrete Beispiele f ü r die Ausführungen geboten und Auseinandersetzun- gen mit anderen Lehrmeinungen nicht gescheut werden.

Für die Zeit nach der Reichsgründung von 1871 sind die Kapitel naturgemäß etwas knapper ge- halten, bleiben nichtsdestotrotz aber höchst in- struktiv. So werden die Freiräume, die sich das Land gegenüber dem Reich wahren konnte, her- vorgehoben. D e r dem leitenden Minister Grafen Hertling in der Kriegszieldiskussion und beim Sturz des Reichskanzlers Bethmann Hollweg zukommenden Rolle werden durchaus neue Einsichten abgewonnen. Auch die Vorgänge von 1918/19, die den »Volksstaat« oder nach ei- ner Verlautbarung Kurt Eisners den »Freistaat«

Bayern begründeten, werden kritisch beleuchtet.

V o r allem die Entstehung der Räterepublik wird treffend skizziert. Sie dient als Paradigma f ü r die These, daß die Idee der unmittelbaren Volksherrschaft — verwirklicht durch die Insti- tution der Räte — allein schon ihrem Wesen nach zum Chaos führen mußte.

N a c h der Schilderung der Katastrophe von 1945 würdigt der Verfasser noch in einem Ausblick den Wiederaufbau in Bayern und den nicht un- beträchtlichen Anteil bayerischer Politiker am Aufbau der Bundesrepublik Deutschland.

Das gemäß der Zielsetzung der »Grundzüge«

bewußt knappgehaltene und den einzelnen Ka- piteln entsprechend gegliederte Literaturver- zeichnis, die Ubersichtstafeln »Bayerische H e r - zöge, Kurfürsten und Könige« und der Perso-

nen- und Ortsindex, in den gleichwohl Sachin- dizes eingearbeitet sind, runden die ausgewo- gene Darstellung ab. Es bleibt zu wünschen, daß sie einen großen Leserkreis finden möge, was durch den Kaufpreis sicherlich gefördert wer- den könnte.

Diether Degreif

Reinhard Baumann: G e o r g von Frunds- berg. D e r Vater der Landsknechte und Feldhauptmann von Tirol. Eine gesell- schaftsgeschichtliche Biographie. M ü n - chen: Süddeutscher Verlag 1984. 392 S.

Diese Biographie Georg v. Frundsbergs ist das Ergebnis eines weiterforschenden Interesses des Verfassers am Phänomen des Söldnerwesens im 16. Jahrhundert, dem seine hervorragende, 1978 erschienene Dissertation gewidmet war. 1925 war die letzte biographische Skizze erschienen, die ihr Verfasser, Friedrich Zoepf, mit dem Wunsch verbunden hatte, es sei nun an der Zeit, daß endlich durch einen M a n n der Z u n f t eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Le- bensbeschreibung vorgelegt w ü r d e ; seine Auf- forderung ist nun erfüllt worden.

Einem Tiroler Geschlecht entstammend, w u r d e Georg v. Frundsberg als Sohn eines erzherzogli- chen und kaiserlichen Rats 1473 auf der Min- delburg bei Mindelheim geboren. In den ritterli- chen Fertigkeiten vorzüglich erzogen und aus- gebildet, begann er seine Laufbahn als W e r b e r und Anführer von Truppen der Reichsstadt Memmingen und stieg dann im Dienste Kaiser Maximilians zum Landsknechtobersten auf.

Als Verteidiger Veronas in den Kriegen gegen Venedig, 1505 — 1516, erlangte er Berühmtheit.

D e r Kaiser ernannte ihn zum Kaiserlichen Rat und Feldhauptmann der Grafschaft Tirol. Bei der Wahl Karls V., 1519, spielte er zusammen mit Sickingen eine nicht unbedeutende Rolle, indem er mit seinen T r u p p e n , vor den T o r e n Frankfurts lagernd, D r u c k auf die Kurfürsten ausübte. Im Dienste dieses Kaisers siegte Frundsberg bei Bicocca (1522) und Pavia (1525). Sein letzter Feldzug w u r d e f ü r ihn zur persönlichen Katastrophe. U m sein H e e r auf- stellen zu können, verschuldete er sich und er- litt, als ihm die Landsknechte infolge ausblei- bender Soldzahlungen 1527 bei Bologna den Gehorsam versagten, einen Gehirnschlag. W ä h -

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rend er als Gast der Este schwer krank in Fer- rara darniederlag, erstürmten seine Lands- knechte Rom (»Sacco di Roma«). Frundsbergs Versuch einer Aussöhnung zwischen Karl V.

und Papst Clemens VII. scheiterte, und bald darauf starb er auf der Mindelburg.

Die Figur dieses bedeutenden Adligen und Sol- daten wird vom Verfasser vor dem Hintergrund bedeutender Umwälzungen auf politischem, ge- sellschaftlichem und wirtschaftlichem Felde zu Beginn des 16. Jahrhunderts geschildert. Die Vorzeichen der Reformation und des Bauern- krieges, die Entstehung des Frühkapitalismus und die Ausbildung des Söldner-Fußvolkes, der Landsknechte nach dem Vorbild der Schweizer Langspieße, prägten bereits seine Jugendjahre.

Frundsberg wurde einer der großen und erfolg- reichen Heerführer. Der Verfasser weist mit Recht auch auf andere Elemente dieser bedeu- tenden Persönlichkeit hin : Er war für seine Zeit der moderne Typ des Söldnerführers, der Landsknechte auf eigene Rechnung und eigenes Risiko warb und dem Kaiser zur Verfügung stellte. Dem Unternehmer und Feudalherrn Frundsberg stand dabei ein Landsknechthaufen gegenüber, der gewerkschaftsähnlich organisiert war. Dieses komplizierte Beziehungsgeflecht erstmals umfassend dargestellt zu haben, ist ei- nes der besonderen Verdienste des Autors.

Kehrig

Nassau und Oranien. Statthalter und Kö- nige der Niederlande. Hrsg. von Coen- raad A. Tamse. Göttingen, Zürich: Mu- ster-Schmidt 1985. 395 S.

»Je maintiendrai Nassau« — »Ich werde Nassau hochhalten«, so lautete das Motto Wilhelms von Oranien, der sich 1568 an die Spitze der nieder- ländischen Aufstandsbewegung gegen Spanien gestellt hatte. Seit dem nassau-dillenburgischen Grafensohn Wilhelm 1544 — nach dem Tode seines Onkels René von Chalón — Besitz und Titel des Prinzen von Oranien zugefallen wa- ren, stellt das Haus Nassau-Oranien die nieder- ländischen Regenten. »Nassau und Oranien«

lautet denn auch der Titel dieses 1979 zuerst in holländischer Sprache erschienenen Sammel- bandes. Neun ausgewiesene niederländische Hi- storiker vermitteln in den insgesamt zehn Skiz-

zen des Buches einen biographischen Längs- schnitt durch das Herrscherhaus.

Beginnend bei den Bredaer Nassaus (H. P. H.

Jansen) — mit ihnen trat das deutsche Grafen- haus 1403 in die niederländische Geschichte ein

— folgt ein Porträt des schon genannten Wil- helm von Oranien (K. W. Swart), welcher — bis heute ungemein populär — wegen seiner Füh- rungsrolle im Befreiungskrieg vielfach mit dem ehrenden Titel »Vater des Vaterlandes« verse- hen wird. Seinen Nachkommen Moritz (A. Th.

v. Deursen), Friedrich Heinrich sowie Wilhelm II. (J. P. Poelhekke) sind weitere Kurzbiogra- phien gewidmet. Es folgen Skizzen zu Wilhelm III. (D. J. Roorda), dem »König-Statthalter«

(seit 1688 war er König von England), Wilhelm IV. und Wilhelm V. (G. J. Schutte). Die weite- ren Beiträge befassen sich mit Wilhelm I. (seit 1815 König) und Wilhelm II. (beide von H . A.

Bornewasser), Wilhelm III. und seiner ersten Frau Sophie von Württemberg (C. Tamse). Im Schlußkapitel werden Leben und politisches Wirken Königin Wilhelminas (A. F. Manning) gewürdigt, welche — zunächst noch unter der Regentschaft ihrer Mutter — von 1890 bis 1948 länger als ein halbes Jahrhundert die Geschicke unseres Nachbarstaates im Westen prägend mit- bestimmte.

Wie bei dem letztgenannten Porträt handelt es sich bei allen Beiträgen nicht um rein biographi- sche Betrachtungen. Zahlreiche Bezüge und Wechselwirkungen nicht nur zum politischen Geschehen, sondern auch zu Gesellschaft, Wirt- schaft und Kultur werden deutlich und vermit- teln über den biographischen Aspekt hinaus viel- fältige Einblicke in die niederländische Ge- schichte.

