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«KOMMEN SIE MIT IHREN ANWÄLTEN ODER KOMMEN WIR MIT IHNEN INS GESPRÄCH?»

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Im Portrait:

Nico

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«KOMMEN SIE MIT IHREN ANWÄLTEN ODER KOMMEN WIR MIT IHNEN INS GESPRÄCH?»

«Weid 21» – mein GPS vermag damit nichts anzufangen.

Immerhin kennt es Netstal, das Dorf kurz vor Glarus. Dort, wo die Weite der Ebene beidseitig abrupt begrenzt wird. Von Bergen, die links und rechts so steil und so weit emporragen, dass man ihre Spitzen nicht zu erkennen vermag. Wegen der Wolken, die über dem Tal hängen und ihre Dimensionen op- tisch beengen. Zwar hat der Regen nachgelassen. Aber die Temperatur von 13 Grad Celsius lässt mich frösteln, zumal es Ende Juli und damit Ferienzeit ist.

Entsprechend treffe ich zu Hause die ganze Familie an.

Mutter Eva Rickenbach, Vater Beat Himmelberger und ihre beiden Söhne Nico (*2005) und Luca (*2009). Das Wetter kann der Familie offensichtlich nichts anhaben. Sie hat vor wenigen Wochen dieses Haus bezogen – ihr eigenes Haus voller Grosszügigkeit (vier Stockwerke), Behaglichkeit, Wärme.

«AM ANFANG WAR ALLES NORMAL»

Warm ist auch der Empfang – Hausherrin und Hausherr bieten mir gleich bei der Begrüssung unkompliziert das «Du»

an, lassen mich an ihrer Freude über das eben erst erworbe- ne Heim teilhaben. Und auch an ihrem Leben, das sich am 25.

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September 2005 dauerhaft veränderte. Damals kam Nico auf die Welt. «Am Anfang war alles normal», sagt Eva, «aber als er zwei Wochen alt war, haben wir gemerkt, dass er eine Seh- behinderung hat.»

Etwas verwundert frage ich, wie man eine Sehbehinde- rung bei einem eben erst geborenen Kind feststellen könne.

Eva klärt mich auf. Dass ein Sehtest zu den Standardtests ge- hört, die kurz nach der Geburt durchgeführt werden. Dass der Kinderarzt zu diesem Zweck mit einer Taschenlampe in die Augen leuchtet. Dass es dann einen Reflex geben müsste – den Fundusreflex. Und dass es umgekehrt keinen Reflex gibt, wenn das Licht der Taschenlampe auf eine Trübung trifft – den grauen Star.

Eva macht mich auf etwas aufmerksam, was mir zwar auf- gefallen ist, aber was ich nicht zu deuten vermochte: die Be- sonderheit ihrer Augen. Genauer gesagt: den grauen Star, den sie hat.

VISUS 0.06 UND 0.16 – UND DOCH ERFOLGREICH IN DER SCHULE

«Ich sehe bedingt», erklärt sie. Links beträgt der Visus 0.06, rechts 0.16. Was heisst: Die Sehkraft des linken Auges liegt bei 6 Prozent, jene des rechten Auges bei 15 bis 16%.

Der graue Star begleitete sie durchs Leben. Zuerst an eine Sonderschule für Sehbehinderte und Blinde in Baar. Dann an die Höhere Handelsschule, die sie mit der Berufsmatura ab- schloss. In der Stimme von Eva schwingt ein wenig Stolz mit, als sie davon spricht, wie sie dieselben Prüfungen absolvierte wie alle anderen Schülerinnen und Schüler, mit dem kleinen Unterschied, dass ihr beim Lösen der Aufgaben ein klein we- nig mehr Zeit eingeräumt wurde. Ausser beim Diktat. «Diktat ist eben Diktat.»

Zurück zu Nico. Der Test mit der Taschenlampe ist von ru- dimentärer Art und «man findet», bemerkt Eva, «nicht immer heraus, wie es um die Augen bestellt ist. Manche Ärzte emp- fehlen deshalb den Gang zum Spezialisten.»

«EIN GRAUER STAR VON GEBURT IST EINE SELTENHEIT»

Nach der Vorgeschichte von Eva war es jedenfalls nahe- liegend, dass «wir bewusst zu einer Augenuntersuchung ge- gangen sind». Dabei: «Ein grauer Star von Geburt ist eine Sel- tenheit», weiss Eva. Wobei sie darauf verweist, wie schwierig es – selbstredend – sei, von einem Baby eine Rückmeldung zu erhalten.

