Büchereiperspektiven01/04
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ibliotheksbauten boomen.Stararchitek- ten wie Rem Koolhaas, Sir Norman Foster oder William Alsop liefern attraktive Entwürfe, fast scheint es, als ob ein internationaler Wettbewerb der Städte um die schönste Bibliothek stattfinden würde.
Das Interesse am Thema ist enorm, d e r A n d ra n g b e i einer dazu vom Büchereiverband Ö s t e r - r e i c h s organisierten internationa- len Konferenz war dementsprechend.
Vor fast 300 Gästen aus mehr als 20 Län- dern referierten und diskutierten am 24.
und 25. November 2003 internationale Experten – Architekten, Bibliothekare und Raumplaner – aus Belgien, Dänemark, Deutsch- land, Finnland, Großbritannien, Holland, Italien, Norwegen, Österreich, Portugal und den USA über neue Bibliotheksbauten, moderne Bibliothekskon-
zepte, Pläne und Visionen, Bibliotheksbauprogramme europä- ischer Staaten, Finanzierungsmodelle und die Bedeutung von Bibliotheksbauten für die Stadt- und Gemeindeentwicklung.
Lebendiger Diskurs zwischen Architekten, Bibliothekaren, Entscheidungsträgern
Ganz bewusst hatte der Büchereiverband Österreichs keine reine Bibliothekarskonferenz organisiert. Sondern in Partnerschaft mit der Akademie der bildenden Künste eine Konferenz zum Thema Bibliotheksbau geplant, die alle Beteiligten in diesem Bereich ein- bezog und den Diskurs zwischen Architekten, Bibliothekaren,
Städteplanern und Entscheidungsträgern anregen und den eigenen berufsspezi-
fisch engen Blick weiten sollte.
Gerade die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikati- onsvermittlung dynamisiert die- sen Bereich ungemein und ver- langt ständige Veränderungen sowohl der bibliothekari- schen als auch der bauli- chen Konzeption. Nur durch einen produktiven Dialog können anti- quierte Vorstellungen von Bibliotheken beseitigt und opti- male zeitgemäße Lösungen ge- funden werden.
Noch vor zehn Jahren gehörte es bei Zukunftsforschern zum guten Ton, das Sterbeglöcklein für die Bibliotheken einzuläuten, mittlerweile sind sie verstummt.
Angesichts der neuen Informations- und Kommunikationstechno- logien seien Bibliotheken nicht mehr zeitgemäß, hieß es, wenn nicht gar obsolet. Nicholas Negroponte, Direktor von MIT’s Media Lab und einer der renommiertesten und höchstbezahlten Prophe- ten unserer digitalen Zukunft, sah es damals zwar etwas differen- zierter, lag aber dennoch nicht ganz richtig, als er meinte: „Libra- ries, a product of the industrial revolution, will fall out of use, but librarians will not disappear“. Gleichzeitig prophezeite er eine starke Veränderung der Tätigkeiten der Bibliothekare.
Seine Prognose in Bezug auf die Bibliothekare stimmte, bezüglich der Bibliotheken irrte er gewaltig. Denn nicht nur die Arbeit des Bibliothekars hat sich in dieser Zeit – wie Negroponte richtig prognostizierte – stark verändert, sondern auch die Bibliotheken THEMA Bibliotheksbauten als kultur- und bildungspolitische Signale
Zeichen der Zeit Bibliotheksbauten als kultur- und bildungspolitische Signale
Autor:Gerald Leitner
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3 und die Ansprüche an die Bibliotheken haben sich im letzten
Jahrzehnt grundlegend gewandelt.
Neue und attraktive Bibliotheksbauten
Bibliotheken verleihen längst nicht mehr nur Bücher, sie fungieren als Informations-, Kultur- und Bildungszentren. Bibliothekare haben den virtuellen Raum für ihre Arbeit entdeckt und dazu- gewonnen, gleichzeitig gewinnt aber der physische Raum der Bibliotheken für die sozial-integrative Funktion immer mehr an Bedeutung. International ist der Trend zu beobachten, dass Bibliotheken an neuralgischen Stellen gebaut werden, um Stadt- teile aufzuwerten beziehungsweise um ein Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern: Unsere Städte brauchen dazu neue und attraktive Bibliotheksbauten.
Am ersten Tag der Konferenz standen Großbauten und Ideen und Visionen von neuen Bibliotheken im Zentrum. Architekten, Biblio- thekare und Städteplaner kamen in drei Themenblöcken zu Wort und präsentierten ihre Vorstellungen von neuen Bibliotheken. Doch es ging nicht nur um die Visionen neuer Bibliotheken, sondern es wur- den auch äußerst gelungene, soeben fertig gestellte oder noch in Pla- nung begriffene Bibliotheksbauten präsentiert, um zu zeigen, wie sehr sich die Bibliotheken im letzten Jahrzehnt gewandelt haben, welch verschiedene vielversprechende Realisierungen es gibt.
Am zweiten Tag begaben wir uns auf eine virtuelle Bibliotheks- reise durch Europa; sie führte von Finnland über Deutschland, Holland, Italien (Südtirol) bis nach Portugal. Faszinierende große und kleine Bibliotheksbauten wurden präsentiert. Deutlich wurde dabei, unter welchen ganz verschiedenen Rahmenbedingungen Bibliotheksbauten in Europa entstehen.
„Zeichen der Zeit/Signs of the Time – Bibliotheksbauten als kul- tur- und bildungspolitische Signale“ haben wir diese Konferenz genannt, weil wir glauben, dass Bibliotheksbauten Ausdruck eines kultur- und bildungspolitischen Gestaltungswillens sind,
der sich den offensichtlichen Problemen der IK-Gesellschaft stellt,
der dem sozialen Auseinanderbrechen unserer Gesellschaft entschieden entgegenwirkt
und damit die Zukunft unseres Landes offensiv gestaltet.
Ziel und Zweck dieser Konferenz war es, in diesem Sinn ein Signal auszusenden, das auch jene Entscheidungsträger erreichen sollte, die es bis jetzt noch nicht verstanden haben, das Potential der Bibliotheken für die Zukunft unseres Landes zu nutzen.
Erfreulicherweise berichteten Rundfunk und Fernsehen in so genannten Primetime-Sendungen ausführlich über die Konferenz.
Zwei Tage später gab der Salzburger Bürgermeister eine Presse- konferenz, in der er bekannt gab, dass Salzburg auch eine neue Hauptbibliothek errichten wird. Mögen noch viele folgen.
300 Teilnehmer aus mehr als 20 Ländern besuchten die Bibliothekskonferenz „Zeichen der Zeit“ im Wiener Semperdepot
Fotos: Marion Benda, Silke Rabus