Bestätigt wird der insgesamt durchaus positive Eindruck durch die gelungene Ausgestaltung des Werkes. Qualitativ hochwertige Abbildun- gen der einzelnen Herrscherpersönlichkeiten er- gänzen den Text anschaulich; die genealogi- schen Fragen werden umfassend jeweils im An- hang zu den einzelnen Kapiteln behandelt. Das kommentierte Quellen- und Literaturverzeich- nis — die Masse der genannten Titel sind ver- ständlicherweise in niederländischer Sprache ab- gefaßt — erleichtert die weitergehende Beschäf- tigung mit der Thematik und rundet zusammen mit dem Personenregister die Darstellungen ab.

Auch wenn sich das Buch vornehmlich nicht an die Zielgruppe der Fachhistoriker wendet, wäre ein rudimentärer wissenschaftlicher Apparat mit zumindest wenigen Anmerkungen im Text zu wünschen gewesen. Dieser Mangel vermag aber ebenso wie einige »Schönheitsfehler« in der

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Übersetzung die Nützlichkeit des Werkes kaum zu schmälern. Dem an der niederländischen Ge- schichte interessierten deutschen Leser ist es sehr zu empfehlen. Hans Ehlert

Wilhelm Graf zu Schaumburg-Lippe:

Schriften und Briefe. Bd 3: Briefe. Hrsg.

von Curd Ochwadt. Frankfurt a. M . : Klostermann 1983. L X X V I I , 569 S.

( = Veröffentlichungen des Leibniz-Ar- chivs. Bd 8.)

Hans-Helmut Schaufler: Die Schlacht bei Freiburg im Breisgau 1644. 2., veränderte Aufl. Freiburg i.Br.: Rombach 1980.

136 S.

Die Stadt Freiburg im Breisgau w u r d e im Drei- ßigjährigen Krieg viermal belagert und erobert.

D e r zweimaligen Einnahme durch die Schwe- den in den Jahren 1632 und 1634 schlossen sich jeweils nur kurze Besatzungszeiten an. D e r drit- ten Einnahme 1638 durch Truppen des H e r z o g s Bernhard von Weimar folgte eine sechsjährige Besatzungsdauer bis zum 29. Juli 1644. An die- sem T a g e eroberten die Bayern unter General- feldmarschall Mercy die Stadt, die sie bis nach dem Westfälischen Frieden hielten.

Das vorliegende Bändchen schildert das blutige T r e f f e n bei Freiburg vom 3. bis 5. August 1644 zwischen den Bayern und zwei französisch-wei- marischen H e e r e n unter den Marschällen T u - renne und Condé, wenige T a g e nach der vierten Eroberung.

Schaufler beschreibt auf der Grundlage eines breiten Quellen- und Literaturstudiums aber nicht nur detailreich (bis hin zur genauen Ge- ländekenntnis) und abgewogen urteilend die Aktionen der drei bedeutenden Feldherren, er stellt die Schlacht auch in den Zusammenhang der Kriegshandlungen im gesamten südwest- deutschen Raum und in den strategisch-politi- schen Kontext. So wird auch dies klar: Die Be- deutung der Schlacht, aus der keine eindeutigen Sieger und Besiegte hervorgingen, kann wohl nur vom weiteren Verlauf der Ereignisse abgele- sen werden. Mercys erzwungener Rückzug hin- ter den Schwarzwald erlaubte C o n d é unter Ver- zicht auf eine Belagerung des weiterhin von den Bayern gehaltenen Freiburg die Eroberung von 20 Städten im schutzlosen Rheintal, darunter Landau, Philippsburg, Speyer, W o r m s und Mainz. Er bescherte Frankreich die strategi- schen Vorteile einer linksrheinischen Stellung von Hüningen bis Koblenz in Verbindung mit starken rechtsrheinischen Brückenköpfen.

Norbert Wiggershaus

Nach der Herausgabe der philosophischen und politischen Schriften (Bd 1) sowie des militäri- schen Nachlasses (Bd 2) des Grafen Wilhelm zu Schaumburg-Lippe (siehe die Besprechung in M G M 32 (1982)154-161) hat C u r d O c h w a d t abschließend 599 Briefe dieses kleinen Territo- rialfürsten im dritten und letzten Band seiner großen Quellenedition veröffentlicht. Dabei ist er unter Berücksichtigung des umfangreichen Quellenmaterials in der Konzeption und Gliede- rung ähnlich vorgegangen wie in den ersten bei- den Bänden. Auf eine kurze V o r b e m e r k u n g von gut drei Seiten folgt eine ausführliche, 48 Seiten lange Einführung in den Inhalt der Briefe. De- , ren Edition selbst nimmt 443 Seiten ein, ergänzt

wiederum durch wissenschaftlich akribische An- gaben zur Überlieferung und Erläuterungen auf 92 Seiten; diese Abschnitte bilden den Kern und Hauptteil des voluminösen Bandes. In seinem üblichen Nachbericht gibt O c h w a d t auf 19 Sei- ten Auskünfte zu den G r u n d z ü g e n der Auswahl und Kommentierung, zur Überlieferung des Briefbestandes, Darstellung der Texte, Recht- schreibung und Zeichensetzung sowie zu den gewählten Abkürzungen. Ein sorgfältig angefer- tigtes Verzeichnis der Briefempfänger, ferner unentbehrliche Personen- sowie Sach- und Ortsverzeichnisse schließen den Band ab und tragen wesentlich zu seiner leichteren Erschlie- ßung bei.

Nachdem O c h w a d t in seiner kurzen Vorbemer- kung den in fünf Sprachen briefeschreibenden Grafen Wilhelm als »Angehörigen der europäi- schen Bildungsschicht« (S. X X X ) vorgestellt und auf die Bedeutung der Briefe f ü r das Ver- ständnis zeitgenössischer Zusammenhänge und der bereits edierten philosophischen, politischen und militärischen Schriften hingewiesen hat, kommentiert er die Briefe unter verschiedenen Gesichtspunkten. Dabei k o m m t es ihm vor allem darauf an, die »Grundzüge in Wilhelms Denken und seiner Persönlichkeit, die hauptsächlichen Zeiträume und Geschehnisse seines Lebens, die wichtigsten Beziehungen zu Menschen (S.

X X X I I I ) darzulegen. Dementsprechend geht er

— gestützt auf die Biographie des Grafen Wil- helm in Bd 1, S. 463—486 — auf die Briefe aus der Jugendzeit und der Regierung des Reichs- fürsten sowie auf Schreiben militärischen Inhal-

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tes und an »Männer von Geist« ebenso ein wie auf Briefe persönlich-privaten Inhaltes an Fami- lienmitglieder und Freunde. Zu den Adressaten zählten im Zeitraum von 1731 bis 1777 u. a. das deutsche Kaiserpaar Maria Theresia und Franz Stephan, König Friedrich II. von Preußen, die Landgrafen von Hessen-Kassel und der H e r z o g zu Braunschweig und Lüneburg, Voltaire, Nico- lai, H e r d e r und Mendelssohn, französische, portugiesische und englische Empfänger.

Im Rahmen dieser Besprechung kann nicht auf die zahlreichen Briefe mit militärischen Bezügen eingegangen werden, zumal sie viele mehr oder minder interessante Details aus der deutschen, englischen und portugiesischen Militärge- schichte aus mehreren Jahrzehnten des 18. Jahr- hunderts enthalten. Diese Briefe w u r d e n von O c h w a d t auch nicht zusammengefaßt als ge- schlossener Block ediert, sondern chronologisch in den gesamten Briefeschatz eingefügt. Dies er- schwert leider den Zugang und die Auswertung und beeinträchtigt den Blick auf das militärge- schichtlich bedeutsame Leben und Wirken des Grafen Wilhelm. Dieser bedauerliche Mangel findet aber einen gewissen Ausgleich durch den Abschnitt »Die militärischen Verpflichtungen«

in Ochwadts Einführung (S. XLII—LUI), in dem er die Briefe Wilhelms als kurhannover- scher Generalfeldzeugmeister und portugiesi- scher Generalmarschall im Feldzug 1762 sowie seine Briefe über die Arbeiten für die zukünftige Verteidigung Portugals kommentiert. Aus den militärgeschichtlich relevanten Briefen wird — wie bereits aus den edierten Schriften — das Bild des Grafen Wilhelm als eines militärisch nicht nur interessierten, sondern auch begabten kleinen Reichsfürsten deutlich, der — ohne be- sondere Ausbildung auf diesem Gebiet — durch Selbststudium, Erfahrung und intensives N a c h - denken einen wesentlichen Beitrag zur Entwick- lung des Militärwesens im 18. J a h r h u n d e r t gelei- stet hat. Immer wieder tritt er aus den Briefen als engagierter T r u p p e n f ü h r e r hervor, der sich fürsorglich um das Wohl seiner Soldaten küm- mert, der f ü r ihre Versorgung, Erziehung und Ausbildung sorgt, der sich als militärischer O r - ganisator bewährt und der als Militärstratege das Beste f ü r sein Territorium plant.