Fakt war: Bei Nico wurde eine Sehbehinderung diagnosti- ziert und den Eltern ans Herz gelegt, eine Operation vorneh- men zu lassen, und zwar in der fünften oder sechsten Le- benswoche.

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Eva und Beat folgten dem Ratschlag. Ziel der Operation war es, eine organisch gewachsene Linse zu entfernen, so dass es einen Lichteinfall gibt und das Auge zum Sehen ani- miert wird.

Gesagt, getan. Die Operation verlief, was die Augen bzw. das Sehen anbelangt, erfolgreich. Aber: Sechs Stunden nach der Operation traten Komplikationen auf. Nico bekam Krampfan- fälle – epileptische Anfälle. Auf irgendeine Art hatte er ein Hirnödem erlitten, und von dieser Hirnschwellung war der ganze hintere Drittel seines Hirns betroffen.

Doch wie kam es dazu?

Wurde die Schwellung durch die Operation ausgelöst?

War eine Schwellung bereits vor der Operation vorhanden?

Wurde die Schwellung durch die Operation grösser?

IRGENDETWAS LIEF SCHIEF

Fragen über Fragen. Eva und Beat versuchten, Antworten darauf zu finden.

Sie sprachen mit sechs Chefärzten. Sie hatten das Gefühl, dass irgendetwas nicht optimal verlaufen sei. Dazu den Ein- druck, dass die Ärzte sehr nervös seien.

Das Spital stellte sich auf den Standpunkt, dass kein kausa- ler Zusammenhang zwischen der Operation und der Schwel- lung bestehe – oder dass dieser Zusammenhang zumindest nicht bewiesen werden könne.

Eva und Beat hatten und haben die Vermutung, dass «nicht die Anästhesie angewandt wurde, die nötig gewesen wäre, oder dass die falschen Medikamente verabreicht wurden oder dass zu viele Medikamente gegeben wurden oder dass sie falsch gegeben wurden».

«WIR BRAUCHEN NICHT ANWÄLTE»

Die Eltern von Nico reden von den Ereignissen in einer Klarheit und Detailtreue, als ob sie nicht fast 12 Jahre zurück- lägen, sondern eben erst geschehen wären. Und dennoch mag ich darin nicht eine halbe Silbe herauszuhören, die in Richtung Wut oder Verbitterung und auch nur Hadern mit dem Schicksal gehen könnte. Dabei: Die Ärzte nahmen Eva und Beat mit den Worten in Empfang: «Kommen Sie mit Ihren Anwälten oder kommen wir mit Ihnen ins Gespräch?»

Nach Anwälten und jahrelangem Prozessieren stand den Eltern der Sinn indes ganz und gar nicht. Vielmehr gaben sie zur Antwort: «Wir brauchen nicht Anwälte – wir brauchen medizinische Betreuung für unser Kind.» Eine Aussage, die zur Beruhigung der Situation führte. Auch wenn sie die Gret- chenfrage nicht aus der Welt zu schaffen vermochte: Ist Nico in seiner Wahrnehmung von Geburt auf beeinträchtigt? Oder ist die Beeinträchtigung eine Folge der Operation?

Niemand weiss es, niemand wird es je wissen.

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KÜNSTLICHES KOMA UND ZWEITER GEBURTSTAG Die medizinische Betreuung führte zur Verlegung vom Triem- lispital in Zürich, wo Nico von einem Augenspezialisten operiert worden war, ins Kinderspital Zürich. Dort wurde Nico ins künst- liche Koma versetzt. Auslöser dafür war die Befürchtung der Ärzte, dass «er wieder chrampfet», dass er also erneut epilepti- sche Anfälle erleidet, falls er zu schnell wach wird.

Im Kinderspital wurden weitere Untersuchungen vorge- nommen, um den Schwellungen auf die Spur zu kommen.

EEG, EMRI – das ganze Programm. Ergebnis: einerseits klar erkennbare, auffällige Kurven. Andrerseits sehr unkonkrete Aussagen über den Zeitpunkt, wann die Hirnschwellung ein- getreten ist («in den letzten Wochen»).