So ergänzt ein großer Teil der vorgelegten Briefsammlung besonders die militärischen Schriften und liefert f ü r unser heutiges Ver- ständnis manch wertvolles Hintergrundmaterial.

O c h w a d t hat gerade auch mit dem dritten Band eine große wissenschaftliche Leistung voll- bracht, w o f ü r ihm D a n k und Anerkennung ge- bührt. Othmar Hackl

Hans H. Klein: Karl Friedrich von W o l f - fersdorff. Ein streitbarer Sachse im Dien- ste Friedrichs des Großen. Osnabrück:

Biblio 1984. IV, 139 S.

D e r Verfasser — aus seiner Tätigkeit als K o m - mandierender General in Münster mit Westfa- len verbunden — hat mit dieser Kurzbiographie einen wissenschaftlich ausgewiesenen und zu- gleich auch f ü r den Laien interessant zu lesen- den Beitrag über einen bemerkenswerten O f f i - zier des 18. Jahrhunderts und sein Wirken in der preußischen Grafschaft M a r k vorgelegt.

Wolffersdorff — geboren 1716 auf einem Rit- tergut bei Zwickau, gestorben 1781 als preußi- scher Generalleutnant — gehörte zu der kleinen Zahl sächsischer Offiziere, die im Herbst 1756 nach der Kapitulation von Pirna freiwillig in den preußischen Dienst übertraten. N a c h Bewäh- r u n g in einigen weniger bekannten Gefechten des Jahres 1759 geriet Wolffersdorff im N o v e m - ber des gleichen Jahres bei Maxen in österreichi- sche Kriegsgefangenschaft; von Mehl bestäubt wurde er aus seinem Versteck in einer D o r f b ä k - kerei herausgezogen. 1763 kehrte er nach Preu- ßen zurück, übernahm die Führung eines Regi- ments in Wesel und wurde im Sommer 1763 Chef des in der Grafschaft M a r k liegenden preußischen Regiments. Er verblieb bis zu sei- nem Lebensende in H a m m und übernahm auch

— wie damals üblich — Aufträge des Königs, die über den militärischen Bereich weit hinaus- gingen.

D e r Autor versteht es, knapp und treffend die geschilderten Ereignisse und Verhältnisse in den militärgeschichtlichen Rahmen einzuordnen. So verdeutlicht er die in den preußischen Westge- bieten geltenden Ausnahmen von der K a n t o n - Dienstpflicht und die sich daraus ergebenden Konflikte. U m den bisweilen farblosen, histo- risch wenig gehaltvollen Geschichten der Bun- deswehrgarnisonen ein höheres Niveau zu ver- schaffen, wäre es zu begrüßen, wenn — wie im Fall des angezeigten Bandes — auch anderswo die vorhandenen Quellen mit ebensolchem Ge- schick aufgespürt und verarbeitet werden w ü r - den.

Caspar

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Königin Luise von Preußen. Briefe und Aufzeichnungen 1786—1810. Mit einer Einleitung von H a r t m u t Boockmann.

Hrsg. von Malve Gräfin Rothkirch. M ü n - chen: Deutscher Kunstverlag 1985.

X X X I , 631 S.

In der von H . Boockmann verfaßten Einleitung zu dieser Sammlung findet sich der Satz: »Wenn die Briefe der Königin Luise die einzige Quelle f ü r ihre Zeit wären, wüßten wir von den preußi- schen Reformen nichts« (S. XII, X I V ) und — so könnte man hinzufügen — mit Ausnahme des gewaltsamen T o d e s von Marie Antoinette auch kaum etwas von der Französischen Revolution.

Zwar finden sich Hinweise auf die kriegerischen Auseinandersetzungen im Gefolge der tiefgrei- fenden Veränderungen seit 1789 und natürlich werden die Schlachten von Jena und Auerstedt und die daran anschließenden K a m p f h a n d l u n - gen erwähnt, ebenso wie die Erhebung Öster- reichs oder die Aufstandsversuche Dörnbergs und Schills, aber zumeist ist nicht das politische Geschehen selbst Gegenstand des Interesses, sondern der Hinweis auf die jeweiligen Ereig- nisse dient primär zur Illustration der allgemei- nen Lebensverhältnisse am preußischen H o f . Die Herausgeberin hat die von ihr f ü r diese Neuausgabe ausgewählten Briefe und Aufzeich- nungen — es handelt sich um 410 von rd. 800 erfaßten Stücken — folgendermaßen gegliedert:

zunächst Luises Jahre als Verlobte und Kron- prinzessin (1786 —1797), sodann die Zeit als Königin bis zum Ausbruch des Krieges gegen Frankreich (1797 —1806) und schließlich die Spanne zwischen der Niederlage von Jena und Auerstedt und ihrem T o d (1806 — 1810).

Wenngleich in der Korrespondenz der Kron- prinzessin und jungen Königin Klagen über Krankheiten bzw. Todesfälle im engsten Fami- lienkreise und Nachrichten über drückende Schulden nicht fehlen, so sind die Jahre bis 1806 doch insgesamt Zeiten kaum getrübten Glücks.

»Die Lebensweise, die ich seit meiner Rückkehr von Potsdam geführt habe, war so voll Zerstreu- ungen, daß ich noch nicht dazu kommen konnte, Ihnen zu schreiben«, teilt sie Anfang 1797 ihrem Vater mit (S. 122) und trifft damit den G r u n d a k k o r d dieses Lebensabschnitts.

U n d wie zahlreiche hohe Offiziere und Beamte ist auch die Königin noch am Vorabend der Ka- tastrophe von der unüberwindlichen Schlagkraft der preußischen Truppen überzeugt. Aus dem Hauptquartier in N a u m b u r g schreibt sie an den Zaren : »Das muß gut gehen. Die T r u p p e n sind von schönstem Eifer beseelt, sie brennen darauf,

sich zu schlagen und vorzugehen; nie war der Soldat von solcher W u t gegen den Feind erfüllt wie heute, und nicht nur der Soldat, sondern die ganze Nation denkt ebenso u n d preist den K ö - nig f ü r den Entschluß, den er gefaßt hat.«

(S. 286)

U m so größer ist dann der Schock über das Aus- maß und die Art der Niederlage, und es dauert eine Weile, bis die Königin die neue Situation wirklich akzeptiert. D o c h dann ändert sich der T o n ihrer Briefe und deutlicher als zuvor wird ihr Wille spürbar, den König auch politisch zu beeinflussen. Programmatisch formuliert sie ihre Ansichten in einem Schreiben, das sie unmittel- bar vor dem Abschluß des Friedensvertrags an Friedrich Wilhelm III. richtet. Darin heißt es:

»Ich wiederhole : Was ist O p f e r an Land im V e r - gleich mit dem Opfer der Freiheit des Geistes, der Freiheit zu ehrenhafter H a n d l u n g , in einem W o r t , der Unabhängigkeit?« (S. 360) Diese Uberzeugung bewahrt sie bis zu ihrem T o d ; sie bestimmt ihre Bemühungen um die Berufung Steins und später Hardenbergs sowie ihre un- zähligen Versuche, den russischen H o f und ins- besondere Alexander I. f ü r die preußische Sache zu gewinnen, und sie ist auch der Grund f ü r den unerbittlichen H a ß , mit dem sie Napoleon —

»dieses höllische Wesen, das sich aus dem K o t emporgeschwungen hat« (S. 365) — verfolgt.

Doch mehr als ihre politischen Anstrengungen spiegeln die Briefe nach 1806 die alltäglichen Entbehrungen und Sorgen sowie die seltenen glücklichen Augenblicke während des erzwun- genen Aufenthalts in Ostpreußen wider.

Deutlich wird aus diesen wie aus den frühen Aufzeichnungen aber auch, warum Luise so überaus populär war, denn sie belegen in vielfäl- tiger Weise ihre menschliche W ä r m e und ihr Mitgefühl — so, wenn sie bereits in einem der ersten hier abgedruckten Briefe die Lebensum- stände der »armen Soldaten« beklagt und den Kronprinzen mahnt: »Sie werden die Menschen nicht als Spielzeuge Ihrer Laune betrachten, aber Sie werden sie erkennen als Ihresgleichen, als Menschen, und die Menschen werden Ihnen lieben.« (S. 47)

Wie gesagt, f ü r die politische Geschichte im Übergang vom 18. zum 19. J a h r h u n d e r t geben diese Dokumente, die die Herausgeberin über- prüft, teilweise neu übersetzt und durchgängig kommentiert hat, nur wenig her; als Zeugnisse für das Leben am preußischen H o f in einer hi- storisch entscheidenden Epoche und damit f ü r die Anschauungen und Stimmungen der Regie- renden sind sie dennoch aufschlußreich.

Heinz Stübig

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John MacAuley Palmer: General von Steu- ben. Nachdruck. Frankfurt a. M. : Socie- täts-Verlag 1984. VI, 413 S.

D e r Held dieses Buches gilt als die bedeutendste deutsche Persönlichkeit, die am Freiheitskampf der nordamerikanischen Kolonien und an deren Verwandlung in die Vereinigten Staaten von Amerika teilgenommen hat.

D e r Verfasser war ein ehemaliger Brigadegene- ral der US-Army und in den zwanziger Jahren, nach seiner Pensionierung, auf der Suche nach einem geeigneten Tätigkeitsfeld. Dieses fand er in einem gründlichen Studium des amerikani- schen Unabhängigkeitskrieges. Im Zuge seiner Nachforschungen kam er zu der Überzeugung, d a ß »die militärischen Leistungen zweier M ä n - ner — und nur dieser beiden M ä n n e r — f ü r die Erringung der Unabhängigkeit Amerikas unbe- dingt notwendig gewesen sind. Diese beiden M ä n n e r waren Washington und Steuben.« (S.

411 u. S. V). D a mit der Biographie Friedrich Kapps (1859) eine im Grunde zuverlässige Ar- beit vorzuliegen schien, glaubte Palmer, die mi- litärischen Leistungen Steubens in Amerika kompetenter darstellen zu können, sich im übri- gen aber auf Kapp verlassen zu dürfen, vor al- lem was dessen Schilderung des europäischen Teils von Steubens Leben anbelangt. Durch Zu- fall stieß er dann auf Notizen und teilweise schon veröffentlichte Arbeiten aus der Feder des Deutschamerikaners und Journalisten B. C.

Kalkhorst, in denen dargelegt wurde, »daß sich in Kapps Darstellung grobe tatsächliche Irrtü- mer fanden« (S. 412 f.).

Steuben entstammte einer an sich armen Fami- lie. Sein Großvater war Pfarrer und mit einer standesstolzen Adligen verheiratet. Diese war vermutlich die treibende Kraft, einen fälligen Berufs- und damit auch Ortswechsel dazu zu nutzen, dem Namen das erlösende »von« anzu- fügen. Steubens Vater war ein tüchtiger Inge- nieuroffizier, und er selbst diente lange Jahre in der Armee Friedrichs des Großen. Er gehörte ganz offensichtlich zu einem erlesenen Kader von Eliteoffizieren, denen Friedrich besonderes Vertrauen schenkte und denen eine große Z u - k u n f t bevorstand. Doch es kam alles anders.

Bald nach dem Hubertusburger Frieden verab- schiedete der König Steuben aus dem Heeres- dienst. 1764 wurde er Hofmarschall des Fürsten von Hohenzollern. Infolge der angespannten Fi- nanzlage des Fürstenhauses w a r dies aber keine sichere Position, geschweige denn eine, mit der sich Reichtümer erwerben ließen. Steuben selbst 232 war nie ein »guter Wirt«, wie schon einer K o n -

duitenliste aus dem Jahre 1756 zu entnehmen war, und er befand sich ständig in Geldnöten.

Sein Engagement in Amerika, maßgeblich vom französischen Kriegsminister St. Germain, von Beaumarchais und vom amerikanischen Gesand- ten in Frankreich, Benjamin Franklin, betrieben, entsprang daher vor allem dem Wunsch, pekuniär einen wirklichen Sprung nach vorn zu machen.

Im Frühjahr 1777 w a r die Lage f ü r die Amerika- ner und noch mehr f ü r die Franzosen, die die Rebellen mit W a f f e n und sonstigem Kriegsgerät versorgten, sehr kritisch. Die Desorganisation der Kontinentalarmee w a r offensichtlich. Z w a r war Washington ein zupackender H e e r f ü h r e r , aber eben kein Organisator, kein Generalstäb- ler, und Steuben daher f ü r ihn in der T a t der ge- eignete Mann. Das Problem bestand nun aber darin, d a ß der Kongreß in Philadelphia weder Franklin noch anderen Offiziellen, auch W a - shington nicht, freie H a n d bei der Besetzung von Spitzenposten gegeben hatte und sich vor allem in finanzieller Hinsicht bedeckt hielt. Zu- dem herrschten in der Kontinentalarmee hin- sichtlich der Kommandos und Privilegien aus- ländischer Offiziere — Lafayette ist nur das spektakulärste Beispiel — erhebliche Eifersüch- teleien und Vorurteile. D a hätte ein entlassener, mittelloser preußischer H a u p t m a n n wenig Ein- druck gemacht, zumal dessen professionelle V o r z ü g e zwar einem militärischen Insider wie St. Germain geläufig waren, nicht aber den in den Kolonien Verantwortlichen, die so gut wie keinen Einblick in die europäischen Verhält- nisse, geschweige denn das Militärwesen des fri- derizianischen Preußen hatten.

D a h e r ersann man das Märchen vom ehemali- gen General, der seine Dienste großmütig — wiewohl doch angeblich in glänzenden Verhält- nissen lebend und mit lukrativen Angeboten ein- gedeckt — der Sache der Freiheit der Amerika- ner zur Verfügung stellte. Palmer vermerkt dazu übrigens in seinem N a c h w o r t , daß er, als er dies entdeckte, zuerst keinerlei Lust mehr verspürte, sich weiterhin mit solch einem Schwindler zu befassen. Doch die Neugierde habe ihn nicht mehr losgelassen.

In Amerika übernahm Steuben dann als Gene- ralinspekteur, zeitweise auch als Generalstabs- chef Washingtons, die Ausbildung und R e f o r - mierung der nordamerikanischen T r u p p e n und führte sie zu großen Siegen. 1784 w u r d e ihm die Ernennung zum Kriegsminister verweigert, und er quittierte den Dienst.

Das Buch gilt zu Recht schon lange als Klassi- ker, es erschien 1937 in den Staaten und schon

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ein Jahr später in einer deutschen Ausgabe. Die jetzige Ausgabe ist die vierte in deutscher Spra- che. U m so mehr ist es zu bedauern, daß der re- nommierte Frankfurter Verlag sich nur zu ei- nem bloßen N a c h d r u c k entschließen konnte.

Zumindest ein N a c h w o r t mit einer Ubersicht über den Forschungsstand wäre erforderlich ge- wesen. Insofern ist das Buch wissenschaftlich nur bedingt verwendbar, außer f ü r den ohnehin bereits eingeführten Spezialisten. Das ist schade und sollte bei einer nochmaligen Neuauflage korrigiert werden. Hans-Christoph Junge

Mathilde Franziska Anneke: Mutterland.

Memoiren einer Frau aus dem badisch- pfälzischen Feldzuge 1848/49. Münster:

tende 1982. 143 S.

D e r badisch-pfälzische Feldzug Preußens gegen die revolutionäre Erhebung zugunsten der Reichsverfassung fiel bekanntlich in den Früh- sommer 1849. D a ß er hier per Titelblatt in das Jahr 1848 »rückverlängert« wird, verrät sogleich die Schwachstelle des anzuzeigenden Bänd- chens : mangelnde Sorgfalt bei der Herausgabe.

Dabei verdienen die Erinnerungen als solche un- bedingt die Aufmerksamkeit einer historisch in- teressierten Nachwelt und die Schicksale ihrer Autorin nicht minder. Mathilde Franziska An- neke, 1817 geboren und katholisch-münsterlän- discher H e r k u n f t , hatte sich seit der Scheidung von ihrem ersten M a n n 1843 schriftstellerisch betätigt und w a r darüber — religiös zunächst und dann auch politisch — zur radikalen Frei- denkerin geworden, bestärkt durch die Bekannt- schaft mit dem preußischen Artillerieoffizier Fritz Anneke, der selbst wegen seiner oppositio- nellen Einstellung den Abschied erhielt und den sie 1847 in zweiter Ehe heiratete. In Köln, w o das Paar fortan lebte, entwickelte sich 1848 eine enge Beziehung zu Marx und dem »Bund der Kommunisten«, und als Fritz Anneke 1849 ein K o m m a n d o in der pfälzischen Revolutionsar- mee übernahm, folgte ihm seine Frau in den Kampf und versah sogar Ordonnanzdienste, was damals weithin Aufsehen erregte. Nach dem Scheitern der Reichsverfassungskampagne mit Mann und Kindern in die Vereinigten Staa- ten emigriert, starb Mathilde Franziska Anneke 1884 als führende Vertreterin der amerikani- schen Frauenbewegung im Kampf um Wahl- recht und Sozialreform.