Am Abend des 4. November 2005 – nach insgesamt 10 Ta- gen Spitalaufenthalt – hat Nico seine Augen wieder aufge- macht. «Es war wie sein zweiter Geburtstag», erinnert sich Eva und fügt mit der grenzenlosen Freude der besorgten Mutter an: «Wir haben unseren Buben wieder.»

MEDIKAMENT MIT SEHR, SEHR STARKER BETÄUBEN- DER WIRKUNG

Ungetrübt war die Freude nicht.

Nico bekam Beruhigungsmittel verabreicht, genauer ge- sagt Phenobarbital, ein Medikament «mit sehr, sehr starker betäubender Wirkung», wie Beat bemerkt. Und er muss es wissen: Denn er wagte den Selbstversuch und nahm das Me- dikament selber ein.

Bei Nico führte Phenobarbital dazu, dass er viel geschlafen hat, ja dass er letzten Endes «nur geschlafen und gegessen und wieder geschlafen hat».

Bei Beat führte Phenobarbital bei der einmaligen Einnah- me dazu, dass er sich wie ein Roboter fühlte – ferngesteuert.

Eva konstatierte: «Wenn Nico immer nur schläft, kann er sich nicht bewegen und nicht spielen und nichts lernen.» Zu- dem: «Für uns war klar, dass er die Chrampfanfälle wegen der Operation hat.»

Nico hätte Phenobarbital bis zu seinem 15. Altersjahr neh- men müssen. Das kam für die Eltern nicht in Frage. Deshalb beschlossen sie, das Medikament nach einiger Zeit abzuset- zen. Selbstverständlich nicht Knall auf Fall. «Wir haben uns professionell davon verabschiedet – jede Woche einen Trop- fen weniger, so dass uns niemand vorwerfen kann, wir hätten Nico einfach kaltgestellt.»

Der Neurologe hatte geraten, Phenobarbital weiterhin zu verabreichen. Allerdings hat er den Stopp akzeptiert.

Nico stand weiterhin unter ärztlicher Kontrolle. Die Kadenz der Untersuchungen nahm allerdings ab. Schliesslich wurden sie nur noch halbjährlich vorgenommen. Parallel dazu ver- flachten sich auch die Kurven der Epilepsieanfälle – für Eva

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und Beat die Bestätigung, «dass Nico kein Epileptiker ist, dass er nur eine Sehbehinderung hat – aber einen Stress durch die Operation hatte».

Im Alter von sieben Jahren, vor der Einschulung, begannen die «Chrampfanfälle» wieder. In der Zeit davor hatte Nico kei- ne Krampfanfälle mehr (wie er sie einzig bei der Augenopera- tion als Baby erlitt).

ERSTE BERÜHRUNG MIT «FÜHREN»

Doch blenden wir nochmals zurück. Nico ist wenige Mona- te alt. Eva und Beat fällt auf, «dass er sich nur langsam be- wegt». In Reichweite gibt es zwei Physiotherapeutinnen. Die nähere in Näfels. Die entferntere in Weesen SG.

Als Glarnerin entscheidet sich Eva für Näfels. Doch nach vier oder fünf Therapiestunden ist aus damit. Wenn die The- rapeutin versuchte, Nico zu drehen, schrie er. «Sie kam mit ihm einfach nicht zurecht.»

Eva fährt mit Nico nach Weesen. Die dortige Physiothera- peutin hat andere Ausbildungen – und Erfahrungen mit ei- nem sehbehinderten Kind. Eva: «Sie hat viel gemacht mit Kör- perwahrnehmung, mit dem Taktilen. Sie hat auch ‹geführt›

gearbeitet – etwas, das ich bis dahin nicht kannte.»

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Einschub: Eva und Beat weisen darauf hin, dass sie bereits frühzeitig angefangen hätten, «zuzuordnen, was ist Sehbe- hinderung und was ist neurologisch bedingt».

LOW-VISION-BERATUNG

Ins Kapitel «Sehbehinderung» gehört die «Low-Vision-Be- ratung», eine Art Früherziehung. Nico kam in deren Genuss vom vierten Lebensmonat an. Via Kinderarzt und via Visopa- rents, dem Verein von Eltern blinder, seh- und mehrfach be- hinderter Kinder, fanden Eva, Beat und Nico zu Sybille Oebel.

Sie begleitete Nico und später Luca bis zur Einschulung bzw.

bis zum Kindergarten.