Die »Memoiren einer Frau aus dem badisch- pfälzischen Feldzuge«, noch unter dem unmit- telbaren Eindruck der Erlebnisse im anfängli- chen Schweizer Exil niedergeschrieben, aber erst 1853 durch Selbstverlag in N e w Jersey un- ter diesem Titel veröffentlicht, sind seinerzeit in Deutschland kaum bekannt geworden. Z w a r ha- ben sie zur politischen oder militärischen Ana- lyse auch nicht allzuviel beizutragen, ihre Le- bendigkeit vermag indes selbst heute noch zu fesseln. Die Autorin vereint eine ausgeprägte Beobachtungsgabe mit literarischer Gestaltungs- kraft von Rang, und im Ergebnis entsteht eine unverkünstelte, durchweg epische, bisweilen aber auch ins Elegische spielende Schilderung des Geschehens aus der Binnenperspektive. V o n besonderem Quellenwert ist die Passage über das Gefecht von Ubstadt (23. Juni 1849), beson- ders ergreifend die Abschiedsszene vom »Mut- terland«, wie es ebendort heißt, und besonders beklagenswert daher die unzulängliche Edi- tionsleistung, zumal der bloße W o r t l a u t der nur in wenigen Exemplaren erhaltenen Originalbro- schüre schon seit 1976 an anderer Stelle leicht zugänglich ist1.

Was nämlich die gegenwärtige Neuauflage dar- über hinaus zu bieten hat, m u ß als fragwürdig gelten. Die Aussagekraft der »Lebensläufe« von im T e x t genannten Personen (S. 113 ff.) wird durch zahlreiche Irrtümer geschmälert. Die Be- freiung Gottfried Kinkels aus der Festung Span- dau beispielsweise erfolgte nicht 1859, sondern 1850, und Carl Schurz w a r es, der diese T a t vollbrachte, anstatt selber bis 1852 dort einzusit- zen, wie unter seinem N a m e n suggeriert wird, obwohl zwei Zeilen zuvor davon die Rede war, er sei 1849 in die Schweiz entkommen. D a ß je- doch der Prinz von Preußen den südwestdeut- schen Aufstand nicht schon im M ä r z 1849 nie- derschlug, hätte sich selbst aus der »Zeittafel«

zur Biographie der Autorin (S. 116 ff.) ablesen lassen, so lücken- bzw. fehlerhaft die Angaben f ü r jenes entscheidende J a h r sonst auch sind.

D e n n danach wäre sie am 20. Mai von Köln in die Pfalz aufgebrochen und hätte sich am 23.

Juli aus der Festung Rastatt über den Rhein ge- rettet, während das zwischenzeitliche Gesche- hen im einzelnen undatiert bleibt. Uber die tat- sächliche Chronologie kann jedoch kein Zweifel bestehen. D a der T a g der Anreise erklärter- maßen mit dem Mainzer Kriegsrat der Interven- tionsstreitkräfte zusammenfiel, m u ß es sich um den 12. Juni gehandelt haben, und ebenso un- mißverständlich geht aus den Erinnerungen her- vor, daß die Flucht des Ehepaars Anneke kurz vor der Einschließung Rastatts, also am 30. Juni,

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stattfand und nicht bei dessen Kapitulation, was den Berichtszeitraum der Memoiren auf knapp drei W o c h e n eingrenzt.

N a c h wie vor lesenswert ist übrigens das 1929 entstandene »Lebensbild« von Mathilde Fran- ziska Anneke aus der Feder von Anna Bios (S.

119—131), der Gattin des sozialdemokratischen Revolutionshistorikers und württembergischen Staatspräsidenten. Was hingegen Helga Lennarz anschließend noch zu bemerken weiß (S.

132 — 138), hat mit historischer Erkenntnis nur mehr wenig zu tun. Doch auch wer bloß erfah- ren möchte, wie die Uberschrift gemeint ist, wird enttäuscht. D a z u fällt nämlich im weiteren kein einziges Wort. O b es sich allerdings je hätte plausibel machen lassen, die Reichsverfas- sungskämpferin als »Katharina Blum des V o r - märz« zu apostrophieren, darf füglich bezwei- felt werden. Ein Ubermaß an Druckfehlern be- kräftigt den unerfreulichen Eindruck, den ein gut gemeintes und auf den ersten Blick auch an- sprechendes Buch hinterläßt.

Rudolf Muhs

1 Als fotomechanische Reproduktion in M. Henkel, R. Taubert: Das Weib im Conflict mit den socia- len Verhältnissen. Mathilde Franziska Anneke und die erste deutsche Frauenzeitung. Bochum 1976, S.

6 3 - 1 2 1 .

Klaus Koch: Generaladjutant Graf Cren- neville. Politik und Militär zwischen Krimkrieg und Königgrätz. W i e n : Öster- reichischer Bundesverlag 1984. 252 S.

( = Militärgeschichtliche Dissertationen österreichischer Universitäten. Bd 3.) Es muß nicht immer der »Große« in der Ge- schichte sein, dessen Leben näher betrachtet werden sollte; wesentliche Hinweise f ü r das Zeitgeschehen sind sogar öfter in Biographien von »Nebenpersonen« zu finden.

D e r Sprößling einer jener zahlreichen Familien, die im Zuge der Französischen Revolution ihre Heimat verlassen hatten, Franz Maria J o h a n n Graf Folliot de Crenneville (-Poutet), hat als Angehöriger des österreichischen Militärstandes ungemein interessante Einblicke in die Politik seiner Zeit bekommen, und in zahlreichen Auf- zeichnungen, Briefen und Berichten erhielten sich seine Kenntnisse der Nachwelt. Es ist das 234 Verdienst der hier im D r u c k vorliegenden Wie-

ner Dissertation, das Material aus den verschie- densten Archiven dem Leser in guter Auswahl, in den großen Rahmen einer Biographie gestellt, vorzulegen.

Zunächst bei der österreichischen Marine tätig, sehr bald, wegen des schnelleren Avancements, zum H e e r wechselnd, kam Crenneville (1815 — 1888) im Jahre 1840 als Dienstkämme- rer zu Kaiser Ferdinand dem Ersten. H i e r ist aus dem Text ein Satz zu zitieren, den der Rezen- sent mit exakter historischer Forschung nicht in Einklang bringen kann: »Crenneville empfand seine neue Tätigkeit und das Leben am Hof als eintönig, sich selbst als unausgefüllt. So sind auch die folgenden acht Jahre fast ausschließlich von rein persönlichen Erlebnissen gefärbt und für den Historiker daher nur von geringem In- teresse.« (S. 25) Gerade die »persönlichen Erleb- nisse« sind von nicht zu unterschätzendem Wert, auch wenn sie vor der Ü b e r n a h m e in eine Arbeit sicherlich immer kritisch zu prüfen sein werden! — D e r neue Herrscher setzte ihn ab 1848 bei militärischen Aktionen in Italien ein, und 1855 ging Crenneville an den französischen H o f , da Napoleon III. einen Austausch von Mi- litärbevollmächtigten mit Wien wünschte, wobei er »insofern seiner Aufgabe gerecht (wurde), als er es einerseits unter Vermeidung bindender Zu- sagen vermochte, die französischen H o f f n u n g e n nach einer österreichischen Kriegsbeteiligung aufrechtzuerhalten, andererseits aber, . . . auf Napoleons Drängen bremsend zu wirken« (S.

62 f.). Österreich blieb im Krimkrieg neutral.

Nach seinem Wirken in Paris ging Crenneville nach Parma, um dortige U n r u h e n in den Griff zu bekommen; anschließend nahm er, in der Zwischenzeit Feldmarschalleutnant geworden, am Feldzug in Italien teil. Tagebucheintragun- gen, Briefe und Berichte geben hierzu dem Le- ser sehr gute Informationen. Seine Erfahrungen und sein Wissen führten ihn schließlich in die Funktion eines Generaladjutanten Seiner M a j e - stät (1859). Hier stand Crenneville vielleicht noch mehr in »vorderster Linie«, als er dies bis- her schon getan hatte. Die W i e d e r e i n f ü h r u n g ei- nes Kriegsministeriums führte zu zahlreichen Reibungspunkten zwischen dem Minister und dem Ersten Generaladjutanten, wobei Kochs Analysen f ü r künftige Untersuchungen ähnli- cher Art sicherlich von Bedeutung sein können.

Nicht nur militärische Aussagen finden sich in Crennevilles Aufzeichnungen, auch interessante Details zur Politik seiner Zeit und wichtige Aus- sagen zum J a h r 1866 und der daraus resultieren- den Benedek-Kontroverse. W ä h r e n d der letzten 17 Jahre im Dienste des Herrscherhauses beklei-

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dete er das Amt eines Oberstkämmerers und er- warb sich durch seine Obsorge f ü r die kaiserli- chen Sammlungen große Verdienste, obwohl

»Militärs f ü r gewöhnlich in dem Ruf stehen, nicht eben ein Nahverhältnis zur Kunst und Wissenschaft zu unterhalten« (S. 225).

Koch versteht es in seiner ganzen Untersu- chung, die politische und militärische Entwick- lung während der einzelnen Lebensabschnitte, in die Crenneville gestellt w a r — wobei der Ver- fasser z.B. auch die Orientalische Frage seit 1683 und das historische Werden des H e r z o g - tums Parma seit 1731 analysiert hat —, in den Gesamtrahmen einzufügen und doch eine sehr lesbare Arbeit zu liefern, die nicht ausufert. Ein reiches Quellen- und Literaturverzeichnis legt ein weiteres Zeugnis von der geleisteten Arbeit ab.

Lorenz Mikoletzky

geht doch diese Darstellung nicht über eine rein journalistische Arbeit hinaus. Das Fehlen von Quellenangaben und die Nichtkennzeichnung von Zitaten geben kaum die Möglichkeit, die angeführten Fakten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. So wie manche frühere V e r ö f - fentlichung zum gleichen T h e m a ist auch diese in Form und T o n reißerisch und in ihren For- mulierungen fragwürdig. H i n z u kommt, d a ß viele Teile der Darstellung nicht dem Titel des Buches entsprechen — so die Exkurse über das deutsche und das österreichische Kaiserhaus oder über den Fall der M a t a H a r i und »anderer Spionagekollegen«. Fragwürdig ist auch die Bildauswahl: so bringt der Verfasser u.a. Stand- fotos aus älteren und jüngeren Redl-Filmen.

Den Anspruch, eine wissenschaftliche Bearbei- tung der Redl-Affäre zu sein, kann dieses Buch nicht erheben.

Helmuth Forwick

Georg Markus: D e r Fall Redl. Mit unver- öffentlichten Geheimdokumenten zur fol- genschwersten Spionage-Affaire des Jahr- hunderts. Wien, M ü n c h e n : Amalthea 1984. 286 S.

Der Spionagefall des Obersten im Generalstab und Chef des k. u. k. Kundschaftsdienstes Alfred Redl und die Folgen seines Verrats f ü r die öster- reichisch-ungarische Monarchie sind bis heute, mehr als 70 Jahre danach, immer wieder Gegen- stand von Veröffentlichungen unterschiedlicher Art geworden. Die Erwartung, daß jetzt die Auswertung bisher »unbekannter Geheimdoku- mente« neue Erkenntnisse über die Spionage vor und im Ersten Weltkrieg vermittelt, wird rasch enttäuscht. Wiederum stehen allein die schil- lernde Person des Offiziers Redl, sein Privatle- ben, sein schneller Aufstieg aus bürgerlichen Verhältnissen, seine überraschend guten Bezie- hungen zum zaristischen russischen Geheim- dienst, besonders aber seine homosexuelle Ver- anlagung im Vordergrund.

Wenn der Verfasser auch in seinem V o r w o r t sagt, daß er sich zum Ziel gesetzt habe, »die Hintergründe der Redl-Affaire erstmals nicht in Form einer fiktiven Erzählung zu durchleuch- ten«, sondern einen »recherchierten D o k u m e n - tarbericht« vorzulegen und d a z u auch eine große Anzahl berufener Persönlichkeiten, die ihm mit Auskünften gedient haben, anführt, so

Ruddock F. Mackay: Balfour. Intellectual Statesman. O x f o r d , N e w Y o r k : O x f o r d University Press 1985. X I , 388 S.

D e r konservative britische Politiker Arthur James Balfour w u r d e am 25. Juli 1848 zu Whit- tingehame geboren. Wie in England bei Karrie- risten — auf welchen Gebieten auch immer — beinahe die Regel, zumal in der Vergangenheit, erhielt er seine Erziehung in Eton und Cam- bridge. 1874, im Alter also von lediglich 26 J a h - ren, wurde er Abgeordneter und Privatsekretär seines Onkels Robert Arthur Salisbury, der da- mals Staatssekretär f ü r Indien war. 1886 w a r Balfour im Kabinett Salisbury Sekretär f ü r Schottland, 1887—90 f ü r Irland; von 1891 bis 1902 hatte er das Amt des Finanzministers, von 1902 bis 1905 das des Premierministers inne. Als Premierminister Schloß er 1904 die englisch- französische Entente. V o n 1906 bis 1911 w a r er Oppositionsführer der Konservativen, 1915 M a - rineminister, von 1916 bis 1919 leitete er das Außenministerium. V o n 1925 bis 1929 wirkte er als Lordpräsident.

Damit sind die wichtigsten Stationen im Leben Balfours genannt, was die Frage aufwirft, auf- grund welcher Fähigkeiten der Politiker und Staatsmann Balfour eine so steile Karriere ma- chen konnte. Zu seiner Überraschung erfährt der Leser in der Biographie Mackays, d a ß Bai-

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four nicht nur lediglich durchschnittlich begabt war, sondern seine mangelhafte Begabung auch nicht durch Fleiß zu kompensieren suchte. Sieht man einmal davon ab, daß Nepotismus offen- sichtlich wesentlich zur Karriere Balfours bei- trug, dann bestätigt sie ein Bismarck zugespro- chenes Diktum, daß es ein Glück f ü r die Menschheit sei, nicht zu wissen, mit wie wenig Verstand die Welt regiert werde.

D e r Autor hat das offensichtliche Defizit Bal- fours in intellektueller Hinsicht, das er detail- liert schildert, durch die Feststellung zu kom- pensieren versucht, daß er auf die angeblich scharfsinnige Gesprächs- und Unterhaltungs- weise in der Familie Balfours eingehend abhebt.

Es fällt nicht leicht, einer derartigen Beweisfüh- rung zu folgen, zumal angesichts des zur Bega- bung Balfours Gesagten. Uberzeugender wirkt demgegenüber der weniger stark akzentuierte Einfluß, den der Nepotismus auf Balfours Kar- riere hatte. Sie beeindruckt trotz allem, zumal er weder über Charisma verfügte noch ein Volks- tribun war, der zu begeistern und die Massen mitzureißen verstand. O b die ihm durch den Autor zugesprochene Intelligenz vor allem unter Berücksichtigung des Niveaus der damaligen Politiker Großbritanniens zu interpretieren ist, oder ob sie in der T a t Balfour auszeichnete, muß angesichts des hierzu Geschriebenen da- hingestellt bleiben, auch bei Berücksichtigung seiner literarischen W e r k e , als deren bedeutend- ste »A Defence of Philosophie Doubt« und »The Foundation of Belief« zu betrachten sind. Er- hebliche Zweifel bleiben allerdings. D e r Verfas- ser hat, obwohl manches nur andeutend — so Balfours labile Gesundheit und die daraus er- wachsenden Konsequenzen, ebenfalls sein Jung- gesellendasein — ein ebenso interessantes wie wichtiges Buch geschrieben, wichtig nicht zu- letzt insofern, als Balfour auch im Rahmen der deutsch-britischen Beziehungen eine bedeu- tende Rolle spielte. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges nämlich wurde er, wie erwähnt, Er- ster Lord der Admiralität (1915), und von 1916 bis 1919 war er im Kabinett Lloyd Georges Au- ßenminister. In dieser Eigenschaft bemühte er sich um den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg gegen Deutschland, zumal gelegent- lich eines Aufenthalts in den USA 1917. H i n z u - weisen gilt es aber auch darauf, daß Balfour sich während der Friedenskonferenz f ü r eine Milde- rung der Deutschland und Österreich betreffen- den Vertragsbestimmungen einsetzte.

Konrad Fuchs 236

Jean-Pierre Cartier: D e r Erste Weltkrieg 1 9 1 4 - 1 9 1 8 . Mit 101 Abbildungen, 10 Karten, Zeittafel, Bibliographie, Perso- nen- und Sachregister. Aus dem Französi- schen von Ulrich Friedrich Müller. M ü n - chen, Zürich: Piper 1984. 738 S.

In Stil und Aufmachung den Spuren seines Va- ters Raymond folgend, sucht jetzt Jean-Pierre Cartier mit dem Ersten Weltkrieg dessen »Welt- geschichte des 20. Jahrhunderts« um die Jahre 1914 — 1918 zu komplettieren. Wie bei den V o r - läufern zu Zwischenkriegszeit, Zweitem Welt- krieg und Nachkriegsära wird auch hier als Adressatenkreis nicht eigentlich die Fachhisto- rie, sondern ein historisch interessiertes, breite- res Publikum angesprochen. Den Leser bald mit geschickt ausgewählten Detailschilderungen fes- selnd, bald mit einer von Sarkasmen und Ironi- sierungen strotzenden Sprache in die kleinen Schwächen der Großen dieser Welt einweihend, entsteht so ein weiteres jener lebendigen, j o u r - nalistisch flott geschriebenen Zeitgemälde aus dem historiographischen Familienunternehmen Cartier. Seine Stärken liegen in den oft treffsi- cheren Personenskizzen, in einfühlsamen Ein- blicken in den Soldatenalltag oder in kritischen Abrechnungen mit einer militärischen Führung an allen Fronten, der gegen die verheerende Feuerkraft kaum mehr als der menschenver- schleißende Frontalangriff einfiel.