Sybille Oebel war es auch, die mit dem Affolter-Modell®

vertraut war, die mit Nico (und auch Bruder Luca) nach dem Affolter-Modell® arbeitete und den Eltern empfahl, bei der Stiftung wahrnehmung.ch in St.Gallen eine Abklärung vorzu- nehmen.

«Nico hat lange Zeit nur ‹gebrabbelt› und nicht geredet. Er konnte zwar gewisse Wörter, doch der Wortschatz ist nicht weiter gewachsen», blickt Eva zurück. Also besuchte Nico im Alter von zwei Jahren die Logopädie in der Heilpädagogi- schen Schule Niederurnen.

LOGOPÄDIE BRINGT NICHTS

Das Fazit nach gut zwei Jahren, als Nico also bereits vier Jahre alt war: «Logopädie bringt nichts – wir brechen damit ab.»

Die Abklärung bei der Stiftung wahrnehmung.ch war für die Familie dann fast wie eine Erlösung. Die erste Begegnung mit Sabine Augstein dauerte zwei Stunden. In dieser Zeit hat Nico nach Beobachtung von Eva und Beat «nicht sehr viel gemacht. Aber wir haben von Sabine eine sehr passende Be- schreibung bekommen und sofort gemerkt, dass hier Fach- leute am Werk sind.»

Nach dem «knackigen Feedback» von Sabine Augstein fuhr Nico alle zwei Wochen zur Therapie nach St.Gallen – seit er in den Kindergarten geht, also seit nunmehr über fünf Jahren.

Der Kindergarten war auch anderweitig ein Wendepunkt.

Nico wurde um ein Jahr zurückgestellt und besuchte den

«kleinen Kindergarten» in Näfels im Alter von sechs Jahren.

Wichtig war den Eltern die soziale Integration, dass Nico also im Dorf bleiben kann. «Ziel wäre es gewesen, Nico die Welt zu öffnen, aber behutsam, und ihn dabei mit anderen Kindern agieren zu lassen.»

DAS GESPÜR FÜR NICO FEHLTE

Ein schwieriges Vorhaben. Mit den anderen Kindern verlief die Sache gut. «Die Schwierigkeit bestand in den Lehrperso- nen», sagt Eva. Die Kindergärtnerin habe sich viel Mühe ge- geben. Jedoch haperte es mit dem Heilpädagogen, der für

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die Integration zuständig gewesen wäre – ein Primarlehrer, der im Alter von 58 Jahren die Zusatzausbildung begonnen und zu jenem Zeitpunkt sich noch in deren Anfängen befand.

«Er hat einfach nicht das Gespür gehabt.»

Es gab Gespräche – viele Gespräche – mit der Kindergärt- nerin und mit der Schulleiterin und mit der für die schulische Integration zuständigen Frau. Eva und Beat monieren noch heute die Qualitätskontrolle: «Es genügt nicht, jemanden hin- zustellen – es geht auch darum, ob diese Person die Kinder fordern und fördern kann. Nico wurde nicht gefordert und nicht gefördert.»

DIE RETTUNG: DER «SONNENBERG»

Ursprünglich hatten Eva und Beat die Absicht, Nico ein zweites Jahr den Kindergarten an seinem Wohnort besuchen zu lassen, auch wenn er vom Alter her betrachtet alt genug für den Eintritt in die Primarschule gewesen wäre. Dazu kam es – wegen der oben geschilderten Schwierigkeiten – dann aber nicht, und Nico ging direkt in den «Sonnenberg».

Beim «Sonnenberg» handelte es sich ursprünglich um eine Schule für Sehbehinderte und Blinde. Die Institution hat eine lange Geschichte (siehe Box am Ende des Artikels), ist heute als Heilpädagogisches Schul- und Beratungszentrum ein Begriff und bietet u.a. eine Abteilung «Sehen plus» an.

«Das Angebot entspricht exakt dem Bedürfnis von Nico», sagt seine Mutter und fügt an: «Die Kinder haben es dort wirklich gut.»

Nico fährt am Morgen mit dem Taxi nach Baar (bei Zug) und am Abend wieder zurück. Montags und dienstags, donners- tags und freitags. Am Mittwoch ist sein freier Tag.