Damit sind freilich auch schnell die Grenzen ei- nes Unterfangens erreicht, das sich ehrgeizig als

»Weltgeschichte« anpreist, denn dieser »Große Krieg« war eben mehr als das große Sterben an der Front. Mit dem sicher leserwirksamen Sprin- gen von Großoffensive zu Großoffensive allein ist heute nicht einmal mehr seine kriegsge- schichtliche Gestalt hinlänglich zu erfassen.

Kriegswirtschaft in diesen Jahren reichte bereits ebenso weit über ein bißehen Waffenentwick- lung und Munitionsherstellung hinaus, wie Kriegspropaganda den Rahmen von ein paar flammenden Tagesbefehlen bei weitem übertraf.

Zum Geschehen draußen müssen die Wechsel- wirkungen mit der H e i m a t f r o n t gesehen wer- den, denn f ü r diesen Weltkrieg wurden nicht nur Millionenheere, sondern ganze Massenge- sellschaften mobilisiert. Schließlich kommt welt- geschichtlicher Anspruch nicht aus ohne ent- sprechende Fragestellungen, die den Schlach- tenfilm in ihren Dimensionen um ein Vielfaches übersteigen, denkt man etwa an das als europäi- scher Krieg begonnene, aber mit der Entmach- tung Europas endende Ringen, an den Eintritt der Flügelmächte in die weltpolitische Domi-

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nanz oder die Bedeutung des Epochenjahres 1917.

D e r Autor wollte ein historisches Sachbuch, keine wissenschaftliche Gesamtdarstellung vor- legen. Dies und seine Zielgruppe in Rechnung gestellt, bleiben dennoch zu viele Desiderata of- fen, wirkt auch die Materialauswertung aus amtlichen Gesamtdarstellungen und Memoiren zu eng, um bei allem stilistischen Lesevergnügen inhaltlich und konzeptionell zu überzeugen.

Bruno Thoß

Keith Robbim : T h e First World War. O x - ford, N e w Y o r k : O x f o r d University Press 1984. 186 S.

Das Buch gehört einem Genre innerhalb der wissenschaftlichen Literatur an, das im deutsch- sprachigen Bereich nur selten anzutreffen ist. Es ist in einer Reihe erschienen, bei der es sich Herausgeber und Verlag zur Aufgabe gemacht haben, eine breite Leserschaft und natürlich die Studenten durch ausgewiesene Fachwissen- schaftler mit T h e m e n aus allen Wissensberei- chen bekannt zu machen. Das geschieht, wie in diesem Falle, nicht in erster Linie durch eine aufwendige Ausstattung mit Bildern, Karten und Tabellen, sondern allein durch die Faszina- tion, die von einem stilistisch brillanten T e x t auszugehen vermag. Hierin liegt die Stärke die- ser gelungenen Einführung in die Problematik und die Probleme des Ersten Weltkrieges, die ohne jede Anmerkung auskommt, jedoch den augenblicklichen internationalen Forschungs- stand in allen behandelten Problembereichen wiedergibt, wie nicht nur die dem Leser emp- fohlene bibliographische Zusammenstellung am Schluß des Bandes zeigt. Diese Zusammenstel- lung macht im übrigen deutlich, mit welcher In- tensität in den letzten Jahren Themenbereiche des Weltkrieges von britischen und amerikani- schen Historikern bearbeitet worden sind.

Keith Robbins, Professor of M o d e r n History an der Universität Glasgow, hat sich d a f ü r ent- schieden, den militärischen Verlauf des Krieges in den Mittelpunkt seiner Darstellung zu rük- ken. Dabei handelt er die Landkriegführung, unterteilt nach den Kriegsjahren, in einem ge- sonderten Kapitel ab, gefolgt von einem weite- ren Kapitel über die Probleme und Formen der 237 militärischen Kriegführung, in dem dann auch

die See- und Luftkriegführung die ihnen gebüh- rende Berücksichtigung finden. Die Kriegsziele der Mächte sind ebenso Gegenstand der D a r - stellung wie das »Home Management« des Krie- ges, w o r u n t e r allerdings im wesentlichen nur das Verhältnis zwischen den zivilen und militä- rischen Führungsgruppen in den einzelnen Staa- ten diskutiert wird. Im Einleitungskapitel »En- trances and Deaths«, in dem auch die unmittel- bare diplomatische Vorgeschichte des Krieges behandelt wird, und im Schlußkapitel »The Ex- perience of War« versucht der Autor die Einstel- lung der unterschiedlichen Gruppen und ihrer Repräsentanten zum Krieg zu skizzieren, hier finden sich die einprägsamsten Formulierungen des Buches. Diese stichwortartige Inhaltsüber- sicht verdeutlicht die Perspektive, unter der das historische Geschehen betrachtet wird und könnte zugleich das Bedenken verstärken, ob die Vielzahl der Faktoren auf derart beschränk- tem Raum angemessen zur Geltung gebracht werden kann. Sicherlich bleiben Wünsche offen, aber der Autor versteht es, die von der For- schung herausgearbeiteten Ergebnisse in seiner Schilderung der wesentlichen Ereignisse und Entwicklungen anklingen zu lassen. Gerade weil aber die Interpretation der Vorgänge im V o r - dergrund steht, hätte die Beigabe von verglei- chenden Faktenzusammenstellungen in tabella- rischer Form, zum Beispiel aus dem kriegswirt- schaftlichen Bereich, eine willkommene Ergän- zung bedeutet.

D e r Leser, der die engagierte Diskussion um die Thesen von Fritz Fischer verfolgt hat, wird sich nicht mit allen Partien einverstanden erklären können; so, wenn der Autor es indirekt ablehnt, zur Frage der Verantwortlichkeiten f ü r den Ausbruch des Krieges Stellung zu nehmen. Auch die sehr pragmatische Interpretation der gesam- ten Kriegszieldebatte wird nicht mit ungeteilter Zustimmung rechnen können. Dagegen stellt die Passage (S. 104) »Governments frequently did not know, at any given point, w h a t they were fighting for. It was the fighting that mattered« mehr als einen D e n k a n s t o ß dar. Im Bereich der militärischen Kriegführung scheint dem Rezensenten die Bedeutung der Blockade vom Autor unterschätzt und das Ausmaß der deutschen militärischen Möglichkeiten zu An- fang des Jahres 1918 überschätzt zu werden. Je- doch bleibt immer zu beachten, daß dieses Buch als eine Einführung f ü r einen sehr breiten Leser- kreis gedacht ist, und die damit verbundene schwierige Aufgabe erfüllt es in hervorragender Weise.

Wilhelm Deist

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Gerald D. Feldman: V o m Weltkrieg zur Weltwirtschaftskrise. Studien zur deut- schen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1914—1932. Göttingen: Vandenhoeck &

Ruprecht 1984. 272 S. ( = Kritische Stu- dien zur Geschichtswissenschaft. Bd 60.) Mit Band 60 der »Kritischen Studien zur Ge- schichtswissenschaft« wird ein Ausschnitt aus den Arbeiten des amerikanischen Historikers Gerald D. Feldman vorgelegt. Dieser Sammel- band enthält elf von 1969 bis 1983 in unter- schiedlichsten Publikationen veröffentlichte Aufsätze, von denen acht erstmals in deutscher Sprache erscheinen.

Es ist das Verdienst vor allem von Jürgen Kocka und Hans-Ulrich Wehler, diese Aufsätze für den deutschen Leser ausgewählt und zusam- mengestellt zu haben. Die Beiträge sind f ü r diese Ausgabe nicht überarbeitet worden, son- dern es wurden »kurze Nachträge unter Berück- sichtigung neuer Forschungsergebnisse beige- fügt oder die Anmerkungen des Originals er- gänzt« (Vorwort Feldman, S. 9). Bedauerlicher- weise haben die Herausgeber im Bereich der Anmerkungen versäumt, die Zusätze und Er- gänzungen kenntlich zu machen. Auch hätten die Aufsätze noch um die eine oder andere Be- legstelle vermehrt werden können.

Im Vorwort stellt Feldman selbst seine Arbeiten vor und gliedert die Aufsätze in folgende drei Gruppen:

1. Zur Geschichte der Periode 1914 — 1923;

2. Industrie und Arbeiterschaft in der Krise 1 9 1 7 - 1 9 2 0 ;

3. Zur Organisation und Politik des deutschen Unternehmertums.

Seit seiner Dissertation (Army, Industry and La- bor in Germany, 1914—1918. Princeton, Ν . J.