Sein Tagesablauf, wenn er den «Sonnenberg» besucht:

• 06.30 Uhr: Aufstehen, ankleiden, Zmorge essen. Seine Sa- chen für den Tag hat er am Vorabend bereitgemacht.

• 07.20 Uhr: Ankunft Taxi. Die Fahrt dauert 45 bis 60 Minuten.

Unterwegs steigen zwei oder drei andere Kinder zu.

• 08.20 Uhr: Ankunft «Sonnenberg». Nico sucht die Wohn- gruppe auf.

• 09.00–12.00 Uhr: Schulstunden inkl. Ergotherapie und Phy- siotherapie Mittagessen in der Wohngruppe.

• 13.30–15.30 Uhr: Schulstunden

• 16.45 Uhr: früheste Ankunft zu Hause. Die Ankunft kann auch erst 17.45 Uhr sein. Je nachdem, wann Nico abfährt und wie gross das Verkaufsaufkommen ist.

VIER TAGE UND ZWEI NÄCHTE «SONNENBERG»

Seit einem Jahr fährt Nico einmal weniger nach Baar und zurück. Er verbringt die Nacht vom Donnerstag auf den Frei- tag im «Sonnenberg». Von Schlafen kann dabei nur bedingt die Rede sein. «Nico ist viel zu aufgeregt, als dass er schlafen

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könnte», meint seine Mutter. In der Nacht sei er ein «ganz be- sonders Knackiger». Wenn er nicht bei ihr schlafen könne, stehe er auf und mache, was er wolle.

Bald soll Nico eine zweite Nacht im «Sonnenberg» bleiben können. Dann verbringt er Montag/Dienstag und Donners- tag/Freitag auswärts.

Für nächstes Jahr sind zusätzlich ein Entlastungswochen- ende in den Frühlingsferien und acht Entlastungswochenen- den geplant.

Eva und Beat sind über den «Sonnenberg» und die dortige Betreuung für ihren Sohn voll des Lobes. «Die Zusammenar- beit ist Spitze. Da könnten sich die öffentlichen Schulen ein Beispiel nehmen. Anders als dort geht es im ‹Sonnenberg›

stets ausschliesslich um die Sache. Wer was ist oder wer was nicht ist, spielt nicht die geringste Rolle.»

DER «SONNENBERG» UND DAS AFFOLTER-MODELL® Eine wichtige Komponente im «Sonnenberg» ist das Affol- ter-Modell®. Lehrerinnen und Lehrer und weitere Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter wurden nach dem Affolter-Modell® ausgebildet. Das Affolter-Modell® kommt u.a. in der Physio- therapie, in der Logopädie und in der Wohngruppe zur An- wendung. Im Laufe des Gesprächs erfahre ich über Nico noch viel mehr. «Er hat wahnsinnig gerne Sachen, die Töne

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machen», erzählt seine Mutter – etwa Klangbücher. Eines da- von hält Nico in Hörweite in der Hand...

Nico spielt gerne im Freien. Und ganz besonders gerne geht er ins Schwimmbad – zum Schwimmen und Tauchen.

Dort ist er in seinem Element, kann Ringe vom Bassinboden hochholen und sich über Wasser halten.

«Hat er denn keine Angst?», werfe ich ein.

Seine Mutter lacht: «Ich habe ihn frühzeitig runtergetaucht, um seine Augen sauber machen zu können – er hatte gar nicht die Möglichkeit, jemals Angst zu haben.»

Als ich über den Parkplatz zurück zum Auto gehe, macht sich die Sonne bemerkbar. Licht und Wärme und Geborgen- heit – das habe ich bereits die letzten zwei Stunden gespürt.

Trotz der Kälte bei meiner Ankunft. Und trotz der Schatten, die über der Ankunft von Nico auf der Welt vor 12 Jahren lagen.

NACHTRAG

Eva Rickenbach und Beat Himmelberger

Eva Rickenbach war nach ihrem Abschluss (Berufsmatura an der Höheren Handelsschule, siehe Haupttext) ein Jahr stellenlos. «Eine Welt ist in mir zusammengebrochen», über- kommt es sie bei den Gedanken an damals noch heute. Sie jobbte in einem Restaurant, wurde wieder stellenlos, ver- suchte den Einstieg ins Kaufmännische, schaffte ihn auch, arbeitete danach erneut in einem Restaurant, um wiederum stellenlos zu werden.

Im Rahmen der RAV-Angebote besuchte sie den OKP-Kurs (OKP = Orientierung – Kommunikation – Praktikum). Dies mit doppeltem Erfolg. Zum einen lernte sie ihren Beat kennen (siehe unten), zum anderen bekam sie ein Stellenangebot als Hauptkursleiterin von OKP-Kursen. Eva sagt über sich: «Ich habe ein gutes Flair für Menschen und für Stimmungen in der Gruppe. Ich habe das Gefühl, OKP-Kurse sind mein Ding, und ich habe eine gute Nische gefunden, um mit meiner Sehbe- hinderung eine Arbeit gut zu machen.»

Beat Himmelberger kommt aus dem kaufmännischen Be- reich. Er hat zahlreiche, zum Teil sehr ausgedehnte Reisen unternommen, die ihn durch weite Teile Asiens führten, in erster Linie nach Indien und Nepal, aber auch nach Afghanis- tan, China, Pakistan, Thailand.

Später arbeitete Beat Himmelberger als Sozialpädagoge und orientierte sich Richtung Pädagogik. Er wurde Deutsch- lehrer für Fremdsprachige und Leiter für Kurse für Arbeitslo- se. Diese Tätigkeit übte er zuerst als Freelancer im Dienste von Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) aus und heute mit seinem Unternehmen beva glarona GmbH, das er mit seiner Lebenspartnerin Eva Rickenbach gründete und

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heute zusammen mit drei Angestellten betreibt. Weitere In- formationen: www.beva-gl.ch

Der «Sonnenberg»

1925 gründete der Luzernische Blindenfürsorgeverein das Blinden-Institut Sonnenberg in Fribourg. Die Leitung über- nahmen die Franziskanerinnen des Klosters Baldegg (LU), die sogenannten Baldegger Schwestern. Gestartet wurde am 5.

Oktober 1925 mit fünf Kindern, deren Zahl rasch anstieg.

Nach 32 Jahren zog sich der Luzernische Blindenfürsorge- verein aus der Verantwortung zurück und übergab die Trä- gerschaft 1957 dem neu gegründeten Verein «Blinden- Son- nenberg». Dieser realisierte den Neubau im Juraquartier in Fribourg.

Als direkte Folge der 1960 eingeführten Schweizerischen Invalidenversicherung, nach der jedes sehbehinderte oder blinde Kind Anrecht auf Sonderschulung hat, erhöhte sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen auf 70. Die dadurch nöti- gen Um- und Neubaupläne auf dem bestehenden Areal lies- sen sich aber nicht verwirklichen. Deshalb empfahl das Bun- desamt für Sozialversicherungen, einen neuen Standort zu suchen. Da die meisten Kinder und Jugendlichen aus der In- ner- und der Ostschweiz, aus dem Tessin und aus Graubün- den kamen, drängte sich ein zentral gelegener Standort auf.

Auf Vermittlung des Luzerner Regierungsrates Dr. Walter Gut und Oberstkorpskommandant Alfred Ernst konnte der Kanton Zug als Standortkanton gewonnen werden. So wurde 1981 der «Sonnenberg» in Baar eröffnet. Der «Sonnenberg» pass- te sein Leistungsangebot laufend den Bedürfnissen der Kin- der und Jugendlichen beziehungsweise der zuweisenden Gemeinden an. Es wurden integrative Sonderschulangebote, heilpädagogische Früherziehung und unterstützende Ange- bote für die berufliche Integration entwickelt.

Auf Wunsch des Kantons Zug lancierte der «Sonnenberg»

im Jahr 2001 Angebote für Kinder und Jugendliche mit Sprachbehinderungen, Wahrnehmungsbeeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten. Seit 2008 werden auch blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche mit Mehrfachbe- hinderungen betreut.

Entsprechend den Bedürfnissen der Kinder und Jugendli- chen wurde und wird die Infrastruktur des «Sonnenbergs»

weiterentwickelt, damit eine optimale Betreuung und Beglei- tung möglich ist. So präsentiert sich der «Sonnenberg» als moderne Schulanlage mit Internat sowie vielfältigen Betreu- ungs- und Therapieeinrichtungen. Im Lauf der Jahre wurde der «Sonnenberg» mehrmals umbenannt. Die verschiedenen Bezeichnungen widerspiegeln dessen Selbstverständnis so- wie die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.

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