1966) bemüht sich Feldman, Faktoren der so- zio-ökonomischen Entwicklung Deutschlands in der ersten H ä l f t e des 20. Jahrhunderts her- auszuarbeiten und auf Forschungsdesiderate aufmerksam zu machen, ζ. B. in »Der Histori- ker und die deutsche Inflation« (S. 55 ff.). Seine kritisch analytische Vorgehensweise setzt er im V o r w o r t zu diesem Band gegen jene Alltagsge- schichtsschreibung ab, die zur antiquarischen Ansammlung trivialer Fakten verkümmere »und schließlich die T e n d e n z (habe), historische Sachverhalte allein aufgrund der sogenannten Mentalität einer Gesellschaft zu erklären und dabei die politische Komponente ins Abseits zu drängen« (S. 8).

D e r erste Teil der Aufsatzsammlung enthält die 238 bedeutende Arbeit über »Die sozialen und poli-

tischen Grundlagen der wirtschaftlichen Mobil- machung Deutschlands 1914—1916«, in der Feldman nachweist, daß kriegswirtschaftliche M a ß n a h m e n der Großindustrie (bei Feldman fast immer synonym f ü r Schwerindustrie) »nicht allein von der tiefen Sorge um die nationale Verteidigung und von den sachlichen Erwägun- gen dessen, was die militärische Lage erfordert, bestimmt« wurden (S. 13), sondern d a ß Eigenin- teressen überwogen (Exportgeschäfte, große Gewinne durch Weitergabe der Aufträge des Kriegsministeriums an Subunternehmer). In die- ser Studie werden zweifelsohne provokante Thesen aufgestellt, die zu weiteren, detaillierten Studien, ζ. B. über das Verhalten der chemi- schen Industrie, anregen.

In dem Beitrag »Wirtschafts- und sozialpoliti- sche Probleme der deutschen Demobilmachung 1918/19« geht Feldman nicht der üblicherweise gestellten Frage nach, »wie die Verlierer hätten gewinnen können«, sondern »wie die Sieger ge- winnen konnten« (S. 84).

Im dritten Teil beleuchtet der Aufsatz »Die Großindustrie und der Kapp-Putsch« das Ver- halten der Zentralarbeitsgemeinschaft (ZAG) und der Großindustrie, »weil anhand des durch den Putsch ausgelösten Spektrums von Reaktio- nen eine Analyse der Einstellung bedeutender sozialer und politischer Gruppen gegenüber der Republik während dieser kritischen Zeit mög- lich wird« (S. 192).

Aus unterschiedlichsten Gründen lehnten fast alle Vertreter der Großindustrie den Kapp- Putsch ab, dennoch sind Äußerungen wie die Carl Dulsbergs von einer »neuen Regierung« im weitesten Sinne entlarvend. Im unentschlosse- nen Handeln der ZAG werden G r ü n d e f ü r das Aufkommen des Nationalsozialismus sichtbar.

Für das abweichende Verhalten der Arbeitsge- meinschaft der Chemischen Industrie, die den Generalstreik unterstützte und empfahl, die Streiktage zu bezahlen, fehlt noch immer eine hinreichende Erklärung.

Ein Schriftenverzeichnis hätte den Überblick über Feldmans Arbeitsthemen und Forschungs- gebiete abgerundet. Auch stören einige Druck- fehler den Gesamteindruck der Ausgabe. D e n - noch wird mit diesem Band eine verdienstvolle Sammlung wichtiger Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Deutschlands von 1914 bis 1932 vorgelegt.

Manfred Rasch

(15)

Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik.

München, Wien: Oldenbourg 1984.

274 S. ( = Oldenbourg — Grundriß der Geschichte. Bd 16.)

Gemäß den Zielvorstellungen der Reihe

»Grundriß der Geschichte« hat es E. Kolb un- ternommen, eine gut lesbare Darstellung des hi- storischen Geschehens von 1918 bis 1933 zu lie- fern, die Summe des heutigen Forschungsstan- des über die Weimarer Republik zu ziehen und diesen Abschnitt deutscher Geschichte in die ge- samteuropäischen und weltpolitischen Zusam- menhänge zu stellen. Das in erster Linie als Ar- beitsinstrument für Lehrer und Studenten der Geschichte gedachte, aber auch den interes- sierten Nichtfachmann ansprechende W e r k glie- dert sich in drei Teile. D e r erste (S. 1 —142) zeichnet mit knappen und klaren, auf das W e - sentliche beschränkten Zügen den Gang der Entwicklung vom Kriegsende bis zum Regie- rungsantritt Hitlers nach. Die Kapitelfolge hält sich an die nun bereits Tradition gewordene Dreiteilung in den Zeitraum der »Entstehung und Selbstbehauptung der Republik« (1918/19 bis 1923), die Phase der »relativen Stabilisie- rung« (1924—1929) und die Jahre der »Auf- lösung und Zerstörung der Republik«

(1930 — 1933). Der Verfasser warnt aber zu Recht davor, diese Periodisierung mit tiefen Zä- suren gleichzusetzen, die »qualitativ unter- schiedliche Phasen in der Entwicklung von Staat und Gesellschaft in Weimar-Deutschland ge- geneinander abheben« (S. 151). Selbst in den

»goldenen Jahren« von 1924 bis 1929 gelang nur eine relative Stabilisierung, die gefährliche öko- nomische Ungleichgewichte und tiefgreifende soziale Gegensätze allenfalls notdürftig über- deckte.

Den eindrucksvollen Passagen über die »stek- kengebliebene Revolution« und die Entstehung der Republik ist anzumerken, daß sich Kolb als Historiker der Rätebewegung einen N a m e n ge- macht hat. Nicht ganz so souverän bewegt er sich auf dem Feld der Außenpolitik. Hier sind einige sachliche Mängel und Auslassungen zu verzeichnen. Das internationale Konsortium, das den Wiederaufbau und die ökonomische Er- schließung Rußlands in die H a n d nehmen sollte, war kein französisches, sondern in der Hauptsa- che ein englisches Konzept. Das muß sich auf die Einschätzung der Verhandlungssituation in Genua und die Beurteilung des Rapallo-Ver- trags auswirken und ist deshalb gravierender als die Tatsache, daß an der Genua-Konferenz

nicht — wie Kolb schreibt — 28, sondern sogar 34 Staaten teilnahmen1. Der Plan einer Zoll- union mit Österreich, dessen Scheitern erhebli- che innenpolitische Rückwirkungen hatte, fin- det keine Erwähnung. Andererseits beeindruckt die differenzierte Betrachtung der widersprüch- lichen kulturellen T e n d e n z e n und Strömungen in den zwanziger Jahren (S. 91 — 106). Insge- samt tritt das persönliche M o m e n t hinter das Bemühen um Objektivität und Ausgewogenheit zurück. Durch die seitlich herausgerückten Stichwortüberschriften wird der handbuchartige Charakter der Darstellung noch optisch unter- strichen.

Dem mit Daten und Fakten bereits einigerma- ßen vertrauten Leser bringt der zweite Teil (S.

143 — 216), der den »Grundproblemen und T e n - denzen der Forschung« gewidmet ist, größeren Gewinn. Z w a r stand bereits die Entstehung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik im Zei- chen der Suche nach den »Lehren von Weimar«, eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinander- setzung begann aber erst in den fünfziger Jah- ren, wobei sich die Aufmerksamkeit zunächst auf die Periode des Niedergangs der Republik konzentrierte. Im folgenden J a h r z e h n t wurden dann auch Revolution und »Mittelphase« zum Gegenstand intensiver Forschungsanstrengun- gen. Inzwischen zählt die Weimarer Epoche, nicht zuletzt dank gewichtiger Beiträge von aus- ländischen Wissenschaftlern, zu den am gründ- lichsten erforschten Abschnitten der deutschen Geschichte. Angesichts der verheerenden Aus- wirkungen der Hitler-Diktatur kreisen die Fra- gen immer wieder um die Ursachen der Instabi- lität und die Gründe f ü r das Scheitern der Repu- blik. Dabei zeichnen sich drei Entwicklungsli- nien ab: Zum einen sind im Laufe der Zeit alle monokausalen Erklärungsversuche ad acta ge- legt worden und dem Bemühen gewichen, kom- plexe Zusammenhänge aufzuhellen und Ursa- chengeflechte zu entwirren; zum zweiten wird zunehmend weniger in Schwarzweißschablonen geurteilt (etwa über die H a l t u n g der Sozialde- mokraten während der Revolution, die alliierten Staatsmänner auf der Versailler K o n f e r e n z oder die Kanzlerschaft Brünings), als vielmehr nach den Rahmenbedingungen des politisch-gesell- schaftlichen Prozesses und nach den » H a n d - lungsspielräumen« der Entscheidungsträger ge- sucht; drittens schließlich scheint sich das Inter- esse neuerdings von der politisch-ökonomischen Ebene hin zu bewußtseinsmäßigen und ideologi- schen Faktoren, zu »Mentalitäten« und zu kul- turellen Phänomenen im weiteren Sinne zu ver- lagern.

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